Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 6. Dezember 1990 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Streitig ist, ob dem Kläger Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit zusteht.

Der 1940 geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt. Seit 1968 ist er bei der C. T. GmbH & Co – S. – in H. beschäftigt, jedoch seit September 1986 durchgehend arbeitsunfähig krank geschrieben. Die Tätigkeit des Klägers als Hafenarbeiter betraf das Laschen und Pallen von Schiffsladungen (Ladebefestigung). Als Vormann einer Gruppe von Lascharbeitern hat er Fracht- und Containerschiffe be- und entladen. Dabei handelte es sich um körperlich schwere Arbeiten, z.B. beim Umgang mit Sackgut und schweren Einzelstücken. Seit dem 1. Januar 1985 wurde der Kläger nach der Lohngruppe VI/1 des Eingruppierungsvertrages für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe (EV) bezahlt. Vor diesem Zeitpunkt erfolgte die Entlohnung des Klägers nach den für die Firma T. geltenden übertariflichen Schichtsätzen, und zwar nach der Gruppe CT 4, die der Lohngruppe VII des EV entsprach. Ausschlaggebend für die Eingruppierung des Klägers in die Lohngruppe VI/1 war nach Auskunft der Arbeitgeberin dessen sehr lange Betriebszugehörigkeit, wobei sein Wissen und Können mit dem eines Hafenfacharbeiters gleichgesetzt wurde. Im Jahre 1985 absolvierte der Kläger vom 18. Februar bis 13. März, vom 23. März bis 30. März, vom 10. April bis 23. April und vom 13. Mai bis 8. Juni Kurse des Fortbildungszentrums Hafen Hamburg eV, wodurch er die Ausweise für Winsch- und Decksleute sowie für Gabelstaplerfahrer ohne Beschränkung der Tragfähigkeit des Gerätes erhielt.

Den im September 1987 gestellten Rentenantrag des Klägers lehnte die Beklagte nach medizinischer Sachaufklärung mit Bescheid vom 29. Januar 1988 ab. Der Kläger sei weder erwerbs- noch berufsunfähig; er könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig arbeiten. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Urteile des Sozialgerichts SG Hamburg vom 14. November 1989 und des Landessozialgerichts LSG Hamburg vom 6. Dezember 1990). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt:

Der Kläger sei weder durch gesundheitliche Leiden und daraus folgende Leistungseinbußen allgemein noch durch eine entscheidende Begrenzung seiner Wegefähigkeit im besonderen gehindert, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes regelmäßig und vollschichtig zu verrichten. Er sei damit nicht erwerbsunfähig. Darüber hinaus fehle es auch an Berufsunfähigkeit. Seinen bisherigen, zuletzt langjährig ausgeübten Beruf als Hafenarbeiter (Lascher) könne der Kläger aus gesundheitlichen Gründen allerdings nicht mehr verrichten, weil er die dort geforderte schwere körperliche Arbeit nicht mehr zu leisten vermöge.

Als Hafenarbeiter (Lascher) sei der Kläger der Gruppe der angelernten Arbeiter (oberer Bereich), nicht der Gruppe der Facharbeiter zuzuordnen. Er habe weder eine mindestens zweijährige Berufsausbildung absolviert, noch ergebe sich der Status als Facharbeiter aus der Qualität der verrichteten Arbeiten verbunden mit einer dem Facharbeiter entsprechenden tariflichen Eingruppierung und Bezahlung. Nach seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 6. Dezember 1990 habe der Kläger als Vormann einer Gruppe von fünf Arbeitern zwar mit Übersicht, Verantwortung, manuellem Geschick und unter Einsatz zuweilen nicht unerheblicher körperlicher Kräfte Fracht- und Containerschiffe beladen und gelöscht. Dabei handele es sich aber um eine typische Anlerntätigkeit, für die eine Berufsausbildung weder vorgeschrieben noch notwendig sei. Daran änderten auch die verschiedenen kurzen Fortbildungskurse im Laufe des Jahres 1985 nichts, durch die der Kläger zwei formale Befähigungsnachweise einfacher Art für im Hafen anfallende Tätigkeiten erworben habe.

