Entscheidungsstichwort (Thema)

Abwicklung nach Einigungsvertrag. Betriebsübergang

 

Leitsatz (amtlich)

  • Eine Einrichtung wurde nicht dadurch im Sinne von Art. 13 EV auf die öffentliche Verwaltung überführt, daß sie von einem privaten Rechtsträger übernommen (“privatisiert”) wurde. Das gilt auch, wenn die öffentliche Hand Alleingesellschafter des privaten Rechtsträgers war.
  • Der Übergang des Betriebs auf einen privaten Inhaber aktualisierte nicht solche Arbeitsverhältnisse, die nach Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 2 und 3 EV ruhten. Nach welchen Maßstäben ruhende Arbeitsverhältnisse aktualisiert werden mußten, war vom Senat nicht zu entscheiden.
 

Normenkette

Einigungsvertrag Art. 13, 20 Abs. 1; Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 2-3; BGB §§ 613a, 611, 615; Protokoll zum Einigungsvertrag Nr. 6; Einigungsvertragsgesetz Art. 1; GG Art. 12

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 28.10.1992; Aktenzeichen 8 Sa 67/92)

ArbG Berlin (Urteil vom 08.04.1992; Aktenzeichen 63 A Ca 16059/91)

 

Tenor

Auf die Revisionen des Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 2) wird das Urteil das Landesarbeitsgerichts Berlin vom 28. Oktober 1992 – 8 Sa 67/92 – aufgehoben.

Auf die Berufungen des Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 2) wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. April 1992 – 63 A Ca 16059/91 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers gem. Art. 20 Abs. 1 Einigungsvertrag in Verbindung mit Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 2 und 3 (im folgenden: Nr. 1 Abs. 2 und 3 EV) geruht und geendet hat oder auf die Beklagte zu 2) übergegangen ist. Ferner verlangt der Kläger Zahlung der Differenz zwischen dem bezogenen Wartegeld und der Arbeitsvergütung.

Der im Jahre 1962 geborene Kläger war seit 1987 als Zootierpfleger beim Tierpark Berlin-Friedrichsfelde beschäftigt, einer nachgeordneten Einrichtung des Magistrats von Berlin. Am. 6. November 1990 faßte die Gesamtberliner Landesregierung aus Senat und Magistrat mit Wirkung vom 15. Dezember 1990 einen Überführungs- und Abwicklungsbeschluß, in dem es u.a. heißt:

  • Die in Anlage 1 zur Vorlage Nr. 132/90 aufgeführten nachgeordneten Einrichtungen und Teileinrichtungen der Magistratsverwaltung für Kultur werden nach den Regelungen des Einigungsvertrages auf das Land Berlin überführt.
  • Die in Anlage 2 zur Vorlage Nr. 132/90 aufgeführten nachgeordneten Einrichtungen und Teileinrichtungen der Magistratsverwaltung für Kultur werden nach den Regelungen des Einigungsvertrages abgewickelt.”

In Anlage 1 ist vom Tierpark Berlin die Teileinrichtung “Schloß Friedrichsfelde” mit 11 von 460 Personalstellen aufgeführt. In Anlage 2 wird der gesamte übrige Tierpark mit 449 von 460 Stellen genannt. Hierzu heißt es weiter:

“Gründung einer GmbH vorgesehen; Übergangslösung; Berichtsauftrag (SenFin): Konzeption für die Fortführung des Betriebs in Abstimmung mit dem Zoologischen Garten; Termin: 31.12.1990.”

In der Begründung zur Beschlußvorlage wird u.a. ausgeführt:

“Die Senatsverwaltungen für Kulturelle Angelegenheiten, für Finanzen und für Inneres haben sich gemeinsam mit den Magistratsverwaltungen für Kultur, für Finanzen und für Inneres von folgenden grundsätzlichen Erwägungen leiten lassen:

Einrichtungen oder Teileinrichtungen werden überführt, wenn sie Aufgaben erfüllen, die auch künftig von der Gesamtberliner Verwaltung zu erfüllen sind, und wenn der weit überwiegende Teil des Personals der einzelnen (Teil-)Einrichtung für die Erfüllung dieser Aufgaben benötigt wird.

Einrichtungen und Teileinrichtungen mit einem überwiegenden Anteil künftig nicht mehr in der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmender Aufgaben werden nach den Regelungen des Einigungsvertrages abgewickelt.

