Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung des Arbeitslosengeldes bei Wettbewerbsabrede

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die aufgrund eines Wettbewerbsverbots nach § 128a AFG eintretende Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erstattung von Arbeitslosengeld ist nicht verfassungswidrig.

2. Die Erstattungspflicht tritt auch ein, wenn der Arbeitslose sich unabhängig vom Wettbewerbsverbot aus anderen Gründen um keinen der verbotenen Arbeitsplätze beworben hätte.

3. Die Erstattungspflicht gilt nicht für das Unterhaltsgeld.

4. Die Bundesanstalt für Arbeit hat den Arbeitgeber im Regelfall über die Möglichkeit zu belehren, den Erstattungsanspruch durch Verzicht auf das Wettbewerbsverbot abzuwehren.

5. Zur Anrechnung des Arbeitslosengeldes auf die Karenzentschädigung (Anschluß an BAG vom 25.6.1985 - 3 AZR 305/83 = BAGE 49, 109).

 

Verfahrensgang

SG Regensburg (Entscheidung vom 19.06.1986; Aktenzeichen S 8 Al 156/85)

 

Tatbestand

Streitig ist ein Erstattungsanspruch der beklagten Bundesanstalt für Arbeit (BA) nach § 128a des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG).

Die Klägerin beschäftigte den Arbeitslosen S. als Fertigungsleiter vom 1. April 1982 bis zum 30. September 1984. In der Arbeitsbescheinigung gab sie an, der Arbeitslose erhalte eine monatliche Karenzentschädigung in Höhe von 2.591,-- DM wegen eines Wettbewerbsverbotes. Die Beklagte bewilligte Arbeitslosengeld (Alg) ab 1. Oktober 1984. Sie machte die Klägerin auf deren Erstattungspflicht nach § 128a AFG aufmerksam. Die Klägerin wandte ein, da in Bayern kein einziger Konkurrenzbetrieb bestehe, hätte der Arbeitslose in etwa 100 Metallbetrieben trotz des Konkurrenzverbotes Arbeit finden können. Die Beklagte forderte die Klägerin auf, die für die Zeit vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 1984 erbrachten Leistungen an Alg und Versicherungsbeiträgen von insgesamt 8.931,92 DM zu erstatten (Bescheid vom 30. Januar 1985; Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 1985).

Mit einem weiteren Bescheid forderte die Beklagte Erstattung der für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. April 1985 erbrachten Leistungen an Alg und Unterhaltsgeld (Uhg) nebst Versicherungsbeiträgen von insgesamt 8.833,54 DM.

Das Sozialgericht (SG) hat die Bescheide dahin abgeändert, daß die Klägerin die von der Beklagten in Höhe von 4.900,26 DM geltend gemachten Versicherungsbeiträge zu erstatten habe, und die Klage im übrigen abgewiesen.

Hiergegen haben beide Beteiligten die in der Urteilsformel zugelassene Sprungrevision eingelegt jeweils mit der Zustimmungserklärung des Gegners.

Die Klägerin rügt Verletzung des § 128a AFG. Der Arbeitslose habe in seiner Tätigkeit keiner tatsächlichen Beschränkung durch das Wettbewerbsverbot unterlegen, da auf dem in Betracht kommenden Arbeitsmarkt in Bayern kein Konkurrenzunternehmer tätig werde.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des SG vom 19. Juni 1986 abzuändern und die angefochtenen

Bescheide in vollem Umfang aufzuheben.

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision ebenfalls Verletzung des § 128a AFG. Die Anrechnung des vom Arbeitgeber zu erstattenden Alg auf die Karenzentschädigung sei schon vor dem Inkrafttreten der dies ausdrücklich vorsehenden Neufassung des § 128a AFG mit Wirkung vom 1. Januar 1986 rechtens gewesen. Der Auffassung des SG, die zuvor geltende Fassung habe den Arbeitgeber, sofern er eine Karenzentschädigung zahle, nicht zusätzlich mit der Erstattung von Alg und Uhg belasten wollen, wohl aber mit der Erstattung der hierauf entfallenden Versicherungsbeiträge, sei damit der Boden entzogen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des SG aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Beide Beteiligten beantragen jeweils die Zurückweisung der Revision des anderen Beteiligten.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Revisionen war in Abänderung der Entscheidung des SG der angefochtene Bescheid aufzuheben, soweit in ihm die Erstattung von Uhg und der hierauf entfallenden Versicherungsbeiträge angeordnet wird. Hinsichtlich des Alg und der hierauf entfallenden Versicherungsbeiträge ist der Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen, da eine abschließende Entscheidung weitere tatrichterliche Feststellungen erfordert.

