Entscheidungsstichwort (Thema)

Entziehung des Kindergeldanspruchs für Ausländer mit Aufenthaltsbefugnis. Verfassungsmäßigkeit. Inländergleichbehandlung. Palästinenser. Staatenloser. Tatbestandswirkung. Statusentscheidung. Statusfeststellung

 

Leitsatz (amtlich)

  • Ein Staatenloser, der die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen des § 1 Abs 3 BKGG nicht erfüllt, hat nicht bereits aufgrund des Staatenlosen-Übereinkommens Anspruch auf Kindergeld (Fortführung von BSGE 72, 8, 14 = SozR 3-5870 § 1 Nr 2 S 11 f).
  • Kein gemeinschaftsrechtlicher Anspruch auf Gleichbehandlung mit Inländern eines aus dem Libanon unmittelbar nach Deutschland zugewanderten Staatenlosen.
 

Normenkette

BKGG § 1 Abs. 3 (Fassung: 21.12.1993), § 42 (Fassung: 21.12.1974); AuslG § 30 (Fassung: 9.7.1990); StaatenlÜbk Art. 1 Abs. 1, Art. 24 Abs. 1 Buchst. b, Art. 28; Anhang zum StaatenlÜbk § 1 Abs. 1; EWGV 1408/71 Art. 3; ZPO § 417

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 28.11.1995; Aktenzeichen L 3 Kg 35/94)

SG Lüneburg (Gerichtsbescheid vom 06.05.1994; Aktenzeichen S 7 Kg 28/94)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 28. November 1995 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung des Kindergeldes (Kg) mit Ablauf des Monats Dezember 1993 und macht die Verfassungswidrigkeit der Neuregelung des § 1 Abs 3 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) idF des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 2353) geltend.

Der 1957 als Palästinenser im Libanon geborene Kläger hält sich seit dem Jahre 1986 in Deutschland auf und bezieht seither (ergänzende) Sozialhilfe. Sein Asylantrag blieb erfolglos. Ihm wurde am 10. April 1991 ein Reiseausweis gemäß Art 28 des Übereinkommens vom 28. September 1954 über die Rechtsstellung der Staatenlosen (StlÜbk, verkündet mit Gesetz vom 12. April 1976, BGBl 1976 II 473) ausgestellt. Am 11. Dezember 1990 wurde ihm eine befristete Aufenthaltserlaubnis (alten Rechts) nach der Bleiberechtsregelung des Niedersächsischen Ministers des Inneren vom 18. Oktober 1990 erteilt, die später in eine Aufenthaltsbefugnis (neuen Rechts) umgewandelt und mehrfach verlängert worden ist. Seit dem 13. März 1996 besitzt der Kläger eine Aufenthaltserlaubnis neuen Rechts.

Er bezog bis einschließlich Dezember 1993 von der Beklagten Kg für seine vier Kinder. Mit undatiertem Bescheid vom Dezember 1993 hob die Beklagte mit Ablauf des Monats Dezember 1993 die Bewilligung des Kg wegen Änderung des BKGG gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) auf, weil der Kläger nicht eine gültige Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis besitze. Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 1994; Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ≪SG≫ Lüneburg vom 6. Mai 1994; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Niedersachsen vom 28. November 1995). Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt, wie vom SG zutreffend entschieden, seien die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht rechtswidrig. Die Beklagte habe die Kg-Bewilligung über den Monat Dezember 1993 hinaus wegen der Rechtsänderung des § 1 Abs 3 Satz 1 BKGG zu Recht abgelehnt, weil der Kläger nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis sei und nur eine Aufenthaltsbefugnis aufgrund der Bleiberechtsregelung des Niedersächsischen Ministeriums des Inneren vom 18. Oktober 1990 besitze. Der Kläger habe auch keinen Kg-Anspruch als Staatenloser. Als solcher sei er nicht anerkannt, sondern es sei ihm nur unter Gleichstellung mit den Staatenlosen ein internationaler Reiseausweis ausgestellt worden. Auch könne er sich nicht unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten auf die Durchführungsanweisungen der Beklagten für die Gewährung von Kg an Flüchtlinge und Staatenlose berufen. Daß durch diese Anwendung von § 1 Abs 3 BKGG Verfassungsrecht nicht verletzt werde, habe das Bundessozialgericht (BSG) durch Urteile vom 31. Oktober 1995 entschieden.