Einrichtungen oder Teileinrichtungen, die in anderer, insbesondere in privater Trägerschaft fortgeführt werden, werden ebenfalls grundsätzlich abgewickelt. Das für die Fortführung der Aufgaben erforderliche Personal wird im notwendigen Umfang zeitlich befristet weiterbeschäftigt (Abschluß von Zeitverträgen zur Überbrückung des Zeitraums bis zur Übernahme durch den Träger).”

Zuvor war am 18. September 1990 beschlossen worden, daß der Zeitraum des Ruhensbeginns in den Einrichtungen, für die bis zum Wirksamwerden des Beitritts keine Entscheidung über Überführung oder Abwicklung getroffen ist, entsprechend dem Einigungsvertrag hinausgeschoben wird.

Mit Schreiben vom 20. Dezember 1990 teilte der Beklagte zu 1) dem Kläger mit, der Tierpark Berlin werde mit Wirkung ab dem 1. Januar 1991 abgewickelt, das Arbeitsverhältnis ruhe ab diesem Zeitpunkt und ende mit Ablauf des 30. Juni 1991, wenn es zu keiner Weiterverwendung komme.

In der Folgezeit gründete der Beklagte zu 1) als Alleingesellschafter die Beklagte zu 2). Diese übernahm mit Wirkung ab 3. Mai 1991 den Betrieb des Tierparks im wesentlichen unverändert, jedoch mit um etwa 100 Stellen reduziertem Personal.

Der Kläger hat geltend gemacht, der Tierpark Berlin sei nicht abgewickelt worden, er bestehe tatsächlich fort. Das Arbeitsverhältnis sei daher nicht zum Ruhen gebracht worden. Am 3. Mai 1991 sei es gem. § 613a BGB auf die Beklagte zu 2) übergegangen und habe mit dieser bis zu der von ihm selbst zum 31. Mai 1992 ausgesprochenen Kündigung fortbestanden. Der Beklagte zu 1) schulde Zahlung der Differenz zwischen dem Wartegeld in Höhe von 812,33 DM/Monat und dem Arbeitsentgelt von 1.160,00 DM/Monat für die Zeit vom 1. Januar 1991 bis zum 2. Mai 1991 (4 × 347,67 DM). Die Beklagte zu 2) müsse die entsprechende Differenz für die Zeit vom 3. Mai 1991 bis zum 30. Juni 1991 zahlen (2 × 347,67 DM).

Der Kläger hat beantragt,

  • festzustellen, daß sein Arbeitsverhältnis zum Beklagten zu 1) durch dessen Entscheidung vom 20. Dezember 1990 nicht zum 30. Juni 1991 aufgelöst sei, sondern seit dem 3. Mai 1991 bis zum 31. Mai 1992 zu unveränderten Bedingungen zur Beklagten zu 2) fortbestanden habe,
  • den Beklagten zu 1) zu verurteilen, an ihn 1.390,68 DM zu zahlen,
  • die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an ihn 695,34 DM zu zahlen.

Die Beklagten zu 1) und 2) haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie haben vorgetragen, die Einrichtung, in der der Kläger beschäftigt gewesen sei, sei in zulässiger Weise abgewickelt worden. Die Überleitung einer Einrichtung der öffentlichen Verwaltung auf einen privaten Träger sei Abwicklung im Sinne des Einigungsvertrags. Ein rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2) sei nicht erfolgt. Der Kläger habe auch keinerlei Umstände vorgetragen, aus denen sich ein Rechtsgeschäft zwischen den Beklagten ergeben könnte. Der ehemalige Tierpark Berlin habe seit seiner Gründung im Jahre 1955 keinen eigenen Besitz und kein eigenes Vermögen gehabt, da es sich um eine nachgeordnete Einrichtung des Magistrats gehandelt habe und alle Ausgaben aus Haushaltsmitteln des Staates bestritten worden seien. Es habe keine Betriebsmittel gegeben, die durch Rechtsgeschäft auf die Beklagte zu 2) hätten übertragen werden können.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen der beiden Beklagten zurückgewiesen. Mit ihren vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revisionen, die der Senat zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat, verfolgen die Beklagten weiterhin das Ziel der Klagabweisung. Der Kläger beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen beider Beklagten sind begründet. Sie führen insgesamt zur Abweisung der Klage (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:

