Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Juni 1993 Prozeßkostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt S. M., beizuordnen, wird abgelehnt.

 

Gründe

Prozeßkostenhilfe ist nur zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫, § 114 Zivilprozeßordnung ≪ ZPO≫). Hieran fehlt es.

Ob eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht, ist bei der Gewährung von Prozeßkostenhilfe für die Nichtzulassungsbeschwerde nicht allein danach zu beurteilen, ob die Beschwerde Aussicht auf Erfolg hat. Die erfolgreiche Beschwerde eröffnet dem Beschwerdeführer nur die Möglichkeit, Revision einzulegen. Erst die erfolgreiche Revision beseitigt das oder die den Revisionsführer belastenden Urteile der Vorinstanzen. Eine nur auf die Erfolgsaussicht der Beschwerde abstellende Betrachtung wäre daher rein formeller Natur. Sie stünde mit dem Zweck der Prozeßkostenhilfe, den Minderbemittelten in die Lage zu versetzen, seine materiellen Ansprüche durchzusetzen, nicht in Einklang, wenn absehbar ist, daß der Antragsteller letztlich nicht erreichen Kann, was er mit dem Prozeß erreichen will. So liegt der Fall hier. Denn die Klage ist, wie schon das Sozialgericht (SG) zutreffend erkannt hat, mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.

Jede Rechtsverfolgung setzt ein Rechtsschutzbedürfnis voraus, das noch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorhanden sein muß (BSGE 3, 142, 153; 11, 38, 41; BSG SozR 2200 § 352 Nr. 2 und SozR 1500 § 53 Nr. 2). Das gilt – entgegen der Auffassung des Klägers – auch für Anfechtungsklagen (vgl. BSGE 3, 142, 153). Wird die Aufhebung eines belastenden Verwaltungsaktes geltend gemacht, wie das hier hinsichtlich des Abhilfebescheids des Arbeitsamtes München (ArbA) vom 11. Mai 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landesarbeitsamtes Südbayern vom 16. Oktober 1989 geschieht, ist ein Rechtsschutzbedürfnis zwar im allgemeinen gegeben. Das gilt indes dann nicht, wenn das begehrte Urteil, hier also die Aufhebung des Abhilfebescheids, die Rechtsstellung des Klägers weder gegenwärtig noch zukünftig im rechtlichen Endergebnis verbessern würde. So liegt die Sache hier.

Würde der Abhilfebescheid aufgehoben, demzufolge die vom ArbA ausgesprochene Gleichstellung des Klägers mit Schwerbehinderten nach § 2 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) idF der Bekanntmachung vom 26. August 1986 (BGBl I 1421, 1550) mit dem Eingang des Gleichstellungsantrags beim ArbA am 18. April 1988 wirksam geworden ist, verbliebe es bei der Regelung, die das ArbA mit Bescheid vom 6. Dezember 1988 getroffen hat: Danach würde als Tag des Eingangs des Antrags nicht der 18. April 1988, sondern der 22. Dezember 1987 gelten. Der Kläger erlangte indessen dadurch, daß er rückwirkend nicht erst seit dem 18. April 1988, sondern schon mit dem 22. Dezember 1987 Schwerbehinderten gleichgestellt würde, keinen rechtlichen Vorteil, in Sonderheit keinen für seinen Kündigungsschutzprozeß gegen seinen früheren Arbeitgeber, den Beigeladenen.

Das SG hat angenommen, das Rechtsschutzbedürfnis fehle schon deshalb, weil das Versorgungsamt München II mit Bescheid vom 6. Dezember 1989 rückwirkend ab 22. Dezember 1987 die Schwerbehinderteneigenschaft zuerkannt habe und der Kläger durch eine Gleichstellung mit Schwerbehinderten ab 22. Dezember 1987 nicht weitergehende Rechte erlangen könne, als er als Schwerbehinderter schon habe. Auch wenn der Einwand des Klägers, entgegen der Auffassung der Vorinstanzen habe das Versorgungsamt im Bescheid vom 6. Dezember 1989 ihm lediglich bescheinigt, daß er bereits mit Schreiben vom 21. Dezember 1987, eingegangen am 22. Dezember 1987, Antrag auf Feststellung des bei ihm bestehenden Grades der Behinderungen gestellt habe, nicht durchgreifen sollte, begegnet die Auffassung des SG Bedenken. Denn da nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ein schwerbehinderter Arbeitnehmer den Sonderkündigungsschutz der §§ 15 ff SchwbG nicht durch rückwirkende Feststellung eines Grades der Behinderung von 50 vH erwerben kann, wenn das bei Ausspruch der Kündigung laufende Feststellungsverfahren bestandskräftig mit einem Grad der Behinderung von unter 50 vH abgeschlossen worden ist, kann trotz rückwirkender Feststellung eines Grades der Behinderung von 50 vH eine rechtzeitig beantragte Gleichstellung nach § 2 SchwbG für den Arbeitnehmer von rechtlichem Vorteil sein, weil auch die Gleichstellung dem Arbeitnehmer den Sonderkündigungsschutz verschafft.

