Entscheidungsstichwort (Thema)

Gruppenführervertreter bei der Bundesbahn: Eingruppierung

 

Leitsatz (amtlich)

  • Nach den Tarifverträgen der Deutschen Bundesbahn richtet sich die Vergütung eines Arbeiters nach der ständigen Beschäftigung. Die Arbeitgeberin ist jedoch berechtigt, dem Arbeiter vorübergehend jede zumutbare Arbeit zu übertragen. Wird eine höherwertige Aufgabe übertragen, ist ein Zuschlag zu zahlen.
  • Soll dem Arbeiter nicht nur vorübergehend eine andere Tätigkeit als die seiner ständigen Beschäftigung übertragen werden, ist sie ihm als neue ständige Beschäftigung zu übertragen.
  • Ob die Arbeitgeberin dem Arbeiter eine neue ständige Beschäftigung überträgt, steht in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Auch einem ständig zu Krankheitsvertretungen des Gruppenführers herangezogenen Arbeiter braucht nicht die Gruppenführertätigkeit übertragen zu werden, wenn nicht voraussehbar ist, daß sie den vom Tarifvertrag vorausgesetzten Umfang übersteigt.
 

Normenkette

TVG § 1 Tarifverträge: Bundesbahn; Lohntarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn vom 1. November 1960 i.d.F. vom 1. Januar 1992 § 15 Abs. 2, § 2 Abs. 8 Ziff. 2, § 16 Abs. 3; Ausführungsbestimmungen Nr. 3, Lohngruppen I 1.3, II 2.2, Nr. 4, Lohngruppen I 1.3, II 2.2, Nr. 5, Lohngruppen I 1.3, II 2.2

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 06.10.1993; Aktenzeichen 3 Sa 61/93)

ArbG Stuttgart (Urteil vom 10.03.1993; Aktenzeichen 1 Ca 7104/92)

 

Tenor

  • Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 6. Oktober 1993 – 3 Sa 61/93 – wird zurückgewiesen.
  • Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung des Klägers, der wiederholt als Vertreter eines Gruppenführers eingesetzt worden ist.

Der Kläger ist seit 1971 als “qualifizierter Facharbeiter” bei der Beklagten tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Lohntarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn vom 1. November 1960 in der Fassung vom 1. Januar 1992 (im folgenden: LTV-DB) Anwendung.

Der Kläger wird in einer für die Wartung und den Einsatz von Trieb- und anderen Schienenfahrzeugen sowie für maschinelle Anlagen in einem bestimmten örtlichen Bereich zuständigen Dienststelle beschäftigt. Er ist in der sogenannten C-Gruppe eingesetzt, der insbesondere die Instandhaltung von Brennkrafttriebfahrzeugen obliegt. Diese C-Gruppe besteht ihrerseits aus insgesamt neun Arbeitsgruppen, nämlich fünf Schlossergruppen mit jeweils einem Gruppenführer und sechs Schlossern, einer Elektrikergruppe mit einem Gruppenführer und acht Facharbeitern, einer Heizungsgruppe mit einem Gruppenführer und sieben Facharbeitern sowie zwei Arbeitsgruppen zur Fahrzeugpflege. Der Kläger gehört einer der Schlossergruppen an. Diese Gruppeneinteilung ist nicht starr und wird je nach Art und Umfang der anfallenden Arbeiten sowie bei Personalausfällen von dem sogenannten Steuerungsmeister geändert. Ist ein Gruppenführer verhindert, z.B. aufgrund Urlaubs oder Krankheit, so bestellt der Steuerungsmeister für die Zeit der Verhinderung einen Facharbeiter zu dessen Vertretung. Zu dem Kreis der immer wieder zur Vertretung von Gruppenführen herangezogenen Facharbeitern gehören insgesamt sechs Arbeitnehmer, unter ihnen auch der Kläger.

Im Jahre 1988 machte der Kläger eine Krankheitsvertretung, die nahezu ein Jahr gedauert hat. In den Jahren 1989 und 1990 überwog nicht die Arbeit in der Tätigkeit eines Gruppenführers. 1991 fiel in größerem Umfang Vertretungstätigkeit an. Sie lag lediglich im 4. Quartal des Jahres 1991 unter 50 % der reinen Arbeitszeit (also abzüglich Urlaub usw.). 1992 blieb die Vertretungstätigkeit unter 50 %. Ab Februar 1993 bis einschließlich April 1993 lag die Vertretungstätigkeit des Klägers weit über 50 %.

Dabei wurde der Kläger nicht nur zur Vertretung des Führers seiner eigenen Gruppe herangezogen, sondern auch zu der von Führern anderer Gruppen. In dem Zeitraum von November 1990 bis Mai 1991 hatte er im wesentlichen den Gruppenführer W… zu vertreten, der aus gesundheitlichen Gründen vorübergehend eine andere Tätigkeit ausüben mußte.

Der Kläger wird von der Beklagten nach der Lohngruppe II 2.2 der Anlage 1 Abschn. B LTV-DB vergütet. Für die Stunden, in denen er als Gruppenführer tätig ist, erhält er eine Funktionszulage – Zulage F – in Höhe des sich für eine Arbeitsstunde ergebenden Unterschiedsbetrages zwischen der Lohngr. II 2.2 und der Lohngr. I 1.3. Der Kläger hat sich auch als Gruppenführer bewährt.

Mit Schreiben vom 10. Januar 1992 verlangte der Kläger von der Beklagten erfolglos die Eingruppierung in die Lohngr. I 1.3.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe Anspruch auf Vergütung nach der Lohngr. I 1.3 LTV-DB, da er jedenfalls zur Hälfte seiner Arbeitszeit als Gruppenführer tätig gewesen sei und auch in Zukunft tätig sein werde. Aus den langjährigen Erfahrungen in der Vergangenheit ergebe sich, daß er auch zukünftig Gruppenführer bei Urlaub, Krankheit und aus sonstigen Gründen zu vertreten haben werde. Der tatsächliche Geschehensablauf bestätige diese Auffassung.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihn ab 1. November 1991 nach der Tarifstelle B I 1.3 zu vergüten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, als ständige Beschäftigung des Klägers im Sinne des LTV-DB sei nicht die Tätigkeit als Gruppenführer, sondern die als qualifizierter Facharbeiter anzusehen. Für die Eingruppierung maßgeblich seien nur die in einem bestimmten Umfang vorhersehbaren Tätigkeiten, nicht jedoch die in den vorangegangenen zwölf Monaten tatsächlich verrichteten Arbeiten. Es sei jedoch niemals im voraus erkennbar gewesen, daß der Kläger Aufgaben eines Gruppenführers für die Dauer der folgenden zwölf Monate werde ausüben müssen. In welchem Umfang die Krankheitsvertretung für Gruppenführer jedoch erforderlich werde, sei nicht kalkulierbar. In keinem Fall der Erkrankung eines Gruppenführers sei zu erwarten gewesen, daß sich diese voraussichtlich über zwölf Monate hinziehe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung aus der Lohngr. I 1. 3 der Anlage 1 Abschn. B LTV-DB.

I. Die Klage ist zulässig (vgl. BAG Urteil vom 20. Oktober 1993 – 4 AZR 47/93 – AP Nr. 173 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m.w.N.), jedoch nicht begründet.

1. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft Verbandszugehörigkeit der Parteien der LTV-DB mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG).

2. Für die Eingruppierung des Kläger sind daher die folgenden tarifvertraglichen Vorschriften des LTV-DB maßgeblich:

“§ 2

Arbeitsvertrag, Gelöbnis, ständige Beschäftigung, Arbeitsordnung

    • Dem ständigen Arbeiter ist bei Abschluß des Arbeitsvertrages eine ständige Beschäftigung zu übertragen. (AB 2)
    • Die ständige Beschäftigung bestimmt sich aus der dem Arbeiter nicht nur vorübergehend zugewiesenen Arbeit, die aus einer oder mehreren der in Anlage 1 Abschnitte B und C aufgeführten Tätigkeiten bestehen kann. Besteht die Arbeit aus zwei Tätigkeiten, ist die überwiegende Tätigkeit die ständige Beschäftigung.
    • Die ständige Beschäftigung bleibt erhalten

      • während einer Arbeitsbefreiung, wenn die Zeit als Eisenbahndienstzeit gilt,
      • für die Dauer einer Beschäftigung in einem Aushilfsangestelltenverhältnis gemäß § 3 Abs. 3 AnTV,
      • während einer Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung nach § 17 Abs. 6 LTV,
      • während der für eine Beamtenlaufbahn zu leistenden berufsbezogenen praktischen Tätigkeit.

