Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung: Sozialpädagoge im Sozialdienst von Suchtstation. Eingruppierung von Erzieher in der Tätigkeit eines Sozialpädagogen im Sozialdienst auf der Suchtstation eines Krankenhauses. Abgrenzung zwischen psychotherapeutischen Behandlungen und sozialpädagogischen Aufgaben. Übertragung psychotherapeutischer Behandlungen. Eingruppierung öffentl. Dienst

 

Orientierungssatz

  • Zu den Regelaufgaben eines Sozialpädagogen gehört nicht die Durchführung psychotherapeutischer Behandlungen.
  • Die Durchführung psychotherapeutischer Behandlungen ist nicht schon deshalb eine auszuübende Tätigkeit, weil der Angestellte eine psychotherapeutische Ausbildung durchführt oder abgeschlossen hat. Vielmehr bedarf es dazu der Übertragung der Aufgabe, eine psychotherapeutische Methode anzuwenden.
  • Ob die Durchführung psychotherapeutischer Behandlungen das Merkmal der herausgehobenen Bedeutung erfüllt, war nicht zu entscheiden.
 

Normenkette

BAT 1975 §§ 22-23; Anlage 1a zum BAT/VKA Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst VergGr. Vb Fallgr. 10, VergGr. IVb Fallgr. 16, VergGr. IVa Fallgr. 15, VergGr. III Fallgr. 7

 

Verfahrensgang

LAG Nürnberg (Urteil vom 13.03.2001; Aktenzeichen 6 Sa 41/00)

ArbG Bayreuth (Urteil vom 02.12.1999; Aktenzeichen 2 Ca 1634/98 H)

 

Tenor

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.

Der Kläger steht seit dem 1. Oktober 1988 in den Diensten des Beklagten, und zwar als Erzieher in der Tätigkeit eines Sozialpädagogen im Bezirkskrankenhaus R.… Gem. § 2 des Arbeitsvertrages vom 16. Juni 1988 richtet sich das Arbeitsverhältnis “nach den jeweiligen Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrages vom 23. Februar 1961 (BAT) in der für den Bereich der kommunalen Arbeitgeber jeweils geltenden Fassung”. Der Kläger ist im Sozialdienst auf der Suchtstation des Krankenhauses tätig. Seit 1995 wird er auch in der ambulanten Behandlung von Suchtpatienten eingesetzt, die das Krankenhaus außerhalb seines Versorgungsauftrages aufgebaut hat und die in dem Vertrag vom 20. April 1995 von der LVA Ober- und Mittelfranken und den bayerischen Krankenkassen als psychotherapeutische Behandlungen anerkannt worden sind. Dem Kläger wurde am 20. November 1999 von der Gesellschaft für Transaktionsanalyse e.V. der erfolgreiche Abschluß der berufsbegleitenden Weiterbildung in der Transaktionsanalyse, die der Kläger im März 1992 begonnen hatte und die etwa 1500 Ausbildungsstunden umfaßte, bescheinigt und der Titel “Transaktionsanalytiker im Anwendungsfeld Psychotherapie” erteilt.

Mit Schreiben vom 12. Dezember 1996 begehrte der Kläger, der nach VergGr. IVa BAT/VKA vergütet wurde, die höhere Vergütung nach VergGr. III BAT/VKA ab dem 1. Dezember 1996. Zu diesem Antrag und dem Antrag der Kollegin des Klägers nahm der ärztliche Direktor der Bezirksklinik mit Schreiben vom 8. Januar 1997 Stellung und führte ua. aus:

“Seit der Eingruppierung der beiden Mitarbeiter des Sozialdienstes in BAT IVa am 1.1.93 sind folgende Veränderungen der Tätigkeitsmerkmale eingetreten:

Im Rahmen ihres Beschäftigungsverhältnisses mit Schwerpunkt Sucht-Krankenhilfe wird von ihnen sowohl im amb. als auch stat. Bereich Gruppenpsychotherapie durchgeführt. Dies erfolgt unter meiner Leitung; offiziell anerkannt ist die amb. Maßnahme durch die LVA Ober- und Mittelfranken sowie von den Bayer. Krankenkassenverbänden und dem Bezirk durch Vertrag mit der LVA am 20.4.95.

