Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 13.02.1997; Aktenzeichen L 7 U 1127/96)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. Februar 1997 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob ein Unfall, den der Kläger am 4. Mai 1985 im Rahmen einer Kampfgruppenausbildung in der ehemaligen DDR erlitten hat und der dort als Arbeitsunfall anerkannt war, als Arbeitsunfall in der Bundesrepublik Deutschland zu entschädigen ist (ablehnender Bescheid vom 24. November 1994 idF des Widerspruchsbescheids vom 18. August 1995; der Klage stattgebendes Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ vom 4. Dezember 1995 sowie klageabweisendes Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 13. Februar 1997). Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, die Beklagte habe zu Recht die Anerkennung des Unfalls des Klägers als Arbeitsunfall nach den Vorschriften des Dritten Buchs der Reichsversicherungsordnung (RVO) abgelehnt. Der nach DDR-Recht als Arbeitsunfall anerkannte Unfall am 4. Mai 1985 sei einem für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt geworden. Da es sich bei diesem Unfall auch um keinen Unfall, der nach dem Dritten Buch der RVO zu entschädigen wäre, handele, seien die Voraussetzungen der Übergangsvorschrift des § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 1 RVO erfüllt.

Mit seiner hiergegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫). Außerdem habe das LSG gegen § 103 SGG verstoßen; es habe den Sachverhalt nicht ausreichend erforscht.

Die Beschwerde ist zurückzuweisen. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Zulassungsgründe liegen teils nicht vor, teils sind sie nicht schlüssig vorgetragen.

Der Beschwerdeführer hält für grundsätzlich bedeutsam die Frage: „Ist § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 1 RVO im Zusammenhang mit der allgemeinen 4-jährigen sozialrechtlichen Verjährungsfrist zu sehen und deshalb dergestalt auszulegen, daß der dort genannte Stichtag vom 31.12.1993 nur für die Geltendmachung von zeitlich weiter zurückliegenden Leistungsansprüchen während der Zeit der Existenz der früheren DDR gilt, die in der ehemaligen DDR gemäß den dortigen Dokumentationsgepflogenheiten nicht bekannt geworden waren?”

Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die grundsätzliche Bedeutung ist nur dann anzunehmen, wenn die vom Beschwerdeführer für grundsätzlich gehaltene Rechtsfrage für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits im angestrebten Revisionsverfahren klärungsbedürftig, klärungsfähig und entscheidungserheblich ist (BSG SozR 1500 § 160 Nrn 53 und 54; Beschluß des Senats vom 21. Januar 1997 – 2 BU 269/97 –; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 1991, IX, RdNr 63 mwN). Auch wenn das Bundessozialgericht (BSG) eine vom Beschwerdeführer bezeichnete Rechtsfrage noch nicht ausdrücklich entschieden hat, fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit, wenn ihre Beantwortung im Ergebnis unmittelbar dem Gesetz zu entnehmen ist (BSG SozR 1300 § 13 Nr 1; Beschluß des Senats vom 26. September 1996 – 2 BU 143/96 –; Krasney/Udsching aaO IX RdNr 66).

Auszugehen ist von den tatsächlichen Feststellungen des LSG, wonach der Kläger, der in der DDR als Facharbeiter für Datenverarbeitung bei der Deutschen Post in Berlin beschäftigt war, am 4. Mai 1985 an einer Kampfgruppenausbildung teilnahm und dabei einen Unfall ua mit Zahnverletzungen erlitt. Dieser nach DDR-Recht als Arbeitsunfall anerkannte Unfall wurde nach den weiteren Feststellungen des LSG einem ab 1. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt, nämlich der Berufsgenossenschaft der Straßen-, U-Bahnen und Eisenbahnen am 7. November 1994. Hiervon ausgehend hat das LSG zutreffend die erste Voraussetzung des § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 1 RVO als erfüllt angesehen. Es ist zunächst von § 1150 Abs 2 Satz 1 RVO ausgegangen, wonach Unfälle und Krankheiten, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten iS des Dritten Buchs der RVO gelten. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 1 RVO gilt diese Fiktion nicht für Unfälle und Krankheiten, die einem ab 1. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt werden und die nach dem Dritten Buch der RVO nicht zu entschädigen wären. Irgendwelche Einschränkungen sind dieser Vorschrift nicht zu entnehmen und waren vom Gesetzgeber offensichtlich auch nicht gewollt. Dementsprechend heißt es in der Amtlichen Begründung zum Renten-Überleitungsgesetz (RÜG) ≪BT-Drucks 12/405 S 154≫ zu § 1150: „Absatz 2 gewährleistet die Übernahme aller bereits eingetretenen Unfälle und Krankheiten, die nach dem Sozialversicherungsrecht des Beitrittsgebiets versichert waren, in die gesetzliche Unfallversicherung nach dem Dritten Buch der Reichsversicherungsordnung, …. Ist der Versicherungsfall zwar vor dem 1. Januar 1992 eingetreten, wird er dem Versicherungsträger aber erst später bekannt – zB bei Berufskrankheiten-, soll ein Vertrauensschutz nur noch bis zum 31. Dezember 1993 gelten (Absatz 2 Satz 2 Nr 1).”