Wie sich indessen aus dem Urteil des BAG vom 16. August 1991 – 2 AZR 241/90 – im Rechtsstreit des Klägers mit dem Beigeladenen ergibt, brächte im vorliegenden Falle die Wiederherstellung der Regelung, daß als Tag des Antrags auf Gleichstellung mit Schwerbehinderten der 22. Dezember 1987 gilt, dem Kläger nicht den Sonderkündigungsschutz der §§ 15 ff SchwbG. In diesem Urteil hat das BAG entschieden, daß dem Kläger dieser Schutz nicht zusteht, und zwar weder als Schwerbehindertem noch, was hier allein von Bedeutung ist, als Gleichgestelltem, nachdem er den Gleichstellungsbescheid des ArbA vom 20. Juni 1988, der als Antragstag den 18. April 1988 auswies, nicht mit dem gegebenen Widerspruch angefochten hat. Das BAG hat unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß der Kläger aufgrund des in dem danach neu eingeleiteten Gleichstellungsverfahren zu seinen Gunsten ergangenen Bescheids des ArbA vom 6. Dezember 1988 den Sonderkündigungsschutz nicht erwerben konnte und mithin auch eine Wiederherstellung dieses Bescheids durch den hier angefochtenen Abhilfebescheid vom 11. Mai 1989 dem Kläger nicht zu dem Sonderkündigungsschutz verhelfen würde. Das Landesarbeitsgericht (LAG), an das das BAG den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen hat, hat diese rechtliche Beurteilung zum Sonderkündigungsschutz, die der Kläger ua als Gleichgestellter in Anspruch nimmt, nach § 565 Abs. 2 ZPO seiner erneuten Entscheidung zugrunde zu legen, so daß es für den Sonderkündigungsschutz des Klägers unerheblich ist, ob die Gleichstellung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 SchwbG mit dem 22. Dezember 1987 oder dem 18. April 1988 wirksam geworden ist. Die Bindung des LAG an die Rechtsauffassung des BAG entfiele zwar, wenn nach erneuter Verhandlung ein anderer Sachverhalt zugrunde zu legen wäre oder wenn das BAG die Rechtsansicht, auf der die Aufhebung des ersten LAG-Urteils beruht, inzwischen aufgegeben hätte. Eine Änderung des Sachverhalts im Hinblick auf die Gleichstellung ist indes weder eingetreten noch deren Eintritt denkbar und eine Änderung der Rechtsprechung durch das BAG ist diesbezüglich nicht erfolgt.

Ein Rechtsschutzbedürfnis des Kläger läßt sich im vorliegenden Fall auch nicht daraus ableiten, daß dann, wenn ein Arbeitnehmer den Sonderkündigungsschutz der §§ 15 ff SchwbG nicht geltend machen kann, im Kündigungsschutzprozeß jedenfalls die Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten und damit auch deren Zeitpunkt für die Frage von Bedeutung sein kann, ob die ausgesprochene Kündigung rechtsunwirksam ist, weil sie sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Kündigungsschutzgesetz ≪KSchG≫; vgl BAGE 29, 17, 28; 29, 334, 339 f). Denn insoweit ist zu berücksichtigen, daß das Versorgungsamt München II durch Bescheid vom 29. September 1989 den Grad der Behinderung für die Zeit ab 1. Januar 1988, dh vor der im Februar 1988 zugegangenen ordentlichen Kündigung, mit 50 vH beziffert hat. Diese Bewertung hat das Versorgungsamt durch den erwähnten Bescheid vom 6. Dezember 1989 für die Zeit ab 1. Januar 1988 nicht in Zweifel gezogen. Da der Kläger durch Gleichstellung nicht mehr Schutz erlangen kann, als einem Schwerbehinderten eingeräumt wird, vermag auch der arbeitsrechtliche Kündigungsschutz außerhalb des Sonderkündigungsschutzes der §§ 15 ff SchwbG ein Rechtsschutzbedürfnis für die hier erhobene Anfechtungsklage nicht zu begründen.

Andere rechtliche Vorteile, die dem Kläger angesichts des Bescheids des Versorgungsamtes vom 29. September 1989 noch rückwirkend für die Zeit vom 22. bis 31. Dezember 1987 zugute kämen, würde der angefochtene Abhilfebescheid vom 11. Mai 1989 aufgehoben, sind nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht geltend gemacht worden. Es liegt auf der Hand, daß Vergünstigungen der Schwerbehinderten Gleichgestellten wie das Wahlrecht zur Schwerbehinderten Vertretung oder die Vorteile des § 14 SchwbG jedenfalls nicht rückwirkend in Anspruch genommen werden können, dh nicht, bevor sich der Arbeitnehmer im Betrieb bzw gegenüber seinem Arbeitgeber auf die Schwerbehinderung bzw einen Gleichstellungsantrag beruft; das hat der Kläger aber erst getan, nachdem die Kündigung ausgesprochen worden war.

Bietet hiernach die beabsichtigte Rechtsverfolgung letztlich keine ausreichende Aussicht auf Erfolg, kann dem Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht entsprochen werden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1064901

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