Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 25.02.1997; Aktenzeichen L 6 Vs 172/96)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. Februar 1997 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Klägerin ist mit ihrem Begehren auf Zahlung einer Verletztenrente wegen einer Berufskrankheit (BK) nach Nr 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung ≪BKVO≫ (bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule ≪LWS≫ durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können) ohne Erfolg geblieben (Bescheid vom 12. Januar 1995 idF des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 1995; Urteile des Sozialgerichts vom 2. September 1996 und des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 25. Februar 1997). Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin leide nicht an einer BK iS von Nr 2108 der Anlage 1 zur BKVO. Diese Vorschrift erfasse nur solche bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS, die durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung entstanden seien. Daß sie langjährig schwer gehoben oder getragen habe, mache die Klägerin, die als Friseurin tätig gewesen sei, selbst nicht geltend. Sie sei aber auch nicht langjährig in extremer Rumpfbeugehaltung tätig gewesen. Auch wenn man unterstelle, daß sie fortgesetzt mit nach hinten oder zur Seite verbogenem Oberkörper gearbeitet habe, entspreche diese Arbeitsweise nicht den Merkmalen der BK Nr 2108.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫). Sie hält für grundsätzlich bedeutsam die Rechtsfrage, ob der von ihr vorgetragene Sachverhalt (sie habe täglich über lange Zeiträume nach hinten rückwärts gebeugt stehen müssen, um die Haare ihrer Kunden zu schneiden; außerdem habe sie seitlich abgewinkelt arbeiten müssen) sich durch Auslegung auch unter die Bestimmung der Nr 2108 der Anlage 1 zur BKVO fassen lasse.

Die Beschwerde ist zurückzuweisen. Der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Zulassungsgrund liegt nicht vor.

Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die grundsätzliche Bedeutung ist nur dann anzunehmen, wenn die von der Beschwerdeführerin angeführte Rechtsfrage für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits im angestrebten Revisionsverfahren klärungsbedürftig, klärungsfähig und entscheidungserheblich ist (BSG SozR 1500 § 160 Nrn 53 und 54; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 1991, IX, RdNr 63 mwN). Auch wenn das Bundessozialgericht (BSG) eine von der Beschwerdeführerin bezeichnete Rechtsfrage noch nicht ausdrücklich entschieden hat, fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit, wenn ihre Beantwortung im Ergebnis unmittelbar der entsprechenden Rechtsnorm zu entnehmen ist (BSG SozR 1300 § 13 Nr 1; Beschlüsse des Senats vom 26. September 1996 – 2 BU 143/96 – sowie vom 27. Mai 1997 – 2 BU 69/97 –; Krasney/Udsching aaO IX RdNr 66).

Ausgehend von der vom LSG angenommenen Unterstellung in tatsächlicher Hinsicht, daß die Klägerin als Friseurin fortgesetzt mit nach hinten und zur Seite verbogenem Oberkörper gearbeitet hat, entspricht diese Arbeitsweise, wie die Vorinstanzen rechtlich zutreffend entschieden haben, nicht den Merkmalen der Nr 2108 der Anlage 1 zur BKVO. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift setzt diese BK voraus, daß eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS ua durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung vorliegt.

Wie die Vorinstanzen bereits entschieden haben, läßt schon der allgemeine Sprachgebrauch es nicht zu, die von der Klägerin geltend gemachte Arbeitsweise als eine Tätigkeit „in extremer Rumpfbeugehaltung” zu bezeichnen. Unter Rumpfbeugehaltung versteht man stets eine Bewegung (oder Flexion) des Oberkörpers nach vorne. In anderen Fällen spricht man bei einer Bewegung des Oberkörpers nach hinten von einer Überstreckung oder bei einer Bewegung des Oberkörpers zur Seite von einer Seitwärtsverbiegung. Dies stimmt, wie das LSG unter Hinweis auf die Fundstellen bei Roche, Lexikon der Medizin, 2. bzw 3. Aufl, ausgeführt hat, mit der medizinischen Definition der Flexion oder Beugung überein.

Deswegen besteht auch entsprechend dem der Klägerin im Termin vor dem LSG am 25. Februar 1997 zur Kenntnis gebrachten Merkblatt für die ärztliche Untersuchung bandscheibenbedingter Erkrankungen (Bekanntmachung des Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung BArbBl 3/1993, 50) Einigkeit, daß unter einer extremen Rumpfbeugehaltung iS der BK Nr 2108 der Anlage 1 zur BKVO eine Beugung des Oberkörpers aus der aufrechten Haltung um mehr als 90 Grad zu verstehen ist, wie zB bei Stahlbetonbauern im Hochbau oder bei Tätigkeiten in Räumen, die niedriger als 100 cm sind und damit eine ständig gebeugte Körperhaltung erzwingen. Von dieser eindeutigen Rechtslage ausgehend haben die Vorinstanzen eine Entschädigung wegen einer BK nach Nr 2108 der Anlage 1 zur BKVO für die Klägerin, die nach ihrem eigenen Vortrag nie in einer solchen Haltung über einen längeren Zeitraum gearbeitet hat, abgelehnt.

Die Beschwerde war daher als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173395

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