Entscheidungsstichwort (Thema)

Bereitschaftsdienstvergütung von Ärzten

 

Orientierungssatz

Nach Nr 8 SR 2c BAT wird die Zeit des Bereitschaftsdienstes nach dem Maß der während des Bereitschaftsdienstes erfahrungsgemäß durchschnittlich anfallenden Arbeitsleistung (hier bis zu 49%) in bestimmtem Umfang als Arbeitszeit gewertet. Da bei einer zu erwartenden Arbeitsleistung von mehr als 49% Bereitschaftsdienst nicht angeordnet werden darf, bestand kein Grund für eine Regelung dieses Falles. Es liegt diesbezüglich eine Tariflücke vor, die zu schließen, den Gerichten versagt ist.

 

Normenkette

BAT Anlage SR; BAT § 17; BGB § 138

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 23.01.1984; Aktenzeichen 5 Sa 1102/83)

ArbG Bonn (Entscheidung vom 17.08.1983; Aktenzeichen 3 Ca 708/83)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Bewertung und Vergütung des vom Kläger geleisteten Bereitschaftsdienstes.

Der Kläger war als Arzt in der Urologischen Universitätsklinik der medizinischen Einrichtungen B (MEB) aufgrund eines am 6. Oktober 1981 abgeschlossenen Arbeitsvertrages tätig. Auf das Arbeitsverhältnis fand nach § 2 des Arbeitsvertrages der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und die diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge, insbesondere die Sonderregelung 2 y Anwendung.

Eine Abrede über die Vergütung der vom Kläger regelmäßig zu leistenden ärztlichen Bereitschaftsdienste enthielt der Vertrag nicht.

In der Urologischen Universitätsklinik wurde in der Zeit vom 1. September 1981 bis zum 30. November 1981 von den im Bereitschaftsdienst tätigen ärztlichen Mitarbeitern ein gemeinsames Bereitschaftsdienstbuch geführt. Dessen Auswertung ergab, daß durchschnittlich 59,55 % der für den Bereitschaftsdienst aufgewandten Zeit mit Arbeit ausgefüllt war. Der Anteil der sogenannten atypischen Bereitschaftsdienstzeiten wurde durchschnittlich mit 9,03 % in Ansatz gebracht. Für Tätigkeiten, die sich auf die Behandlung von Privatpatienten der liquidationsberechtigten leitenden Ärzte bezogen, wurde entsprechend dem Anteil der Pflegetage von Privatpatienten an den gesamten Pflegetagen der Urologischen Klinik in dem Erhebungszeitraum ein Prozentsatz vom 13,22 errechnet.

Bis Ende 1982 gingen der Kläger, die anderen ärztlichen Mitarbeiter und der Verwaltungsdirektor der MEB von einer Arbeitsbelastung von mehr als 50 % während der Bereitschaftsdienste aus. Die Vergütung erfolgte nach einer tarifvertraglich nicht vorgesehenen "Stufe E", was bedeutete, daß der Bereitschaftsdienst als volle Arbeitszeit vergütet wurde.

