Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerberater. Vertretungsbefugnis. Kindergeldsache. Erlaubnis. Widerspruchsverfahren. Verfahrensbevollmächtigter. Geschäftsmäßigkeit. Steuerberatung. Rechtsberatung. Rechtsbesorgung. Rechtsvertretung. Existenzminimum. steuerliche Freistellung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Steuerberater hat auch dann keine Befugnis als Verfahrensbevollmächtigter in einem Widerspruchsverfahren in einer Kindergeldsache aufzutreten, wenn er den Widerspruch allein zur Sicherung der steuerlichen Freistellung des Existenzminimums der Kinder des Mandanten eingelegt hat.

 

Normenkette

SGB X § 13 Abs. 1, 5; RBerG Art. 1 § 1 Abs. 1; RBerG §§ 4, 5 Nr. 1; StBerG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 2, § 33 S. 1; SGG § 73 Abs. 6 S. 3

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 31.01.1995; Aktenzeichen L 3 Kg 36/94)

SG Lüneburg (Entscheidung vom 11.05.1994; Aktenzeichen S 7 Kg 4/94)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 31. Januar 1995 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat dem Beigeladenen dessen außergerichtliche Kosten in allen drei Rechtszügen zu erstatten. Im übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger ist Steuerberater. Er vertritt den Beigeladenen seit Jahren umfassend in seinen steuerlichen Angelegenheiten.

Mit Bescheid vom 22. November 1993 wies ihn die Beklagte als Bevollmächtigten des Beigeladenen in einem Widerspruchsverfahren nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) zurück. Er hatte den Bescheid der Beklagten vom 24. September 1993 angefochten, womit dem Beigeladenen aufgrund des vorgelegten Einkommensteuerbescheides für das Jahr 1991 das Kindergeld (Kg) für den Monat Januar 1993 hinsichtlich seines zweiten Kindes auf den Sockelbetrag gekürzt und die Überzahlung von DM 40,– zurückgefordert worden war.

Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers gegen seine Zurückweisung als Bevollmächtigter blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 1994, Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ≪SG≫ Lüneburg vom 11. Mai 1994, Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen ≪LSG≫ vom 31. Januar 1995). Das LSG hat die Auffassung vertreten, der Kläger zähle nicht zu den in § 73 Abs. 6 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bezeichneten Personen. Nach § 13 Abs. 5 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) seien Bevollmächtigte zurückzuweisen, wenn sie geschäftsmäßig fremde Rechte besorgen, ohne dazu befugt zu sein. Da der Kläger die Absicht habe, für seine Mandanten wiederholt in Kg-Sachen aufzutreten, besorge er fremde Rechtsangelegenheiten geschäftsmäßig, wozu nach § 1 Abs. 1 des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG) grundsätzlich eine Erlaubnis erforderlich sei, die der Kläger nicht besitze. Sie sei auch nicht nach § 5 Ziff 1 RBerG entbehrlich, denn das Kg-Recht stehe nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten. Soweit die geschäftsmäßige Rechtsbesorgung erlaubnispflichtig gemacht werde, sei dies verfassungsgemäß. Das Gericht sei nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung nicht befugt, das RBerG und das Steuerberatungsgesetz (StBerG) anstelle des Gesetzgebers zu ändern und den in § 1 Abs. 1 und 2 StBerG aufgelisteten Aufgabenkatalog der Steuerberater zu erweitern.