Sowohl die amb. als auch stat. Therapie wird nach einem ausgearbeiteten und bewährten Konzept durchgeführt, das jederzeit der Verwaltung zur Verfügung gestellt werden kann. Dieses Konzept ist integrativ tiefenpsychologisch orientiert.

Der wöchentliche Arbeitszeitaufwand setzt sich nachweislich folgendermaßen zusammen:

Stationär vier Therapiegruppen wöchentlich á 1,7 Std. =

6,8 Stunden

dazu Einzelgespräche

6 Stunden

psychotherapeutische Diagnostik, Verlaufsdokumentation, Berichte

5 Stunden

Amb. Therapie

2,5 Stunden

gesamt

20,3 Stunden;

dies entspricht 52,73 % angewandte Therapie.

…”

Unter dem 3. August 1999 gab Herr Dr. F… zu seinem Schreiben vom 8. Januar 1997 eine weitere Stellungnahme ab, in der es ua. heißt:

“Die Bezirksklinik R… ist eine Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie; das beinhaltet, dass von allen Berufsgruppen psychotherapeutische Arbeit geleistet und psychotherapeutisches Denken praktiziert wird. Dies insbesondere auf Spezialstationen wie Psychotherapiestation, Depressionsstation oder Suchtstation.

Seit Jahren hat sich das Konzept des sog. qualifizierten Entzugs mit sozio/psychotherapeutischer Arbeit in sog. Motivationsgruppen in Deutschland bewährt. … Diese Motivationsarbeit hat zweifellos einen psychotherapeutischen Aspekt, insbesondere ist die psychotherapeutische Einstellung bei solchen Gesprächen oder Gruppenaktivitäten, zumal wenn von ausgebildeten Psychotherapeuten erbracht, nicht ausklammerbar, obwohl es natürlich keine klassische, im niedergelassenen Bereich abrechenbare psychotherapeutische Einzel- oder Gruppenleistung darstellt.

Spezielle Psychotherapie darüber hinausgehend lag wohl bei Frau K… und Herrn S… aber zweifellos innerhalb der genehmigten amb. psychotherapeutischen Entwöhnungstherapie vor, die von ihnen durchgeführt wird.”

Mit Schreiben vom 12. Februar 1997 teilte der Beklagte dem Kläger – ohne Bezugnahme auf sein Höhergruppierungsbegehren – mit, auf Grund verschiedener zwischenzeitlich ergangener Gerichtsurteile sei festzustellen, daß die beim Bezirk im Bereich der Kliniken für Psychiatrie eingesetzten Diplom-Sozialpädagogen/innen die tarifrechtlichen Voraussetzungen für die derzeit praktizierte Eingruppierung in der VergGr. IVa Fallgr. 16 BAT nicht erfüllten.

Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Begehren, nach VergGr. III BAT vergütet zu werden, weiter. Er hat vorgetragen, daß er mit “Legitimation” des ärztlichen Direktors der Bezirksklinik R… psychotherapeutische Behandlung im stationären und ambulanten Bereich durchführe; diese habe zu keiner Zeit psychotherapeutische Behandlungsmaßnahmen im ambulanten wie auch stationären Bereich infrage gestellt oder abgelehnt. Zu seinen Aufgaben gehöre auch die sozialpädagogisch unterstützte Begleitung des Patienten bei Klärung finanzieller, materieller, sozialer und beruflicher Angelegenheiten mit entsprechenden administrativen Tätigkeiten. Die therapeutische Tätigkeit bilde aber den Schwerpunkt seiner Arbeit und betrage mehr als 50 % der Gesamtarbeitszeit. Er habe schon bei seiner Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher und Heilpädagogen umfangreiche pädagogische, heilpädagogische und psychologische Kenntnisse vermittelt erhalten. Die psychotherapeutische Tätigkeit habe er schon während der von ihm absolvierten Zusatzausbildung, jedenfalls seit dem 1. Dezember 1992 ausgeübt, so daß die vierjährige Bewährung für den Aufstieg nach VergGr. III BAT erfüllt sei. Die Ausbildung in der Transaktionsanalyse sei für die Durchführung seiner Aufgabe erforderlich. Sie sei auch Voraussetzung für die Einrichtung der ambulanten Suchttherapie gewesen. Auch im stationären Bereich sei er überwiegend psychotherapeutisch tätig. Seine Tätigkeit umfasse überwiegend die Behandlung von Suchtkranken, die in anderen Kliniken von Psychologen ausgeübt werde. Seine Tätigkeit hebe sich auch durch die Bedeutung aus der VergGr. IVb Fallgr. 16 BAT heraus. Die vom Kläger angeregten und für erforderlich erachteten Maßnahmen hätten unmittelbare Auswirkungen auf die Kostenträger, die sie finanzieren müßten.

