BAG, Urteil vom 29.4.2021, 8 AZR 279/20

Gemäß § 165 Satz 3 SGB IX sind öffentlichen Arbeitgeber, denen die Bewerbung einer schwerbehinderten oder dieser gleichgestellten Person zugehen, verpflichtet, diese zu einem Vorstellungsgespräch einladen, es sei denn, die fachliche Eignung fehlt offensichtlich, § 165 Satz 4 SGB IX. Und dies kann anzunehmen sein, wenn der/die Bewerber/in eine in einem nach Art. 33 Abs. 2 GG zulässigen Anforderungsprofil als zwingendes Auswahlkriterium eine bestimmte Mindestnote des geforderten Ausbildungsabschlusses nicht erreicht hat. Daran ändert der Umstand, dass § 165 Satz 4 SGB IX als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist, nichts; denn dem Prinzip der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG sind auch die durch das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG geschützten Personengruppen unterworfen.

Sachverhalt

Die Beklagte schrieb für eine Beschäftigung im Bundesamt für Verfassungsschutz mehrere Stellen als Referenten/Referentinnen aus. In der Stellenausschreibung wurde als Anforderungsprofil ein wissenschaftliches Hochschulstudium der Politik-, Geschichts- oder Verwaltungswissenschaften mit mindestens der Note "gut" gefordert. Der schwerbehinderte Kläger, der zwar die Fächer Politikwissenschaften, Philosophie und Deutsche Philologie studiert, jedoch nur mit der Note "befriedigend" abgeschlossen hatte, bewarb sich auf die Stelle. Er wurde jedoch nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Es wurde ihm mitgeteilt, dass er, da er sein Studium mit der Note "befriedigend" abgeschlossen habe, nicht die formalen Kriterien der Stellenausschreibung erfülle und man ihn deshalb nicht nach § 165 Satz 4 SGB IX zum Vorstellungsgespräch hatte einladen müssen.

Mit seiner Klage hat der Kläger einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung gem. § 15 AGG wegen unterbliebener Einladung zum Vorstellungsgespräch geltend gemacht; denn er sei fachlich für die Stelle geeignet gewesen und die in § 165 Satz 4 SGB IX zugelassene Ausnahme von der Einladungspflicht gegenüber schwerbehinderten Stellenbewerbern sei eng auszulegen, sodass es damit unvereinbar sei, die Abschlussnote eines Studiums als Ausschlusskriterium anzusehen. Zudem habe die Beklagte dieses Kriterium auch nicht während des gesamten Auswahlverfahrens beachtet.

Die Entscheidung

Während die Klage in den Vorinstanzen abgewiesen wurde, hob das BAG das Urteil des LAG auf und wies dieses zurück; denn mit der gegebenen Begründung durfte die Klage nicht abgewiesen werden.

Das BAG führte insoweit aus, dass das LAG zutreffend angenommen habe, dass die Beklagte berechtigt war, in der Stellenausschreibung für den von ihr geforderten Hochschulabschluss die Mindestnote "gut" als zwingendes Auswahlkriterium zu bestimmen, sodass dem Kläger die fachliche Eignung für die ausgeschriebenen Stellen offensichtlich fehlte.

Zwar müsse der öffentlichen Arbeitgeber, dem die Bewerbung einer schwerbehinderten oder dieser gleichgestellten Person zugehe, diese nach § 165 Satz 3 SGB IX zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Dies gelte ausnahmsweise nur dann nicht, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehle, § 165 Satz 4 SGB IX. Und dies könne, so das Gericht, auch dann anzunehmen sein, wenn der/die Bewerber/in eine in einem nach Art. 33 Abs. 2 GG zulässigen Anforderungsprofil als zwingendes Auswahlkriterium bestimmte Mindestnote des geforderten Ausbildungsabschlusses nicht erreicht habe. Daran ändere auch der Umstand, dass § 165 Satz 4 SGB IX als Ausnahmevorschrift eng auszulegen sei, nichts, Denn dem Prinzip der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG seien auch die durch das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG geschützten Personengruppen unterworfen.

Das LAG hatte jedoch nicht geprüft, ob die Beklagte die Anforderung eines bestimmten, mit der Mindestnote "gut" abgeschlossenen Hochschulstudiums im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren konsequent angewendet und somit auch niemand anderen, der das geforderte Hochschulstudium nicht mit der Mindestnote "gut" abgeschlossen hatte, zum Vorstellungsgespräch eingeladen bzw. eingestellt hat. Deshalb war das Urteil aufzuheben und an das LAG zurückzuweisen.

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