Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulage für "1. Schlagzeuger"

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Begriff des "1. Schlagzeugers" (§ 26 Abs 3 Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern) bestimmt sich nach dem allgemeinen Sprachgebrauch.

2. Demgemäß kommt es nicht darauf an, ob der Schlagzeuger solistische Leistungen zu erbringen oder das Schlagzeug als Hauptinstrument zu spielen hat. "1. Schlagzeuger" ist danach vielmehr nur der Stimmführer der Schlagzeuger, wozu in dem betreffenden Orchester eine Gruppe solcher Musiker vorhanden sein muß.

 

Normenkette

TVG § 1; BGB § 611

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 22.05.1984; Aktenzeichen 11 Sa 2184/83)

ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 29.09.1983; Aktenzeichen 3 Ca 1583/83)

 

Tatbestand

Der Kläger, der Mitglied der Deutschen Orchestervereinigung e. V. im DGB ist, wird als Musiker im Philharmonischen Orchester der Stadt B, die dem Deutschen Bühnenverein e. V. angehört, beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 24. September 1963 war ihm die Tätigkeit eines "Stellvertretenden 1. Paukers mit Schlagzeugverpflichtung" übertragen worden. Auf seinen Wunsch wurde er mit Wirkung zum 31. August 1982 schriftlich von der Beklagten von dieser Tätigkeit entbunden. Nunmehr wurde ihm die Tätigkeit eines "Schlagzeugers" übertragen. Seine bisherige Tätigkeit wurde dem Musiker übertragen, der zuvor als Schlagzeuger tätig gewesen war. Vom 1. September 1983 an zahlte die Beklagte die bis zu diesem Zeitpunkt aufgrund einer Besitzstandsregelung gewährte Tätigkeitszulage der Stufe 2 nach § 26 Abs. 3 des Tarifvertrages für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) nicht mehr.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß ihm die Tätigkeitszulage der Stufe 2 nach § 26 Abs. 3 TVK weiterhin zustehe, da er als "1. Schlagzeuger" tätig sei. Dies ergebe sich zum einen daraus, daß er solistische Leistungen mit dem Schlagzeug erbringe. Zum anderen sei ihm der "Stellvertretende 1. (Solo-) Pauker", der auch zum Spielen des Schlagzeuges verpflichtet sei, nachgeordnet, sofern dieser am Schlagzeug eingesetzt werde.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist,

über den 31. August 1983 hinaus an ihn gemäß

§ 26 Abs. 2 und 3 die Tätigkeitszulage der Stufe 2

monatlich zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß der Kläger tarifgerecht vergütet werde. Die Tätigkeit eines "1. Schlagzeugers" setze voraus, daß dieser Schlagzeuger führend in einer Gruppe von Schlagzeugern sei. Dies sei beim Kläger nicht der Fall, da er der einzige Schlagzeuger im Orchester sei. Auch sei ihm der "Stellvertretende 1. (Solo-) Pauker" nicht nachgeordnet, da dieser zur Gruppe der Pauker gehöre und außerdem nicht mit dem Kläger zusammen, sondern nur im Wechsel mit dem Kläger am Schlagzeug eingesetzt werde.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und zur Abweisung der Klage. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung der Tätigkeitszulage der Stufe 2 nach § 26 Abs. 3 TVK.

Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß dem Kläger die Tätigkeitszulage der Stufe 2 nach § 26 Abs. 3 TVK zustehe, weil er als "1. Schlagzeuger" tätig sei. Ihm seien hauptsächlich alle anfallenden Schlagzeugeraufgaben zugewiesen. Auch sei er häufig solistisch tätig gewesen. Die Tätigkeit des "1. Schlagzeugers" setze nicht eine Gruppe von Schlagzeugern voraus. Zwar seien die stellvertretenden Stimmführer der ersten Soloinstrumente der Stufe 2 zugeordnet, so daß daraus gefolgert werden könne, daß die hierarchische Stellung im Orchester Zuordnungsgrund sei. Da jedoch in der Stufe 2 auch Instrumentalisten genannt seien, die ein bestimmtes Instrument als Hauptinstrument spielten, ohne daß eine solistische Tätigkeit verlangt werde, müsse auch bei der Beurteilung der Frage, ob einem Musiker die Tätigkeit eines "1. Schlagzeugers" übertragen sei, auf seine musikalische Funktion und nicht auf seine Stellung innerhalb einer Gruppe von Musikern abgestellt werden.