Der Kläger hat beantragt:

Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 1. Dezember 1996 nach der VergGr. III des BAT – Sozial- und Erziehungsdienst – einzugruppieren und zu bezahlen und den sich ergebenden Nettodifferenzbetrag mit 4 % seit Rechtshängigkeit zu verzinsen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, der Kläger sei entsprechend seinem Arbeitsvertrag als Sozialarbeiter eingesetzt und nicht für die therapeutische Behandlung der Patienten zuständig. Er sei nur im Bereich ambulanter Behandlung therapeutisch tätig. Die psychotherapeutische Ausbildung sei zur Durchführung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit auf der Station nicht erforderlich. Das Konzept für die akutpsychiatrische Klinik sehe für die Patienten eine Entgiftungsphase sowie Motivierung und Verlegung der Patienten in eine entsprechende therapeutische Einrichtung vor. Entzugstherapie im klassischen Sinne erfolge im stationären Bereich nicht. Gerade deshalb sei außerhalb des eigentlichen Versorgungsauftrags der Versuch der ambulanten Reha-Suchtbehandlung gestartet worden. Soweit therapeutische Maßnahmen während der stationären Behandlung noch vor Verlegungen in eine geeignete Therapieeinrichtung notwendig seien, würden diese durch die Psychologen und das ärztliche Personal durchgeführt. Eine Übertragung von psychotherapeutischen Tätigkeiten für den stationären Klinikbereich durch den zuständigen Werkleiter habe zu keinem Zeitpunkt stattgefunden. Es sei unzutreffend, daß die Bezirksklinik jahrelang Kenntnisse von einer psychotherapeutischen Tätigkeit des Klägers im stationären Bereich gehabt hätte. Nach Kenntniserlangung habe sie diese Tätigkeit sofort untersagt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Höhergruppierungsbegehren weiter, wobei er den Antrag nunmehr wie folgt formuliert hat:

Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 1. Dezember 1996 Vergütung gemäß VergGr. III BAT zu bezahlen und die sich hieraus ergebenden monatlichen Nettodifferenzbeträge mit 4 % seit 7. Januar 1999 bzw. ab jeweiliger späterer Fälligkeit zu verzinsen.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen.

  • Mit der Beschränkung auf den vorinstanzlichen Zinsantrag ist die Klage zulässig. Es handelt sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die im öffentlichen Dienst allgemein üblich ist und gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken bestehen. Die von dem Kläger in der Revisionsinstanz vorgenommene Umformulierung des Eingruppierungsfeststellungsantrags macht diesen nicht unzulässig. Der Kläger hat lediglich die unzutreffende Formulierung des Antrags in den Vorinstanzen korrigiert, nicht jedoch dessen Inhalt sachlich geändert. Hinsichtlich des Zinsantrags enthält der in der Revisionsinstanz gestellte Antrag eine unzulässige Erweiterung, weil er nicht nur auf die bisher geforderte Verzinsung des Nettodifferenzbetrages seit Rechtshängigkeit, dh. dem 7. Januar 1999 gerichtet ist, sondern erstmals zusätzlich auf die Verzinsung der später fälligen Nettodifferenzbeträge ab der jeweiligen Fälligkeit.
  • Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht die Vergütung nach VergGr. III BAT/VKA nicht zu. Die von ihm auszuübende Tätigkeit erfüllt nicht die Voraussetzungen der VergGr. IVa Fallgr. 15 BAT/VKA (Sozial- und Erziehungsdienst), so daß der Bewährungsaufstieg nach VergGr. III Fallgr. 7 BAT/VKA (Sozial- und Erziehungsdienst) nicht in Betracht kommt.

