Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung bei Arbeitszeitverkürzung

 

Orientierungssatz

1. Wird eine übertarifliche Zulage jederzeit widerruflich und auf Tariflohnerhöhungen anrechenbar vereinbart, kann sie auch auf die Tariflohnerhöhung in der Metallindustrie angerechnet werden, die ab 1. April 1985 in Höhe von 3,9% zum Ausgleich der Arbeitszeitverkürzung gewährt wird. Diese automatische Anrechnung verstößt weder gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz noch unterliegt sie dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates (vergleiche BAG Urteil vom 3.6.1987, 4 AZR 44/87 = NZA 1987, 848).

2. Auslegung des § 2 des Lohnabkommens über die Eisen und Metall erzeugende und verarbeitende Industrie im Lande Rheinland-Pfalz vom 7.7.1984.

 

Normenkette

TVG § 1; BGB § 242; TVG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 10.03.1987; Aktenzeichen 3 Sa 470/86)

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 04.03.1986; Aktenzeichen 5 Ca 1449/85N)

 

Tatbestand

Der der IG Metall angehörende Kläger war vom 17. August 1964 bis 15. Juni 1985 als Zahnradschleifer bei der Beklagten beschäftigt, die der Vereinigung der Eisen- und Metallindustrie Rheinland-Rheinhessen e.V. als Mitglied angehört. Durch das Lohnabkommen für die Eisen und Metall erzeugende und verarbeitende Industrie im Lande Rheinland-Pfalz vom 7. Juli 1984 erhöhten sich die Tariflöhne mit Wirkung vom 1. Juli 1984 und mit Wirkung vom 1. April 1985, nachdem durch den entsprechenden Manteltarifvertrag mit Wirkung ab 1. April 1985 die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit auf 38,5 Stunden herabgesetzt war.

Ab 1. Juli 1984 erhielt der Kläger nach der Zeitlohngruppe 09 einen Bruttostundenlohn von 14,39 DM, der sich zusammensetzte aus dem tariflichen Zeitlohn von 11,99 DM, einer tariflichen Leistungszulage von 1,94 DM und einer als freiwillig und übertariflich bezeichneten Zulage von 0,46 DM. In der Lohnmitteilung vom 19. Juli 1984 an den Kläger wies die Beklagte darauf hin, daß es sich bei den übertariflichen Verdienstbestandteilen um eine freiwillige, jederzeit nach freiem Ermessen widerrufliche Leistung handele, auf die auch bei wiederholter Gewährung kein Rechtsanspruch bestehe und daß diese Leistung ganz oder teilweise auf tarifliche Veränderungen und tarifliche Umgruppierungen angerechnet werden könne. In der weiteren Lohnmitteilung vom 10. April 1985 für die Zeit ab 1. April 1985 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß anläßlich der Lohnveränderung vom 1. April 1985 die übertariflichen Lohnbestandteile mit der Tariflohnveränderung verrechnet werden. Danach erhielt der Kläger einen neuen Bruttostundenlohn in Höhe von 14,78 DM, bestehend aus einem tariflichen Zeitlohn von 12,72 DM und einer tariflichen Leistungszulage von 2,06 DM.

Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen die Anrechnung der übertariflichen Zulage, soweit sie 0,23 DM pro Arbeitsstunde übersteigt und begehrt für die in der Zeit vom 1. April bis 15. Juni 1985 geleisteten Arbeitsstunden die andere Hälfte der übertariflichen Zulage in rechnerisch unstreitiger Höhe von 95,45 DM. Dabei will der Kläger die Anrechnung der übertariflichen Zulage auf die Tariflohnerhöhung in Höhe von 2 % gegen sich gelten lassen, was bei einem Ecklohn von 11,99 DM den Betrag von 0,23 DM ergebe, und wendet sich nur gegen die darüber hinausgehende Verrechnung mit dem zum Ausgleich der Arbeitszeitverkürzung gewährten tariflichen Lohnausgleich in Höhe von 3,9 %. Dazu hat der Kläger vorgetragen, eine Verrechnung sei wegen der fehlenden Zweckidentität unzulässig, da der tarifliche Lohnausgleich in dieser Höhe dazu bestimmt sei, die wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitszeitverkürzung auszugleichen. Aus dem Lohnabkommen folge, daß die Tarifpartner eine Regelung beabsichtigt und getroffen hätten, wonach aus der Arbeitszeitverkürzung keinem Arbeitnehmer ein finanzieller Nachteil entstehen dürfe. Dies sei zulässig und schütze auch übertarifliche Lohnbestandteile vor der Anrechnung. Darüber hinaus sei ein wirksamer Widerruf der freiwilligen übertariflichen Zulage nicht erfolgt, da die Lohnmitteilung vom 10. April 1985 lediglich einen vorangegangenen Widerruf erwähne, den der Kläger nicht erhalten habe. Ein gegenüber allen Arbeitnehmern der Beklagten ausgesprochener Widerruf hätte aber nicht ohne Mitwirkung des Betriebsrats durchgeführt werden dürfen. Da die Gehälter der Angestellten nur um 2 % erhöht worden seien und eine Verrechnung nur bis zu dieser Höhe möglich sei, verstoße die weitergehende Verrechnung der übertariflichen Zulagen der Arbeitgeber gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Zudem könne sich die Beklagte auf den Freiwilligkeitsvorbehalt nach mehrjähriger ununterbrochener Zahlung nicht mehr berufen und es fehle ein den Widerruf rechtfertigender sachlicher Grund, da sich die wirtschaftliche Lage der Beklagten nicht von der der Jahre 1983/84 unterscheide und auch 1985 das angestrebte Geschäftsergebnis erreicht worden sei.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 95,45 DM

brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 8. Oktober 1985

zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und vorgetragen, der Widerruf der freiwilligen übertariflichen Zulage sei mit Zugang der Lohnmitteilung vom 10. April 1985 wirksam geworden. Die Tariflohnerhöhung zum Ausgleich der Arbeitszeitverkürzung, die im Lohnabkommen nicht einmal gesondert ausgewiesen sei, enthalte kein Anrechnungsverbot. Damit sei nur das Motiv der Tarifvertragsparteien und keine gesonderte Zweckbestimmung zum Ausdruck gekommen. Der Anrechnungsvorbehalt gehöre zu den mitbestimmungsfreien Vorgaben des Arbeitgebers und die Anrechnung folge nicht aus einem Gestaltungsrecht, sondern sei Folge der Tarifautomatik. Durch die tarifliche Regelung und ihre individualrechtlichen Auswirkungen sei eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht erkennbar, da die unterschiedlichen Auswirkungen auf die Effektivverdienste nur aus den unterschiedlichen Entgeltsystemen für Arbeiter und Angestellte folgten. Darüber hinaus sei der Widerruf auch sachlich gerechtfertigt, was sich aus den rückläufigen Umsatz- und Produktionszahlen im einzelnen ergebe, da 1985 eine Reihe von Serienaufträgen der öffentlichen Hand ausgelaufen sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel unter Beschränkung des Zinsanspruches auf den Nettobetrag weiter. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision war zurückzuweisen. Zutreffend gehen die Vorinstanzen davon aus, daß dem Kläger ein Anspruch auf Fortzahlung der übertariflichen Zulage über den 1. April 1985 hinaus nicht zusteht.

Zugrunde zu legen sind die Bestimmungen des Lohnabkommens über die Eisen und Metall erzeugende und verarbeitende Industrie im Lande Rheinland-Pfalz vom 7. Juli 1984, die nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit unabdingbar und unverzichtbar nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung finden. Diese Bestimmungen lauten:

§ 2 LA

Tariflöhne

1. Für Zeit-, Akkord- und Prämienlohnarbeiter wird der

Grundlohn (Ecklohn)

mit Wirkung vom 1. Juli 1984 auf 10,90 DM

mit Wirkung vom 1. April 1985 auf 11,56 DM

festgesetzt.

2. Die übrigen Löhne werden nach folgendem Lohngruppen- bzw.

Arbeitswertgruppenschlüssel errechnet und sind

in den beigefügten Tabellen festgelegt, die Bestandteil

dieses Lohnabkommens sind:

.......

Lohngruppe/Arbeitswertgruppe 09 110,0 / 116,6 %

5. Bisher einzelvertraglich vereinbarte Zulagen auf die

Tariflöhne werden im übrigen von diesem Abkommen

nicht berührt."