Mit Schreiben vom 28. Oktober 1982 bot der Verwaltungsdirektor der MEB dem Kläger unter Bezugnahme auf ein Auswertungsgespräch den Abschluß einer Nebenabrede zum Arbeitsvertrag an, nach der mit Wirkung vom 1. Januar 1983 der Bereitschaftsdienst der Stufe D (Nr. 8 SR 2 c BAT) zugewiesen wurde. Der Kläger erklärte sich mit der Zuweisung zur Stufe D nicht einverstanden. Seit Januar 1983 erhielt der Kläger gleichwohl eine Vergütung des Bereitschaftsdienstes nach der Stufe D. Dies begründete der Verwaltungsdirektor der MEB mit Schreiben vom 28. Februar 1983 an die Prozeßbevollmächtigten des Klägers damit, daß nach dem Ergebnis der Auswertung der im Zeitraum vom 1. September 1981 bis zum 30. November 1981 geführten Dienstleistungsbücher über die im Bereitschaftsdienst anfallenden Arbeitsleistungen der anzuerkennende Arbeitsanfall in der Urologischen Universitätsklinik weniger als 49 % betrage. Er sehe keine Möglichkeit, die sogenannten atypischen Bereitschaftsdienstleistungen und den Anteil der Behandlungen an Privatpatienten in die Bewertung einzubeziehen.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe Anspruch auf Vergütung der Bereitschaftsdienstzeiten wie volle Arbeitszeit, da die Arbeitsleistungen mehr als 49 % der Bereitschaftsdienstzeit in Anspruch genommen haben. Die Bewertung des beklagten Landes widerspreche den tarifrechtlichen Bestimmungen. Die Einstufung in die Stufe D sei rechtsfehlerhaft. Nach Nr. 8 Abs. 1 und 2 SR 2 c BAT sei allein maßgeblich, welcher dienstlichen Belastung ein Arzt während des Bereitschaftsdienstes ausgesetzt sei. Eine Unterscheidung danach, ob die Tätigkeit für den Bereitschaftsdienst typisch oder atypisch sei, werde nicht gemacht. Sämtliche Tätigkeiten während des Bereitschaftsdienstes seien solche Dienstleistungen, die als ärztliche Notfallbehandlung einzustufen seien. Notfallbehandlungen in diesem Sinne seien alle diejenigen ärztlichen Behandlungsmaßnahmen, die nach medizinischer Indikation unaufschiebbar seien. Hierbei sei kein zu enger Maßstab anzulegen. Bei sachgerechter Bewertung seien die als untypisch bezeichneten Dienstleistungen dem Bereitschaftsdienst als typisch zuzuordnen. Ebenso werde in den tarifvertraglichen Regelungen nicht zwischen der Behandlung von Kassen- und Privatpatienten differenziert. Eine solche Differenzierung könne nach dem Sinn und Zweck der Regelung auch nicht gewollt sein, da er laut Arbeitsvertrag sowohl zur Versorgung der Kassenpatienten als auch der Privatpatienten verpflichtet sei. Die Behandlung von Privatpatienten gehöre zum unmittelbaren Aufgabenbereich der Universitätskliniken und damit auch zum hauptamtlichen Bereich der an den Universitätskliniken tätigen wissenschaftlichen Assistenten. Er sei während des Bereitschaftsdienstes auch verpflichtet, entsprechend den Anordnungen seiner Dienstvorgesetzten Privatpatienten zu behandeln und zu betreuen. Dem stünden die Normen der Verordnung über die Nebentätigkeit des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an den Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hochschulnebentätigkeitsverordnung - HNtV) vom 11. Dezember 1981 (GVBl.NW S. 726 ff.) nicht entgegen. Sein Arbeitsvertrag enthalte weder ausdrücklich noch stillschweigend irgendeine Einschränkung, Privatpatienten nur während der normalen Arbeitszeit und nicht während des Bereitschaftsdienstes zu betreuen. Auch in der Vergangenheit sei hinsichtlich der Betreuungspflichten keine Differenzierung zwischen normaler Arbeitszeit und Bereitschaftsdienst getroffen worden. Es sei abwegig anzunehmen, Privatpatienten würden während des Bereitschaftsdienstes nur unter der Voraussetzung ärztlich betreut, daß zwischen dem jeweiligen Assistenzarzt und dem leitenden Abteilungsarzt eine privatrechtliche Vereinbarung darüber getroffen worden sei. Ein Rechtsanspruch gegen den privat liquidationsberechtigten leitenden Arzt auf Vergütung der Tätigkeit im Rahmen des Bereitschaftsdienstes, der sich auf Privatpatienten beziehe, stehe den wissenschaftlichen Assistenten nicht zu.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet

ist, die von ihm seit dem

1. Januar 1983 an der Urologischen Klinik

geleisteten Bereitschaftsdienste zu 100 %

als Arbeitszeit zu bewerten und - unter

Anrechnung der dafür bereits gezahlten

Beträge - nebst 10 % Zinsen zu vergüten.

