Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 23.08.1991)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. August 1991 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Streitig ist, ob dem Kläger auf der Basis seiner früheren Tätigkeit als Vorarbeiter Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit (BU) zusteht.

Der im Jahr 1938 geborene Kläger erhielt in seinem Heimatland Italien eine Ausbildung als Installateur. Nach seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland arbeitete er von Januar 1960 bis Juni 1963 und von April 1964 bis Oktober 1989 bei der S … G … M … & Co KG. Zunächst wurde der Kläger als Bauten- und Eisenschutzfachwerker eingesetzt. Im Rahmen dieser Tätigkeit führte er Sandstrahl-, Anstrich- und Beschichtungsarbeiten auf Baustellen aus, zB Entrostungs- und Anstricharbeiten an Hochspannungsmasten, Brückenbauwerken und Hallenkonstruktionen; Sandstrahl- und Beschichtungsarbeiten an Behältern und Tanks. Von 1972 bis 1982 war der Kläger als Vorarbeiter tätig und wurde entsprechend entlohnt. Nachdem sich sein Gesundheitszustand bereits seit 1980 verschlechtert hatte und er deshalb die ursprünglichen Arbeiten nur noch bedingt ausüben konnte, wurde er ab Mai 1982 als Beschichter im Betrieb eingesetzt; aufgrund seiner langjährigen Betriebszugehörigkeit erhielt er seinen bisherigen Stundenlohn als Vorarbeiter weiter. Am 3. Oktober 1989 wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers nach längerer Krankheit aufgelöst.

Den im Februar 1989 gestellten Rentenantrag des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. Februar 1990 ab, da er nach ärztlicher Einschätzung noch in der Lage sei, leichte Arbeiten vollschichtig mit geringen Einschränkungen auszuüben. Der dagegen erhobenen Klage gab das Sozialgericht Koblenz (SG) durch Urteil vom 12. März 1991 statt, weil der Kläger, der Berufsschutz als Facharbeiter genieße, seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben könne und ihm keine zumutbaren Verweisungstätigkeiten genannt werden könnten. Auf die Berufung der Beklagten hob das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) die erstinstanzliche Entscheidung mit Urteil vom 23. August 1991 auf und wies die Klage mit folgender Begründung ab:

Der bisherige Beruf des Klägers sei der eines Anstreichers und Entrosters. Dieser Beruf sei kein Facharbeiterberuf. Der Kläger könne auch nicht einem Facharbeiter gleichgesetzt werden; denn die Zugehörigkeit zur Gruppe mit dem Leitberuf der Facharbeiter im Sinne des von der Rechtsprechung entwickelten Mehrstufenschemas setze eine Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren voraus. Demgegenüber könne jedoch die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit von jedermann, dh auch von jedem Ungelernten, innerhalb eines Jahres fachgerecht erlernt werden. Weiterhin habe der Kläger, der in seinem Tätigkeitsbereich am ehesten dem Beruf „Maler, Lackierer” zuzuordnen sei, nur einen relativ kleinen Ausschnitt aus der Aufgaben-und Tätigkeitsbeschreibung dieses Berufes realisiert. Die tarifliche Eingruppierung des Klägers in Berufsgruppe II des einschlägigen Tarifvertrages, dh einer Gruppe, die noch über der der Facharbeiter liege, sei zwar regelmäßig ein entscheidendes Indiz für die Einstufung der ausgeübten Tätigkeit, jedoch nicht allein. Es komme auch darauf an, welche qualifizierenden Merkmale sie aufweise. Insoweit sei entscheidungserheblich, daß die dem Kläger übertragenen Vorarbeiterfunkionen nur im Ausfüllen der Stundenzettel, Notieren der geleisteten Arbeitsstunden und der Aufmaße der geleisteten Arbeit bestanden hätten. Dies seien Tätigkeiten, die von einem Angelernten ohne weiteres verrichtet werden könnten. Nach alledem könne der Kläger nur der Gruppe des angelernten Arbeiters oberen Ranges zugeordnet werden. Als solcher sei er auf Tätigkeiten von nicht nur ganz geringem qualitativen Wert verweisbar. In Betracht komme die Tätigkeit eines einfachen Pförtners, die nach den ärztlichen Feststellungen als „ideal” bezeichnet werde, und dem Kläger auch sozial zumutbar sei.

Dagegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision des Klägers. Gerügt werde eine Verletzung des § 1246 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Das LSG habe ihn zu Unrecht nur in die Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten oberen Ranges eingeordnet und auf die Tätigkeit eines einfachen Pförtners verwiesen. Das LSG habe die Vielfalt und Bedeutung der Vorarbeitertätigkeit im Baugewerbe nicht erfaßt. Dazu gehörten ua Einsatz und Beaufsichtigung der Arbeitskräfte sowie Verantwortung für die ordnungs- und termingemäße Ausführung der Vorhaben, wofür natürliche Autorität und Organisationstalent vorhanden sein müssen. Es komme auf ein Gesamtbild der bisherigen Tätigkeit an, die in der von den Tarifvertragsparteien vorgenommenen tariflichen Eingruppierung ihren Ausdruck finde. Anhaltspunkte dafür, daß der hohe Rang der Vorarbeitertätigkeit im maßgeblichen Tarifvertrag auf qualitätsfremden Erwägungen beruhe, lägen nicht vor.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 12. März 1991 zurückzuweisen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich keinen Antrag gestellt. Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das LSG. Die berufungsgerichtlichen Feststellungen zur Wertigkeit des bisherigen Berufs des Klägers reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob das LSG die Klage in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zu Recht abgewiesen hat, soweit es den Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen BU betrifft. Dieser Anspruch richtet sich hier noch nach § 1246 RVO, da der Rentenantrag des Klägers bereits im Jahr 1989 gestellt worden ist (vgl § 300 Abs 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – SGB VI –).

Gemäß § 1246 Abs 1 RVO erhält Rente wegen BU der Versicherte, der berufsunfähig ist und zuletzt vor Eintritt der BU eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt hat, wenn die Wartezeit erfüllt ist. Berufsunfähig ist nach § 1246 Abs 2 RVO ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderer Gebrechen oder Schwächen seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist bei Prüfung der BU Ausgangspunkt der Beurteilung der „bisherige Beruf” des Versicherten (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nr 107). Dieser ist zunächst festzustellen. Bereits zu diesem Punkt rügt der Kläger zu Recht unzureichende Ermittlungen.

„Bisheriger Beruf” iS des § 1246 Abs 2 RVO ist, wie das BSG in zahlreichen Entscheidungen ausgesprochen hat (vgl zB BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 130, 164), in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese zugleich die qualitativ höchste gewesen ist (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 53, 66). Waren gesundheitliche Gründe für das Aufgeben einer Tätigkeit verantwortlich, so bleibt der Berufsschutz grundsätzlich erhalten, da sich insofern gerade das versicherte Risiko der gesetzlichen Rentenversicherung verwirklicht hat (vgl BSGE 2, 182, 187; BSG SozR Nr 33 zu § 1246 RVO).

Gemessen an diesen Kriterien hat das LSG als bisherigen Beruf des Klägers zutreffend die bis April 1982 verrichtete Tätigkeit angesehen. Denn die anschließend erfolgte Umsetzung auf einen geringer qualifizierten Arbeitsplatz als Beschichter hatte ihre Ursache – wie das LSG unangegriffen festgestellt hat – in dem verschlechterten Gesundheitszustand des Klägers. Die Feststellung des LSG, der Kläger sei in der gesamten Zeit von 1972 bis 1982 als Bauten- und Eisenschutzfachwerker beschäftigt gewesen, hält aber einer Nachprüfung nicht stand. Das LSG hat zwar die Behauptung des Klägers zur Kenntnis genommen, daß er in den letzten Jahren als Vorarbeiter tätig gewesen sei, hat dem aber kein besonderes Gewicht beigemessen, ohne zum genauen Inhalt dieser Funktion eigene Feststellungen zu treffen. Vielmehr hat es lediglich die vom SG angenommenen Qualifikationsmerkmale (Ausfüllen von Stundenzetteln, Vermerken der Aufmaße, Organisieren von Materialanforderungen uä) als nicht besonders hochwertig eingestuft, ohne daß dabei erkennbar wäre, auf welche eigenen Erkenntnisse oder welche Ermittlungen sich diese Aussagen stützen.

Anhand der bislang festgestellten Tatsachen vermag der erkennende Senat weder zu beurteilen, wie die als maßgeblicher Beruf zugrunde gelegte Tätigkeit des Klägers ausgestaltet war, noch ob der Kläger seinen bisherigen Beruf weiterhin ausüben kann, noch ob es ihm, sofern dies nicht der Fall ist, möglich ist, eine zumutbare Verweisungstätigkeit zu verrichten. Hierfür kommt es nämlich entscheidend darauf an, ob es sich bei der von dem Kläger in den letzten Jahren vor 1982 ausgeübten herausgehobenen Tätigkeit um eine vollwertige Tätigkeit als Vorarbeiter handelte.

Die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt, wobei der Stufenbildung im Ansatz die zur Erreichung einer bestimmten beruflichen Qualifikation normalerweise erforderliche Ausbildung zugrunde gelegt wurde. Dementsprechend werden die Gruppen von oben nach unten durch folgende Leitberufe charakterisiert: Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion / besonders hoch qualifizierter Facharbeiter, Facharbeiter (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), angelernter Arbeiter (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) und ungelernter Arbeiter. Die Einordnung eines bestimmten Berufes in dieses Raster erfolgt aber nicht ausschließlich nach der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend sind vielmehr die Qualifikationsanforderungen der verrichteten Arbeit, dh der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt also auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO am Ende genannten Merkmale umschrieben wird.

Da der Kläger – bezogen auf seine Tätigkeit als Bauten- und Eisenschutzfachwerker – keinen Ausbildungsabschluß als Facharbeiter besitzt, kann sein bisheriger Beruf nicht unmittelbar in das dargestellte Schema eingestuft werden. Zwar ist ein Versicherter der Gruppe der Facharbeiter auch dann zuzuordnen, wenn er ohne die erforderliche Ausbildung durchlaufen zu haben, einen anerkannten Ausbildungsberuf wettbewerbsfähig ausgeübt hat und entsprechend entlohnt worden ist (vgl dazu allgemein BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 53, 68, 129, 150, 168). Bei dem Beruf eines Bauten- und Eisenschutzfachwerkers handelt es sich jedoch nicht um einen Ausbildungsberuf iS von § 25 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG). Ebensowenig stimmt diese Tätigkeit, wie das LSG festgestellt hat, mit dem Berufsbild eines gelernten Malers und Lackierers überein.

Die Wertigkeit des bisherigen Berufs des Klägers kann sich aber unmittelbar aus den einschlägigen tarifvertraglichen Regelungen und ihrer Anwendung durch den letzten Arbeitgeber des Klägers erschließen. Dazu hat der erkennende Senat ausgehend von der Rechtsprechung des 5. Senats des BSG (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 111, 116, 122, 123, 164) in mehreren Entscheidungen des letzten Jahres allgemeine Grundsätze entwickelt (vgl zB BSG SozR 3-2200 § 1246 Nrn 21, 22). Dabei hat er der tariflichen Einstufung eine doppelte Bedeutung beigemessen: zum einen für die abstrakte – „tarifvertragliche” – Klassifizierung einer Tätigkeitsart (iS eines verselbständigten Berufsbildes) innerhalb eines nach Qualitätsstufen geordneten Tarifvertrags, zum anderen für die – „tarifliche” -Zuordnung der konkreten, zuletzt ausgeübten Tätigkeit eines Versicherten zu einer Berufssparte und hierüber zu einer bestimmten Tarifgruppe des jeweils geltenden Tarifvertrages (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 168, 169). Nach Sachgehalt und Geltungsumfang ist diese Beachtlichkeit der tariflichen Einstufung für die Wertigkeit einer Arbeit jedoch in beiden Bereichen verschieden.

Soweit die Tarifvertragsparteien eine bestimmte Berufsart im Tarifvertrag aufführen und einer Tarifgruppe zuordnen, kann in der Regel davon ausgegangen werden, daß die tarifvertragliche Einstufung der einzelnen in einer Tarifgruppe genannten Tätigkeiten auf deren Qualität beruht. Denn die Tarifpartner als die unmittelbar am Arbeitsleben Beteiligten nehmen relativ zuverlässig eine Bewertung von Berufstätigkeiten vor, die den Anforderungen auch des Mehrstufenschemas und der Qualität des Berufs in bezug auf die nach § 1246 Abs 2 RVO maßgeblichen Merkmale entspricht. Demgemäß läßt die abstrakte (tarifvertragliche) Einordnung einer bestimmten Berufstätigkeit in eine Tarifgruppe, die hinsichtlich der Qualität der in ihr aufgeführten Arbeiten durch den Leitberuf des Facharbeiters geprägt ist, in der Regel den Schluß zu, daß diese Berufstätigkeit als Facharbeitertätigkeit zu qualifizieren ist. Von dem Grundsatz, daß von der tariflichen Einstufung einer Berufsart auszugehen ist, werden in der Rechtsprechung des BSG Ausnahmen nur anerkannt, wenn die Einstufung durch qualitätsfremde Merkmale bestimmt ist (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 101, 123 und Urteil vom 14. Mai 1991 – SozR 3-2200 § 1246 Nr 13).

Der tariflichen Zuordnung des einzelnen Versicherten durch den Arbeitgeber kommt demgegenüber eine andere Bedeutung zu. Sie ist zwar ein Indiz dafür, daß die von dem Versicherten ausgeübte Tätigkeit in ihren Merkmalen und ihrer Wertigkeit der Berufs- und Tarifgruppe entspricht, nach der er bezahlt wird. Die Richtigkeit dieser tariflichen Einstufung kann insoweit aber durchaus widerlegt werden (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 77, 151).

Diesen Grundsätzen hat das LSG nicht Rechnung getragen. Es durfte die tarifliche Entlohnung des Klägers als Vorarbeiter nur dann außer acht lassen, wenn er entweder diese Tätigkeit nicht vollwertig ausgeübt hat, oder die Einstufung dieser Tätigkeit im Rahmen des einschlägigen Tarifvertrages auf qualitätsfremden Erwägungen beruhte. Die vom LSG ohne erkennbare berufskundliche Überprüfung vorgenommene Beurteilung der vom Kläger als Vorarbeiter erledigten Aufgaben reicht jedenfalls nicht aus, um die in der tariflichen Einstufung des Klägers liegende Einschätzung der am Wirtschaftsleben beteiligten Kreise (Tarifparteien, Arbeitgeber des Klägers) zu entkräften.

Der erkennende Senat sieht sich gehindert, im vorliegenden Fall eine entsprechende Bewertung selbst vorzunehmen. Dazu fehlt es nicht nur an der erforderlichen genauen Umschreibung des bisherigen Berufs, sondern auch an näheren Feststellungen des LSG zu dem hier einschlägigen Tarifvertrag. Insbesondere ist der Inhalt des „Tarifes BSE”, nach dem der Kläger entlohnt worden sein soll, nicht dargestellt und hinsichtlich seiner Ordnung in Lohngruppen für die Beurteilung des bisherigen Berufs des Klägers nicht ausgewertet worden. Da der Senat die mithin notwendigen zusätzlichen Ermittlungen nicht nachholen kann (vgl § 163 SGG), ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Bei der weiteren Bearbeitung wird das LSG insbesondere folgende Gesichtspunkte zu beachten haben:

Maßgebend für die Beurteilung des bisherigen Berufs ist der Tarifvertrag, der im Zeitpunkt der tatsächlichen Beendigung der Tätigkeit des Klägers als Bauten- und Eisenschutzfachwerker mit Vorarbeiteraufgaben gültig war. Soweit danach der bis April 1982 geltende Lohntarifvertrag für das Maler- und Lackiererhandwerk im Lande Nordrhein-Westfalen anwendbar ist, bestehen gegen dessen Tauglichkeit, iS einer „Indizwirkung” die richterliche Beurteilung des bisherigen Berufs des Versicherten im Rahmen des § 1246 Abs 2 RVO zu beeinflussen, keine Bedenken, da er nach Qualitätsstufen geordnet ist. Die Lohnregelung für Maler- und Lackiererbetriebe enthält Abstufungen vom Hilfsarbeiter über den Gesellen im ersten Gesellenjahr oder vor Vollendung des 19. Lebensjahres (90% des Ecklohnes) weiter über den Gesellen nach dem ersten Gesellenjahr und vollendetem 19. Lebensjahr (100% des Ecklohnes) bis zum Vorarbeiter (115% des Ecklohnes). Für die Entrostungs- und Eisenanstrichbetriebe sind folgende Lohnstufen vorgesehen: Helfer (90%), Bauten- und Eisenschutzwerker (93%), Bauten- und Eisenschutzfachwerker (100%), Vorarbeiter (115%), Arbeitsstellenleiter (120%). Wenn danach Bauten- und Eisenschutzfachwerker den Malergesellen nach dem ersten Gesellenjahr und vollendetem 19. Lebensjahr tarifvertraglich gleichgestellt werden (jeweils 100% des Ecklohnes), so deutet dieser Umstand bereits auf einen Berufsschutz des Klägers als Facharbeiter hin. Erst recht gilt dies, wenn der Kläger darüber hinaus die Funktion eines Vorarbeiters iS dieses Tarifvertrages ausgeübt hat. Denn dessen Entlohnung liegt noch deutlich über der eines gelernten Facharbeiters. Diese Einstufung ist für die Bewertung des bisherigen Berufs des Klägers maßgebend, wenn die von ihm tatsächlich verrichtete Tätigkeit – auch unter Berücksichtigung von Führungsqualität, Berufserfahrung, Kenntnissen und Fähigkeiten zur Unfallverhütung – dem Anforderungsprofil eines derartigen Vorarbeiters entsprach (vgl dazu Senatsurteil vom 22. Juli 1992 – 13 RJ 21/91 –).

Hiervon kann nur abgewichen werden, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, daß die tarifliche Einstufung der hier als Beruf maßgeblichen Tätigkeit von qualitätsfremden Merkmalen (s dazu Urteil des erkennenden Senats vom 8. Oktober 1992 – 13 RJ 41/91 – mwN) beeinflußt ist und dies durch prozeßordnungsgemäße Feststellungen belegt ist.

Sollte der Kläger nach dem Ergebnis der ergänzenden Beweisaufnahme als Facharbeiter anzusehen sein, so kann er nur auf Tätigkeiten verwiesen werden, die – und sei es aufgrund einer entsprechenden tarifvertraglichen Einstufung (vgl BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 17) – der Gruppe der Facharbeiter oder der Angelernten zuzurechnen sind. Der Beruf eines einfachen Pförtners gehört allerdings nicht dazu (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nr 73; BSG, Urteil vom 11. März 1982 – 5b/5 RJ 130/80 – mwN), zumal auch keine entsprechende tarifvertragliche Einstufung gegeben ist (vgl Senatsurteil vom 28. Mai 1991 – 13/5 RJ 29/89 –, BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 21). Das LSG wird daher in diesem Fall nach einer anderen Verweisungstätigkeit suchen müssen, für die der Kläger aufgrund seines gesundheitlichen Leistungsvermögens und seiner allgemeinen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten in Betracht kommt.

Über die Kosten des Verfahrens wird das LSG zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173208

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