Aus der Eingruppierung und Bezahlung des Klägers ließen sich für ihn keine günstigen Schlußfolgerungen ableiten. Der EV sei dadurch gekennzeichnet, daß in den einzelnen Lohngruppen jeweils qualifizierte und unqualifizierte Arbeitnehmer nebeneinander aufgeführt seien, so daß sich daraus kein Hinweis auf die Qualität der verrichteten Arbeit entnehmen lasse. So seien in Lohngruppe VI neben dem Hafenfacharbeiter mit mindestens fünfjähriger ununterbrochener Tätigkeit im Geltungsbereich des einschlägigen Tarifvertrages und dem Handwerker auch Gabelstaplerfahrer und Elektrokarrenfahrer aufgeführt. In Lohngruppe VI/1 – in die der Kläger zuletzt eingestuft gewesen sei – finde sich der Kranführer neben Vorarbeitern in Landbetrieben, die mit Führungsaufgaben betraut seien und als solche vom Betrieb ernannt seien. Daraus ergebe sich, daß die Eingruppierung nach der genannten tarifvertraglichen Vereinbarung jedenfalls zum Teil ohne Rücksicht auf eine längere Berufsausbildung allein nach der Funktion des betreffenden Arbeitnehmers (Gabelstaplerfahrer, Elektrokarrenfahrer, Kranführer) vorgenommen werde.

Auch aus der Stellung des Klägers als Vormann einer fünfköpfigen Gruppe von Arbeitern lasse sich für den Facharbeiterstatus nichts gewinnen. Wie das SG in der angegriffenen Entscheidung bereits zu Recht ausgeführt habe, führe die Stellung als Vorgesetzter lediglich dann zu einer Heraufstufung im Mehrstufenschema, wenn die herausgehobene Stellung auch mit höherwertigen Arbeiten verbunden sei. Das sei hier nicht der Fall. Der Kläger habe trotz der von ihm geschilderten Besonderheiten (Verteilung der Gruppenmitglieder auf die verschiedenen Luken eines Schiffes, Herausgabe von Material, Absprache über den Arbeitsablauf mit dem Steuermann und Abnahme durch diesen) als Vormann im wesentlichen dieselben Arbeiten zu verrichten gehabt, wie die anderen Mitglieder der Gruppe.

Nach seinem sozialen Status, nach seinem Restleistungsvermögen und nach seinen beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten sei es dem Kläger zumutbar, als Tagespförtner zu arbeiten. Diese Tätigkeit gebe es auch in nennenswerter Zahl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Es handele sich nicht um eine angelernte Tätigkeit von ganz geringem Wert.

Gegen dieses am 19. Februar 1991 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11. März 1991 die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und – nach Fristverlängerung bis zum 21. Mai 1991 – am 17. Mai 1991 begründet:

Das LSG habe sich bei seiner Entscheidung von einem unzutreffenden Facharbeiterbegriff leiten lassen. Die von ihm vorgenommene Auslegung des EV zeige, daß nach Auffassung des LSG nur eine längere Berufsausbildung zum Facharbeiterstatus führe. Das LSG verkenne, daß das von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entwickelte Mehrstufenschema nicht als ein starrer Rahmen mißverstanden werden dürfe. Das BSG habe niemals den Grundsatz aufgestellt, ein Beruf, der keine Ausbildung zur Voraussetzung habe, z.B. Kranführer, sei a priori eine unqualifizierte Tätigkeit.