1. Der § 128a AFG gibt entgegen der Auffassung der Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung von Uhg und der hierauf entfallenden Beiträge.

Die für das Alg in § 128a Sätze 1 und 2 AFG angeordnete Erstattungspflicht und die dort in Satz 3 vorgesehene Anrechnung des Alg auf die Karenzentschädigung gelten zwar für die Arbeitslosenhilfe (Alhi) entsprechend. Die hierfür maßgebenden Gründe sind indes auf das Uhg nicht übertragbar. Nach § 134 Abs 4 Satz 1 AFG gelten die Vorschriften des 1. Unterabschnittes über Alg entsprechend, soweit die Besonderheiten der Alhi nicht entgegenstehen. Nach dem folgenden Satz 4 gilt § 128 entsprechend mit der Maßgabe, daß die Alhi längstens für 1248 Tage zu erstatten ist. Damit ist nach dem Gesetzeszusammenhang gemeint, daß die schon nach Satz 1 gebotene entsprechende Anwendung ua der §§ 128 bis 128b für § 128 nur mit der dort festgelegten Einschränkung gelten soll. Die in Satz 4 angeordnete entsprechende Anwendung des § 128 läßt also nicht den Schluß zu, daß die §§ 128a und b AFG nicht entsprechend anwendbar seien. Die Nennung des § 128 AFG in § 134 Abs 4 Satz 4 AFG verlautbart damit, daß der Gesetzgeber die Erstattungspflicht nach den §§ 128 bis 128b AFG gesehen und auch insoweit eine entsprechende Anwendung gewollt hat. Für eine entsprechende Anwendung spricht ferner, daß Alg und Alhi in gleicher Weise als Anspruchsvoraussetzung Verfügbarkeit voraussetzen, so daß die durch die Wettbewerbsabrede bewirkte Erschwerung der Vermittelbarkeit die Möglichkeit der BA in gleicher Weise beeinträchtigt, durch Vermittlung in Arbeit den Leistungsbezug zu beenden. Für eine entsprechende Anwendung auf die Alhi spricht ferner, daß Alg und Alhi nach § 134 Abs 4 Satz 1 2. Halbsatz AFG als einheitlicher Anspruch auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit gelten. Auch darin unterscheiden sich Alg und Alhi einerseits vom Uhg andererseits, das als Leistung zur Förderung der beruflichen Bildung der Arbeitslosenversicherung nur mit Einschränkung zuzuordnen ist (BSG SozR 4100 § 46 Nr 8).

Für das Uhg gelten nach § 44 Abs 7 AFG die Vorschriften über das Alg nur, soweit die Besonderheiten des Uhg nicht entgegenstehen. Das Uhg setzt anders als Alg und Alhi neben der Arbeitslosigkeit keine Verfügbarkeit voraus (vgl BSG-Urteil vom 29. November 1989 - 7 RAr 8/89 -). Für § 128a AFG ist aber gerade die Einschränkung der Verfügbarkeit durch die Wettbewerbsabrede bedeutsam. Die Vorschrift ordnet die Erstattungspflicht nur für die Zeiträume an, in denen die BA ohne die Wettbewerbsabrede möglicherweise durch Vermittlung ihre Leistungspflicht hätte vermeiden können. Hat die BA indes dem Arbeitslosen eine Maßnahme der beruflichen Bildung mit Gewährung von Uhg bewilligt, so kann sie ihre Leistungspflicht nicht dadurch einschränken, daß sie dem Arbeitslosen eine Arbeitsstelle nachweist. Der Arbeitslose ist für die Dauer der Fortbildungsmaßnahme nicht verpflichtet, unter deren Abbruch eine Arbeit aufzunehmen. Schon dieser Unterschied schließt für den Regelfall eine entsprechende Anwendung aus.