Diese Auffassung des Landesarbeitsgerichts entspricht nicht den tariflichen Bestimmungen. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern unmittelbar und zwingend Anwendung (§ 3 Abs. 1 TVG, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Die vom Kläger begehrte Tätigkeitszulage ist in § 26 TVK geregelt. Nach § 26 Abs. 1 TVK kann der Arbeitgeber dem Musiker mit seiner Zustimmung bestimmte Tätigkeiten übertragen. Die Übertragung und ihr Widerruf bedürfen der Schriftform. Ferner ist in § 26 Abs. 2 TVK bestimmt:

"Der Musiker erhält während der Zeit, in der

ihm eine der in Abs. 3 genannten Tätigkeiten

oder das Spielen eines Nebeninstrumentes über-

tragen ist, eine Tätigkeitszulage....."

In § 26 Abs. 3 TVK werden zugeteilt der Stufe 2 die Tätigkeit als

Vorspieler der ersten Geigen,

Vorspieler der Violoncelli,

Stellvertretender Stimmführer der zweiten Geigen,

Stellvertretender Stimmführer der Bratschisten,

(Stellvertretender Solobratschist),

Stellvertretender 1. (Solo-)Kontrabassist,

Stellvertretender 1. (Solo-)Flötist,

Stellvertretender 1. (Solo-)Oboist,

Stellvertretender 1. (Solo-)Klarinettist,

Stellvertretender 1. (Solo-)Fagottist,

Stellvertretender 1. (Solo-)Waldhornist,

Stellvertretender 1. (Solo-)Trompeter,

Stellvertretender 1. (Solo-)Posaunist,

1. Schlagzeuger,

Stellvertretender 1. (Solo-)Pauker, wenn der

Musiker auch zum Spielen des Schlagzeugs ver-

pflichtet ist,

Harfenist,

Piccoloflötist,

Englischhornist,

Hoher Klarinettist, sofern das Instrument

Baßklarinettist, als Hauptinstrument

Kontrafagottist, gespielt wird.

Baßposaunist,

Baßtubist,

Nach dem Wortlaut und dem tariflichen Gesamtzusammenhang, die maßgeblich bei der Tarifauslegung zu berücksichtigen sind (BAG 46, 3o8, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung), besteht ein Anspruch auf Zahlung einer Tätigkeitszulage nach § 26 Abs. 2 TVK nur dann, wenn dem Kläger eine der in § 26 Abs. 3 TVK genannten Tätigkeiten schriftlich übertragen worden ist (vgl. BAG Urteil vom 4. Dezember 1974 - 4 AZR 120/74 - AP Nr. 5 zu § 611 BGB Musiker). Diese Voraussetzung liegt nicht vor. Zwar war dem Kläger ursprünglich die einen Anspruch auf Zahlung einer Tätigkeitszulage der Stufe 2 begründende Tätigkeit eines "Stellvertretenden 1. (Solo-)Paukers, der auch zum Spielen des Schlagzeugs verpflichtet ist" übertragen worden. Auf seinen Wunsch wurde die Übertragung dieser Tätigkeit jedoch widerrufen und ihm unter Wahrung der Schriftform die Tätigkeit eines Schlagzeugers übertragen. Für diese Tätigkeit ist die Zahlung einer Tätigkeitszulage tariflich nicht vorgesehen.

Der Kläger macht demgegenüber geltend, daß die ihm arbeitsvertraglich übertragene Tätigkeit mit der von ihm tatsächlich ausgeübten Tätigkeit nicht übereinstimme, weil er die Tätigkeit eines "1. Schlagzeugers" ausübe. Diese Tätigkeit begründe einen Anspruch auf Zahlung einer Tätigkeitszulage der Stufe 2. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

Zwar ist in Fällen, in denen die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit von der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit abweicht, für die Zuteilung der Tätigkeit zu den einzelnen Stufen des § 26 Abs. 3 TVK auf den praktischen Vertragsvollzug abzustellen. Dies gilt nicht nur, soweit es auf das Spielen eines Instrumentes als Hauptinstrument ankommt (BAG Urteil vom 4. Dezember 1974 - 4 AZR 120/74 - AP Nr. 5 zu § 611 BGB Musiker), sondern auch dann, wenn es um die Ausübung der in den einzelnen Stufen in § 26 Abs. 3 TVK genannten Tätigkeiten als solche geht.