Nach dem EV würden Hafenarbeiter, je nach Qualität ihrer Arbeit, in acht verschiedene Lohngruppen eingereiht. Alle in einer Lohngruppe aufgeführten Berufe seien qualitativ gleichwertig, denn der EV lasse nicht erkennen, daß bestimmte Berufe aus qualitätsfremden Erwägungen tariflich gleichgestellt worden seien. Als Vorarbeiter (Vormann) sei er in Lohngruppe VI/1 eingruppiert gewesen. Damit habe er eine Lohnstufe höher als der gelernte Handwerker gestanden, der im Regelfall nach Lohngruppe VI entlohnt werde. Schon aufgrund der relativ hohen tariflichen Eingruppierung sei er der Gruppe der Facharbeiter zuzurechnen. Als solcher müsse er sich nicht zumutbar auf die Tätigkeit eines Pförtners verweisen lassen.

Die Feststellung im angefochtenen Urteil, bei den von ihm verrichteten Arbeiten handele es sich um eine typische Anlerntätigkeit, für die eine Berufsausbildung weder vorgeschrieben noch notwendig sei, sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Gerügt werde eine Verletzung der §§ 62, 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Außerdem habe die Firma T. dem erstinstanzlichen Gericht mitgeteilt, daß von ihm, dem Kläger, kleinere Schiffseinheiten als Lasch-Vorarbeiter mit einem oder auch mehreren Lasch-Handwerkern bearbeitet worden seien. Das LSG sei auf diese Auskunft der Firma T. nicht eingegangen. Insoweit sei das Urteil nicht mit Gründen versehen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG Hamburg vom 6. Dezember 1990, das Urteil des SG Hamburg vom 14. November 1989 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 1988 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. September 1987 Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus:

Sie sei der Auffassung, daß die Indizwirkung einer tariflichen Einstufung dann als widerlegt gelten müsse, wenn ihr erkennbar nicht qualitative Erwägungen der Tarifvertragsparteien zugrunde gelegen hätten. Bei Durchsicht des EV falle z.B. auf, daß geprüfte Hafenfacharbeiter mit mindestens fünf Jahren ununterbrochener Tätigkeit nach derselben Lohngruppe VI entlohnt würden wie z.B. Gabelstaplerfahrer und Elektrokarrenfahrer. Es sei schwer vorstellbar, daß die Parteien dieses Tarifvertrages die Arbeit des geprüften, berufserfahrenen Hafenfacharbeiters qualitativ der Arbeit des Gabelstaplerfahrers und Elektrokarrenfahrers gleichgestellt hätten. Ferner habe das LSG den Kläger zu Recht auch deshalb als angelernten Arbeiter angesehen, weil er körperlich schwer habe arbeiten müssen. Schließlich stelle die eigene Aussage des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 6. Dezember 1990 eine ausreichende Grundlage dar, dem Kläger Berufsschutz als Facharbeiter nicht zuzuerkennen. Denn aus dieser Aussage ergebe sich, daß er keine wesentlich anderen Arbeiten ausgeführt habe als die ihm formal unterstellten Lascher und daß die Verantwortung für die fachgerechte Ausführung der geleisteten Arbeit nicht bei ihm, sondern bei einem Mitglied der Schiffsbesatzung gelegen habe.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).

II.

Die kraft Zulassung statthafte Revision des Klägers beschränkt sich auf die Geltendmachung von Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit. Gegen ihre Zulässigkeit ergeben sich keine Bedenken, da sie form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden ist (vgl. § 164 SGG).

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das LSG. Die berufungsgerichtlichen Feststellungen zur Wertigkeit des bisherigen Berufs des Klägers reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob das klageabweisende Urteil des SG vom LSG zu Recht bestätigt worden ist, soweit es den Anspruch des Klägers auf Rente wegen Berufsunfähigkeit betrifft. Dieser Anspruch richtet sich noch nach § 1246 der Reichsversicherungsordnung (RVO), da der Rentenantrag des Klägers bereits im Jahre 1987 gestellt worden ist (vgl. § 300 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch – SGB VI; dazu auch Ruland, NJW 1992, 1 7).