Mit der Revision macht der Kläger geltend, das LSG habe § 1 Abs. 1 und § 13 Abs. 5 SGB X, § 25 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) sowie § 1 RBerG unrichtig angewandt. Er habe den Beigeladenen lediglich im Verwaltungsverfahren in einem besonders gelagerten Einzelfall vertreten. In der Widerspruchsbegründung habe er allein in steuerlicher Hinsicht argumentiert und auf ein anhängiges Normenkontrollverfahren beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hingewiesen. Hätte er den auf einer verfassungswidrigen vorläufigen Einkommensteuerfestsetzung beruhenden Kg-Bescheid bestandskräftig werden lassen, wäre er regreßpflichtig geworden. Das LSG gehe fehl, wenn es von einem abgeschlossenen Steuersachverhalt spreche und den unmittelbaren Zusammenhang (§ 5 Ziff 1 RBerG) mit der Steuerfestsetzung verneine. Es gehöre zu seinen Aufgaben als Steuerberater, die Steuerfestsetzung insgesamt zu überprüfen und zu verhindern, daß die Kindergeldkasse fehlerhafte Festsetzungen des Finanzamts übernehme. Im übrigen zeige die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), daß es wegen des dualen Systems von Kg und steuerlichem Familienlastenausgleich auf die materiell-rechtliche Argumentation in steuerrechtlicher Hinsicht ankomme. Er sei deshalb nicht auf artfremde Rechtsgebiete abgewandert, vielmehr habe er sich noch in einem zulässigen Bereich bewegt und im Rahmen seines Gesamtmandates noch außerhalb der Gerichtsbarkeit die Vertretung in Kg-Angelegenheiten übernommen, soweit dies mit steuerrelevanten Fragen zusammenhänge. Der Gesetzgeber habe durch das Jahressteuergesetz 1996 das Kg-Recht dem Einkommensteuerrecht zugeordnet, so daß ab Januar 1996 an der Vertretungsbefugnis der Steuerberater in Kg-Sachen kein Zweifel bestehen könne. Ohne eine (erweiternde) verfassungskonforme Auslegung der vorhandenen Normen wäre der Gleichbehandlungsgrundsatz mit anderen vergleichbaren Berufsgruppen (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz ≪GG≫) verletzt bzw es wäre damit ein verfassungswidriger Eingriff in das Berufsausübungsrecht (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG) verbunden. Auch der Beigeladene wäre betroffen, denn es würde gegen das Sozialstaatsprinzip verstoßen, wenn er gezwungen wäre, ergänzend einen zugelassenen Rechtsbeistand/Rechtsanwalt zuzuziehen. Es wäre auch der Grundsatz der Rechtsklarheit verletzt, da aus dem Gesetz nicht erkennbar wäre, wo die Vertretungsbefugnis des steuerlichen Beraters ende.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG Niedersachsen vom 31. Januar 1995, den Gerichtsbescheid des SG Lüneburg vom 11. Mai 1994 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. November 1993 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Bevollmächtigten des Beigeladenen zur Vertretung in der Kg-Angelegenheit des Beigeladenen zuzulassen.

Hilfsweise regt er an, das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG einzuholen.

Die Beklagte beantragt – unter näherer Begründung – die Revision des Klägers gegen das Urteil des LSG Niedersachsen vom 31. Januar 1995 zurückzuweisen.

Der Beigeladene ist im Revisionsverfahren nicht durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat die Beklagte den Kläger als Bevollmächtigten des Beigeladenen zurückgewiesen. Das haben SG und LSG zutreffend entschieden.

Grundsätzlich kann sich nach § 13 Abs. 1 SGB X jeder Beteiligte eines Verwaltungsverfahrens in Angelegenheiten des Sozialgesetzbuches, wozu auch das Kg-Recht zählt (vgl § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB X iVm den §§ 1, 6, 25 SGB I), durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Dieser ist jedoch nach § 13 Abs. 5 Satz 1 SGB X dann zurückzuweisen, wenn er geschäftsmäßig fremde Rechtsangelegenheiten besorgt, ohne dazu befugt zu sein.

Der Kläger war in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit als Steuerberater des Beigeladenen nicht befugt, gegen den Bescheid vom 24. September 1993 Widerspruch einzulegen. Das trifft selbst im Hinblick auf den Zweck zu, den der Widerspruch nach seiner Begründung hatte und der auch schon dem von der Beklagten akzeptierten und gleichlautenden Widerspruch gegen den vergleichbaren Bescheid vom 22. September 1992 auf der Grundlage des hinsichtlich der Höhe der Kinderfreibeträge vorläufigen Bescheides über den Jahresausgleich für das Jahr 1990 zugrunde lag; beide Rechtsbehelfe hatten allein den Zweck, aus steuerlichen Gründen die Bestandskraft des endgültigen Kg-Bescheides zu verhindern und eine Aussetzung des Verfahrens herbeizuführen, bis eine Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit des Kinderlastenausgleichs und die steuerliche Freistellung des Existenzminimums der Kinder im Jahre 1991 (bzw im Jahre 1990) vorliegt. Der Kläger durfte den Beigeladenen insoweit nicht mehr vertreten, denn er handelte nicht mehr innerhalb seiner uneingeschränkten Befugnis als Steuerberater zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 StBerG (idF der Bekanntmachung vom 4. November 1975 ≪BGBl I 2735≫, zuletzt geändert durch das Jahressteuer-Ergänzungsgesetz vom 18. Dezember 1995 ≪BGBl I 1959≫). Ohne zusätzliche behördliche Erlaubnis war er nicht befugt, im Widerspruchsverfahren gegen einen Kg-Bescheid als Bevollmächtigter des Beigeladenen aufzutreten.