    • Auf das Arbeitsverhältnis findet gem. § 2 des Arbeitsvertrages der Bundes-Angestelltentarifvertrag in der für den Bereich der Kommunalen Arbeitgeber jeweils geltenden Fassung (BAT/VKA) Anwendung.
    • Der Klage kann nicht stattgegeben werden, weil die von dem Kläger nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit zeitlich nicht mindestens zur Hälfte aus Arbeitsvorgängen besteht, die die Anforderungen zumindest eines Tätigkeitsmerkmals der von ihm in Anspruch genommenen Vergütungsgruppe erfüllen (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 BAT).
    • Die vorliegend ausschließlich anzuwendenden speziellen Eingruppierungsmerkmale des Tarifvertrages zur Änderung der Anlage 1a zum BAT vom 24. April 1991 für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst haben, soweit sie für die Entscheidung des Rechtsstreits von Bedeutung sind, folgenden Wortlaut:

      Vergütungsgruppe Vb

      10. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die auf Grund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.

      (Hierzu Protokollerklärung Nr. 1).

      Vergütungsgruppe IVb

      16. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die auf Grund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben,

      mit schwierigen Tätigkeiten – I)

      (Hierzu Protokollerklärung Nrn. 1 und 12).

      Vergütungsgruppe IVa

      15. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die auf Grund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben,

      deren Tätigkeit sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 16 heraushebt.

      (Hierzu Protokollerklärung Nr. 1).

      Vergütungsgruppe III

      7. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die auf Grund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben,

      deren Tätigkeit sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 16 heraushebt,

      nach vierjähriger Bewährung in Vergütungsgruppe IVa Fallgruppe 15.

      (Hierzu Protokollerklärung Nr. 1).

      Protokollerklärungen:

      12. Schwierige Tätigkeiten sind z. B. die

      • Beratung von Suchtmittel-Abhängigen,
      • Beratung von HIV-Infizierten oder an AIDS erkrankten Personen,
      • begleitende Fürsorge für Heimbewohner und nachgehende Fürsorge für ehemalige Heimbewohner,
      • begleitende Fürsorge für Strafgefangene und nachgehende Fürsorge für ehemalige Strafgefangene,
      • Koordinierung der Arbeiten mehrerer Angestellter mindestens der Vergütungsgruppe Vb.
    • Das Landesarbeitsgericht hat erkannt, daß der Kläger schon nicht die Voraussetzungen der VergGr. IVa Fallgr. 15 BAT/VKA (Sozial- und Erziehungsdienst) erfülle. Zur Begründung hat es – kurz gefaßt – ausgeführt: In der von dem Beklagten vorgelegten Übersicht über die Regelaufgaben von Sozialarbeitern/Sozialpädagogen sei der Aufgabenbereich Psychotherapie aufgeführt. Das spreche dafür, daß eine ergänzende Psychotherapie noch zu deren Aufgabengebiet gehöre. Deshalb gehöre die vom Kläger ausgeübte psychotherapeutische Arbeit zu den von ihm auszuübenden Tätigkeiten. Die Tätigkeit des Klägers betreffe zwei Arbeitsvorgänge, nämlich die stationäre und die ambulante Therapie. Der erste – unstreitig zeitlich überwiegende – Arbeitsvorgang, der die sozialpädagogische Betreuung der stationär untergebrachten Patienten umfasse, sei für die Eingruppierung des Klägers maßgeblich. Der Kläger erfülle zwar die Merkmale der VergGr. Vb Fallgr. 10 BAT/VKA und der VergGr. IVb Fallgr. 16 BAT/VKA, aber nicht die Voraussetzungen der VergGr. IVa Fallgr. 15 BAT/VKA, die zum Bewährungsaufstieg nach VergGr. III Fallgr. 7 BAT/VKA führe. Der Kläger habe die Voraussetzung der “besonderen Schwierigkeit” nicht schlüssig dargelegt. Die Anwendung psychotherapeutischer Methoden, auf die sich der Kläger berufe, führe nicht dazu, daß der Aufgabenbereich des Klägers besonders schwierig geworden sei. Die Tätigkeit des Klägers erfülle auch nicht das Merkmal der herausgehobenen Bedeutung. Insoweit berufe sich der Kläger ohne Erfolg auf die von ihm vorgenommene Therapieplanung bzw. darauf, daß seine Entscheidung über die Art der weitergehenden Behandlung und der Behandlungsarten von den Rententrägern akzeptiert werde. Dem kann nur im Ergebnis gefolgt werden.
    • Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann bereits nicht davon ausgegangen werden, daß im stationären Bereich die vom Kläger behaupteten psychotherapeutischen Behandlungen zu den von ihm auszuübenden Tätigkeiten gehören.