Nach § 1246 Abs. 1 RVO erhält Rente wegen Berufsunfähigkeit der Versicherte, der berufsunfähig ist und zuletzt vor Eintritt der Berufsunfähigkeit eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt hat, wenn die Wartezeit erfüllt ist. Berufsunfähig ist nach § 1246 Abs. 2 RVO ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.

Zwar kann der Kläger nach den für das BSG bindenden Feststellungen des LSG (vgl. § 163 SGG) seinen bisherigen Beruf als Lascher-Vormann aus Gesundheitsgründen nicht mehr ausüben, anhand der bislang festgestellten Tatsachen läßt sich jedoch noch nicht abschließend entscheiden, ob es ihm noch möglich ist, zumutbare Verweisungstätigkeiten zu verrichten.

Die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt, wobei der Stufenbildung im Ansatz die zur Erreichung einer bestimmten beruflichen Qualifikation normalerweise erforderliche Ausbildung zugrundegelegt wurde. Dementsprechend werden die Gruppen von oben nach unten durch folgende Leitberufe charakterisiert: Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion/besonders hoch qualifizierter Facharbeiter, Facharbeiter (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), angelernter Arbeiter (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) und ungelernter Arbeiter. Die Einordnung eines bestimmten Berufes in dieses Raster erfolgt aber nicht ausschließlich nach der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend sind vielmehr die Qualifikationsanforderungen der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt also auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO am Ende genannten Merkmale umschrieben wird.

Da der Kläger – bezogen auf seine letzte Tätigkeit – keinen Ausbildungsabschluß als Facharbeiter besitzt, kann sein bisheriger Beruf nicht unmittelbar in das dargestellte Schema eingestuft werden. Zwar ist ein Versicherter der Gruppe der Facharbeiter auch dann zuzuordnen, wenn er ohne die erforderliche Ausbildung durchlaufen zu haben, einen anerkannten Ausbildungsberuf wettbewerbsfähig ausgeübt hat und entsprechend entlohnt worden ist (vgl. dazu allgemein BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 53, 68, 129, 150, 168). Bei dem Beruf eines Laschers oder Lascher-Vormannes handelt es sich jedoch nicht um einen Ausbildungsberuf i.S. von § 25 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG).

Sofern der Kläger, ohne die entsprechende Prüfung abgelegt zu haben, zur Gruppe der Hafenfacharbeiter gerechnet werden kann, würde er damit ebenfalls nicht ohne weiteres einen Berufsschutz als Facharbeiter im Sinne des Mehrstufenschemas genießen. Auch dies ist nämlich kein anerkannter Ausbildungsberuf, sondern ein „Fortbildungsberuf” i.S. der §§ 46, 47 BBiG, der zudem tariflich nicht sogleich nach der „Handwerkerlohngruppe” VI des EV, sondern für die ersten fünf Jahre nach der darunter liegenden Lohngruppe V/1 des EV entlohnt wird. Der vorliegende Fall verlangt im gegenwärtigen Stand des Verfahrens keine abschließende Klärung des Berufsschutzes eines Hafenfacharbeiters. Die Wertigkeit des bisherigen Berufs des Klägers als Lascher-Vormann kann sich unmittelbar aus den einschlägigen tarifvertraglichen Regelungen und ihrer Anwendung durch den letzten Arbeitgeber des Klägers erschließen.