Abgesehen von den Tätigkeiten, die nach Art. 1 § 3 RBerG vom 13. Dezember 1935 (RGBl I 1478, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 25. Oktober 1994 ≪BGBl I 3082≫) von diesem Gesetz nicht berührt werden (zB die Berufstätigkeit der Rechtsanwälte), darf nach Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten geschäftsmäßig – ohne Unterschied zwischen haupt- und nebenberuflicher oder entgeltlicher und unentgeltlicher Tätigkeit – nur von Personen betrieben werden, denen dazu von der zuständigen Behörde die Erlaubnis erteilt ist. Diese Bestimmung ist hier zu Lasten des Klägers anwendbar.

Die Tätigkeit des Klägers in der Kg-Sache, insbesondere die Einlegung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 24. September 1993 nach dem BKGG, war „geschäftsmäßig” im Sinne dieser Vorschrift. Dieser Begriff erfordert eine Tätigkeit, bei der der Handelnde beabsichtigt, sie – sei es auch nur bei sich bietender Gelegenheit – in gleicher Art. zu wiederholen und sie dadurch zu einem dauernden oder wiederkehrenden Bestandteil seiner Beschäftigung zu machen (Altenhoff/Busch/Kampmann/Chemnitz, Rechtsberatungsgesetz, 9. Aufl 1991, ≪Art. 1 § 1≫ RdNr. 62). Auf die Merkmale der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit und der haupt- oder nebenamtlichen Betätigung kommt es bereits nach dem Gesetzeswortlaut nicht an. Geschäftsmäßig hat der Kläger schon deshalb gehandelt, weil er den Widerspruch in Ausübung seines Berufs als Steuerberater eingelegt hat, eine „Geschäftstätigkeit” im weiteren Sinne. Entgegen seinem Vortrag im Revisionsverfahren liegt auch keine einmalige oder auch nur gelegentliche Betätigung vor. Es ist nach den Feststellungen des LSG erkennbar, daß der Kläger seine Tätigkeit zu wiederholen gedenkt. Denn der Kläger war in gleicher Weise bereits im Vorjahr aufgetreten. Er hat nicht in Abrede gestellt, daß er gegen den endgültigen Kg-Bescheid im kommenden Jahr ebenfalls Widerspruch einlegen und bei gleicher Ausgangslage auch andere Steuermandanten in Kg-Sachen vertreten werde.

Die Vertretungsbefugnis des Klägers ergibt sich weder aus den Ausnahmeregelungen des RBerG noch aus den Spezialregelungen des StBerG.

Durch die direkte Anwendung des Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG kann nicht erreicht werden, daß der Kläger für die umstrittene Tätigkeit keiner Erlaubnis nach dem RBerG bedarf.

Danach stehen die Vorschriften des RBerG dem nicht entgegen, daß kaufmännische oder sonstige gewerbliche Unternehmer für ihre Kunden rechtliche Angelegenheiten erledigen, die mit einem Geschäft ihres Gewerbebetriebes in unmittelbarem Zusammenhang stehen (zB Banken, Makler, Versicherungen, Bestattungsunternehmen). Es kann in diesem Zusammenhang zunächst dahinstehen, ob wegen der doppelten Verankerung des Kinderlastenausgleichs sowohl im Kg-Recht als auch im Steuerrecht ein solcher unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Einkommensteuerbescheid und dem darauf aufbauenden endgültigen Kg-Bescheid besteht. Der Kläger ist jedenfalls weder ein kaufmännischer noch ein sonstiger gewerblicher Unternehmer. Vielmehr übt der Steuerberater einen freien Beruf aus, und seine Tätigkeit ist kein Gewerbe. Dies ist in der Steuerberaterordnung, dem Zweiten Teil des StBerG (§§ 32 ff StBerG), in § 32 Abs. 2 StBerG ausdrücklich geregelt. Die Befugnisse der Steuerberater ergeben sich nicht aus Art. 1 § 5 RBerG, sondern ausschließlich aus ihrem Berufsrecht (vgl Altenhoff/Busch/Kampmann/Chemnitz, aaO, ≪Art. 1 § 5≫ RdNrn 404, 405) und wird von dem Senat an dieser Stelle geprüft.