      • Das Landesarbeitsgericht stützt seine Auffassung entscheidend auf die von dem Beklagten vorgelegte Übersicht “Regelaufgaben Sozialarbeiter und Sozialpädagogen”. Daraus sei ersichtlich, daß bei der Aufzählung der Aufgabenbereiche auch die Psychotherapie aufgeführt sei. Dies spreche dafür, daß eine ergänzende Psychotherapie noch zum Aufgabengebiet des Sozialpädagogen gehöre. Psychotherapie sei allerdings nur für die Stationen A 5, S 5 und G 5 vorgesehen, nicht aber für die Station des Klägers S 1.

        Mit dieser Argumentation hat das Landesarbeitsgericht den Inhalt der Übersicht, deren Quelle von dem Beklagten nicht dargelegt worden ist, verkannt. Aus der Beschreibung der “Regelaufgaben” der Sozialarbeiter und Sozialpädagogen auf der linken Seite der Übersicht ergibt sich kein Hinweis darauf, daß die Durchführung von psychotherapeutischen Behandlungen zu den Regelaufgaben gehört. Vielmehr wird unterschieden zwischen den vier übergreifenden Aufgabenbereichen sozialpädagogische Grundversorgung, einzelfallbezogene und sozialpädagogische Behandlung, gruppenbezogene Behandlung und mittelbar patientenbezogene Tätigkeiten. Auch innerhalb dieser Aufgabenbereiche sind keine psychotherapeutischen Teilaufgaben aufgeführt, sondern nur sozialtherapeutische Aufgaben bzw. Mitwirkung an Therapien, so im Rahmen der sozialpädagogischen Grundversorgung die Mitwirkung bei Anamnese- und Befunderhebung und Therapieplanung, im Rahmen der einzelfallbezogenen und sozialpädagogischen Behandlung das sozialtherapeutische Kompetenztraining, die sozialtherapeutische Einzelfallhilfe zur Wiedereingliederung und die Mitwirkung an Familientherapien und im Rahmen der gruppenbezogenen Behandlung die Arbeit in sozialpädagogischen und sozialtherapeutischen Gruppen.

        Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts läßt sich daraus, daß in der Tabelle auf der rechten Seite der Übersicht die Einteilung “Psychotherapie” mit den Untereinteilungen “A 5, S 5 und G 5” aufgeführt sind, nichts anderes ableiten. Dabei handelt es sich entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht um die Darstellung von Regelaufgaben der Sozialarbeiter/Sozialpädagogen auf bestimmten Stationen, sondern um die Umsetzung der Regelungen aus der Verordnung über Maßstäbe und Grundsätze für den Personalbedarf in der stationären Psychiatrie vom 18. Dezember 1990 (Psychiatrie-Personalverordnung/Psych-PV – BGBl. I S 2930). In der Psych-PV sind auf Grund des Krankenhausfinanzierungsgesetzes die Maßstäbe und Grundsätze zur Ermittlung des Personalbedarfs für Ärzte, Krankenpflegepersonal und sonstiges therapeutisches Fachpersonal in psychiatrischen Einrichtungen geregelt. Dazu werden verschiedene Behandlungsbereiche definiert, denen die Patienten je nach Art und Schwere der Krankheit sowie nach den Behandlungszielen und -mitteln zugeordnet werden. Für die Behandlungsbereiche werden für die verschiedenen Berufsgruppen bestimmte Minutenwerte je Patient und Woche festgelegt ua. für Ärzte, Diplom-Psychologen und Sozialarbeiter/Sozialpädagogen. Bei den Behandlungsbereichen wird zunächst zwischen allgemeiner Psychiatrie (A), Abhängigkeitskranke (S) und Gerontopsychiatrie (G) und innerhalb dieser übergeordneten Bereiche jeweils wiederum zwischen der Regelbehandlung (1), der Intensivbehandlung (2), der rehabilitativen Behandlung (3), der langdauernden Behandlung schwer- und mehrfach Kranker (4), der Psychotherapie (5) und der tagesklinischen Behandlung (6) unterschieden. Die Abkürzungen A 1 bis A 6, S 1 bis S 6 und G 1 bis G 6 bezeichnen deshalb die unterschiedlichen Behandlungsbereiche, für die in der Psychiatrie-Personalverordnung die Minutenwerte für die Personalbemessung der verschiedenen Berufsgruppen vorgegeben werden. Aus den Zahlen unter der Einteilung “Psychotherapie, A 5, S 5, G 5” läßt sich also lediglich ablesen, welche Zeitwerte bei der Personalbemessung für die Erfüllung der aufgeführten Regelaufgaben von Sozialarbeitern/Sozialpädagogen in den genannten Behandlungsbereichen, dh. Psychotherapie in der allgemeinen Psychiatrie, bei Abhängigkeitskranken bzw. in der Gerontopsychiatrie, zugrunde gelegt werden sollen.