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von Art 28 StlÜbk. Das LSG habe die Bestandskraft der Entscheidung über die Ausstellung des Reiseausweises vom 10. April 1991 nicht beachtet. Staatenlos sei gerade auch jener, den – wie den Kläger – kein Staat als seinen Staatsangehörigen ansehe. Mit seiner “Aufnahme” im Rechtssinne durch Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung seien ihm die Rechte aus dem StlÜbk entstanden, die mit dem Anspruch auf Inländergleichbehandlung den Kg-Anspruch begründeten.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 28. November 1995 und des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Lüneburg vom 6. Mai 1994 den Bescheid der Beklagten vom Dezember 1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 1994 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt – unter näherer Begründung –,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hat mitgeteilt, daß der Kläger seit März 1996 erneut Kg bezieht.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Aufgrund der Neuregelung des § 1 Abs 3 BKGG durch das 1. SKWPG stand dem Kläger für den Zeitraum ab 1. Januar 1994 kein Kg mehr zu (1.), und zwar unbeschadet des Besitzes eines Reiseausweises für Staatenlose (2.). Diese Neuregelung trifft den Kläger nicht in verfassungswidriger Weise (3.).

1. Zu Recht sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß dem Kläger aufgrund der Neufassung des § 1 Abs 3 BKGG idF des 1. SKWPG mit Wirkung ab Januar 1994 kein Anspruch auf Kg mehr zustand (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB X), da er sich (bis zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis am 13. März 1996) – lediglich – auf der Grundlage einer Aufenthaltsbefugnis in Deutschland aufhielt. Die zitierte Neuregelung des Kg-Anspruchs setzt dagegen voraus, daß der Berechtigte im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung (§ 27 des Ausländergesetzes idF des Neuregelungsgesetzes vom 9. Juli 1990, BGBl I 1354 ≪AuslG 1990≫) oder Aufenthaltserlaubnis (§ 15 AuslG 1990) ist. Die Rechtmäßigkeit seines Aufenthalts beruhte indessen – nachdem der Kläger zunächst geduldet war (Auskunft der Stadt Lüneburg vom 30. Januar 1995) – seit der Anwendung der Niedersächsischen Bleiberechtsregelung vom 18. Oktober 1990 auf der Aufenthaltserlaubnis nach altem Ausländerrecht, die ab Januar 1991 als Aufenthaltsbefugnis (§ 30 AuslG 1990) fortgalt (§ 94 Abs 3 AuslG 1990),

Eine Übergangsvorschrift zugunsten des Klägers, der bis zum 31. Dezember 1993 noch Anspruch auf Kg hatte, enthält das 1. SKWPG nicht. Anders als für bestimmte Neuregelungen im Recht des Erziehungsgeldes (hierzu: BSG vom 22. Februar 1995, SozR 3-7833 Nr 15; 6. September 1995, SozR 3-7833 Nr 16) kann nicht daraus gefolgert werden, die Gesetzesänderung erfasse nur Kinder, die nach dem Inkrafttreten einer den Kreis der Anspruchsberechtigten einschränkenden Neuregelung geboren wurden (Senatsurteil vom 31. Oktober 1995, SozR 3-5870 § 1 Nr 6).

2. Auch als anerkannter Staatenloser kann der Kläger keinen Anspruch auf Kg aus Art 24 StlÜbk herleiten.

a) Der Senat kann vorliegend offenlassen, ob Art 24 StlÜbk einen unmittelbaren Anspruch auf Kg für anerkannte Staatenlose verschaffen kann. Nach Art 24 Abs 1 Buchstabe b StlÜbk gewähren die Vertragsstaaten den Staatenlosen, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten, ua in bezug auf Soziale Sicherheit einschließlich der gesetzlichen Bestimmungen über Familienunterhalt die gleiche Behandlung wie ihren Staatsangehörigen. Insoweit können sich unmittelbare Rechtsansprüche für einen Staatenlosen ergeben, da die Transformation eines völkerrechtlichen Vertrages durch ein Zustimmungsgesetz zur unmittelbaren Anwendbarkeit einer Vertragsnorm führt, wenn sie nach Wortlaut, Zweck und Inhalt geeignet und hinreichend bestimmt ist, wie eine innerstaatliche Vorschrift rechtliche Wirkung zu entfalten, also dafür keiner weiteren normativen Ausfüllung bedarf (BVerwG vom 16. Oktober 1990, BVerwGE 87, 11, 13 f = DVBl 1991, 270 = InfAuslR 1991, 72 mwN).

Der Senat konnte bislang offenlassen, ob Kg zur Sozialen Sicherheit iS von Art 24 Abs 1 Buchstabe b des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 – Genfer Konvention – (BGBl 1953 II, 559 ≪FlüAbk≫) gehört (Urteil vom 15. Dezember 1992, BSGE 72, 8, 14 = SozR 3-5870 § 1 Nr 2 S 11 f). Da es sich um insoweit wortgleiche Vertragsbestimmungen handelt, kann diese Frage auch bei der Anwendung von Art 24 StlÜbk als ungeklärt angesehen werden. Der hier zur Entscheidung stehende Sachverhalt zwingt ebenfalls nicht zu einer Beantwortung dieser Frage.

b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann allerdings der Status des Klägers als Staatenloser nicht unter Berufung auf die Auskünfte der Ausländerbehörde verneint werden, weil diese Auskünfte die mit der Erteilung des Reiseausweises verbundene bindende Statusfeststellung nicht zu widerlegen geeignet sind.

aa) Daß der Kläger als Staatenloser anerkannt worden ist, folgt aus der – aufgrund der festgestellten Tatsachen – auch dem Revisionsgericht möglichen Anwendung der Bestimmungen des StlÜbk. Reiseausweise für Staatenlose werden nach Art 28 StlÜbk Staatenlosen ausgestellt, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet des Vertragsstaats aufhalten (vgl Kemper, Die Erteilung von Reiseausweisen nach der Genfer Konvention und dem Staatenlosen-Übereinkommen, ZAR 1992, 112 ff). Satz 2 dieser Regelung sieht darüber hinaus auch vor, im Wege der Ermessensentscheidung den Reiseausweis den in ihrem Hoheitsgebiet “befindlichen” Staatenlosen auszustellen und sieht damit von den strengen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen des Aufenthalts ab. Zwingend zu beachten ist nach Satz 1 Halbsatz 2 aaO der Anhang zum StlÜbk, dessen § 1 Abs 1 vorsieht:

“Der in Art 28 dieses Übereinkommens genannte Reiseausweis hat die Feststellung zu enthalten, daß sein Inhaber Staatenloser iS des Übereinkommens vom 28. September 1954 ist.”

Diese Bestimmung schreibt vor, daß mit der Erteilung des Reiseausweises nach Art 28 StlÜbk zugleich die verbindliche Feststellung über die Anerkennung als Staatenloser erfolgt (dementsprechend s zB Abschnitt D Nr 7 der Verwaltungsvorschriften zum Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen – Erlaß des Hessischen Ministers des Innern vom 10. Dezember 1979, Staatsanzeiger für das Land Hessen 1979 S 2483, der ausdrücklich die Beachtung des Anhangs zu § 28 StlÜbk vorschreibt). Der Ausweis hat nach § 5 des Anhangs zum StlÜbk mindestens drei Monate und höchstens zwei Jahre lang gültig zu sein. Damit verschafft die verbindliche Statusentscheidung (vgl Senatsurteil vom 15. Dezember 1992, BSGE 72, 8, 10) für Staatenlose eine dem Vertriebenenausweis (§ 15 Bundesvertriebenengesetz) ähnliche Rechtsstellung (feststellender Verwaltungsakt gem § 35 Verwaltungsverfahrensgesetz; vgl BVerwG vom 21. September 1984 – 8 C 4/82 –, NVwZ 1985, 412 mwN; BVerwG vom 20. Oktober 1987 – 9 C 255/86 –, DÖV 1988, 270).

bb) Diese Statusentscheidung ist im Kg-Recht zu beachten. Wie der erkennende Senat zu § 1 Abs 3 BKGG im Anschluß an die Rechtsprechung des 14/14b Senats entschieden hat, kommt es auf den Besitz iS der tatsächlichen Innehabung einer Aufenthaltserlaubnis an und nicht lediglich auf den Anspruch (Urteil vom 30. September 1996 – 10 RKg 24/95 –, zur Veröffentlichung vorgesehen, mwN). Nichts anderes kann hier für den Fall der Statusentscheidung über die Staatenlosigkeit nach Art 1 Abs 1 StlÜbk gelten. Diese ausländerrechtliche Entscheidung hat Tatbestandswirkung (BSG vom 9. Februar 1994, SozR 3-7833 § 1 Nr 12 S 52 mwN). Wie der Senat wiederholt betont hat, ist im Kg-Verfahren das Ausländerrecht nicht eigenständig anzuwenden, sondern es ist zum Zwecke der Tatsachenfeststellung zu ermitteln, wie die zuständigen Behörden die ausländerrechtlichen Vorschriften handhaben (vgl Senatsurteil vom 15. Dezember 1992, BSGE 72, 8, 9 f; Urteile vom 30. April 1996 – 10 RKg 33/93 – S 5 des Abdrucks und vom 13. August 1996 – 10 RKg 11/95 – jeweils mwN). Soweit diese – wie hier mit der Ausstellung eines Reiseausweises mit ausdrücklicher Statusfeststellung – eine bindende Feststellung mit Wirkung gegen Dritte getroffen haben, kommt es allein hierauf an. Denn die Tatbestandswirkung gilt sowohl positiv wie negativ, dh ein für den Kläger getroffener Verwaltungsakt kann nicht unter Berufung auf rechtliche Zweifel umgangen werden. Dies steht im Einklang mit der Regel über die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde mit behördlicher Erklärung (§ 417 ZPO), die gerade auch Verwaltungsakte wie den vorliegenden umfaßt.

cc) Soweit das LSG meint, der Kläger habe zum Zeitpunkt der Erteilung des Reiseausweises am 10. April 1991 nicht die Voraussetzung der anerkannten Staatenlosigkeit nach Art 1 Abs 1 StlÜbk erfüllt, hat es sich von den rechtlich nicht bindenden, im Gegensatz zu den og Bestimmungen stehenden Auskünften der Ausländerbehörde für das SG bzw LSG vom 14. Oktober 1994 und 30. Januar 1995 leiten lassen. Daß die zuständige Behörde nach Aufdeckung dieses Widerspruches den Reiseausweis entzogen hat, ist vom LSG nicht festgestellt worden. Es kann aber dahinstehen, ob und ggf unter welchen Voraussetzungen eine solche Entziehung des Reiseausweises des Klägers rechtlich möglich gewesen wäre, weil der Kläger auch als Staatenloser nicht den umstrittenen Kg-Anspruch hat (s unten zu c). Im übrigen kann an dieser Stelle auch der Hinweis genügen, daß die Begründung der Ausländerbehörde in ihrer Auskunft, wonach die Staatsangehörigkeit des Klägers weiterhin “ungeklärt” geblieben sei, mit der Rechtslage nicht zu vereinbaren war. Die Grundsatzfrage ist vom BVerwG durch Urteil vom 23. Februar 1993 dahingehend beantwortet worden, daß Palästinenser, die keine andere Staatsangehörigkeit besitzen, Staatenlose iS des Art 1 Abs 1 StlÜbk sind (BVerwGE 92, 116; vgl dazu bereits VGH Mannheim vom 1. Dezember 1986, NJW 1987, 3094, 3096, und OVG Berlin vom 5. Dezember 1989, InfAuslR 1990, 76). Schon seit längerem stand fest, daß für die Annahme einer ungeklärten Staatsangehörigkeit kein Raum ist, wenn feststeht, daß es keinen Staat gibt, der den Ausländer als seinen Staatsangehörigen ansieht (vgl BVerwG vom 17. Juli 1987, InfAuslR 1987, 278 f; Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht ≪StAngR≫, Einl F. Rz 30).

c) Indes begründet auch das StlÜbk keinen Anspruch des Klägers auf Kg. Wie der Senat bereits im Urteil vom 15. Dezember 1992 (aaO) weiter ausgeführt hat, konnte er die Frage, ob Kg zur Sozialen Sicherheit, insbesondere zum Familienunterhalt iS des FlüAbk gehört, deshalb offenlassen. Art 24 Abs 1 Buchstabe b ii FlüAbk läßt besondere Bestimmungen unberührt, die nach dem im Aufenthaltsland geltenden Recht vorgeschrieben sind und Leistungen betreffen, die ausschließlich aus öffentlichen Mitteln bestritten werden. Das ist beim Kg der Fall (vgl BSGE 72, 8, 14; Senatsurteil vom 31. Oktober 1995, SozR 3-5870 § 1 Nr 6 S 20 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG). In Übereinstimmung mit dem FlüAbk sieht auch Art 24 Abs 1 Buchstabe b ii StlÜbk vor, daß die Gleichbehandlung Staatenloser mit Inländern nicht gilt für Leistungen, die ausschließlich aus öffentlichen Mitteln bestritten werden. Demnach kann für Ansprüche aus Art 24 Abs 1 Buchst b ii StlÜbk keine weitergehende Gewährleistung begründet werden, als das inländische Recht Ausländern einräumt. Dies begegnet keinen durchgreifenden Bedenken, weil insoweit am Grundsatz der Inländergleichbehandlung nach Art 24 Abs 1 StlÜbk nichts geändert wird; die Gleichstellung anerkannter Staatenloser mit anderen Ausländern im Bereich des Kg-Rechts entspricht im übrigen jener Stellung, die den Staatenlosen auch in weiteren Bereichen des StlÜbk eingeräumt wird, die lediglich die Gleichstellung mit Ausländern, nicht jedoch mit Inländern zum Ziel haben (vgl Art 7 Abs 1, 13, 14, 15, 17; s dazu Hailbronner/Renner, StAngR Einl F. Rz 39).

d) Einen Anspruch auf Kg kann der Kläger auch nicht aus § 42 BKGG iVm Art 3 Verordnung (EWG) Nr 1408/71 über die Anwendung der Systeme der Sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO ≪EWG≫ Nr 1408/71 vom 14. Juni 1971) herleiten. § 42 BKGG (eingeführt durch Gesetz vom 21. Dezember 1974, BGBl I 3656) lautet:

“Soweit in diesem Gesetz Ansprüche Deutschen vorbehalten sind, haben Angehörige der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften, Flüchtlinge und Staatenlose nach Maßgabe des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen die gleichen Rechte. Auch im übrigen bleiben die Bestimmungen der genannten Verordnungen unberührt.”

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Die gemeinschaftsrechtlichen Regelungen, insbesondere die Einbeziehung der Staatenlosen (Art 1 Buchst e, Art 2 Abs 1 VO ≪EWG≫ 1408/71) und deren Gleichbehandlung mit Inländern (Art 3 Abs 1 VO ≪EWG≫ 1408/71), gelten nicht für Sachverhalte, die keinerlei Berührungspunkte mit irgendeinem der Sachverhalte aufweisen, auf die das Gemeinschaftsrecht abstellt (vgl EuGH vom 27. Oktober 1982, Slg 1982, 3723, 3738). Solche Berührungspunkte iS der VO (EWG) 1408/71 sind zu verneinen, wenn ein Arbeitnehmer niemals das Recht der Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Gemeinschaft ausgeübt hat (EuGH vom 17. Dezember 1987, Slg 1987, 5511, 5528 mwN; s auch EuGH vom 14. November 1990, Slg I-4211, 4239; 28. Juni 1984, Slg 1984, 2539, 2548 f). So liegt der Fall bei dem aus dem Libanon unmittelbar nach Deutschland zugewanderten Kläger.

3. Die Neuregelung des § 1 Abs 3 BKGG durch das 1. SKWPG erweist sich auch im Falle des Klägers als verfassungsgemäß (s hierzu im einzelnen das Urteil des Senats vom 31. Oktober 1995, SozR 3-5870 § 1 Nr 6). Die fragliche Neufassung ist nicht verfassungswidrig (a), auch nicht aus dem Gesichtspunkt, daß der Gesetzgeber keine Besitzstandsregelung (b) zugunsten des Klägers getroffen hat.

a) Die Regelung des § 1 Abs 3 BKGG verstößt jedenfalls insoweit nicht gegen das Grundgesetz (GG), als der Kläger hiervon betroffen ist.

Der Gesetzgeber war nicht nach dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG dazu verpflichtet, dem Kläger ebenso Kg zu gewähren wie jenen Ausländern, die bereits über eine Aufenthaltsberechtigung oder -erlaubnis verfügten. Mit der Neuregelung bezweckte der Gesetzgeber, den Kg-Anspruch auf solche Ausländer zu begrenzen, von denen zu erwarten ist, daß sie auf Dauer in Deutschland bleiben werden; dies sei allein bei denjenigen der Fall, die im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder -erlaubnis sind (BT-Drucks 12/5502 S 44 zu Art 5, zu Nr 1).

Das vom Gesetzgeber gewählte Unterscheidungsmerkmal und seine Zielrichtung sind mit dem Gleichheitssatz zu vereinbaren. Die Neuregelung ist auch geeignet, jenes Ziel zu erreichen. Insoweit ist unerheblich, ob der Kläger als Inhaber einer Aufenthaltsbefugnis aufgrund eines Bleiberechtserlasses ebenfalls über ein verfestigtes Aufenthaltsrecht verfügt (vgl dazu Senatsurteil vom 31. Oktober 1995 aaO).

Ebensowenig verstößt die neue Regelung gegen Art 6 Abs 1 GG. Aus dieser Vorschrift läßt sich – auch in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) – kein konkreter verfassungsrechtlicher Anspruch auf bestimmte staatliche Leistungen herleiten (s BVerfG vom 29. Mai 1990, BVerfGE 82, 60, 79 ff), solange die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein der Bürger gewährleistet sind. Diese Aufgabe aber kommt der Sozialhilfe, nicht jedoch dem Kg zu.

Das Recht auf Eigentum (Art 14 Abs 1 GG) erstreckt sich nicht auf den Anspruch auf Kg, da diese Sozialleistung in keinerlei Hinsicht aufgrund von Eigenleistungen (Beiträgen) gewährt wird (s BVerfG vom 16. Juli 1985 und 12. Februar 1986, BVerfGE 69, 272, 301 f; 72, 9, 18 f).

Vorliegend kann ungeprüft bleiben, ob – entgegen § 1 Abs 3 BKGG nF – auch Ausländern ohne Aufenthaltserlaubnis oder -berechtigung von Verfassungs wegen Kg zwar nicht in seiner Funktion als allgemeine Sozialleistung zustehen müßte, wohl aber in seiner steuerlichen Entlastungsfunktion (vgl BVerfG vom 29. Mai 1990 aaO S 78 f). Denn der Kläger ist nicht einkommensteuerpflichtig (vgl hierzu BVerfG vom 25. September 1992, BVerfGE 87, 153, 169 f), so daß bei ihm kein Raum für eine (weitere) steuerliche Entlastung bleibt.

Ebenso unerheblich ist im vorliegenden Fall die Frage, ob der Gesetzgeber insoweit verfassungsrechtliche Grenzen überschritten hat, als er mit der Einschränkung des Kg-Anspruchs für Ausländer die entsprechenden Kosten auf den kommunalen Sozialhilfeträger verlagert hat (auch dazu Senatsurteil vom 31. Oktober 1995 aaO).

b) Die Einschränkung des anspruchsberechtigten Personenkreises durch die Neuregelung des § 1 Abs 3 BKGG begegnet auch insoweit keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, als hierdurch laufende Ansprüche auf Kg entzogen werden. Soweit hierfür als Prüfungsmaßstab der im Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG) verankerte Vertrauensschutz in Betracht kommt, auf den sich auch Ausländer berufen können (BVerfG vom 23. März 1971, BVerfGE 30, 367, 386), hat der Senat ebenfalls bereits entschieden, daß ein solcher Verfassungsverstoß dann nicht vorliegt, wenn die Entziehung durch einen entsprechend höheren Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt ausgeglichen wird (Senatsurteil vom 31. Oktober 1995 aaO).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

 

Fundstellen

Breith. 1997, 897

SozSi 1998, 79

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