Nach der in Bezug genommenen Lohntabelle beträgt der tarifliche Zeitlohn des Klägers in der Lohngruppe 09 ab 1. Juli 1984 11,99 DM und ab 1. April 1985 12,72 DM. Hinzu kommt die tarifliche Leistungszulage, so daß sich der Bruttostundenlohn des Klägers ab 1. April 1985 auf 14,78 DM erhöht hat. Einzelvertraglich vereinbarte übertarifliche Zulagen berührt das Lohnabkommen ausdrücklich nicht, was der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entspricht, soweit nicht durch eine übertarifliche Zulage besondere Leistungen oder Erschwernisse abgegolten oder besondere Umstände neben dem Tariflohn Berücksichtigung finden sollten. Eine tariffeste Vereinbarung der geltend gemachten übertariflichen Zulage hat der Kläger selbst nicht behauptet. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde dem Kläger die Zulage als freiwillige, jederzeit nach freiem Ermessen widerrufliche Leistung gewährt, die jederzeit ganz oder teilweise auf tarifliche Veränderungen angerechnet werden kann. Eine solche Veränderung liegt auch hinsichtlich der Erhöhung des Ecklohns mit Wirkung ab 1. April 1985 von 10,90 DM auf 11,56 DM (= 6,1 %) vor. Die vom Kläger geltend gemachte Differenzierung hinsichtlich einer Tariflohnerhöhung um 2 v. H. und der zum Ausgleich der Arbeitszeitverkürzung gewährten tariflichen Lohnanhebung um 3,9 v. H. ergibt sich aus dem Lohnabkommen nicht.

Selbst wenn der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Eisen und Metall erzeugenden und verarbeitenden Industrie im Lande Rheinland-Pfalz eine solche Differenzierung vorsähe, könnte dies zu keiner unterschiedlichen rechtlichen Bewertung führen. Ob der Widerruf der Beklagten mit § 315 BGB vereinbar ist, ist demgegenüber unerheblich, da schon kein Fall einseitiger Leistungsbestimmung vorliegt. Der Arbeitgeber, der eine außertarifliche Zulage mit der Maßgabe zusagt, daß sie ganz oder teilweise auf tarifliche Veränderungen angerechnet werden könne, hält sich nur im Rahmen des Vereinbarten und bestimmt nicht einseitig die vertragliche Leistung, wenn die Anrechnung bei einer Tariflohnerhöhung tatsächlich erfolgt. Dazu bedarf es auch keines arbeitgeberseitigen Gestaltungsaktes, sondern die Erhöhung des Tariflohnes führt automatisch zu einer entsprechenden Verringerung der übertariflichen Lohnbestandteile.

Mit den Vorinstanzen und entgegen der Auffassung des Klägers folgt aus dem Lohnabkommen über die Tariflohnerhöhung, daß ab 1. April 1985 nicht nur die Lohnerhöhung von 2 %, sondern auch die weitere Erhöhung des Ecklohnes um 3,9 % zum Ausgleich für die Arbeitszeitverkürzung auf die übertarifliche Zulage des Klägers anrechenbar ist. Denn auch bei dieser Erhöhung des Ecklohnes um 3,9 % handelt es sich um eine Tariflohnerhöhung, die als solche automatisch zu einer entsprechenden Verringerung der übertariflichen Lohnbestandteile führt und den zwischen den Parteien vereinbarten Lohn solange nicht berührt, bis dieser vom Tariflohn überschritten wird. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, daß übertarifliche Löhne durch Tariflohnerhöhungen nicht berührt werden, wenn nicht durch eine übertarifliche Zulage besondere Leistungen bzw. Erschwernisse abgegolten oder besondere Umstände neben dem Tariflohn Berücksichtigung finden sollten (vgl. BAG Urteile vom 1. November 1956 - 2 AZR 194/ 54 -, vom 6. März 1958 - 2 AZR 457/55 -, vom 13. November 1963 - 4 AZR 25/63 -, vom 28. Oktober 1964 - 4 AZR 266/63 - und vom 11. August 1965 - 4 AZR 187/64 - AP Nr. 5 bis 9 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung). Diese Rechtsprechung wurde vom Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts wiederholt (vgl. Urteile vom 19. Juli 1978 - 5 AZR 180/77 -, vom 22. August 1979 - 5 AZR 769/77 - AP Nr. 10, 11 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung). Eine Zusammenfassung dieser Rechtsprechung findet sich noch einmal in den Urteilen vom 8. Dezember 1982 (- 4 AZR 481/80 - AP Nr. 15 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung) sowie in BAGE 38, 118, 123 = AP Nr. 47 zu 242 BGB Gleichbehandlung, vom 12. November 1986 - 4 AZR 736/ 85 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen und vom 29. April 1987 - 4 AZR 560/86 - zur Veröffentlichung bestimmt. Um eine solche auf den übertariflichen Lohn anrechenbare Tariflohnerhöhung handelt es sich auch im vorliegenden Fall der Erhöhung des tariflichen Ecklohnes um 3,9 % zum Ausgleich der Arbeitszeitverkürzung ebenso wie bei der entsprechenden Regelung im Lande Nordrhein-Westfalen vom 3. Juli 1984 (vgl. BAG Urteil vom 3. Juni 1987 - 4 AZR 44/87 - zur Veröffentlichung bestimmt).