Insoweit bedarf es nicht der Erörterung, ob es für bestimmte Fallgruppen sachgerecht wäre, den Arbeitgeber auch mit der Erstattung des Uhg zu belasten. Zu denken wäre an den Tatbestand, daß gerade die Wettbewerbsabrede eine Bildungsmaßnahme notwendig machte, oder daß der Arbeitslose jederzeit bereit war, die Bildungsmaßnahme abzubrechen und eine Arbeit aufzunehmen. Käme es hierauf an, so wären im vorliegenden Fall tatrichterliche Feststellungen dazu erforderlich, ob der Arbeitslose unter Abbruch der Maßnahme in eine Beschäftigung eingetreten ist, wie sich dies aus den Beiakten ergibt. Hätte der Gesetzgeber eine Belastung des Arbeitgebers auch mit dem Uhg für solche Tatbestände gewollt, so hätte er dies deutlicher als in der allgemeinen Verweisungsvorschrift zum Ausdruck bringen müssen. Deren Wortlaut und Entstehungsgeschichte gibt nicht einmal einen Anhaltspunkt dafür, daß der Gesetzgeber hierbei überhaupt an die Erstattungspflicht nach den §§ 128 bis 128b AFG gedacht hat. Auch fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, bei welchen Tatbeständen die Erstattungspflicht eingreifen soll.

Die Notwendigkeit einer deutlichen Entscheidung des Gesetzgebers ergibt sich schon daraus, daß Bildungsmaßnahmen bis zu zwei Jahren dauern und somit auch die höchstzulässige Dauer einer Wettbewerbsabrede erreichen können. Die Anordnung einer Erstattungspflicht für das Uhg ist auch eine im Hinblick auf Art 12 des Grundgesetzes (GG) verfassungsrechtlich relevante Entscheidung. Sie betrifft überdies den Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) insoweit, als für Bildungsmaßnahmen Behinderter nicht Uhg, sondern Übergangsgeld (Übg) zu zahlen ist. Der für berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation maßgebende 6. Unterabschnitt verweist hinsichtlich des Übg nicht auf die Vorschriften des 4. Abschnittes über das Alg. Eine entsprechende Anwendung des § 128a AFG auf das Übg kommt damit nicht in Betracht. Dementsprechend hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Anrechnung des Übg auf die Karenzentschädigung abgelehnt (BAG-Urteil vom 7. November 1989 - 3 AZR 796/87 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Der Senat folgt aus diesen Gründen der Auffassung, daß die Erstattungspflicht auf das Uhg nicht entsprechend anwendbar ist (Gagel, Arbeitsförderungsgesetz, § 44 RdNr 22; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, Komm zum AFG, 2. Aufl, § 44 Anm 40; aA: Wittrock in Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, AFG aaO § 128a Anm 2; Hennig/Kühl/Heuer, AFG-Kommentar, § 128a Anm 1 und § 44 Anm 12; Gemeinschaftskommentar zum AFG, § 44 RdNr 84). Der 2. Erstattungsbescheid war daher hinsichtlich des Uhg und der hierauf entrichteten Versicherungsbeiträge von 2.800,36 DM aufzuheben.

2. Hinsichtlich des auf Alg und der hierauf entrichteten Versicherungsbeiträge entfallenden Restbetrages von 14.965,10 DM ist der Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Insoweit erfordert eine abschließende Beurteilung weitere tatrichterliche Feststellungen.

§ 128a AFG ist nach der Übergangsvorschrift in Art 1 § 2 Nr 16 des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497) auf nach dem 31. Dezember 1981 vereinbarte Wettbewerbsbeschränkungen anzuwenden. Der Feststellung des SG, der Arbeitslose sei bei der Klägerin vom 1. April 1982 bis zum 30. September 1984 beschäftigt gewesen, kann nach dem Gesamtzusammenhang entnommen werden, daß die Wettbewerbsabrede jedenfalls nicht vor dem 1. Januar 1982 abgeschlossen wurde. Insoweit ist unschädlich, daß das SG zum Tatbestand im wesentlichen nur das Beteiligtenvorbringen wiedergibt und den Verfahrensablauf schildert, ohne nähere Feststellungen zu der unter dem 16. Dezember 1983 datierten und mit dem 10. Januar 1984 unterschriebenen Wettbewerbsabrede zu treffen.