    (AB 3 bis 6)

Ausführungsbestimmungen

    • Nicht nur vorübergehend sind Tätigkeiten, die voraussichtlich mindestens 12 Monate zu verrichten sind.
    • Urlaub und sonstige kurzfristige Unterbrechungen sind für die Bestimmung der ständigen Beschäftigung unerheblich.
  • Die Frage, welche Tätigkeit überwiegt, beurteilt sich nach dem Zeitraum, in dem die unterschiedlichen Tätigkeiten laufend – regelmäßig oder unregelmäßig – anfallen; längstens ist der Zeitraum eines Jahres maßgebend.
  • Besteht die Arbeit aus zwei Tätigkeiten gleichen Umfangs, ist die höher bewertete Tätigkeit die ständige Beschäftigung. Besteht die Arbeit aus mehr als zwei Tätigkeiten, werden zur Bestimmung der ständigen Beschäftigung nur die beiden Tätigkeiten berücksichtigt, die zusammen den größten Teil der Beschäftigung ausmachen.

§ 15

Lohnanspruch

    • Der Monatslohn des Arbeiters richtet sich nach der Lohngruppe seiner ständigen Beschäftigung (§ 2 Abs. 8).

      • Für die Zeit, in der der Arbeiter in einer Tätigkeit beschäftigt wird, die lohngruppenmäßig höher bewertet ist als seine ständige Beschäftigung, erhält er eine Funktionszulage – Zulage F –. Diese Zulage wird nur gewährt,

        wenn der Arbeiter am Arbeitstag mindestens eine Stunde höher bewertete Tätigkeiten wahrgenommen hat.

§ 16

Wechsel der Beschäftigung oder der Dienststelle

  • Der Arbeiter hat, soweit es der Dienst erfordert, jede ihm übertragene Arbeit – auch an einem anderen Dienstort und bei einer anderen Dienststelle – zu leisten, die ihm nach seiner Befähigung, Ausbildung und körperlichen Eignung zugemutet werden kann, ohne daß der Arbeitsvertrag förmlich geändert wird. Dabei kann ihm sowohl eine höher als auch eine niedriger gelöhnte Beschäftigung übertragen werden.
    • Soll der Arbeiter nicht nur vorübergehend eine andere Tätigkeit als die seiner ständigen Beschäftigung überwiegend verrichten, ist sie ihm – ausgenommen in Fällen der Nr. 2 und 3 – zum Ersten eines Kalendermonats als neue ständige Beschäftigung zu übertragen. (AB 4)
    • Ausführungsbestimmungen

    • Die Bestimmungen in § 2 Abs. 8 gelten entsprechend.

Lohngruppeneinteilung

  • Vorbemerkungen

      • Gruppenführer sind, soweit im Abschnitt B nicht Ausnahmen zugelassen sind qualifizierte Facharbeiter, die auf Anordnung des Leiters der Dienststelle eine Gruppe von qualifizierten Facharbeitern führen.
      • Arbeiter, die nicht nur vorübergehend als Gruppenführer oder Vorarbeiter beschäftigt werden, sind durch den Leiter der Dienststelle schriftlich zu Gruppenführern oder Vorarbeitern zu bestellen.

  • Arbeitertätigkeiten

    Lohngruppe I

    • Gruppenführer der Tarifstelle B II 5 nach Bewährung und vierjähriger Eisenbahndienstzeit.

    Lohngruppe II

    • Qualifizierte Facharbeiter (auch geprüfte Bundesbahnfacharbeiter) als Gruppenführer, Schweißer der Tarifstelle B IV 16.1 als Gruppenführer.

      …”

3.a) Nach § 15 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 LTV-DB richtet sich der Monatslohn nach der ständigen Beschäftigung des Arbeiters. Dem Kläger ist bei der Einstellung die ständige Beschäftigung eines “qualifizierten Facharbeiters” mit besonders hochwertiger Tätigkeit übertragen worden. Nach § 16 Abs. 1 LTV-DB hat der Arbeiter, soweit es der Dienst erfordert, jede ihm übertragene Arbeit – auch an einem anderen Dienstort und bei einer anderen Dienststelle – zu leisten, die ihm nach seiner Befähigung, Ausbildung und körperlichen Eignung zugemutet werden kann, auch ohne förmliche Änderung des Arbeitsvertrages. Dabei kann ihm sowohl eine höher als auch eine niedriger vergütete Beschäftigung übertragen werden.

b) Hiervon ausgehend erhält der Arbeiter nach § 15 Abs. 2 Nr. 5a LTV-DB eine Funktionszulage für die Zeit, in der er in einer Weise beschäftigt wird, die lohngruppenmäßig höher bewertet ist als seine ständige Beschäftigung. Diese Zulage wird nur dann gewährt, wenn der Arbeiter am Arbeitstag mindestens eine Stunde höher bewertete Tätigkeit ausgeübt hat. Diese Zulage erhält der Kläger streitlos.

4.a) Nach § 16 Abs. 3 Ziff. 1 LTV-DB ist dem Arbeiter, von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen, als neue ständige Beschäftigung eine andere Tätigkeit zu übertragen, wenn er diese neue Tätigkeit nicht nur vorübergehend überwiegend verrichten soll. Dabei ist unter ständiger Beschäftigung im Sinne des LTV-DB diejenige Tätigkeit zu verstehen, die einem Arbeiter nicht nur vorübergehend in einem Umfang von mindestens 50 % seiner Arbeitszeit zugewiesen ist. Nicht nur vorübergehend ist die Tätigkeit, die von dem Arbeiter voraussichtlich für mindestens zwölf Monate zu verrichten ist (§ 2 Abs. 8 Nr. 2 i.V.m. Ausführungsbestimmungen Ziff. 3a zu § 2 LTV-DB). Hat der Arbeiter – wie auch der Kläger – zwei verschiedene Tätigkeiten auszuüben, so muß die höherwertige der beiden zugewiesenen Tätigkeiten in diesem Zeitraum in einem durchschnittlichen Umfang von mindestens 50 % der Arbeitszeit zu verrichten sein. Die ständige Beschäftigung bestimmt sich nach der überwiegenden, bei gleich umfangreichen Tätigkeiten nach der höherwertigen (§ 2 Abs. 8 Ziff. 2 Satz 2 LTV-DB und Ausführungsbestimmungen Ziff. 5 zu § 2 LTV-DB). Für die Ermittlung des Umfangs der Tätigkeiten ist längstens der Zeitraum eines Jahres maßgebend (Ausführungsbestimmungen Nr. 4 zu § 2 LTV-DB).

Ob eine höherwertige Tätigkeit nur vorübergehend oder auf Dauer übertragen worden ist, richtet sich allein nach dem bei der Übertragung der Tätigkeit ausdrücklich oder stillschweigend zum Ausdruck gebrachten Willen des Arbeitgebers (vgl. BAG Urteile vom 10. Februar 1988 – 4 AZR 585/87 – AP Nr. 15 zu § 24 BAT und vom 19. Juli 1978 – 4 AZR 31/77 – BAGE 31, 26 = AP Nr. 8 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Maßgeblich ist mithin nicht, in welchem Umfang der Arbeitnehmer eine bestimmte Tätigkeit in der Vergangenheit ausgeübt hat, sondern ob der Arbeitgeber zu irgendeinem Zeitpunkt seinen Willen zu erkennen gegeben hat, der Arbeitnehmer soll in Zukunft eine bestimmte Tätigkeit auf Dauer ausüben. Dabei ist es unerheblich, ob die höherwertige Tätigkeit regelmäßig oder unregelmäßig anfällt (Ausführungsbestimmungen Ziff. 4 zu § 2 LTV-DB). Auch ist nicht erforderlich, daß die zeitliche Lage und der Umfang dieser Tätigkeit bereits im einzelnen feststehen. Hat der Arbeitgeber zu erkennen gegeben, daß der Arbeitnehmer in Zukunft in einem bestimmten Umfang eine bestimmte Tätigkeit ausüben soll, so genügt es, daß die konkreten Termine für diese Tätigkeit bestimmt werden. Wird ein Arbeitnehmer zu Vertretungen herangezogen, so ist ausreichend, daß er nach dem Willen des Arbeitgebers auch bei weiteren Vertretungsfällen eingesetzt werden soll. Es kommt nicht darauf an, ob bereits im einzelnen vorhersehbar ist, wann solche Vertretungsfälle eintreten. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Arbeitgeber zu irgendeinem Zeitpunkt zum Ausdruck gebracht hat, der Arbeitnehmer solle nicht nur in dem einzelnen, konkreten Vertretungsfall tätig werden, sondern darüber hinaus auch in weiteren zu erwartenden Vertretungsfällen (Senatsurteil vom 5. September 1973 – 4 AZR 549/72 – AP Nr. 3 zu § 24 BAT; vom 16. Januar 1991 – 4 AZR 301/90 – BAGE 67, 59 = AP Nr. 3 zu § 24 MTA).