Der Kläger übt jedoch die Tätigkeit eines "1. Schlagzeugers" i. S. der Stufe 2 des § 26 Abs. 3 TVK nicht aus. Die Tarifvertragsparteien haben den Begriff des "1. Schlagzeugers" nicht selbst definiert und auch keine Anhaltspunkte für eine Begriffsbestimmung gegeben. Auch läßt sich in der musikalischen Fachliteratur eine allgemeine fachliche Bedeutung dieses Begriffes im Sinne eines "terminus technicus" (vgl. BAG Urteile vom 4. Dezember 1974 - 4 AZR 120/74 -, vom 18. April 1984 - 4 AZR 121/82 - und vom 18. April 1984 - 4 AZR 427/82 - AP Nr. 5, 7 und 8 zu § 611 BGB Musiker, m. w. N.) nicht nachweisen. Das Landesarbeitsgericht trägt den tariflichen Bestimmungen jedoch nicht hinreichend Rechnung, wenn es für die Tätigkeit eines "1. Schlagzeugers" solistische Leistungen für maßgebend hält und ausreichen läßt. Die Tarifvertragsparteien haben nämlich in allen Fällen, in denen solistische Leistungen für die Zuteilung einer Tätigkeit zu den einzelnen Stufen in § 26 Abs. 3 TVK ausschlaggebend sind, dies durch den Zusatz "Solo" ausdrücklich gekennzeichnet. Der Wortlaut und der tarifliche Gesamtzusammenhang lassen auch nicht den Schluß zu, daß unter einem "1. Schlagzeuger" i. S. der Stufe 2 in § 26 Abs. 3 TVK derjenige Musiker zu verstehen ist, der das Schlagzeug als einziger Musiker im Orchester als Hauptinstrument spielt. Diejenigen Instrumente, die eine Tätigkeitszulage der Stufe 2 begründen, wenn sie als Hauptinstrument gespielt werden, sind nämlich wiederum ausdrücklich in § 26 Abs. 3 TVK aufgeführt. Dazu gehört das Schlagzeug nicht. Außerdem hätte es, wenn der alleinige Einsatz am Schlagzeug maßgebend sein sollte, der Hervorhebung durch den Zusatz "1." nicht bedurft.

Damit ist zur Begriffsbestimmung der allgemeine Sprachgebrauch heranzuziehen (BAG Urteil vom 19. Juni 1963 - 4 AZR 125/62 - AP Nr. 116 zu § 1 TVG Auslegung). Danach wird das Wort "Erster" insbesondere zur Bezeichnung einer irgendwie führenden Position in einer Gruppe bzw. Arbeitsgruppe von Personen verwendet. In diesem Sinne kann auch nur der von den Tarifvertragsparteien gewählte Begriff des "1. Schlagzeugers" verstanden werden. Die Besetzung dieser Position in einem Orchester erfordert daher eine Gruppe von Schlagzeugern und demgemäß einen Angestellten mit der Funktion eines "Stimmführers". Diese Voraussetzungen sind jedoch beim Philharmonischen Orchester der Beklagten nicht erfüllt. Dabei ist zu berücksichtigen, daß nach der Orchesterpraxis die Pauker als eigenständige Gruppe angesehen und nicht den Schlagzeugern zugeordnet werden (Herder, Lexikon der Musik, Stichwort: Schlagzeug; Riemann, Musiklexikon, Sachteil, Stichwort: Schlagzeug).

Der Kläger kann auch insoweit keinen Erfolg haben, als er geltend macht, daß er gegenüber dem "Stellvertretenden 1. (Solo-)Pauker mit der Verpflichtung zum Spielen des Schlagzeugs" dann eine führende Position einnehme, wenn dieser nicht an der Pauke, sondern am Schlagzeug zum Einsatz komme. Der Kläger hat nämlich nicht vorgetragen, daß diese Konstellation in der Aufführungspraxis des Orchesters regelmäßig vorkomme. Nur wenn der "Stellvertretende 1. (Solo-)Pauker" überwiegend auf längere Sicht dem Kläger nachgeordnet am Schlagzeug eingesetzt werden würde, käme aber in Betracht, daß die vom Kläger auszuübende Tätigkeit anstelle der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit eine Tätigkeitszulage nach § 26 Abs. 2 und Abs. 3 TVK rechtfertigen könnte (vgl. BAG Urteil vom 4. Dezember 1974 - 4 AZR 120/74 - AP Nr. 5 zu § 611 BGB Musiker).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Dr. Feller Dr. Etzel Dr. Freitag

Pallas Wiese

 

Fundstellen

Haufe-Index 439341

RdA 1986, 339

AP § 611 BGB Musiker (LT1-2), Nr 12

AfP 1987, 741

ZUM 1987, 342-344 (LT1-2)

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