        Die Rüge des Klägers, daß das Landesarbeitsgericht sich auf die von dem Beklagten vorgelegte Übersicht, die ihm nicht zur Kenntnis gelangt sei, gestützt habe, ist unbegründet. In dem Schriftsatz des Beklagten vom 13. März 2000 ist die Übersicht kurz erläutert und als Anlage benannt worden. Der Kläger hat nicht dargelegt, warum er das von ihm nunmehr behauptete Fehlen der Anlage zu dem ihm zugegangenen Schriftsatz nicht bereits im Berufungsverfahren gerügt hat. Im übrigen hat das Landesarbeitsgericht unter Berufung auf diese Übersicht die für den Kläger günstige Feststellung getroffen, daß die psychotherapeutischen Behandlungen zu den von ihm auszuübenden Tätigkeiten gehören.

      • Auch aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich nicht, daß und ggf. ab wann ihm die Durchführung psychotherapeutischer Behandlungen bei der Ausübung seiner Aufgaben im stationären Bereich übertragen worden ist. Ohne eine solche Übertragung kann die etwaige Anwendung der Psychotherapie bei der tariflichen Bewertung der Tätigkeit des Klägers nicht berücksichtigt werden, weil es sich dann nicht um eine auszuübende Tätigkeit iSv. § 22 Abs. 2 BAT handelt.