Es habe keine Abwicklung mit ordnungsgemäßer Beendigung der Einrichtung Tierpark Berlin-Friedrichsfelde stattgefunden. Vielmehr sei der Tierpark als organisatorische Einheit erhalten geblieben und sodann im Wege der Privatisierung auf die Beklagte zu 2) überführt worden. Der Beklagte zu 1) habe selbst ausgeführt, der Bestand des Tierparks habe zum Zweck der Privatisierung erhalten und im Rahmen seines Hauptbetriebszwecks vorübergehend bis zur Privatisierung fortgeführt werden müssen. Anders lasse sich der Betrieb eines Tierparks auch nicht auf einen privaten Träger übertragen. Soweit die Gesamtberliner Landesregierung in der Begründung zur Beschlußvorlage ausgeführt habe. Einrichtungen, die in anderer, insbesondere privater Trägerschaft fortgeführt würden, würden ebenfalls grundsätzlich abgewickelt und das für die Fortführung des Aufgaben erforderliche Personal werde zur Überbrückung befristet weiterbeschäftigt, handele es sich um eine Verkennung des Rechtsbegriffes der Abwicklung. Mangels Auflösung und Abwicklung des Tierparks sei die Ruhensmitteilung des Beklagten zu 1) vom 20. Dezember 1990 ins Leere gegangen und habe sich der Kläger zu keinem Zeitpunkt im Wartestand, sondern durchgehend im aktiven Arbeitsverhältnis befunden.

Das aktive Arbeitsverhältnis sei gem. § 613a Abs. 1 BGB mit Wirkung vom 3. Mai 1991 auf die Beklagte zu 2) übergegangen. Diese habe den Betrieb Tierpark Berlin-Friedrichsfelde durch Rechtsgeschäft vom Beklagten zu 1) übernommen. Da der Beklagte zu 1) Alleingesellschafter der Beklagten zu 2) sei, habe er entweder die beweglichen und unbeweglichen Betriebsmittel bei der Gründung der Beklagten zu 2) als Einlage eingebracht oder ihr den Besitz an sämtlichen Betriebsmitteln in organisatorischem Zusammenhang mittels Nutzungs- und Pachtverträgen verschafft. In beiden Alternativen lägen Rechtsgeschäfte vor. Die Erfüllung des Tatbestands des § 613a Abs. 1 BGB sei hiernach offenkundig und habe keiner näheren Darstellung durch den Kläger bedurft.

Da das Arbeitsverhältnis des Klägers bis zur Beendigung durch seine Eigenkündigung am 31. Mai 1992 bestanden habe, stehe ihm auch für den Zeitraum des vermeintlichen Wartestandes die Differenz zwischen dem gezahlten Wartegeld und den vollen Bezügen in der rechnerisch unstreitigen Höhe zu.

B. Dem Landesarbeitsgericht kann weder in der tragenden Begründung, noch im Ergebnis gefolgt werden. Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat gem. Art. 20 Abs. 1 EV in Verbindung mit Nr. 1 Abs. 2 und 3 EV ab dem 1. Januar 1991 geruht und mit Ablauf des 30. Juni 1991 geendet. Es hat nicht als aktives Arbeitsverhältnis seit dem 3. Mai 1991 zu der Beklagten zu 2) fortbestanden. Dementsprechend steht dem Kläger kein Lohnanspruch zu.

I. Wurde bis zu dem nach dem Einigungsvertrag vorgesehenen letztmöglichen Zeitpunkt keine positive, ggf. auch konkludente Überführungsentscheidung getroffen, trat kraft Gesetzes die Auflösung der Einrichtung oder der nicht überführten Teile ein. Wurde ein überführungsfähiger Teil überführt, erfaßte die Abwicklung den Rest der früheren Gesamteinrichtung. Die Abwicklung diente der Umsetzung dieser Auflösung und war auf die Liquidation der Einrichtung oder der nicht überführten Teile gerichtet. Mit dem Eintritt der Abwicklung war kraft Gesetzes das Ruhen der Arbeitsverhältnisse gemäß Nr. 1 Abs. 2 EV verbunden. Der Übergang eines aktiven Arbeitsverhältnisses konnte nur als gesetzliche Folge der Überführung der Beschäftigungseinrichtung eintreten (BAG Urteil vom 3. September 1992 – 8 AZR 45/92 – AP Nr. 1 zu Art. 13 Einigungsvertrag, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