Als Ausnahmeregelung zu Art. 1 § 1 RBerG läßt Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG auch keine entsprechende Anwendung auf Steuerberater zu, weil sonst die berufsrechtlichen Spezialregelungen unterlaufen werden könnten, die den Steuerberater streng auf die Hilfeleistung in Steuersachen beschränken (vgl Schorn, „Steuerberatung und Rechtsberatung”, NJW 1961, 993 ff, 994). Art. 1 § 4 RBerG enthält Abgrenzungsregelungen zu den im StBerG aufgeführten Hilfeleistungen, wobei die Norm voraussetzt, daß die beiden Beratungsbereiche wegen ihrer Verschiedenartigkeit in der Praxis auch trennbar sind (vgl Schorn, aaO, S 993). Art. 1 § 4 Abs. 1 RBerG besagt, daß eine eventuell nach Art. 1 § 1 RBerG erteilte Erlaubnis nicht die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung nach dem Katalog des § 1 Aus 1 StBerG gewährt. Es handelt sich um eine Schutzvorschrift für die steuerberatenden Berufe gegenüber den Inhabern einer Erlaubnis nach Art. 1 § 1 Satz 1 RBerG. Entscheidend ist dagegen Art. 1 § 4 Abs. 2 RBerG: Er erklärt für die in Abs. 1 bezeichneten Angelegenheiten (insbesondere Angelegenheiten, die durch Bundesrecht geregelte Steuern betreffen, also auch die Einkommensteuer nach dem Einkommensteuergesetz ≪EStG≫) allein die Regelungen des StBerG für maßgebend. Schließlich stellt Art. 1 § 4 Abs. 3 RBerG klar, daß die Befugnis zu Hilfeleistungen auf den in Abs. 1 bezeichneten Gebieten nicht zur Rechtsbesorgung in sonstigen Angelegenheiten berechtigt. Falls ihre Befugnis nach dem StBerG also nicht ausreicht, benötigen diese Personen weiterhin zur Besorgung nichtsteuerlicher Rechtsangelegenheiten eine behördliche Erlaubnis nach Art. 1 § 1 Satz 1 RBerG. Es handelt sich um eine (gegenüber Abs. 1 umgekehrte) Schutzvorschrift für die rechtmäßigen Inhaber einer Erlaubnis nach Art. 1 § 1 Satz 1 RBerG gegenüber den steuerberatenden Berufen.

Der Kläger hat mit dem beanstandeten Widerspruchsschriftsatz seine nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 StBerG bestehende Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen überschritten,

Steuerberater haben nach § 33 Satz 1 StBerG die Aufgabe, im Rahmen ihres Auftrags ihre Auftraggeber in Steuersachen zu beraten, sie zu vertreten und ihnen bei der Bearbeitung ihrer Steuerangelegenheiten und bei Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten Hilfe zu leisten. Diese allgemeine Umschreibung des Aufgabenbereichs wird in § 33 Satz 2 StBerG noch um einen Katalog erweitert (Vertretung in Steuerstrafsachen und Bußgeldsachen, Hilfe bei der Buchführung und der Erstellung von Bilanzen), dem hier aber keine weitere Bedeutung zukommt.

Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Steuerberater zur geschäftsmäßigen Rechtsberatung, Rechtsbesorgung und Rechtsvertretung in Fallgestaltungen befugt sind, die (allein oder zusätzlich) nichtsteuerliche oder außersteuerliche Rechtsverhältnisse zum Gegenstand haben, ist im Detail in Literatur und Rechtsprechung umstritten (zum Meinungsstand mwN: Schorn, aaO; Dumoulin, „Rechtsberatung und Rechtsbesorgung der steuer- und wirtschaftsberatenden Berufe”, NJW 1966, 810; Kampmann, „Die Grenzen der Rechtsbesorgung durch Angehörige der steuerberatenden Berufe”, NJW 1968, 137; Altenhoff/Busch/Kampmann/Chemnitz, aaO, RdNrn 373 bis 377; Rennen/Caliebe, Komm RBerG, 2. Aufl 1992, Art. 1 § 4 RdNrn 14 bis 25; Gehre, Komm StBerG, 3. Aufl 1995, § 33 RdNrn 13 bis 17 – Rechtsprechung: BGH, Urteil vom 27. Mai 1963, NJW 1963, 2027 ≪ Entwurf eines Sicherungsübereignungsvertrags≫; BGH, Urteil vom 5. Juni 1985, NJW 1986, 1050 ≪ Entwurf eines Darlehens- und Gesellschaftsvertrags ≫).

Gemeinsam ist allen Meinungen, daß Steuerberatung nichts anderes ist als eine auf ein Fachgebiet beschränkte Rechtsberatung, die deshalb notwendigerweise auch Berührungspunkte zum außersteuerlichen Recht hat. Teilweise ist das außersteuerliche Recht auch Bestandteil des Steuertatbestandes (zB das Gesellschafts-, Erb- und Familienrecht). In diesen Fällen erstreckt sich die Beratungspflicht des Steuerberaters, falls dies mit Blick auf die steuerlichen Gegebenheiten unerläßlich ist, auf „fremde” Rechtsgebiete, wie umgekehrt auch andere Berufe die Verpflichtung haben können, auf steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen (vgl mwN BVerfGE 75, 246, 276; BGH, Urteil vom 23. November 1972, BGHZ 60, 1, 4 ≪Architekt≫).

Umstritten ist dagegen, ob in Ausnahmefällen eine Rechtsbesorgung in bezug auf nichtsteuerliche Rechtsverhältnisse durch Steuerberater zulässig ist, zB die Ausnutzung von Gestaltungsmöglichkeiten zivilrechtlicher Art. oder die Fertigung von Verträgen. Die Befürworter lassen in analoger Anwendung der Kriterien des Art. 1 § 5 RBerG eine Rechtsbesorgung zu, die jedoch keinesfalls über das hinausgehen kann, was den in Art. 1 § 5 RBerG erfaßten Berufen nach dem Gesetzeswortlaut und der dazu ergangenen Rechtsprechung erlaubt ist. Es müßte also ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Steuerberatertätigkeit bestehen, der so eng ist, daß diese ohne die Rechtsbesorgung unmöglich gemacht oder doch unangemessen erschwert wäre. Es müßte sich zudem um eine Hilfs- oder Nebentätigkeit im Vergleich zur eigentlichen Berufsaufgabe handeln und jene „fremde” Rechtsbesorgung dürfte nicht selbständig neben die anderen Berufsaufgaben treten oder gar im Vordergrund stehen (vgl mwN BGH, Urteil vom 10. November 1977, BGHZ 70, 12, 15; Altenhoff/Busch/Kampmann/Chemnitz, aaO, ≪Art. 1 § 5≫ RdNrn 391 bis 400).

Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob dem zuzustimmen ist. Denn auch nach dieser Meinung ist eine Rechtsvertretung als Verfahrensbevollmächtigter durch einen Steuerberater in einem außersteuerlichen Verfahren nach Maßgabe „fremder” Verfahrensordnungen (also nicht der Abgabenordnung und der Finanzgerichtsordnung) unzulässig. In der Regel liegt dann kein unmittelbarer Zusammenhang mit der Steuerberatung mehr vor, weil die Steuerberatung auch ohne die Vertretung in „fremden” Verwaltungsverfahren weiterhin sinnvoll wahrgenommen werden kann (so Gehre, Komm StBerG, 3. Aufl 1995, § 33 RdNr. 17). Es ist deshalb zB unzulässig, wenn sich der Steuerberater als Verfahrensbevollmächtigter in Statusverfahren (zB Staatsbürgerschaft, Vertriebeneneigenschaft, Schwerbehinderteneigenschaft ≪ hierzu vgl Urteil des 9. Senats des BSG vom 16. Mai 1995, SozR 3–1300 § 13 Nr. 2≫) betätigt, auch wenn davon die steuerliche Veranlagung abhängt, oder Verwaltungsverfahren betreibt, deren Ausgang die Gewinn- und Verlustrechnung seines Mandanten beeinflußt und damit ebenfalls steuerlich relevant ist (zB Verfahren auf eine Investitionszulage oder gegen Exportabgaben, Anschluß- und Erschließungsbeiträge, Sozialversicherungsbeiträge).