§ 2 LA regelt ausschließlich die Erhöhung der Tariflöhne. Gemäß dieser Erhöhung der Tariflöhne wurden ein neuer Ecklohn festgelegt und der gesamte tarifliche neue Ecklohn und die Tariflöhne in der Lohntabelle einheitlich normiert. Auch die Überschrift des Abkommens spricht nur von der Erhöhung der Tariflöhne. Damit handelt es sich um eine rechnerisch bestimmbare Erhöhung des Arbeitsentgelts, wobei die Arbeitszeitverkürzung zu Lohneinbußen führen würde, wenn nicht gleichzeitig der Lohn entsprechend erhöht wird. Der Grund für die Erhöhung ist dafür unerheblich, daß es sich trotzdem um eine Tariflohnerhöhung handelt.

Für diese Auslegung spricht auch, daß Arbeitern, die trotz Arbeitszeitverkürzung weiterhin 40 Wochenstunden arbeiten, ohne Einschränkung sowohl die Lohnerhöhung um 2 % als auch die durch die Arbeitszeitverkürzung veranlaßte Lohnerhöhung um 3,9 % zugutekommt, obwohl ihre Arbeitszeit nicht verkürzt wird. Damit handelt es sich um eine für alle Arbeitnehmer geltende normale Tariflohnerhöhung, die allgemein gilt und in einer Höhe von 3,9 % nur den Wert angibt, bei dem ein voller Lohnausgleich bei der durchschnittlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden pro Woche erreicht wird. Sofern eine geringere Arbeitszeit im Einzelfall geleistet werden soll, besteht eine besondere Regelung für eine Ausgleichszulage, die nur vorübergehend und für bestimmte bereits beschäftigte Arbeitnehmer einen Ausgleich vorsieht, der sich bei weiteren tariflichen Lohnerhöhungen vermindert und bei späteren Arbeitszeitverkürzungen bis auf 0 absinkt. Auch das zeigt, daß durch die Tariflohnerhöhung um 3,9 % nicht die gesamte bisherige tarifliche Lohnhöhe erhalten bleibt, sondern nur stundenlohnbezogen eine durchschnittliche Lohnerhöhung vorgenommen wurde, um die Arbeitszeitverkürzung für den Normalfall im Durchschnitt auszugleichen. Auch insoweit entspricht die Tariflohnerhöhung den bisherigen Regelungen, bei denen infolge der Arbeitszeitverkürzungen beim Übergang von der früheren 48-Stundenwoche auf die 40-Stundenwoche ebenfalls stets ein Ausgleich durch Berücksichtigung entsprechender Lohnerhöhungen erfolgte. Es liegt also eine tarifliche Lohnerhöhung vor, die als Erhöhung des Ecklohnes als Stundenlohnerhöhung ausgewiesen ist (vgl. ebenso BAG Urteile vom 29. April 1987 - 4 AZR 560/86 - und vom 3. Juni 1986 - 4 AZR 44/87 -, beide zur Veröffentlichung bestimmt).