Der streitige Erstattungsanspruch bezieht sich auf Leistungen für die Zeit vom 1. Oktober 1984 bis zum 30. April 1985, also auf einen Zeitraum vor dem 1. Januar 1986, so daß die Änderung des § 128a AFG durch das 7. Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (7. AFG-ÄndG) vom 20. Dezember 1985 (BGBl I 2484) über die Anrechnung des Alg auf die Karenzentschädigung nicht anwendbar ist. Hiernach muß sich der Arbeitnehmer das Arbeitslosengeld, "das der Arbeitgeber erstattet", wie Arbeitsentgelt auf die Entschädigung für die Wettbewerbsbeschränkung anrechnen lassen. Der Arbeitnehmer muß sich nach § 74c Abs 1 Satz 1 auf die fällige Entschädigung anrechnen lassen, was er während des Zeitraums, für den die Entschädigung gezahlt wird, durch anderweite Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt, soweit die Entschädigung unter Hinzurechnung dieses Betrags den Betrag der zuletzt von ihm bezogenen vertragsmäßigen Leistungen um mehr als ein Zehntel übersteigen würde (zur entsprechenden Anwendung der §§ 74 ff HGB auf nicht unter das HGB fallende Arbeitnehmer vgl BAGE 22, 125, 132 ff; 22, 324, 326 f).

Diese Anrechnungsmöglichkeit hat indes entgegen der Auffassung des SG schon vor dem 1. Januar 1986 bestanden. Die in § 128a Satz 3 AFG mit Wirkung vom 1. Januar 1986 nunmehr ausdrücklich angeordnete Gleichsetzung von Alg und Arbeitsentgelt hinsichtlich der Karenzentschädigung bestätigt die schon zuvor gebotene entsprechende Anwendung des § 74c HGB auf das Alg. Das BAG hat bereits für Wettbewerbsabreden aus der Zeit vor dem 1. Januar 1982, für die die Erstattungspflicht des § 128a AFG nicht gilt, im Wege richterlicher Rechtsfortbildung entschieden, daß bei der Anrechnung anderweitigen Arbeitseinkommens auf die Karenzentschädigung nach § 74c HGB das Alg dem Arbeitseinkommen gleichstehe (BAGE 49, 109 = AP Nr 11 zu § 74c HGB, mit im Ergebnis zustimmender Anmerkung von Beitzke = SAE 1987, 147 mit im Ergebnis zustimmender Anmerkung von Hadding/Hammen = AR-Blattei, Wettbewerbsverbot, Entscheidung 145 mit im Ergebnis zustimmender Anmerkung von Buchner), und dies in der zu 1. angeführten Entscheidung zur Verneinung einer Anrechnung des Übg auf die Karenzentschädigung vom 7. November 1989 bestätigt.

Der Entscheidung, daß die Anrechnungsmöglichkeit des Alg auf die Karenzentschädigung schon vor Eintritt der Erstattungspflicht bestand, und seither uneingeschränkt, also auch unabhängig von der Erstattungspflicht, fortbesteht, steht nicht entgegen, daß § 128a Satz 3 AFG mit Wirkung vom 1. Januar 1986 die Anrechnungsmöglichkeit nur für das Alg anordnet, "das der Arbeitgeber erstattet".

Der § 128a AFG gewährleistet, daß der Arbeitgeber, der mit dem Arbeitnehmer eine Wettbewerbsabrede getroffen hat und deshalb nach § 128a erstattungspflichtig ist, das Alg wie Arbeitsentgelt von der Wettbewerbsentschädigung abziehen kann; damit wird eine "doppelte Belastung" des Arbeitgebers vermieden (BT-Drucks 10/4483 auf S 11 zu Art 1 Nr 26a). Die Begrenzung der Gewährleistung auf das nach § 128a AFG erstattete Alg schließt eine weitergehende Anrechnung nach § 74c HGB (in entsprechender Anwendung) nicht aus. Der Arbeitgeber bleibt also zur Anrechnung des Alg auf die Karenzentschädigung auch dann berechtigt, wenn er auf die Wettbewerbsabrede verzichtet und damit den Erstattungsanspruch bei fortbestehender Verpflichtung zur Zahlung der Karenzentschädigung (§ 75a HGB) ausschließt, worauf noch näher einzugehen ist.