Hier ging es dem Kläger darum, durch den Widerspruch gegen den Bescheid vom 24. September 1993 die Vorläufigkeit des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 1991 hinsichtlich der Höhe der Kinderfreibeträge auch auf den Kg-Bescheid für das Jahr 1993 zu erstrecken und zu verhindern, daß auch dieser Bescheid bestandskräftig wird. Gleiches hatte er bereits hinsichtlich des Jahresausgleichsbescheides für das Jahr 1990 und den Kg-Bescheid für das Jahr 1992 im Vorjahr getan, ohne daß dies von der Beklagten damals beanstandet wurde. Es kann unterstellt werden, daß der Kläger ebenso auch gegen den Kg-Bescheid für das Jahr 1994 Widerspruch eingelegt hätte. Hintergrund für dieses Vorgehen war die für die betreffenden Jahre durch die Rechtsprechung (vor allem das BVerfG, aber auch des BSG und des Bundesfinanzhofes; dazu mwN Urteil des Senats vom 30. Mai 1996 – 10 RKg 8/94 –, zur Veröffentlichung vorgesehen; Urteil des Senats vom 9. Mai 1995, SozR 3–5870 § 10 Nr. 6; Herden „Zur Verfassungsmäßigkeit des Kinderlastenausgleichs – eine Geschichte ohne Ende?”, DStZ 1994, 385 mwN) noch nicht abgeklärte Frage, ob die bestehenden Regelungen des Kg-Rechts und des Steuerrechts die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums der Kinder des Beigeladenen durch die Kinderfreibeträge einerseits und das in einen Freibetrag umgerechnete und ggf nicht auf Sockelbeträge gekürzte Kg andererseits erreichen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG muß nämlich von Verfassungs wegen (Art. 3 Abs. 1 iVm Art. 6 Abs. 1 GG) gewährleistet sein, daß das Existenzminimum für die Kinder steuerfrei bleibt (BVerfG vom 29. Mai 1990, BVerfGE 82, 60 = SozR 3–5870 § 10 Nr. 1; BVerfGE vom 14. Juni 1994, BVerfGE 91, 93 = SozR 3–5870 § 10 Nr. 5), wobei es unerheblich ist, ob dies durch den steuerlichen Kinderfreibetrag oder durch eine entsprechende Anhebung des Kg oder durch die Unterlassung der Kürzung des Kg auf Sockelbeträge erfolgt, denn das effektiv gezahlte Kg ist immer in einen (fiktiven) Steuerfreibetrag umzurechnen („duales System” des Familienlastenausgleichs). Falls also für die betreffenden Jahre die Verfassungswidrigkeit der Gesamtregelung vom BVerfG festgestellt werden sollte, wäre der Gesetzgeber frei, eine verfassungsrechtlich ggf gebotene Nachbesserung auf der Ebene des Steuerrechts, auf der Ebene des Kg-Rechts oder auf beiden Ebenen vorzunehmen, ggf in Abhängigkeit davon, welche Bescheide angefochten worden sind. Wie dies im einzelnen aussehen könnte, zeigt § 44e BKGG (eingefügt durch das Steueränderungsgesetz 1991 vom 24. Juni 1991 ≪BGBl I 1322≫, geändert durch Art. 25 des Steueränderungsgesetzes vom 25. Februar 1992 ≪BGBl I 297) und § 32 Abs. 8 Satz 1 EStG (idF des Art. 1 Nr. 1 des Steueränderungsgesetzes vom 24. Juni 1991 ≪BGBl I 1322≫), womit die Nachbesserung für die Jahre 1983 bis 1985 jeweils auf der Ebene des Steuer- und des Kg-Rechts mit wechselseitigem Bezug vorgenommen worden ist.

Dem Kläger ist deshalb einzuräumen, daß die Einlegung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 24. September 1993 in erster Linie einen steuerlichen Hintergrund hatte, um dem Beigeladenen alle Optionen offenzuhalten, falls für die betreffenden Jahre von der Rechtsprechung des BVerfG zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums seiner Kinder eine Nachbesserung gefordert wird. Indessen zeigt die angeführte Rechtsprechung zum „dualen System des Familienlastenausgleichs”, daß dadurch insbesondere in verfahrensrechtlicher Hinsicht noch kein einheitliches Rechtsgebiet geschaffen worden ist, Damit war der Kläger nicht befugt, als Verfahrensbevollmächtigter (nicht als Zustellungsbevollmächtigter im Kg-Verfahren) ein Widerspruchsverfahren gegen einen Bescheid nach dem BKGG auf einem steuerfremden Rechtsgebiet einzuleiten. Form und Inhalt einer solchen Vertretung richten sich in erster Linie nach dem Recht des SGB X und nicht nach dem finanzrechtlichen Verfahrensrecht. Dies erfordert besondere Kenntnisse, über die Rechtsanwälte, Berechtigte nach Art. 1 § 1 RBerG sowie die in § 73 Abs. 6 Satz 3 SGG bezeichneten Personen verfügen. Sie hätten die Vertretung des Beigeladenen übernehmen können, so daß kein unmittelbarer Zusammenhang mit der Berufstätigkeit des Klägers als Steuerberater besteht. Der Kläger hätte sich auf den Rat an den Beigeladenen beschränken müssen, Widerspruch einzulegen. Eine Tätigkeit als Verfahrensbevollmächtigter in einem „fremden” Rechtsgebiet mit einer „fremden” Verfahrensordnung ist ihm dagegen verwehrt. Die Beklagte war deshalb nach § 13 Abs. 5 Satz 1 SGB X gehalten, den Kläger als Bevollmächtigten zurückzuweisen.

Dem Antrag des Klägers, ihn zur Vertretung „in der Kg-Angelegenheit des Beigeladene” zuzulassen, kann der Senat nicht entsprechen. Grundsätzlich ist der Kläger nicht zur Vertretung in Kg-Angelegenheiten belegt. Keinesfalls kann er nach altem Recht den Beigeladenen allumfassend in Kg-Sachen vertreten. Wie sich die Rechtslage ab. 1 Januar 1996 mit der Umgestaltung des Kg-Rechts und dessen Einfügung in des Einkommensteuerrecht als X. Abschnitt des EStG (§§ 68 Abs. 78) durch Art. 1 Nr. 61 des Jahressteuergesetzes vom 11. Oktober 1995 f (BGBl I 1250, 1275) darstellt, ist hier nicht zu entscheiden.

Der vom Kläger behauptete verfassungswidrige Eingriff in seine Berufsausübungsfreiheit liegt nicht vor. Der Gesetzgeber hat die Befugnis, im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG Berufsbilder zu fixieren und sie zu anderen Berufsbildern abzugrenzen. Dies hat das BVerfG speziell für den Beruf des Steuerberaters mehrfach entschieden (vgl BVerfGE 40, 196, 218 f; 59, 302, 315 f: 75, 246, 265). Die einschränkenden Regelungen des RBerG beeinträchtigen die Berufsausübung des Steuerberaters, dienen aber auch gleichzeitig zu deren Schutz. Da allenfalls eine Beschränkung im Randbereich vorliegt, die das Berufsbild im Kernbereich und die durch den Beruf gesicherte Existenz unbeeinträchtigt läßt, kann von einem verfassungswidrigen Eingriff keine Rede sein (vgl. BVerfGE 7, 377, 495, 68, 727, 28).

Verfehlt ist auch die Meinung des Klägers, der Beigeladene werde in seinen verfassungsrechtlich geschützten Rechten verletzt. Abgesehen davon, daß die Einschaltung eines weiteren Bevollmächtigten hier nicht erforderlich war, ist das Sozialstaatsprinzip keinesfalls verletzt, wenn in einem kostenfreien Widerspruchsverfahren ggf kostenpflichtig ein Dritter beauftragt werden muß.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1050469

NWB 1997, 1444

SozSi 1997, 198

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