Das beklagte Land hat Klagabweisung beantragt und vorgetragen, für die Wertung des Bereitschaftsdienstes sei nur eine Belastung in Höhe von 37,3 % anzuerkennen. Die Zuordnung zur Stufe D sei ein Zugeständnis mit Rücksicht darauf, daß der anteilige Behandlungsaufwand seitens der nachgeordneten Ärzte bei Privatpatienten geringer sei als bei sonstigen Patienten. Die Kürzung der aufgezeichneten Leistungen um die für den Bereitschaftsdienst atypischen Tätigkeiten und um die für sogenannte Wahlleistungspatienten aufgewandte Zeit sei gerechtfertigt und widerspreche nicht den tariflichen Bestimmungen. Während des ärztlichen Bereitschaftsdienstes sollten nach dem Sinn von Nr. 8 Abs. 1 Satz 1 SR 2 c BAT nur solche Tätigkeiten verrichtet werden, die aus dienstlichen Gründen außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit zur ärztlichen Versorgung stationärer und notfallbehandelter Patienten unumgänglich seien. Nur solche Tätigkeiten seien entschädigungsfähiger Bereitschaftsdienst. Alle anderen Dienstleistungen, allgemeine und abschließende Visiten, Erstellung von Arztbriefen und Statistiken bzw. Schreiben von Krankengeschichten und andere Routinearbeiten sowie Durchführung von Prämedikationen zählten nicht hierzu. Sie seien Arbeiten, die anerkanntermaßen während der regelmäßigen Arbeitszeit zu erledigen seien. Die Behandlung bzw. Mitwirkung an der Behandlung von Privatpatienten während des Bereitschaftsdienstes sei eine private Nebentätigkeit. Dies ergebe sich aus den Bestimmungen der HNtV, die gemäß § 11 BAT Anwendung finde. Aus Anlaß der Mitwirkung an Nebentätigkeiten dürfe Bereitschaftsdienst nicht angeordnet, genehmigt und vergütet werden (§ 14 Abs. 4 HNtV). Die Mitarbeit des nachgeordneten Arztes an Nebentätigkeiten gehöre nur zu dessen Hauptamt, soweit sie während der Arbeitszeit erfolge (§ 6 Abs. 3 HNtV). Arbeitszeit im Sinne der § 6 Abs. 3, § 14 Abs. 4 HNtV sei die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit zu der der Bereitschaftsdienst nicht gehöre. Die Mitwirkung im Nebentätigkeitsbereich könne nur dann zu den Dienstaufgaben der nachgeordneten Ärzte gerechnet werden, wenn sie auf entsprechende ausdrückliche Weisung des Arbeitgebers erfolge. Eine solche Anweisung für das Tätigwerden während des Bereitschaftsdienstes sei dem Kläger nicht erteilt worden. Insofern seien Leistungen für Privatpatienten während des Bereitschaftsdienstes nicht in Erfüllung arbeitsvertraglicher Verpflichtungen erbracht worden. Außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit erfolge die Behandlung von Privatpatienten im Rahmen einer Nebentätigkeit kraft ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarung mit dem leitenden Arzt. Der nachgeordnete Arzt sei nicht verpflichtet, außerhalb der Arbeitszeit die Privatpatienten des leitenden Arztes zu beraten und zu behandeln. Tue er dies dennoch, könne er finanzielle Nachteile daraus nicht erleiden, da die leitenden Abteilungsärzte die Mitarbeiter mit ärztlichen Aufgaben gemäß § 14 Abs. 6 Satz 1 HNtV in angemessener Höhe an den Einnahmen aus ihren Nebentätigkeiten zu beteiligen hätten, soweit diese außerhalb der Arbeitszeit daran mitgewirkt haben. Allein aus der tatsächlichen Arbeitsleistung könne der Kläger daher einen Anspruch auf Zuweisung zu den einzelnen Stufen des Bereitschaftsdienstes nicht entnehmen. Die Zuweisung erfolge erst durch eine Nebenabrede, die konstitutiv und anspruchsbegründend wirke.