Die ferner geltend gemachte Rechtsfrage, ob ein im Rahmen einer Sportausübung einer Betriebskampfgruppen-Abteilung geschehener Unfall als Arbeitsunfall iS der §§ 548, 539 RVO, insbesondere ein Arbeitsunfall iS der §§ 548, 539 Abs 1 Nrn 1, 13 RVO ist, hat der Beschwerdeführer für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht schlüssig vorgetragen.

Ob es sich bei dem Unfall vom 4. Mai 1985 um einen nach dem Dritten Buch der RVO entschädigungspflichtigen Unfall handelt, entscheidet sich – wie das LSG zutreffend unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BSG (s auch die Nachweise bei Brackmann/Krasney, Handbuch der Sozialversicherung, Gesetzliche Unfallversicherung, 1997, § 8 RdNrn 23 ff) dargelegt hat – danach, ob die Tätigkeit in einem inneren Zusammenhang mit der Betriebstätigkeit steht. Mit dieser Rechtsprechung setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander. Er zeigt auch nicht auf, inwiefern über diese ständige Rechtsprechung hinaus für die Entscheidung des vorliegenden Falls noch klärungsbedürftige Rechtsfragen bestehen. Dies gilt um so mehr, als nach der Rechtsprechung des BSG es immer auf die gesamten Umstände des Einzelfalls ankommt, die das LSG im Rahmen seiner freien richterlichen Beweiswürdigung zu beachten hat (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Dazu reicht es nicht aus darzulegen, die „genannten Vorschriften müssen im Lichte der damaligen Verhältnisse ausgelegt werden”.

Darüber hinaus zielt die Beschwerde in diesem Zusammenhang im Kern auf die Beweiswürdigung durch das LSG. Dies kann nicht zur Zulassung der Revision führen, denn § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG schließt es ausdrücklich aus, die Nichtzulassungsbeschwerde auf Fehler der Beweiswürdigung iS des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG zu stützen.

Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Auf eine Verletzung des § 103 SGG kann der Verfahrensmangel nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Der Kläger trägt zwar vor, er habe in der Berufungserwiderungsschrift vom 18. Juni 1996 Beweisanträge gestellt und in der mündlichen Verhandlung auf die behaupteten Tatsachen, die unter Beweis gestellt worden seien, beharrt. Dieser Vortrag genügt aber nicht den Anforderungen, die an einen vom LSG zu berücksichtigenden Beweisantrag zu stellen sind. Zur Berücksichtigungsfähigkeit eines Beweisantrags hat der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß es jedenfalls rechtskundig vertretenen Beteiligten obliegt, in der mündlichen Verhandlung alle diejenigen Anträge zur Niederschrift des Gerichts zu stellen, über die das Gericht entscheiden soll (vgl ua Beschlüsse des Senats vom 11. Dezember 1996 – 2 BU 232/96 und vom 3. März 1997 – 2 BU 19/97 – sowie Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Februar 1992 = SozR 3-1500 § 160 Nr 6). Es ist der Sinn der erneuten Antragstellung, zum Schluß der mündlichen Verhandlung auch darzustellen, welche Anträge nach dem Ergebnis der für die Entscheidung maßgebenden mündlichen Verhandlung noch abschließend gestellt werden, mit denen sich das LSG dann im Urteil befassen muß, wenn es ihnen nicht folgt. Der – rechtskundig vertretene – Kläger hätte deshalb in der mündlichen Verhandlung am 13. Februar 1997 entsprechende auf § 103 SGG gestützte Beweisanträge zumindest hilfsweise zu seinem Sachantrag stellen müssen. Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 13. November 1996 ist dies nicht geschehen. Dem steht auch nicht entgegen, daß der Kläger in der ersten Instanz obsiegt hatte. In einem Berufungsverfahren muß der in erster Instanz obsiegende Beteiligte damit rechnen, daß das LSG zu einer vom SG abweichenden Beurteilung kommt. Er hat deshalb, soweit er für diesen Fall noch eine weitere Sachaufklärung für notwendig erachtet, zumindest hilfsweise entsprechende Beweisanträge vorsorglich zu wiederholen (Beschluß des Senats vom 28. Januar 1997 – 2 BU 305/96 –).

Die Beschwerde war daher insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173472

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