Liegt aber damit eine allgemeine Tariflohnerhöhung auch bei der Erhöhung um 3,9 % ab 1. April 1985 vor, gilt auch für diese Tariflohnerhöhung, daß sie auf den übertariflichen Lohn anzurechnen ist. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde die übertarifliche Zulage jederzeit widerruflich und auf Tariflohnerhöhungen anrechenbar gewährt. Dem Kläger war damit im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung ein Effektivlohn gezahlt worden, der insgesamt über dem Tariflohn lag. Der Kläger selbst hat nicht behauptet, daß ihm eine wöchentliche oder monatliche Gesamtlohnhöhe zugesagt oder zugesichert worden sei. Die Verkürzung des Gesamtlohnes folgt damit aus dem Übergang von der 40-Stunden- auf die 38,5-Stundenwoche aufgrund der Vereinbarung eines Stundenlohnes. Der Ausgleich für diese Verkürzung drückt sich nur im Tariflohn aus und bezieht sich nicht auf den übertariflichen Lohnteil. Hier muß der Kläger aufgrund der Berechnung des Lohnes nach Arbeitsstunden, wie sie im Arbeitsvertrag vereinbart ist, durch die Anrechnung eine entsprechende Kürzung des Gesamtlohnes - wie auch bei früheren Arbeitszeitverkürzungen - hinnehmen. Abgesehen davon, daß die Tarifvertragsparteien einen Gesamtlohn für den übertariflichen Lohnteil ohnehin nicht festlegen könnten, weil es sich um eine Effektivklausel handeln würde (vgl. BAG Urteil vom 16. September 1987 - 4 AZR 265/87 -, zur Veröffentlichung bestimmt), haben sie auch im vorliegenden Fall nur die Tariflöhne entsprechend der neuen Arbeitszeit und der Tariflohnerhöhung festgelegt.

Diese Folge der Vereinbarung des Lohnes nach der Stundenlohnberechnung führt allerdings, wie der Kläger richtig hervorhebt, dazu, daß bei Angestellten wegen der Vereinbarung einer Monatsvergütung der übertarifliche Gehaltsteil trotz Arbeitszeitverkürzung auf 38,5 Stunden wöchentlich erhalten bleibt, der bei Stundenlohnarbeitern mit entsprechender Tariflohnerhöhung angerechnet wird. Der Kläger erhält einen Stundenlohn in Höhe von 14,78 DM für jede gearbeitete Stunde. Da er ab 1. April 1985 grundsätzlich nur noch 38,5 Stunden arbeitet, verdient er von diesem Zeitpunkt an für 1 1/2 Stunden weniger Lohn. Bei Angestellten bleibt dagegen der Lohn gleich, da für diese eine Lohnerhöhung um die weiteren 3,9 % nicht vorgesehen ist und sich deshalb eine Anrechnung bei übertariflichem Gehalt nicht ausrechnen läßt. Bei Angestellten wird vielmehr eine Gehaltserhöhung dadurch erreicht, daß das Monatsgehalt gleich bleibt, dafür aber in der Woche nur noch 1 1/2 Stunden weniger gearbeitet zu werden braucht. Eine genaue Berechnung ergibt, daß durch diese Beibehaltung des bisherigen tariflichen Monatsgehalts die Differenz bei einer Verkürzung der Arbeitszeit um 1 1/2 Stunden wöchentlich 3,9 % ausmacht. Z. B. beträgt bei einem Monatsgehalt von 3.000,-- DM für 173 Stunden das Gehalt je Stunde 17,341 DM. Nach der Arbeitszeitverkürzung um 1 1/2 Stunden hat ein Angestellter monatlich nur noch 166,5 Stunden zu arbeiten (173 zu 40 wie x zu 38,5 = 173 x 38,5 : 40 = x = 166,5). Für dasselbe Monatsgehalt für 166,5 Stunden aber erhält der Angestellte nunmehr pro Stunde 18,010 DM, also 0,677 DM gegenüber dem bisherigen Gehalt je Stunde mehr 0,677 sind von 17,341 genau 3,90 %. Damit werden für Angestellte die Monatsgehälter trotz Arbeitszeitverkürzung beibehalten, die Gehaltserhöhung ergibt sich indirekt aus der Verkürzung der Arbeitszeit. Zwar läßt sich aufgrund der Verkürzung der Arbeitszeit eine entsprechende Gehaltserhöhung auf das Gehalt je Stunde umgerechnet ausrechnen. Trotzdem tritt aber bei Arbeitszeitverkürzung eine Veränderung des Monatsgehalts nicht ein, sondern müßte der übertarifliche Gehaltsteil neu errechnet und gegebenenfalls entsprechend der übertarifliche Teil gekürzt werden. Das wurde von der Beklagten nicht vorgenommen, so daß für Angestellte ein übertarifliches Gehalt unverändert weitergezahlt wurde und eine Anrechnung auf den übertariflichen Gehaltsteil trotz der verkürzten Arbeitszeit nicht eintritt.

Entgegen der Auffassung des Klägers liegt darin kein Verstoß gegen Gleichberechtigung oder Gleichbehandlung im Arbeitsrecht. Die tarifliche Regelung bezieht sich ohnehin nur auf die tariflichen Stundenlöhne und die Gehälter der Angestellten. An Art. 3 GG ist daher diese Regelung nicht zu messen. Vielmehr könnte bei den übertariflichen Lohnteilen nur ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz in Betracht kommen. Der dem Arbeitsvertragsrecht zugehörige Gleichbehandlungsgrundsatz verwehrt es dem Arbeitgeber, in seinem Betrieb einzelne oder Gruppen von Arbeitnehmern ohne sachlichen Grund von allgemeinen Regelungen des Arbeitsverhältnisses auszunehmen und willkürlich schlechter zu stellen (vgl. BAG Urteile vom 17. Mai 1978 - 5 AZR 132/ 77 -, vom 4. Februar 1981 - 4 AZR 967/78 -, vom 10. März 1982 - 4 AZR 540/79 - AP Nr. 42, 45, 47 zu § 242 BGB Gleichbehandlung m.w.N.). Ein solcher Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz liegt aber nicht vor, wenn bei Arbeitnehmern mit einem Monatslohn oder Monatsgehalt keine Anrechnung des übertariflichen Entgeltbestandteils bei Arbeitszeitverkürzungen vorgenommen wird und nur bei Arbeitern mit Stundenlohnvereinbarung die Anrechnung erfolgt. Aus der Vereinbarung eines Wochen- oder Monatslohnes folgt nämlich, daß der vereinbarte Lohn für einen bestimmten Zeitabschnitt ohne Rücksicht darauf gezahlt wird, wieviel Arbeitszeit im Einzelfall tatsächlich geleistet wird. Beim Monatslohn wird dies besonders daraus deutlich, daß die einzelnen Monate des Jahres unterschiedliche Zahlen von Tagen aufweisen und damit auch die Zahl der Arbeitstage und somit die Arbeitszeit trotz gleichen Gehaltes unterschiedlich sind. Dann wirkt sich die Arbeitszeitverkürzung unterschiedlich aus (vgl. BAG Urteil vom 3. Juni 1987 - 4 AZR 44/87 -, zur Veröffentlichung bestimmt).