Das Arbeitsgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben. Lediglich soweit der Kläger Zinsen über 4 % hinaus begehrt hat, hat es die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des beklagten Landes unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts die Klage abgewiesen.

Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Das beklagte Land beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung der Bereitschaftsdienstzeiten als volle Arbeitszeit.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger mangels einer entsprechenden Nebenabrede nach § 4 Abs. 2 BAT seinen Anspruch auf § 611 BGB i.V.m. §§ 17 ff. BAT und der SR 2 c Nr. 8 zum BAT stützen könne. Mit Rücksicht auf die besonderen Vorschriften des Nebentätigkeitsrechts im Hochschulbereich von Nordrhein-Westfalen gehöre die Behandlung von Privatpatienten während des Bereitschaftsdienstes nicht zu seiner Hauptaufgabe, sondern werde im Interesse des leitenden Abteilungsarztes ausgeführt. Die dafür erforderlichen Zeiten könnten deshalb bei der Berechnung des Arbeitsanteils während des Bereitschaftsdienstes nicht berücksichtigt werden.

II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten im Ergebnis der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

1. Gemäß der vorliegend kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung anwendbaren Nr. 8 Abs. 1 Satz 1 SR 2 c BAT ist der Arzt verpflichtet, sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen (sog. Bereitschaftsdienst; vgl. auch BAGE 8, 25, 28 = AP Nr. 5 zu § 7 AZO). Der Bereitschaftsdienst stellt demnach keine volle Arbeitsleistung dar (BAG Urteil vom 9. August 1978 - 4 AZR 77/77 - AP Nr. 5 zu § 17 BAT m.w.N. aus Rechtsprechung und Schrifttum), sondern ist seinem Wesen nach eine Aufenthaltsbeschränkung, die mit der Verpflichtung verbunden ist, bei Bedarf unverzüglich tätig zu werden (BAG Urteil vom 27. Februar 1985 - 7 AZR 552/82 - AP Nr. 12 zu § 17 BAT; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, 3. Aufl., Stand Dezember 1986, Bd. 4, SR 2 a BAT Nr. 6 Rz 7; Uttlinger/Breier/Kiefer, BAT, Stand Oktober 1986, Bd. II, SR 2 c BAT, Erl. a zu Nr. 8). Mit Ausnahme der Zeiten des Arbeitsanfalls kann der Angestellte somit tun was er will; er kann sich insbesondere ausruhen und schlafen (vgl. Uttlinger/Breier/Kiefer, aaO; Röhsler, Die Arbeitszeit, 1973, S. 33). Ein bestimmter Anteil an Arbeitsleistung ist dem Bereitschaftsdienst nicht begriffsimmanent (BAG Urteil vom 27. Februar 1985 - 7 AZR 552/82 - aaO).

2. Der Arbeitgeber darf nach Nr. 8 Abs. 1 Satz 2 SR 2 c BAT Bereitschaftsdienst nur anordnen, wenn zu erwarten ist, daß zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt. Diese Vorschrift regelt somit nicht die Frage, ob Bereitschaftsdienst vorliegt, sondern nur die, ob Bereitschaftsdienst angeordnet werden darf. Auch ist danach nicht der tatsächliche Arbeitsleistungsanteil für die Beurteilung des Bereitschaftsdienstes entscheidend, sondern die zu erwartende Arbeitsleistung, aber diese wiederum nur im Zusammenhang mit der Frage, ob Bereitschaftsdienst angeordnet werden darf. Bereitschaftsdienst, den der Arbeitgeber nicht hätte anordnen dürfen, bleibt aber gleichwohl Bereitschaftsdienst und wird nicht etwa von selbst zur vollen Arbeitsleistung (BAG Urteil vom 27. Februar 1985 - 7 AZR 552/82 - aaO). An dem Charakter der Dienstleistung als Bereitschaftsdienst ändert sich nichts dadurch, daß der Anteil der Zeit mit Arbeitsleistung überwiegt, zumal gleichwohl die Möglichkeit der Eigengestaltung in den Zwischenzeiten verbleibt. Es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob der Bereitschaftsdienst rechtlich als Arbeitszeit oder als Ruhezeit anzusehen ist (vgl. zur Problematik z.B. Denecke/Neumann, AZO, 9. Aufl., § 7 Rz 23; Bitter, AR-Blattei "Krankenpflege- und Heilhilfspersonal" unter E II; Klak, Der Bereitschaftsdienst angestellter Krankenhausärzte, S. 243; Röhsler, AR-Blattei "Pausen und Ruhezeiten" unter B III 1 b). Lohnrechtlich ist der Bereitschaftsdienst jedenfalls keine Vollarbeit, die den Anspruch auf eine volle Vergütung für die Bereitschaftsdienstzeiten auslöst (Röhsler, aaO).