b) Welcher Wille des Arbeitgebers der Übertragung einer Tätigkeit zugrunde liegt, kann sich nicht nur aus ausdrücklichen mündlichen oder schriftlichen Erklärungen hierzu ergeben, sondern auch aus den Umständen bei deren Übertragung. Wird ein Arbeitnehmer vertretungsweise eingesetzt, so ergeben sich Rückschlüsse auf den Willen des Arbeitgebers insbesondere daraus, in welchem Umfang Vertretungszeiten anfallen, inwieweit diese Ausfallzeiten im voraus kalkulierbar sind, nach welchem System der Arbeitgeber die Arbeitnehmer aus dem Kreis der für die Vertretung in Frage kommenden Mitarbeiter heranzieht, ob sich ein Arbeitnehmer bereits bewährt hat oder noch erprobt werden soll, usw.

5. Das Landesarbeitsgericht hat hierzu angenommen, dem Kläger sei eine Tätigkeit als Gruppenführer nicht auf Dauer zugewiesen worden. Die Vertretung eines Gruppenführers sei dem Kläger nämlich jeweils nur für einen bestimmten Einzelfall übertragen worden, wobei es sich lediglich um zeitlich oder gegenständlich befristete Vertretungen gehandelt habe. Der Kläger habe nicht dargetan, daß in einem der Vertretungsfälle eine Vertretungsdauer von mindestens zwölf Monaten zu prognostizieren gewesen sei.

Dies hält einer revisionsgerichtlichen Überprüfung stand.

a) Nach dem mit Revisionsrügen nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gehörte der Kläger zu einem Kreis qualifizierter Arbeitnehmer, die ständig zu Vertretungen herangezogen wurden. So wurde der Kläger 1988 zu einer nahezu ein Jahr andauernden Krankheitsvertretung eingeteilt. Diese lange Dauer war aber im vorherein weder vom Kläger noch von der Beklagten voraussehbar, so daß eine Übertragung der Gruppenführertätigkeit als ständige Beschäftigung insoweit nicht angenommen werden kann.

In den Jahren 1989, 1990 und 1992 überwiegt die Tätigkeit als qualifizierter Facharbeiter. Im Jahre 1991 und in den ersten Monaten von 1993 überwiegt dagegen die Vertretungstätigkeit. Nach dem es sich aber auch insoweit im wesentlichen um Krankheitsvertretungen gehandelt hat, die weder als solche noch in ihrer Dauer von Willen der Beklagten abhängig waren, kann auch daraus nicht auf deren Willen geschlossen werden, dem Kläger zugleich mit der Zuweisung der Vertretungen die Tätigkeit eines Gruppenführers als ständige Beschäftigung zu übertragen.

b) Sonstige Umstände, die auf den Willen der Beklagten, dem Kläger die Gruppenführertätigkeit als ständige Beschäftigung zu übertragen schließen ließen, hat der Kläger weder vorgetragen noch sind sie sonst ersichtlich.

c) Es sind auch keine Umstände erkennbar, die eine mißbräuchliche Benutzung der Möglichkeit einer jeweils nur vorübergehenden Übertragung der Gruppenführertätigkeit an den Kläger durch die Beklagte nahelegen. Die Beklagte hatte vielmehr in jedem Fall in der Erkrankung des jeweiligen Vertretenen einen sachlichen Grund für eine nur vorübergehende Übertragung von dessen Tätigkeit auf den Kläger (vgl. zum BAT BAGE 67, 59, 67 f. = AP Nr. 3 zu § 24 MTA).

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Friedrich, Schneider, Dr. Reinfeld, Bruse

 

Fundstellen

Haufe-Index 857038

NZA 1995, 1010

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