Die Überführung einer Einrichtung oder Teileinrichtung gem. Art. 13 EV bedurfte einer auf den verwaltungsinternen Bereich zielenden Organisationsentscheidung der zuständigen Stelle. Die Überführungsentscheidung war mangels außenwirksamer Regelung kein Verwaltungsakt (BAG aaO; BVerwG Urteil vom 12. Juni 1992 – 7 C 5/92 – ZIP 1992, 1275). Eine Einrichtung oder Teileinrichtung wurde im Sinne von Art. 13 EV überführt, wenn der Träger öffentlicher Verwaltung die (Teil-)Einrichtung unverändert fortführte oder er sie unter Erhaltung der Aufgaben, der bisherigen Strukturen sowie des Bestandes an sächlichen Mitteln in die neue Verwaltung eingliederte (BAG Urteil vom 28. Januar 1993 – 8 AZR 169/92 – AP Nr. 3 zu Art. 13 Einigungsvertrag, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Die Überführung erforderte nicht nur die vorübergehende, sondern eine auf Dauer angelegte Fortsetzung der Verwaltungstätigkeit. Wurde die (Teil-)Einrichtung nur vorläufig mit dem Ziele der Auflösung fortgeführt, lag hierin keine Überführung im Sinne von Art. 13 EV (BAG Urteil vom 28. Januar 1993 – 8 AZR 169/92 – aaO).

Die ruhenden Arbeitsverhältnisse endeten kraft Gesetzes nach Ablauf von sechs bzw. neun Monaten Wartezeit, wenn nicht der einzelne Arbeitnehmer weiterverwendet wurde. Macht ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes der ehemaligen DDR geltend, sein Arbeitsverhältnis sei gem. Nr. 1 Abs. 2 Satz 1 EV auf die Bundesrepublik Deutschland oder nach Nr. 1 Abs. 3 EV auf ein Bundesland übergegangen und bestehe als aktives fort, hat er die Überführung seiner Beschäftigungs(teil-)einrichtung darzulegen und ggf. zu beweisen (BAG Urteil vom 15. Oktober 1992 – 8 AZR 145/92 – AP Nr. 2 zu Art. 13 Einigungsvertrag, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

II. Der Kläger gehörte zu den übrigen Arbeitnehmern der öffentlichen Verwaltung der DDR im Sinne von Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 EV, deren Arbeitsverhältnisse wegen unterbliebener Überführung ihrer Beschäftigungseinrichtung kraft Gesetzes ruhten und endeten.

1. Der Tierpark Berlin-Friedrichsfelde zählte als nachgeordnete Einrichtung des Magistrats von Berlin zur öffentlichen Verwaltung der ehemaligen DDR im Sinne von Art. 13 Abs. 1 EV. Nach Art. 13 Abs. 3 Ziff. 1 EV gehören hierzu auch Einrichtungen der Kultur, deren Rechtsträger die öffentliche Verwaltung ist.

2. Der Beklagte zu 1) hat den Tierpark Berlin-Friedrichsfelde nicht durch ausdrückliche oder konkludente Entscheidung gem. Art. 13 EV in seine Trägerschaft überführt. Er hat ihn weder auf Dauer in seine Verwaltung eingegliedert noch auf einen anderen Hoheitsträger überführt. Der Kläger hat selbst nicht behauptet, die Einrichtung sei unverändert fortgeführt oder unter Erhaltung der Aufgaben, der bisherigen Strukturen sowie des Bestandes an sächlichen Mitteln in die neue Verwaltung eingegliedert worden. Vielmehr geht der Kläger von einem Übergang auf einen privaten Rechtsträger aus, wenn er darlegt, die Beklagte zu 2) habe den Betrieb nach § 613a BGB übernommen.