3. Etwas anderes folgt auch nicht aus Nr. 8 SR 2 c BAT. Danach wird die Zeit des Bereitschaftsdienstes nach dem Maß der während des Bereitschaftsdienstes erfahrungsgemäß durchschnittlich anfallenden Arbeitsleistung in bestimmtem Umfang als Arbeitszeit gewertet. Die Arbeitsleistung wird bei dieser Bewertung zwar nur bis 49 % berücksichtigt. Dies läßt aber nicht den Schluß zu, daß bei einem höheren Arbeitsleistungsanteil kein Bereitschaftsdienst mehr gegeben ist. Die Nr. 8 Abs. 2 SR 2 c BAT darf nämlich nicht isoliert betrachtet werden, sondern ist im Zusammenhang mit Abs. 1 der Nr. 8 SR 2 c BAT zu sehen. Da bei einer zu erwartenden Arbeitsleistung von mehr als 49 % Bereitschaftsdienst nicht angeordnet werden darf, bestand kein Grund für eine Regelung dieses Falles. Die Tarifvertragsparteien haben vielmehr bewußt eine Vergütungsregelung für diesen Fall nicht getroffen und eine Bewertung als Arbeitszeit nicht vorgenommen. Nach ihrem erkennbaren Willen geht es bei Abs. 2 der Nr. 8 SR 2 c BAT allein um die Berechnung der Vergütung des zulässigen Bereitschaftsdienstes. Sofern die Anordnung von Bereitschaftsdienst nach Abs. 1 der Nr. 8 SR 2 c BAT unzulässig ist, soll nach dem Willen der Tarifvertragsparteien eine anderweitige Regelung getroffen werden (BAG Urteil vom 27. Februar 1985 - 7 AZR 552/82 - aaO). Als solche kommen Schichtdienste, zeitversetzte Dienste und geteilte Dienste in Betracht (vgl. u.a. BAG Urteil vom 19. Juni 1985 - 5 AZR 57/84 - AP Nr. 11 zu § 4 BAT). Soweit der Tarifvertrag keine Bewertung von Bereitschaftsdienst mit höherem Arbeitsleistungsanteil als 49 % enthält, liegt deshalb eine Tariflücke vor. Sie zu schließen ist den Gerichten versagt. Die bewußte Begrenzung der Vergütungsregelung auf Bereitschaftsdienste mit höchstens 49 % Arbeitsleistungsanteil läßt den Schluß zu, daß es sich um eine bewußte tarifliche Regelungslücke handelt. Die Bewertung von Bereitschaftsdienst mit mehr als 49 % Arbeitsleistungsanteil als volle Arbeitszeit dürfte insoweit sogar dem Willen der Tarifvertragsparteien widersprechen (BAG Urteil vom 27. Februar 1985 - 7 AZR 552/82 - aaO), weil dies einen Anreiz bieten könnte, entgegen der Regelung des Abs. 1 der Nr. 8 SR 2 c BAT Bereitschaftsdienst zu leisten. Die Gefahr einer übergroßen Belastung der Ärzte, die mit der Menschenwürde und mit den Interessen der Patientenversorgung nicht in Einklang stünde, wäre dann nicht von der Hand zu weisen (vgl. insoweit auch die Ausführungen des BAG im Urteil vom 24. Februar 1982, BAGE 38, 69 = AP Nr. 7 zu § 17 BAT im Zusammenhang mit Fragen des Bereitschaftsdienstes).

Aber auch eine unbewußte tarifliche Lücke könnte vorliegend nicht geschlossen werden, da keine hinreichenden und sicheren Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, wie die Tarifvertragsparteien die betreffende Frage im Zeitpunkt des Tarifvertragsabschlusses voraussichtlich geregelt hätten, wenn sie an den nicht geregelten Fall gedacht hätten (vgl. BAGE 36, 218, 225 f. = AP Nr. 19 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten). Es gibt im vorliegenden Fall nicht nur eine denkbare Regelung, die billigem Ermessen entspräche. So wäre z. B. auch eine Ausweitung des Arbeitszeitrahmens über zeitversetzte oder geteilte Dienste (BAG Urteil vom 19. Juni 1985 aaO) oder die Einrichtung von Schichtdiensten denkbar, um die Inanspruchnahme durch Bereitschaftsdienst zu verringern.

4. Eine andere Anspruchsgrundlage, aus der sich eine Bezahlung des Bereitschaftsdienstes als volle Arbeitsleistung ergibt, ist nicht ersichtlich.

a) Es ist zwischen den Parteien zwar unstreitig, daß der Kläger nach Abschluß der Aufzeichnungsaktion in der zweiten Hälfte des Jahres 1981 noch bis Ende 1982 für den Bereitschaftsdienst die volle Bezahlung erhalten hat. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, daß die Parteien eine dahingehende Vereinbarung getroffen haben.

b) Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch läßt sich auch nicht aus einer betrieblichen Übung herleiten. Wie dem Schreiben vom 28. Oktober 1982 entnommen werden kann, haben nach Abschluß der Aufzeichnungsaktion Auswertungsgespräche stattgefunden, die offenbar zu keinem übereinstimmenden Ergebnis geführt haben. Bei Berücksichtigung dessen kann bei einem Zeitraum von weniger als einem Jahr, in dem die Auswertung noch nicht vollständig abgeschlossen war, nicht von einer betrieblichen Übung ausgegangen werden. Denn eine betriebliche Übung setzt eine regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers voraus, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, daß ihnen eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer gewährt werden soll (BAGE 40, 126, 133 = AP Nr. 1 zu § 3 TV Arb Bundespost; BAG Urteil vom 27. Juni 1985 - 6 AZR 392/81 - AP Nr. 14 zu § 77 BetrVG 1972 = EzA § 77 BetrVG 1972 Nr. 16 = DB 1986, 596 = NZA 1986, 401, die Entscheidung ist auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen).

c) Der Kläger hat während des Bereitschaftsdienstes auch nicht in solchem Umfang Arbeit geleistet - selbst wenn zu seinen Gunsten von 59,55 % ausgegangen wird -, daß ein krasses Mißverhältnis im Sinne des § 138 BGB zwischen Arbeitsleistung und der hierfür gezahlten Vergütung angenommen werden könnte (BAG Urteil vom 27. Februar 1985 - 7 AZR 552/82 - aaO).

5. Da der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte Bewertung und Vergütung hat, selbst wenn ein Arbeitsanfall von mehr als 50 % zugrundegelegt wird, kann es hier dahinstehen, ob die Zeiten für die Behandlung der Privatpatienten während des Bereitschaftsdienstes für die Bewertung zu berücksichtigen sind.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Dr. Röhsler Schneider

zugleich für den durch

Urlaub an der Unterschriftsleistung

verhinderten

Richter am Bundesarbeitsgericht

Dörner.

Stenzel Dr. Sponer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI440649

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