Damit ist der Entscheidung des SG, daß § 128a AFG eine Erstattung des Alg nicht vorsehe, sofern eine Anrechnung des Alg auf die Karenzentschädigung ausgeschlossen war, der Boden entzogen.

3. § 128a AFG in der vor dem 1. Januar 1986 geltenden Fassung ist nicht verfassungswidrig (Urteil vom 27. April 1989 - 11 RAr 99/88 - und Urteil vom 9. November 1989 - 11 RAr 75/88 -). Hieran ist trotz der von der Klägerin und der im Schrifttum erhobenen Bedenken (vgl Beitzke in Anmerkung zu AP Nr 11 zu § 74c HGB; Küstner/Manteuffel in Anmerkung zu AP Nr 13 zu § 74c HGB; Beise DB 1987, 1251 ff; Buchner AR-Blattei Wettbewerbsverbot Entsch 145) festzuhalten.

Die Regelung verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG). Sie ist zwar insoweit systemwidrig iS einer Verletzung der "vom Gesetz selbst statuierten Sachgesetzlichkeit", als sie gegen den Grundsatz des AFG verstößt, daß der Arbeitslose weniger erhält als der Arbeitende, damit ein Anreiz zur Arbeitsaufnahme besteht. Der Arbeitslose, der Karenzentschädigung und Alg bis zur Höhe von 110 vH der vertragsgemäßen Bezüge erhält, wird aufgrund der Anrechnung eines Erwerbseinkommens auf die Karenzentschädigung in aller Regel auch nach Aufnahme einer Beschäftigung nur 110 vH der letzten Bezüge verdienen können.

Indessen verstößt eine solche Systemwidrigkeit für sich allein nicht gegen Art 3 Abs 1 GG (BVerfGE 78, 104, 123); vielmehr obliegt es regelmäßig der Entscheidung des Gesetzgebers, nach welchem System er eine Materie ordnen will (BVerfGE 76, 130, 140; 68, 237, 253). Hier folgt aus der Systemwidrigkeit schon deswegen kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz, weil der Gesetzgeber zu berücksichtigen hatte, daß die Karenzentschädigung auch dafür einen Ausgleich bieten soll, daß der Arbeitslose durch die Wettbewerbsabrede auf die Möglichkeit verzichtet hat, bei einem Konkurrenzunternehmen einen besser bezahlten Arbeitsplatz zu erlangen, als er bisher innehatte. Ob es gleichwohl zweckmäßiger gewesen wäre, die Anrechnung des Alg eigenständig zu regeln, hierfür eine Grenze von 100 vH der früheren Nettobezüge vorzusehen (vgl Beitzke in Anmerkung zu AP Nr 11 zu § 74c HGB) und so die Steuerfreiheit des Alg zu berücksichtigen (vgl LArbG Düsseldorf DB 1989, 986), ist für die Anwendung des Gleichheitssatzes ohne Bedeutung.

Es ist auch nicht verfassungswidrig, daß § 128a AFG den Arbeitgeber über die Karenzentschädigung hinaus mit dem vollen Arbeitslosigkeitsrisiko trotz fortbestehender Beitragslast belastet (aA Küstner/Manteuffel Anm zu AP Nr 13 zu § 74c HGB). Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 23. Januar 1990 (1 Bvl 44/86 und 48/87) den § 128 AFG als im wesentlichen verfassungsmäßig angesehen und hierbei dem Umstand keine Bedeutung beigemessen, daß der Arbeitgeber, auch soweit er nach § 128 AFG das Risiko der Arbeitslosigkeit des Beschäftigten allein trägt, mit der vollen Beitragslast belastet bleibt. Das muß entsprechend zu § 128a AFG gelten.

Anders als in den Fällen des § 128 AFG trägt der Arbeitgeber nach § 128a AFG das volle Risiko der Arbeitslosigkeit auch dann, wenn die Arbeitslosigkeit auf einer vom Arbeitnehmer ausgesprochenen Kündigung beruht. Das ist schon deswegen gerechtfertigt, weil sich die durch das Wettbewerbsverbot bewirkte Erhöhung des Vermittlungsrisikos auch dann auswirkt, wenn der Arbeitnehmer kündigt.

Die Erstattung des Alg in voller Höhe und damit die Auferlegung des gesamten Vermittlungsrisikos verstößt auch dann nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn die Wettbewerbsabrede die möglichen Vermittlungsbemühungen (und die eigene Suche nach einem Arbeitsplatz) nur geringfügig einschränkt.