Entgegen der Auffassung des Klägers ist der übertarifliche Lohnanteil auch ohne Mitbestimmung des Betriebsrates wirksam von der Beklagten angerechnet worden. Die Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die übertarifliche Zulage bedarf nämlich keiner Entscheidung des Arbeitgebers, sondern tritt automatisch ein und greift selbst dann Platz, wenn beispielsweise der Arbeitgeber von der Tariflohnerhöhung überhaupt nichts weiß, sie nicht beachtet hat oder einfach aus Unkenntnis handelt. Bereits in der Entscheidung vom 4. Juni 1980 - 4 AZR 530/78 - (AP Nr. 13 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung) wurde ausgeführt, daß die Anrechnung ohne Einschaltung des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG möglich ist. Die zur Begründung dafür angeführten Fundstellen zeigen, daß ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates deshalb nicht in Betracht kommt, weil damit die Lohnhöhe und damit der Dotierungsrahmen der freiwilligen Leistung betroffen wird. Selbst in seiner die bisherige Rechtsprechung aufgebenden Entscheidung vom 17. Dezember 1985 (- 1 ABR 6/84 - AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt) bleibt auch der Erste Senat bei seiner bisherigen Rechtsprechung, daß ein Mitbestimmungsrecht bei dem sog. Dotierungsrahmen nicht besteht. Der Betriebsrat kann danach weder vom Arbeitgeber die Zahlung einer Zulage verlangen noch erzwingen und hat nur ein Mitbestimmungsrecht bei der näheren Ausgestaltung. Das entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Fünften Senats, der in seinen Urteilen vom 16. April 1986 (- 5 AZR 115/85 -) und vom 16. Oktober 1985 (- 5 AZR 299/84 -) unter Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Ersten Senats vom 17. Dezember 1985 (- 1 ABR 6/84 - AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang) die Mitbestimmungspflicht ablehnt, weil "die Anrechnung einer Tariflohnerhöhung selbst kein Gestaltungsrecht ist, sondern die Feststellung einer Tarifautomatik" und andernfalls "die Frage, welches Entgelt für die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu zahlen ist, letztlich nach den Vorstellungen des Betriebsrats bestimmt bzw. mitbestimmt werden." Liegt aber damit keine Maßnahme des Arbeitgebers vor, kann sie auch nicht mitbestimmungspflichtig sein. Die bisherige Regelung der Gewährung einer anrechenbaren Zulage wird beibehalten. Die Anrechnung führt zu keiner Veränderung der arbeitsvertraglichen Gesamtlohnhöhe, sondern lediglich zu einer Erhöhung des Tariflohnanteiles. Die übertarifliche Lohnhöhe wird damit begrenzt, aber nicht aufgrund einer jetzt erfolgenden Maßnahme des Arbeitgebers, sondern aufgrund der früheren ordnungsgemäß festgelegten Vereinbarung und betrifft die Lohnhöhe.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß der Arbeitgeber grundsätzlich trotz der Anrechenbarkeit einer vereinbarten übertariflichen Zulage im Einzelfall bei jeder Tariflohnerhöhung von der Möglichkeit der Anrechnung Gebrauch machen oder von einer Anrechnung absehen kann. Maßgeblich bleibt vielmehr in jedem Falle der Einzelarbeitsvertrag, in dem festgelegt ist, ob es sich um eine anrechnungsfähige Zulage handelt oder nicht. Das muß jeweils aus der Auslegung des Vertrages ermittelt werden. Selbst eine jahrelange Fortzahlung einer übertariflichen Zulage ändert eine Vereinbarung einer widerruflich und anrechenbar gewährten Zulage nicht (vgl. BAG Urteil vom 4. Juni 1980 - 4 AZR 530/78 - AP Nr. 13 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung). Die einmal vertraglich vereinbarte Anrechenbarkeit bleibt vielmehr erhalten, so daß es dann zu der nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ohne weiteres möglichen Anrechenbarkeit dadurch kommt, daß der Tariflohn einen übertariflichen Lohn solange nicht berührt, als sich nicht der unabdingbare tarifliche Mindestlohnanspruch über den insgesamt gezahlten bisherigen Lohn aufgrund der einzelvertraglichen Vereinbarung hinaus erhöht. Eine Tariflohnerhöhung unterhalb der bisherigen Lohnhöhe hat damit auf die vertraglich vereinbarte Lohnabrede keinerlei Einfluß, so daß auch keine Änderung des bisherigen Lohngefüges eintritt. Dabei ist hier nicht zu entscheiden, wie zu verfahren ist, wenn aus Anlaß einer Tariflohnerhöhung die bisherigen übertariflichen Zulagen neu geordnet werden sollen. Eine solche Neuordnung übertariflicher Zulagen wird vom Kläger nicht behauptet. Außerdem ist darauf hinzuweisen, daß auch eine Neuordnung den sog. Dotierungsrahmen betrifft und im vorliegenden Falle der Gesamtlohn des Klägers aufgrund der entsprechenden Tariflohnerhöhung verändert wurde, also insoweit auch eine tarifliche Regelung zugrunde liegt, die nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG die Mitbestimmung des Betriebsrates ausschließt.

Die Revision war deshalb mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Dr. Neumann Dr. Feller Dr. Freitag

Lehmann Wax

 

Fundstellen

BB 1988, 702-704 (T)

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