3. Eine Überführung auf die öffentliche Verwaltung liegt nicht vor, wenn das Objekt, anstatt im Rahmen der öffentlichen Verwaltung fortgeführt zu werden, einem privaten Träger überlassen wird. Es wird dann im Gegenteil gleichsam aus dem Bereich des öffentlichen Dienstes entlassen. Das ergibt sich auch aus Nr. 6 des bei Unterzeichnung des Einigungsvertrages vereinbarten Protokolls, welches nach Art. 1 des Einigungsvertragsgesetzes vom 23. September 1990 (BGBl. II S. 885) Gesetzeskraft hat. Danach wurden Einrichtungen oder Teileinrichtungen, die bis zum Wirksamwerden des Beitritts Aufgaben erfüllt haben, die künftig nicht mehr von der öffentlichen Verwaltung wahrgenommen werden sollten, im Sinne des Einigungsvertrags abgewickelt. Die “Privatisierung” einer Einrichtung der DDR-Verwaltung war somit ungeachtet ihres realen Fortbestehens keine “Überführung” im Sinne von Art. 13, 20 EV (Senatsurteile vom 9. Juni 1993 – 8 AZR 524/92 – n.v., zu II 2 der Gründe; vom 26. August 1993 – 8 AZR 257/92 – n.v., zu II 1 der Gründe; vom 23. September 1993 – 8 AZR 336/92 – n.v., zu B II 2 der Gründe; vom 21. Juli 1994 – 8 AZR 79/93 – n.v., zu B II 2 der Gründe). Daher steht der Abwicklung auch nicht entgegen, daß der Tierpark über den 31. Dezember 1990 hinaus bis zum 3. Mai 1991 im Rahmen der öffentlichen Verwaltung fortgeführt worden ist; denn das war nicht auf Dauer angelegt, sondern geschah nur vorübergehend zu dem Zweck der Übertragung auf einen privaten Rechtsträger, verbunden mit der Beendigung der Verwaltungstätigkeit.

4. Die Bestimmungen des Einigungsvertrags und des Protokolls verstoßen in dieser Auslegung nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen Art. 12 GG. Die das Erfordernis individueller Kündigungen beseitigende Regelung der Abwicklung in Nr. 1 Abs. 2 EV dient dem Schutz eines überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes (BVerfGE 84, 133, 151) und stellt einen verhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes dar. Das gilt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch dann, wenn eine Einrichtung nicht mehr im Rahmen der öffentlichen Verwaltung benötigt, aber in anderer Form weitergeführt wird. Der Beklagte zu 1) hat sein Recht, selbst entscheiden zu dürfen, welche Aufgaben im Rahmen der öffentlichen Verwaltung durchgeführt werden, nicht etwa mißbräuchlich ausgeübt. Zoologische Gärten werden als kulturelle Einrichtungen, die nicht unmittelbar öffentliche Aufgaben erfüllen, seit langem auch in privater Rechtsform geführt. Daß die öffentliche Hand Alleingesellschafter des privaten Rechtsträgers geworden ist, vermag weder an der beabsichtigten und auch durchgeführten Privatisierung etwas zu ändern, noch spricht es für einen Rechtsmißbrauch.

5. Wegen der unterbliebenen Überführung der Beschäftigungseinrichtung ruhte das Arbeitsverhältnis des Klägers ab dem 1. Januar 1991 kraft Gesetzes, nachdem der Ruhensbeginn gemäß der Fußnote 2 zu Nr. 1 Abs. 2 EV entsprechend hinausgeschoben worden war. Ob das Schloß Friedrichsfelde die Voraussetzungen für eine Teileinrichtung gemäß Art. 13 EV erfüllte, kann dahingestellt bleiben. Die diesbezügliche Überführungsentscheidung und Übernahme in die neue Verwaltung erstreckte sich auch dann nicht auf die Einrichtung insgesamt, wenn keine Teileinrichtung vorlag. Denn das Schloß stellte sich in diesem Falle als untergeordneter Bestandteil dar.

6. Die Frage, ob der Beklagte zu 1) die befristet bis zur Übernahme durch den privaten Rechtsträger und damit im Rahmen der Abwicklung weiterbeschäftigten Arbeitnehmer nach rechtlich vertretbaren Gesichtspunkten ausgewählt hat, ist für den Eintritt der Ruhensfolge unerheblich. Der Kläger hat die Auswahl nicht gerügt. Aus einer fehlerhaften Auswahl hätte sich auch allenfalls ein Anspruch auf Beschäftigung, Einstellung oder Schadensersatz ergeben. Die kraft Gesetzes eingetretenen Folgen der Abwicklung blieben auch in diesem Falle unberührt (vgl. Senatsurteile vom 23. September 1993 – 8 AZR 336/92 – n.v., zu B II 4 der Gründe; vom 21. Juli 1994 – 8 AZR 79/93 – n.v., zu B II 5 der Gründe).

III. Mit dem Antrag festzustellen, das Arbeitsverhältnis habe seit dem 3. Mai 1991 “zu unveränderten Bedingungen” zur Beklagten zu 2) fortbestanden, macht der Kläger den Fortbestand eines aktiven Arbeitsverhältnisses geltend. Dieser Antrag ist unbegründet.

1. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, am 3. Mai 1991 habe ein rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2) stattgefunden, ist nicht zu beanstanden. Bei dem Tierpark Berlin-Friedrichsfelde handelte es sich um einen Betrieb gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB. Wie das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, kann der Übergang nur durch Rechtsgeschäft erfolgt sein.

2.a) Nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB tritt der neue Inhaber in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Das Gesetz sieht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor, verbunden mit dem Übergang des unveränderten Arbeitsverhältnisses auf den neuen Inhaber (vgl. nur KR-Wolf, 3. Aufl., § 613a BGB Rz 56, 67 ff., 71 ff.). Das Arbeitsverhältnis geht so über, wie es im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestanden hat.

b) Für das gem. Nr. 1 Abs. 2 und 3 EV ruhende und gesetzlich befristete Arbeitsverhältnis bedeutet dies, daß es als ruhendes und befristetes auf den neuen privaten Inhaber übergeht. Daß die Sondervorschriften der Nr. 1 Abs. 2 und 3 EV nur für den öffentlichen Dienst gelten, ändert daran nichts. Das Arbeitsverhältnis ist durch die gesetzliche Regelung umgestaltet. Die Fortdauer dieser Rechtsänderung hängt nicht davon ab, daß das Arbeitsverhältnis weiter im Bereich des öffentlichen Dienstes besteht. Ein automatisches Wiederaufleben als vollwirksames und unbefristetes Arbeitsverhältnis im Falle der Privatisierung der Einrichtung kann der gesetzlichen Regelung nicht entnommen werden. Die Aktualisierung des Arbeitsverhältnisses mit dem neuen Arbeitgeber kommt daher nur durch Vertragsschluß in Betracht.

c) Allerdings unterliegt der neue Arbeitgeber bei der Entscheidung, welche Arbeitsverhältnisse er aktualisiert, rechtlichen Bindungen. Diese ergeben sich aus einer fortbestehenden Pflichtenbindung des ruhenden Arbeitsverhältnisses. Dabei sind auch soziale Gesichtspunkte maßgeblich zu berücksichtigen. Der Kläger hat jedoch nichts dafür vorgetragen, daß aufgrund entsprechender Sozialdaten oder anderer Kriterien gerade sein Arbeitsverhältnis hätte aktualisiert werden müssen, sondern allein auf den Betriebsübergang abgestellt. Der Betriebsübergang reicht aber gerade nicht aus, um ein aktives Arbeitsverhältnis annehmen zu können.

3. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete zum 30. Juni 1991 mit Ablauf des Ruhenszeitraums von sechs Monaten (Nr. 1 Abs. 2 Satz 5, 1. Halbsatz in Verbindung mit Abs. 3 EV), weil es zu keiner Weiterverwendung kam und das Arbeitsverhältnis auch nicht mit der Beklagten zu 2) aktualisiert wurde.

IV. Die Zahlungsanträge sind unbegründet. Da das Arbeitsverhältnis des Klägers ab dem 1. Januar 1991 bis zum 30. Juni 1991 geruht hat, besteht weder gegenüber dem Beklagten zu 1) noch gegenüber der Beklagten zu 2) ein Anspruch auf Arbeitsentgelt in Höhe der Differenz zwischen dem Wartegeld und dem vollen Lohn. Zwar bietet das ruhende Arbeitsverhältnis eine ausreichende Grundlage für den Annahmeverzug des Arbeitgebers mit der Rechtsfolge der §§ 611, 615 BGB, wenn ein Anspruch auf Weiterverwendung oder Weiterbeschäftigung besteht (Senatsurteil vom 21. Juli 1994 – 8 AZR 587/92 – n.v., zu B III 1 der Gründe). Ein solcher Anspruch im ruhenden Arbeitsverhältnis wird vom Kläger aber selbst nicht behauptet.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Ascheid, Dr. Wittek, Dr. Mikosch, Dr. Weiss, Schmitzberger

 

Fundstellen

Haufe-Index 856783

NZA 1995, 735

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