Wird die Arbeitsplatzsuche des Arbeitslosen bzw die Vermittlungsmöglichkeit des Arbeitsamtes durch eine Wettbewerbsabrede eingeschränkt, so läßt sich im allgemeinen nachträglich nur schwer beurteilen, welche Zeitabschnitte der Arbeitslosigkeit nach dem Grundsatz der wesentlichen Bedingung durch die Wettbewerbsabrede oder durch andere Faktoren verursacht sind. Auch der Prozentsatz, mit dem das Vermittlungsrisiko auf die Wettbewerbsabrede einerseits und auf die übrigen Faktoren andererseits zu verteilen ist, läßt sich im Regelfall nicht annähernd bestimmen. Insoweit erweist sich der von der Klägerin herangezogene Maßstab von vornherein als ungeeignet, in welchem Verhältnis die durch die Wettbewerbsabrede verschlossenen Arbeitsplätze zu den in Betracht kommenden Arbeitsplätzen stehen. Hätte zB der Leiter der Entwicklungsabteilung eines Unternehmens im einzigen Konkurrenzunternehmen die entsprechende Position ohne Wettbewerbsabrede erhalten, so kann es keine Rolle spielen, wieviele durch die Wettbewerbsabrede nicht verschlossene Arbeitsplätze daneben in Betracht gekommen wären. Auch die Forderung, das Wettbewerbsverbot müsse zumindest "wesentlich" zur Arbeitslosigkeit beigetragen haben (Beise DB 1987, 1251/1253), ergibt keinen praktikablen Maßstab. Unter diesen Umständen verstößt es nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn der Gesetzgeber nicht an das Maß der Erhöhung des Vermittlungsrisikos anknüpft, sondern das gesamte Vermittlungsrisiko dem Arbeitgeber für die Dauer der Wettbewerbsabrede überträgt. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, daß der Arbeitgeber jederzeit durch Verzicht auf die Wettbewerbsabrede sich der Erstattungspflicht entziehen kann. Ein nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erklärter Verzicht löst zwar nicht die Wirkung des § 75a HGB aus, daß die Karenzentschädigung längstens für 1 Jahr zu zahlen ist. Er läßt vielmehr - vorbehaltlich einer einvernehmlichen Aufhebung des Wettbewerbsverbots - die volle Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung der Entschädigung für die ganze Dauer des Wettbewerbsverbots bestehen. Er beendet jedoch die Erstattungspflicht, ohne daß der Arbeitgeber die Möglichkeit einer Anrechnung des Alg auf die Karenzentschädigung einbüßt, wie bereits ausgeführt wurde.

Die mit dem Erstattungsanspruch verbundene Auferlegung des gesamten Risikos der Arbeitslosigkeit ist auch insoweit gerechtfertigt und nicht verfassungswidrig, als Alg für Zeiträume zu zahlen war, in denen die Arbeitsplatzsuche nicht nur durch die Wettbewerbsabrede, sondern auch durch andere Gründe beeinträchtigt war. Es bedarf daher keiner Feststellung dazu, ob der Arbeitslose und die BA ihre Suche nach einem Arbeitsplatz auf den Wohnort des Arbeitslosen in Bayern einschließlich dem Pendelbereich beschränkt haben und ob sie dies auch ohne Wettbewerbsabrede getan hätten. Es kann vielmehr in tatsächlicher Hinsicht zugunsten der Klägerin unterstellt werden, daß die Arbeitsplatzsuche in dieser Weise in den ersten Monaten begrenzt wurde und in Bayern kein von der Wettbewerbsklausel erfaßtes Konkurrenzunternehmen ansässig ist, so daß die Arbeitsplatzsuche ohne Wettbewerbsabrede in gleicher Weise verlaufen wäre. Der Arbeitnehmer ist schon dann durch eine Vereinbarung in seiner beruflichen Tätigkeit beschränkt, wenn eine solche Beschränkung Gegenstand der Vereinbarung ist. Es ist nicht erforderlich, daß ohne eine solche Vereinbarung die Beschränkung entfiele, daß also die Vereinbarung die alleinige Ursache ist. Die Absicht des Gesetzgebers, den Erstattungsanspruch nicht von der nur schwer zu beurteilenden Kausalität zwischen der Wettbewerbsabrede und dem Fortbestand der Arbeitslosigkeit abhängig zu machen, ist auch insoweit zu beachten. Darin liegt kein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Je geringer die tatsächliche Auswirkung der Wettbewerbsabrede ist, desto eher ist dem Arbeitgeber ein Verzicht auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots zuzumuten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß die wirtschaftlichen Sanktionen insgesamt den Arbeitgeber geringer als ein Verbot der Wettbewerbsabrede belasten, da er in seinen Arbeitsverträgen auf Wettbewerbsverbote verzichten kann.