        • Als psychotherapeutische Behandlung, die für die Erfüllung des Heraushebungsmerkmals “besondere Schwierigkeit” in Betracht kommt, kann nicht die therapeutische Tätigkeit im weiteren Sinne angesehen werden, die in vielen Bereichen der Sozialarbeit/Sozialpädagogik anzutreffen ist, und zwar wegen der fließenden und im einzelnen ungeklärten Abgrenzung zwischen Beratung, Fürsorge und Therapie insbesondere bei Einsatz in Einrichtungen mit therapeutischen Aufgaben, zB in Drogeneinrichtungen, in der Heimerziehung oder in psychiatrischen Krankenhäusern. Die Qualifikation für therapeutische Tätigkeit im engeren Sinne kann nicht in der normalen Ausbildung als Diplomsozialarbeiter/Diplomsozialpädagoge erworben werden und gehört deshalb auch nicht zu den normalen Aufgaben eines Sozialarbeiters/Sozialpädagogen (vgl. dazu Bundesanstalt für Arbeit Blätter zur Berufskunde Diplom-Sozialarbeiter/Diplom-Sozialarbeiterin, Diplom-Sozialpädagoge/Diplom-Sozialpädagogin (Fachhochschule) S 13 f.). Die therapeutische Tätigkeit setzt vielmehr idR eine Zusatzausbildung voraus. Das gilt erst recht für psychotherapeutische Behandlungen, die der Kläger für sich in Anspruch nimmt. Denn Psychotherapie ist ein Sammelbegriff für unterschiedliche psychotherapeutische Verfahren, die auf unterschiedlichen psychologischen Theorien beruhen und sich auch hinsichtlich ihrer wissenschaftlichen Anerkennung und tatsächlichen Vorbereitung unterscheiden. Die vom Kläger absolvierte Ausbildung in der Transaktionsanalyse gehört zu der Gruppe der humanistischen Psychotherapien, neben der es ua. die Gruppe der psychoanalytischen Therapien und der Verhaltenstherapien gibt (vgl. Kreft und Mielenz (Hsg) Wörterbuch Soziale Arbeit 4. Aufl. Stichwort “Psychotherapie”). Noch enger ist nach den Regelungen des Psychotherapeutengesetzes (Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten idF vom 16. Juni 1998 – PsychThG, BGBl. I S 1311) der Begriff der Psychotherapie im heilkundlichen Sinne. Ausübung von Psychotherapie in diesem Sinne ist nur die mittels wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist (§ 1 Abs. 3 Satz 1 PsychThG). Nach § 1 Abs. 1 PsychThG bedarf der Approbation als “Psychologischer Psychotherapeut oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut”, wer die heilkundliche Psychotherapie unter der entsprechenden Berufsbezeichnung ausüben will.
        • Der Kläger meint, die psychotherapeutischen Behandlungen seien für die tarifliche Bewertung seiner Tätigkeit maßgeblich, weil er mit “Legitimation” des ärztlichen Direktors psychotherapeutische Behandlungen im stationären und ambulanten Bereich durchführe bzw. weil ihm dieser auf Grund seiner im Jahr 1995 bereits fortgeschrittenen Psychotherapieausbildung (Ausbildung in Transaktionsanalyse) die Ausübung psychotherapeutischer Heilbehandlungen auch in der stationären Arbeit mit Suchtkranken übertragen habe. Daraus ergibt sich nicht hinreichend deutlich, daß und ggf. wann ihm die Aufgabe dieser psychotherapeutischen Behandlungen tarifrechtlich relevant übertragen worden ist. Die Frage der Anwendung der Psychotherapie betrifft nicht den äußeren Ablauf bzw. die organisatorische Gestaltung der dem Kläger übertragenen Aufgaben, sondern die bei der Erfüllung dieser Aufgaben von ihm angewandten Methoden, insbesondere bei der Durchführung von Einzel- bzw. Gruppengesprächen. Daß und ggf. wann der ärztliche Leiter dem Kläger dabei die Anwendung psychotherapeutischer Methoden aufgegeben hat, hat der Kläger nicht dargelegt. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob sich der Beklagte das Handeln des ärztlichen Direktors zurechnen lassen müßte.
        • Zur Begründung der Behauptung, daß er seit 1992 im stationären Bereich psychotherapeutisch tätig war, kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg auf die Stellungnahme von Herrn Dr. F… vom 8. Januar 1997 berufen. Darin wird nur beschreibend dargestellt, daß der Kläger auch im stationären Bereich Gruppenpsychotherapie durchführt. Darüber, daß und ggf. ab wann und auf Grund welcher Qualifikation dem Kläger die Durchführung psychotherapeutischer Behandlungen übertragen worden ist, enthält diese Stellungnahme keine konkreten Angaben. Im übrigen hat Dr. F… seine Aussagen in dem Schreiben vom 8. Januar 1997 durch die ergänzende Stellungnahme vom 3. August 1999 im wesentlichen zurückgenommen. Denn in diesem Schreiben ist im Hinblick auf die Arbeit des Klägers im stationären Bereich lediglich von “begleitender therapeutischer Arbeit” die Rede, bzw. davon, daß insbesondere auch auf der Suchtstation von allen Berufsgruppen psychotherapeutische Arbeit geleistet und psychotherapeutisches Denken praktiziert werde und daß die Durchführung des Konzeptes des sog. qualifizierten Entzugs mit soziopsychotherapeutischer Arbeit in sog. Motivationsgruppen zweifellos einen psychotherapeutischen Aspekt habe, insbesondere die psychotherapeutische Einstellung bei solchen Gesprächen oder Gruppenaktivitäten nicht ausklammerbar sei.
        • Auch sonst ist nicht nachvollziehbar, weshalb und auf welcher Grundlage dem Kläger die Anwendung der Psychotherapie im stationären Bereich übertragen worden sein sollte. Der Kläger hat ebenso wie die anderen Sozialpädagogen ohne abgeschlossene Zusatzausbildung die ihm übertragene Tätigkeit offenbar auf Grund seiner Ausbildung als Erzieher und früheren Berufstätigkeit ordnungsgemäß und erfolgreich ausgeführt. Es ist nicht erkennbar, auf Grund welcher Qualifikation der Kläger schon vor dem Abschluß der Ausbildung als “Transaktionsanalytiker im Anwendungsfeld Psychotherapie” psychotherapeutische Behandlungen im Rahmen der von ihm auszuübenden Tätigkeit durchführen sollte. Daß ihm die Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher und Heilpädagogen oder seine frühere Tätigkeit als Heimleiter dazu befähigte, will er offenbar auch selbst nicht behaupten. Soweit er darauf verweist, daß er im März 1992 mit der Ausbildung in der Transaktionsanalyse begonnen habe, ist nicht erkennbar, wie sich daraus bereits ab Dezember 1992 die Befähigung zu psychotherapeutischen Behandlungen ergeben haben soll.
        • Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf den Vertrag vom 20. April 1995 berufen, mit dem die von dem Krankenhaus durchgeführte ambulante Behandlung von Suchtpatienten von der LVA Ober- und Mittelfranken und den bayerischen Krankenkassen als psychotherapeutische Behandlungen anerkannt worden ist. Dieser Vertrag sagt über die Befähigung des Klägers zur Psychotherapie bzw. über die Übertragung der Arbeitsaufgabe “psychotherapeutische Behandlungen” nichts aus. Zwar sehen die Empfehlungsvereinbarungen vor, daß zur Durchführung der ambulanten Rehabilitation mindestens drei therapeutische Mitarbeiter mit einer geeigneten Zusatzausbildung auf psychotherapeutischer Grundlage hauptamtlich in der Einrichtung tätig sein müssen. In dem von dem Kläger selbst vorgelegten Schreiben der LVA vom 6. September 1994 wird aber darauf hingewiesen, daß diese personelle Voraussetzung nicht erfüllt sei, weil der Kläger ebenso wie seine Kollegin K… die Zusatzausbildung noch nicht abgeschlossen hätten; für eine mögliche Übergangsregelung sei aber ausreichend, daß mindestens ein hauptamtlicher Mitarbeiter mit geeigneter Zusatzausbildung vorhanden sei, so daß im Hinblick auf die Mitarbeit von Herrn Dr. F… die Vereinbarung über die Leistungsverpflichtung des Kostenträgers abgeschlossen werden könne. Hiervon ausgehend hätte eine Übertragung von psychotherapeutischen Behandlungen an den Kläger frühestens erst nach Abschluß seiner entsprechenden Ausbildung erfolgen können. Auch insoweit fehlt es jedoch am konkreten Vortrag des Klägers, wann und insbesondere wer ihm solche Aufgaben übertragen haben soll. Dies betrifft die Tätigkeit in dem für die tarifliche Bewertung maßgeblichen stationären Bereich. Daß die Anwendung der in der Ausbildung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten auch in der beruflichen Tätigkeit des Klägers im stationären Bereich naheliegend und ggf. auch für die Arbeit nützlich ist, ist für die tarifliche Bewertung seiner Tätigkeit unerheblich.
    • Weil somit schon nicht festgestellt werden kann, daß die vom Kläger nach seiner Behauptung durchgeführten psychotherapeutischen Behandlungen zu den von ihm auszuübenden Tätigkeiten gehören, kann die Erfüllung des Heraushebungsmerkmals der besonderen Schwierigkeit darauf nicht gestützt werden. Somit kommt es nicht darauf an, ob das Landesarbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen ist, daß die Tätigkeit des Klägers im stationären Bereich unter Einbeziehung der behaupteten psychotherapeutischen Arbeit ein einheitlicher Arbeitsvorgang ist, daß aber durch die Anwendung der Psychotherapie keine besondere Schwierigkeit der Tätigkeit im tariflichen Sinne begründet werde. Das gilt auch für die vom Landesarbeitsgericht verneinte Frage, ob durch die Tätigkeit des Klägers im stationären Bereich die Voraussetzungen für das Merkmal der herausgehobenen Bedeutung erfüllt sind.
  • Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
 

Unterschriften

Schliemann, Friedrich, Wolter, Fieberg, E. Wehn

 

Fundstellen

NZA 2003, 400

ZTR 2003, 184

AP, 0

NJOZ 2003, 2033

Tarif aktuell 2003, 8

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