Dazu hat der erkennende Senat ausgehend von der Rechtsprechung des 5. Senats (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 111, 116, 122, 123, 164) in mehreren Entscheidungen des letzten Jahres allgemeine Grundsätze entwickelt (vgl. z.B. BSG, Urteile vom 17. Dezember 1991 – 13/5 RJ 14 und 22/90 –). Bedeutsam ist zum einen, daß die abstrakten tarifvertraglichen Regelungen für die Bewertung einer Tätigkeit grundsätzlich eine höhere Indizwirkung entfalten können als die vom individuellen Arbeitgeber vorgenommene tarifliche Eingruppierung des Versicherten. Auf der Tarifvertragsebene ist dann wiederum zu unterscheiden, ob der bisherige Beruf des Versicherten im Tarifvertrag konkret bezeichnet ist oder ob die Tarifstufen nach allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen gebildet sind. Je konkreter diese berufsbezogenen Kennzeichnungen im Tarifvertrag ausgefallen sind, desto aussagekräftiger wird die jeweilige tarifvertragliche Einstufung für die Beurteilung der Wertigkeit des bisherigen Berufs des Versicherten sein können.

Der hier anwendbare EV hat hinsichtlich der Art, wie Hafentätigkeiten erfaßt werden, einen Mischcharakter. Es finden sich neben beruflichen Sammelbegriffen (zB Handwerker) auch spezielle Berufsbezeichnungen (zB 2. Stauervize). Die Lohngruppen spiegeln aber insofern qualitätsbezogene Abstufungen wieder, als sie vom Aushilfsarbeiter (Lohngruppe I) über den (geprüften) Hafenfacharbeiter (Lohngruppe V/1), den Handwerker (Lohngruppe VI), den Vorhandwerker (Lohngruppe VII/1) zum Vormann I (Lohngruppe VIII) aufsteigen. In diesem Schema wird die Berufsgruppe VI dadurch, daß dort Handwerker mit abgeschlossener Berufsausbildung eingeordnet sind, als Facharbeitergruppe gekennzeichnet. In den einzelnen Lohngruppen werden allerdings auch bestimmte Funktionen aufgeführt (zB Gabelstaplerfahrer, Kranführer, Containerbrückenfahrer), deren zum Teil sehr hohe Einstufung möglicherweise insofern nicht ohne weiteres einen Bezug zur Arbeitsqualität erkennen läßt, als sie keine bestimmte Berufsausbildung voraussetzen. Dennoch erscheint die Beurteilung des LSG, daß es sich dabei um unqualifizierte Arbeitnehmer handele, als vorschnell. Erst recht ergeben sich Bedenken gegen die weitere Folgerung des LSG, daß der ganze EV unberücksichtigt bleiben könne, weil sich die betreffenden – hier nicht entscheidungserheblichen – Tarifeinstufungen nicht an der Qualität der verrichteten Arbeit orientierten.

Zunächst hat das LSG, was die Abqualifizierung von Tätigkeiten wie Gabelstaplerfahrer und dergleichen angeht, verkannt, daß das Fehlen einer formalen Berufsausbildung eine Tätigkeit nicht bereits zu einer unqualifizierten stempelt. Vielmehr kommt es entscheidend auf das Anforderungsprofil an. So hat das BSG – worauf der Kläger in seiner Revisionsbegründung zutreffend hingewiesen hat – entschieden, daß ein Kranführer – etwa wegen der mit seiner Tätigkeit verbundenen besonderen Anforderungen an Gewissenhaftigkeit, Zuverlässigkeit und Umsicht – einem Facharbeiter gleichgestellt werden kann (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 99). Im Hinblick darauf fehlt es hier jedenfalls an berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen zu den qualitativen Anforderungen der betreffenden Tätigkeiten.