4. Gleichwohl ist der Erstattungsanspruch nur dann begründet, wenn die Klägerin darüber belehrt wurde, daß sie sich durch den Verzicht auf die Wettbewerbsabrede dem Erstattungsanspruch entziehen konnte. In den Fällen des § 128a AFG besteht die Aufgabe der Beklagten nicht in erster Linie darin, Erstattungspflichten festzustellen und durchzusetzen. Hierbei handelt es sich vielmehr nur um Sanktionen für den Fall, daß die Hauptaufgabe der Beklagten, nämlich die Vermittlung des Arbeitslosen in Arbeit (§§ 2 Nr 1, 3 Abs 1 Nr 2 AFG), durch vertragliche Vereinbarungen behindert wird. Aus dem Vorrang der Vermittlung ist eine Verpflichtung der Beklagten herzuleiten, den Arbeitgeber darüber zu belehren, daß er durch Verzicht auf die Einhaltung der Wettbewerbsklausel den Erstattungsanspruch abwenden kann, da dies den Weg zur uneingeschränkten Vermittlung eröffnen würde. Eine solche Belehrungspflicht besteht nicht nur, wenn bei klar erkennbarer Nichtigkeit der Wettbewerbsabrede es zweifelhaft ist, ob der Arbeitgeber an ihr festhalten wird (SozR 4100 § 128a Nr 2) oder wenn das Verhalten des Arbeitgebers Zweifel daran aufkommen läßt, ob er auf der Einhaltung der Wettbewerbsabrede besteht (BSG-Urteil vom 9. November 1989 - 11 RAr 75/88 -), sondern in allen Fällen, in denen eine entsprechende Belehrung einen Verzicht zur Folge haben kann, auch wenn der Arbeitgeber schon im Verwaltungsverfahren rechtskundig vertreten ist. Diese Belehrungspflicht trägt wesentlich dazu bei, daß das Verfassungsgebot der Verhältnismäßigkeit gewahrt wird. Eine Belehrung ist erforderlich, weil die Rechtskenntnis, daß ein Verzicht auf die Wettbewerbsabrede zwar nicht die Verpflichtung zur Karenzentschädigung, wohl aber die zur Erstattung von Alg und Alhi entfallen läßt, auch bei rechtskundiger Vertretung nicht ohne weiteres erwartet werden kann. Eine solche Belehrung läßt sich stets mit der ohnehin vorgeschriebenen Anhörung des Arbeitgebers verbinden, sofern sie nicht von vornherein zwecklos erscheint. Hier ließ es das Vorbringen der Klägerin das Wettbewerbsverbot habe die Arbeitsplatzsuche nur unwesentlich beeinträchtigt, nicht als ausgeschlossen erscheinen, daß sie bei entsprechender Belehrung auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots verzichtet hätte. Da das SG zu den Fragen, ob die Klägerin belehrt wurde, verneinendenfalls, wie sie sich auf eine solche Belehrung hin verhalten hätte, keine Feststellungen getroffen hat, war der Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen. Dieses wird über die Kosten des Revisionsverfahrens insgesamt zu entscheiden haben, auch soweit hier über das Uhg nebst Versicherungsbeiträgen bereits abschließend entschieden ist.

 

Fundstellen

BSGE 66, 250 (LT1-5)

BSGE, 250

RegNr, 19105 (BSG-Intern)

NZA 1990, 906-909 (LT)

VdKMitt 1990, Nr 8, 26 (T)

DBlR 3652a, AFG/§ 128a (LT1-5)

SozR 3-4100 § 128a, Nr 2 (LT1-4)

SozSich 1991, RsprNr 4284 (LT1-5)

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge