Beteiligte

AOK Baden-Württemberg

Landesversicherungsanstalt Württemberg

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Oktober 1999 - L 9 RJ 1892/97 - wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Klägerin beansprucht von der Beklagten 364,76 DM.

Die Versicherte L. bezog seit 1984 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) von der beklagten Landesversicherungsanstalt, war jedoch zunächst nicht Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Mit Bescheid vom 28. März 1988 wandelte die Beklagte die Rente ab 1. Mai 1988 von Amts wegen in das Altersruhegeld um. Im Bescheid ist ausgeführt, die Versicherte habe keinen Anspruch auf einen Zuschuß zur Krankenversicherung, weil sie nicht Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung sei. Die Rechtsvorgängerin der klagenden Allgemeinen Ortskrankenkasse, die AOK K., bestätigte der Beklagten am 5. April 1988 in einer Meldung über die KVdR, die Rentnerin sei vom 1. November 1986 an aufgrund des Bezugs einer Witwenrente pflichtversichert. Die Beklagte änderte den Rentenbescheid vom 28. März 1988 zunächst nicht. Krankenversicherungsbeiträge wurden von der Rente erst seit dem 1. April 1994 einbehalten. Mit Schreiben vom 3. September 1994 teilte die Beklagte der AOK mit, für die Zeit vom 1. Januar 1990 bis zum 31. März 1994 werde der Krankenversicherungsbeitrag nur in Höhe des Beitragszuschusses abgeführt. Krankenversicherungsbeiträge bis zum 31. Dezember 1989 seien verjährt.

Die Klägerin hat 1996 Klage erhoben und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, 364,76 DM für die Zeit vom 1. Mai 1988 bis 31. Dezember 1989 zu zahlen. Die Beklagte hafte auf diesen Betrag nach § 255 Abs 2 Satz 3 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Dieser Anspruch sei nicht verjährt. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 29. April 1997). Die vom SG zugelassene Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 19. Oktober 1999). Für die Zeit bis zum 31. Dezember 1988 sei keine Grundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch gegeben. Der seit dem 1. Januar 1989 nach § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V bestehende Anspruch sei verjährt. Die Verjährungsfrist des § 25 Abs 1 des Sozialgesetzbuchs – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) gelte auch für diesen Anspruch. Sie sei für die Beiträge aus der Rente des Jahres 1989 bereits am 31. Dezember 1993 abgelaufen gewesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin. Sie rügt die Verletzung des § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), das für die Zeit vor 1989 einen Schadensersatzanspruch einer Krankenkasse gegen eine Zahlstelle iS des § 393 a Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) verneint habe, sei hier nicht anzuwenden. Das BSG habe jedoch eine Haftung für den Beitragszuschuß bestätigt und lediglich eine weitergehende Haftung des Rentenversicherungsträgers für den gesamten Beitragsausfall ausgeschlossen. In § 255 SGB V sei nunmehr eine ausdrückliche Haftungsgrundlage normiert. Der Anspruch sei auch nicht nach § 25 Abs 1 SGB IV verjährt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG vom 19. Oktober 1999 und das Urteil des SG vom 29. April 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), hilfsweise an die Klägerin 364,76 DM zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Entweder fehle es überhaupt an einer Anspruchsgrundlage für die Forderung oder diese sei jedenfalls verjährt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des SG mit Recht zurückgewiesen.

Die Klage ist als Leistungsklage zulässig. Der Senat hat allerdings bereits wiederholt entschieden, daß Krankenversicherungsbeiträge auch gegenüber anderen Versicherungsträgern durch Verwaltungsakt festzusetzen sind (vgl zuletzt BSG SozR 3-1500 § 54 Nr 22 S 53, 54 mwN). Ist ein Anspruch durch Verwaltungsakt festzusetzen, ist die Leistungsklage in der Regel unzulässig. Abweichend von diesem Grundsatz ist die Leistungsklage jedoch zulässig, wenn zweifelhaft ist, ob der geltend gemachte Anspruch durch Verwaltungsakt festgesetzt werden könnte (BSG SozR 3-1500 § 54 Nr 22 S 53, 56 mwN). Hier bestehen solche Zweifel. Für die erhobene Forderung kommen verschiedene Rechtsgrundlagen in Betracht. Sie kann ein Beitragsanspruch nach § 393a Abs 1 RVO oder § 255 Abs 1 SGB V sein, der durch Verwaltungsakt zu verfolgen wäre. Es kann sich aber auch um einen Schadensersatzanspruch nach § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V handeln, den ein Versicherungsträger gegen einen anderen Versicherungsträger nur mit der Leistungsklage geltend machen könnte.

Die Klage ist unbegründet. Der Anspruch richtet sich für die Zeit bis zum 31. Dezember 1988 noch nach den Vorschriften der RVO und für die Zeit vom 1. Januar 1989 bis zum 31. Dezember 1989 nach den Vorschriften des SGB V in der damals geltenden Fassung. Beitragsansprüche für bestimmte Monate eines Versicherungsverhältnisses sind grundsätzlich nach denjenigen Rechtsvorschriften zu beurteilen, die während des betreffenden Zeitraums gelten oder – bei Beitragsnachforderungen für die Vergangenheit – während des Nachforderungszeitraums gegolten haben (BSGE 61, 79, 81 = SozR 5491 Art 2 § 13 Nr 1). Dies gilt auch, wenn, wie es hier möglich erscheint, ein Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung an die Stelle eines Beitragsanspruchs getreten ist.

In den Jahren 1988 und 1989, um die es hier geht, hatten die versicherungspflichtigen Rentner ihre Beiträge aus der Rente allein zu tragen (§ 381 Abs 2 Satz 1 RVO = § 250 Abs 1 Nr 1 SGB V idF des Art 1 des Gesundheits-Reformgesetzes ≪GRG≫ vom 20. Dezember 1988 ≪BGBl I 2477≫) und erhielten zu ihrer Rente einen Zuschuß zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung (§ 1304e Abs 1 Nr 1 RVO). In § 393a Abs 1 RVO und § 255 Abs 1 SGB V (idF des Art 1 GRG ≪§ 255 Abs 1 SGB V aF≫) war inhaltlich übereinstimmend geregelt, daß der Träger der Rentenversicherung die Beiträge aus der Rente bei deren Zahlung einzubehalten und an die BfA zu zahlen hatte (Satz 1). Dabei waren die Beiträge von den Zuschüssen des Trägers der Rentenversicherung und, soweit sie diese Zuschüsse überstiegen, von der Rente einzubehalten (Satz 2). Mit dem GRG ist in § 255 Abs 2 SGB V dann erstmals geregelt worden, was zu geschehen hat, wenn die Beiträge bei Zahlung der Rente nicht einbehalten und abgeführt worden sind. Der Träger der Rentenversicherung hat in diesem Fall die rückständigen Beiträge aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten; hierfür gilt § 51 Abs 2 des Sozialgesetzbuchs – Allgemeiner Teil (SGB I) entsprechend (§ 255 Abs 2 Satz 1 SGB V). Wird die Rente nicht mehr gezahlt, obliegt der Einzug der rückständigen Beiträge der zuständigen Krankenkasse (Satz 2). In § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V (idF des Art 1 GRG ≪§ 255 Abs 2 Satz 3 SGB V aF≫) war angeordnet, daß der Träger der Rentenversicherung mit dem Zuschuß zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung haftet. Mit dem Inkrafttreten des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) am 1. Januar 1992 ist die Rechtslage erneut geändert worden. Nunmehr sind die Beiträge der versicherungspflichtigen Rentner aus der Rente von diesen und den Trägern der Rentenversicherung je zur Hälfte zu tragen (§ 249a SGB V, eingefügt durch Art 4 Nr 17 des Rentenreformgesetzes 1992 ≪RRG 1992≫ vom 18. Dezember 1989 ≪BGBl I 2261≫). § 255 Abs 1 SGB V (idF des Art 4 Nr 20 Buchst a RRG 1992) wurde dementsprechend geändert und ordnet nunmehr an, daß Beiträge, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente zu tragen haben, von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten und zusammen mit den von den Trägern der Rentenversicherung zu tragenden Beiträgen an die BfA für die Kankenkassen zu zahlen sind. § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V (idF des Art 4 Nr 20 Buchst b RRG 1992) schreibt vor, daß der Träger der Rentenversicherung mit dem von ihm zu tragenden Anteil an den Aufwendungen für die Krankenversicherung haftet.

Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung von Beiträgen oder einem Beitragszuschuß aus der Versicherung der L. für die Zeit vom 1. Mai 1988 bis 31. Dezember 1989 in Höhe von 364,76 DM nicht mehr verlangen, denn der geltend gemachte Anspruch ist verjährt. Der Senat kann dabei offenlassen, ob der Anspruch für die Zeit bis zum 31. Dezember 1988 nur auf § 393a Abs 1 RVO und für die Zeit vom 1. Januar 1989 bis 31. Dezember 1989 nur auf § 255 Abs 1 SGB V aF oder aber – jedenfalls für die Zeit seit dem 1. Januar 1989 – auch oder ausschließlich auf § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V aF gestützt werden kann.

Geht man davon aus, daß der Anspruch sich schon aus § 393a Abs 1 Satz 1 RVO (= § 255 Abs 1 Satz 1 SGB V aF) ergibt, weil der Träger der Rentenversicherung danach auch bei unterlassener Einbehaltung oder Abführung der Beiträge verpflichtet war, jedenfalls in Höhe der einzubehaltenden Beitragszuschüsse die Beiträge nachträglich zu zahlen, so handelt es sich um einen Beitragsanspruch. Ansprüche auf Beiträge verjähren nach § 25 Abs 1 Satz 1 SGB IV in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Die bis zum 31. Dezember 1989 aus der Rente zu zahlenden Beiträge waren Ende 1993 und damit nicht erst im Zeitpunkt der Erhebung der Klage im Jahr 1996, sondern schon 1994 verjährt, als die Beklagte die bis dahin unterbliebene Beitragszahlung aufnahm. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß die Beklagte vor diesem Zeitpunkt die Beiträge vorsätzlich vorenthalten hat und deshalb vor 1994 für Beiträge der Jahre 1989 und früher die Verjährungsfrist von 30 Jahren nach § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV begonnen hatte. Dies wird von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.

Aber auch wenn man den Anspruch auf Zahlung in Höhe des Beitragszuschusses in Fällen wie dem vorliegenden zusätzlich oder allein in § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V aF begründet sieht, ist er verjährt. Für die Zeit vor dem 1. Januar 1989 hat dieser Anspruch nicht bestanden, denn eine § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V aF entsprechende Vorschrift gab es in § 393a RVO nicht. Auch für den aus § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V begründeten Anspruch gilt die vierjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs 1 Satz 1 SGB IV. Sieht man § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V aF in allen Fällen, in denen Beiträge nicht zeitgleich mit der Rente abgeführt werden, als eigene Anspruchsgrundlage an, so handelt es sich um einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Ein solcher Anspruch verjährt in der Regel in der Frist, die auch für die Verjährung des Erfüllungsanspruch gilt. Dies hat der Senat für den Schadensersatzanspruch des Rentenversicherungsträgers gegen die Einzugsstelle nach § 1436 Abs 1 RVO bereits entschieden (Urteil vom 30. März 2000 - B 12 KR 15/99 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Es ist nicht ersichtlich, daß für einen Schadenersatzanspruch nach § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V aF etwas anderes gelten könnte. Soweit in der Literatur die Ansicht vertreten wird, der Anspruch auf den Beitragszuschuß (seit dem 1. Januar 1992: Anspruch auf den Beitragsanteil) nach § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V verjähre nicht wie der Beitragsanspruch (vgl etwa Peters, Handbuch der Krankenversicherung, RdNr 16 zu § 255, Stand August 1995; Vieß, GK-SGB V RdNr 14 zu § 255, Stand Februar 1996), wird dies lediglich damit begründet, daß es sich nicht um einen Beitragsanspruch handele. Allein dies rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, für die Verjährung des Anspruchs gelte keine oder eine von der Verjährung des Erfüllungsanspruchs abweichende längere Frist. Im übrigen spricht auch der Umstand, daß nach § 45 SGB I der Anspruch des Versicherten auf den Beitragszuschuß in vier Jahren verjährt, dafür, daß der Anspruch der Krankenkasse auf diesen beim Träger der Rentenversicherung verbliebenen Beitragszuschuß ebenfalls in vier Jahren verjährt. § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V aF – aber auch § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V idF des RRG 1992 – ist in dieser Auslegung nicht überflüssig. Durch diese Vorschrift wird klargestellt, daß der Träger der Rentenversicherung nach Unterlassen von Einbehalt und Abführung des Beitrags, in Höhe des Beitragszuschusses (jetzt: in Höhe des Beitragsanteils) verpflichtet bleibt. Ob sich dies nicht möglicherweise schon aus § 393a Abs 1 RVO, § 255 Abs 1 SGB V aF und jetzt aus § 255 Abs 1 SGB V ergibt, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn man dies annimmt, wird eine klarstellende Regelung dadurch weder überflüssig noch kann sie im Sinne eines Ausschlusses der Verjährung gedeutet werden. Die Verjährung des Anspruchs aus § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V aF ist auch dann nicht anders zu beurteilen, wenn man mit der Klägerin der Ansicht ist, es handele sich um eine Art Garantiehaftung. Bei einer Garantiehaftung mögen dem Haftenden bestimmte Einwendungen abgeschnitten sein (vgl Palandt, Heinrichs, 59. Aufl 2000, § 306 RdNr 11). Die Verjährungsfrist wird dadurch aber nicht geändert.

Da jeder in Betracht kommende Anspruch verjährt ist, kann offenbleiben, ob die Klägerin als Krankenkasse den Anspruch auf Zahlung an die BfA überhaupt geltend machen konnte, oder ob dazu nicht nur die BfA befugt gewesen wäre. Unter der Geltung der Vorschriften über den Finanzausgleich in der KVdR (§§ 393b und 393c RVO = §§ 268 bis 273 SGB V) und vor Einführung des Risikostrukturausgleichs hatte die einzelne Krankenkasse möglicherweise kein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse an der Zahlung der Beiträge der bei ihr Pflichtversicherten. Diese Beiträge dienten vielmehr allen ausgleichsberechtigten Krankenkassen gleichermaßen zur Deckung des nicht von ihrem jeweiligen Finanzierungsanteils gedeckten Aufwandes für die KVdR.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 4 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 513985

NZS 2001, 99

SozSi 2001, 71

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