Darüber hinaus wird die Tauglichkeit eines im Grundsatz nach Qualitätsmerkmalen geordneten Tarifvertrages, im Sinne einer Indizwirkung die richterliche Beurteilung des bisherigen Berufs des Versicherten im Rahmen des § 1246 Abs. 2 RVO zu beeinflussen, nicht schon dadurch beseitigt, daß in einzelnen Lohngruppen auch Tätigkeiten aufgeführt sind, deren Gleichwertigkeit zweifelhaft erscheint. Entscheidend ist, daß im Grundsatz Qualitätsstufen gebildet worden sind, was sich hier aus der Stufung: „Aushilfsarbeiter, Hafenarbeiter, Handwerker, Spezialhandwerker, Vorhandwerker” im EV ableiten läßt. Die bisherige Rechtsprechung berücksichtigt bereits, daß in derartigen Tarifverträgen durchaus auch einzelne Tätigkeiten aus qualitätsfremden Gründen einer höheren Lohngruppe zugeordnet sein können, als es den Anforderungen dieser Tätigkeiten entspricht. Solche Besonderheiten betreffen aber nur die tarifvertragliche Bewertung des einzelnen Berufs und stellen in der Regel die qualitätsorientierte Stufung nicht insgesamt in Frage. Da es im vorliegenden Fall gerade nicht um die richtige Einordnung der Berufe eines Gabelstaplerfahrers oder Kranführers geht, ist der Wertigkeit dieser Berufe nicht weiter nachzugehen.

Bei der Prüfung, welcher Lohngruppe der hier zur Beurteilung gestellte Beruf des Lascher-Vormannes zuzuordnen ist, kann auf die tarifvertraglichen Bezeichnungen „Vorarbeiter, soweit nicht in Lohngruppe VI/1 eingruppiert” (Lohngruppe VI) und „Vorarbeiter in Ladebetrieben, die mit Führungsaufgaben betraut sind und als solche vom Betrieb ernannt sind” (Lohngruppe VI/1) zurückgegriffen werden, die sich in die qualitätsbezogene Grundstruktur des EV einfügen. Denn die Tätigkeit eines Vorarbeiters erfordert eine besondere fachliche und persönliche Qualifikation, auch wenn er nicht Facharbeiter, sondern nur angelernte und ungelernte Arbeiter leitet (vgl. Senatsurteil vom 28. Mai 1991 – 13/5 RJ 4/90 – Umdruck S. 7). Zwar handelt es sich bei den genannten Vorarbeiterdefinitionen nicht um die konkrete Benennung eines Berufes (wie z.B. „Lascher-Vormann”), sondern um Sammelbezeichnungen. Diese liegen jedoch nicht auf einem sehr hohen Abstraktionsniveau (wie z.B. eine bloße Umschreibung allgemeiner Tätigkeitsmerkmale). Insofern läßt sich die Tätigkeit eines Lascher-Vormanns ohne Schwierigkeiten unter diese Tatbestände subsumieren. Da die betreffenden Lohngruppen zumindest auf der Stufe der Handwerkerlohngruppe VI liegen, kann ein Lascher-Vormann daraus im Grundsatz einen Facharbeiterstatus im Sinne der Rechtsprechung ableiten.

Nun zieht das LSG allerdings in Zweifel, daß der Kläger als Vormann Arbeiten verrichtet hat, die eine gegenüber den ihm unterstellten Lascharbeitern höhere Einstufung rechtfertigten. Die mit seiner Tätigkeit verbundenen „Besonderheiten” (Verteilung der Gruppenmitglieder auf die verschiedenen Luken eines Schiffes, Herausgabe von Material, Absprache über den Arbeitsablauf mit dem Steuermann und Abnahme durch diesen) reichten insofern nicht aus. Sicher trifft es zu, daß schlichte Vorarbeiter, die keine wesentlich anderen Arbeiten im Vergleich zu denjenigen ihrer Arbeitskollegen verrichten, keine höhere Einstufung beanspruchen können (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 16, S. 49 f.). Es ist daher im Einzelfall eine Abgrenzung dahin vorzunehmen, ob eine leitende Tätigkeit im Arbeiterbereich hinreichend herausgehoben ist, um eine gegenüber den untergebenen Arbeitern höhere Einordnung in das Mehrstufenschema zu rechtfertigen. Bei einem nach Lohngruppe VII entlohnten Lascher-Vormann, der bis zu 25 Arbeiter geführt hat, ist der Facharbeiterstatus vom BSG in Übereinstimmung mit der Vorinstanz (Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 12. September 1989 – L 1 J 175/88 –) bejaht worden (Senatsurteil vom 28. Mai 1991 – 13/5 RJ 4/90 –). Hier handelt es sich demgegenüber um einen in die Lohngruppe VI/1 eingruppierten Lascher-Vormann, der bis zu 5 Lascharbeiter geleitet hat. Die allgemeinen Feststellungen des LSG lassen keine verläßliche Entscheidung darüber zu, ob die Tätigkeit des Klägers durch die ihm übertragene Leitungsfunktion und die damit verbundene Verantwortung gegenüber der Tätigkeit der ihm unterstellten Arbeiter hinreichend herausragt. Insofern wäre zunächst zu klären, welche beruflichen Anforderungen (etwa hinsichtlich Führungsqualität, Berufserfahrung, Kenntnisse und Fähigkeiten zur Unfallverhütung) ein einfacher Vorarbeiter (Lohngruppe VI) oder ein in Lohngruppe VI/1 eingestufter Vorarbeiter nach dem Verständnis der Tarifvertragsparteien zu erfüllen hat. Sodann müßte geprüft werden, ob die letzte Tätigkeit des Klägers einem dieser Anforderungsprofile entsprach. Dabei wird es auch darauf ankommen, ob die Leitungsfunktion oder die Verrichtung üblicher Lascharbeiten das Berufsbild des Klägers geprägt hat. Dies wird man nicht beurteilen können, ohne des näheren die zeitliche Gewichtung und sonstige Bedeutung der beiden Tätigkeitselemente zu kennen. Da das BSG die entsprechenden Ermittlungen nicht selbst nachholen kann (vgl. § 163 SGG), ist die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das LSG zurückzuverweisen.

Sollte der Kläger nach dem Ergebnis der ergänzenden Beweisaufnahme Berufsschutz als Facharbeiter genießen, könnte er nur auf Tätigkeiten verwiesen werden, die der Gruppe der Facharbeiter oder Angelernten zuzurechnen sind. Darüber hinaus sind einem Facharbeiter jedenfalls solche ungelernten Tätigkeiten zuzumuten, die sich durch besondere Qualifikationsmerkmale deutlich aus dem Kreis der sonstigen einfachen Arbeiten herausheben und mit Rücksicht darauf tariflich wie sonstige Ausbildungsberufe eingestuft sind (vgl. z.B. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 86 S. 268 m.w.N.). Der Beruf eines einfachen Pförtners gehört allerdings nicht dazu (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 73; BSG, Urteil vom 11. März 1982 – 5b/5 RJ 130/80 – m.w.N.), zumal auch keine entsprechende tarifvertragliche Einstufung gegeben ist (vgl. Senatsurteile vom 28. Mai 1991 – 13/5 RJ 29/89 – und vom 17. Dezember 1991 – 13/5 RJ 14/90 –). Das LSG wird daher in diesem Fall nach einer anderen Verweisungstätigkeit suchen müssen, für die der Kläger aufgrund seines gesundheitlichen Leistungsvermögens und seiner allgemeinen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten in Betracht kommt.

Sollte sich ergeben, daß der Kläger zwar nicht als Vorarbeiter, wohl aber als Hafenfacharbeiter anzusehen ist, wird das LSG weiter der Frage nachzugehen haben, ob und unter welchen Voraussetzungen dieser Beruf als Facharbeiterberuf im Sinne des Mehrstufenschemas der Rentenversicherung anzusehen ist.

Dabei könnte eine Rolle spielen, ob der praktischen Erfahrung in diesem Beruf eine so große Bedeutung zukommt, daß nach mehrjähriger Tätigkeit als Hafenfacharbeiter die tarifliche Eingruppierung in eine Facharbeiterlohngruppe aus qualitätsbezogenen Gründen gerechtfertigt ist.

Über die Kosten des Verfahrens wird das LSG zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI582838

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge