Entscheidungsstichwort (Thema)

Bereitschaftsdienst-Vergütung

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach Nr 8 SR 2c BAT ist Bereitschaftsdienst, in dem tatsächlich oder erwartungsgemäß mehr als 49vH Arbeit anfällt, nicht als volle Arbeitszeit zu vergüten. Ob sich ein solcher Anspruch aus allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen ergeben kann, bleibt offen; ein Arbeitsleistungsanteil von 61vH genügt hierfür jedenfalls nicht.

 

Normenkette

BAT Anlage SR; BAT § 17

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 18.06.1982; Aktenzeichen 6 Sa 57/81)

LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 18.06.1982; Aktenzeichen 6 Sa 59/81)

LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 18.06.1982; Aktenzeichen 6 Sa 60/81)

LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 18.06.1982; Aktenzeichen 6 Sa 62/81)

LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 18.06.1982; Aktenzeichen 6 Sa 183/81)

LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 18.06.1982; Aktenzeichen 6 Sa 186/81)

LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 18.06.1982; Aktenzeichen 6 Sa 265/81)

LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 18.06.1982; Aktenzeichen 6 Sa 357/82)

LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 18.06.1982; Aktenzeichen 6 Sa 875/81)

LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 25.09.1981; Aktenzeichen 6 Sa 32/81)

ArbG Mainz (Entscheidung vom 26.08.1981; Aktenzeichen 1 Ca 582/81)

ArbG Mainz (Entscheidung vom 26.08.1981; Aktenzeichen 1 Ca 558/81)

ArbG Mainz (Entscheidung vom 26.08.1981; Aktenzeichen 1 Ca 474/81)

ArbG Mainz (Entscheidung vom 26.08.1981; Aktenzeichen 1 Ca 490/81)

ArbG Mainz (Entscheidung vom 26.08.1981; Aktenzeichen 1 Ca 493/81)

ArbG Mainz (Entscheidung vom 26.08.1981; Aktenzeichen 1 Ca 508/81)

ArbG Mainz (Entscheidung vom 26.08.1981; Aktenzeichen 1 Ca 509/81)

ArbG Mainz (Entscheidung vom 26.08.1981; Aktenzeichen 1 Ca 555/81)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Bewertung und Vergütung der während des Bereitschaftsdienstes erbrachten Leistungen der Kläger.

Die Kläger sind beim beklagten Land als Ärzte angestellt und in verschiedenen Kliniken und Instituten der Johannes-Gutenberg- Universität in Mainz beschäftigt. Auf die Arbeitsverhältnisse der Kläger zu 1 bis 6 und 8 bis 12 finden kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit die Bestimmungen des BAT und der diesen ändernden und ergänzenden Tarifverträge Anwendung. Der zwischen dem beklagten Land und dem Kläger zu 7 abgeschlossene Arbeitsvertrag unterstellt das Arbeitsverhältnis im wesentlichen beamtenrechtlichen Grundsätzen; die Vergütung von Mehrarbeit erfolgt hier nach einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift entsprechend den Regelungen, die für tarifgebundene Ärzte gelten. Demnach gilt, wie außer Streit steht, auch für den Kläger zu 7 bezüglich der Anordnung und Vergütung von Bereitschaftsdienst die zu § 17 BAT ergangene Nr. 8 der Sonderregelungen 2 c BAT.

Mit ihren Klagen begehren die Kläger festzustellen, das beklagte Land habe die von ihnen seit dem 16. Mai 1979 bzw. dem 1. April 1980 bzw. dem 1. August 1980 als Bereitschaftsdienst geleisteten Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienste in vollem Umfang als Arbeitszeit unter Einbeziehung der tariflichen Zeitzuschläge zu vergüten. Sie stützen sich dabei auf eine vom Präsidenten der Universität angeordnete Aufzeichnungsaktion in der Zeit vom 16. Mai 1979 bis 15. November 1979, die ergeben hat, daß bei den Ärzten der in Rede stehenden Kliniken und Institute jeweils durchschnittlich mehr als 50 % (von durchschnittlich 50,6 % bis durchschnittlich 55,4 %) der für den Bereitschaftsdienst aufgewandten Zeit mit Arbeitsleistungen ausgefüllt war. Auch bei einzelnen Klägern ergab sich ein Anteil der Arbeitsleistungen in Höhe von mehr als 50 % (bis maximal 61,0 %).

Das beklagte Land bestreitet die Richtigkeit der Leistungsaufzeichnungen nicht. Für die Bewertung des Bereitschaftsdienstes erkennt es jedoch nur eine Belastung in Höhe von jeweils unter 50 % an (zwischen 39,1 % und 48,72 %). Die Differenz beruht darauf, daß das beklagte Land, ausgehend von der durchschnittlichen Belastung, generell bestimmte Kürzungen nach allgemeinen Erwägungen vorgenommen hat.

Die Kläger haben die Berechtigung dieser Kürzungen in Abrede gestellt und sinngemäß übereinstimmend beantragt,

1. festzustellen, daß das beklagte Land die seit dem

16. Mai 1979 (bzw. seit dem 1. April 1980 bzw.

seit dem 1. August 1980) von ihnen geleisteten

Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienste mit 100 %

als Arbeitszeit zu bewerten und unter Anrechnung

der dafür bereits gezahlten Beträge zu vergüten

hat,

und - mit Ausnahme des Klägers zu 7 -

2. festzustellen, daß das beklagte Land ihnen für

die Zeit der seit dem 16. Mai 1979 (bzw. seit

dem 1. November 1979 bzw. seit dem 1. April 1980

bzw. seit dem 1. August 1980) geleisteten Nacht-,

Wochenend- und Feiertagsdienste die Zeitzuschläge

gemäß § 35 Abs. 1 Buchstabe b - f BAT zu zahlen

hat.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Es hat vorgetragen, für die Zuordnung der Kläger zu den einzelnen Stufen des Bereitschaftsdienstes komme es auf generelle Durchschnittswerte an, nicht auf die von den Klägern persönlich erbrachten Leistungen. Für die Kriterien, nach denen es die Ergebnisse der Aufzeichnungsaktion gekürzt habe, seien ebenfalls generelle Gesichtspunkte, nicht die Verhältnisse im konkreten Einzelfall maßgebend. Danach seien bestimmte Prozentsätze wegen ungenauer, nicht nachprüfbarer Angaben und wegen der Aufnahme von Tätigkeiten, die nicht zum Bereitschaftsdienst zählten, abzuziehen gewesen. Nicht zur Bewertung des Bereitschaftsdienstes könnten gerechnet werden die Entlassung von Patienten, wenn sie von einem Arzt ständig vorgenommen werde, das Erstellen von Arztbriefen (außer für Bereitschaftsdienstpatienten) und Statistiken, die Führung des Apothekenbuches, überlappende ärztliche Tätigkeiten, regelmäßige OP-Besprechungen, Chefvisiten, deren Vorbereitungen und sonstige regelmäßige Tätigkeiten in diesem Zusammenhang, die übrigen regelmäßig wiederkehrenden Tätigkeiten sowie Tätigkeiten, die sich auf die Behandlung von Patienten mit der Wahlleistung "Arzt" bezögen.

Demgegenüber sind die Kläger der Auffassung, das beklagte Land habe die vorgenommenen Kürzungen nicht ausreichend begründet. Für die Frage, welche Leistungen des Arztes für die Bewertung des Bereitschaftsdienstes anzuerkennen seien, komme es nur darauf an, ob die Leistungen angeordnet gewesen seien. Unerheblich sei, ob es sich um bereitschaftsdiensttypische Leistungen handele. Die aufgezeichneten Arbeiten seien nicht selbständig von den Klägern aus dem Normaldienst in den Bereitschaftsdienst verlagert worden, sondern aufgrund allgemeiner oder spezieller Weisung während des Bereitschaftsdienstes zu erbringen gewesen.

Das Arbeitsgericht hat nach den Klaganträgen erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat jeweils die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Das beklagte Land verfolgt auch in der Revisionsinstanz das Ziel vollständiger Abweisung aller Klagen, während die Kläger Zurückweisung der Revision beantragen. Der bisher zuständige Dritte Senat hat die Revisionsverfahren durch Beschluß vom 28. April 1983 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Nach Hinweis des erkennenden Senats auf Bedenken hinsichtlich der gesetzlichen Vertretung des beklagten Landes ist die bisherige Prozeßführung genehmigt worden.

 

Entscheidungsgründe

Die nach Genehmigung der bisherigen Prozeßführung zulässige Revision ist begründet. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts fehlt es für die Feststellungsbegehren der Kläger an einer Rechtsgrundlage, so daß die Klagen abzuweisen waren.

I. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht von der Zulässigkeit der Feststellungsanträge ausgegangen.

Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse ist gegeben, weil es sich bei dem Beklagten um einen öffentlichen Arbeitgeber handelt und die Feststellungsklage geeignet ist, den streitigen Gesamtkomplex zwischen den Parteien zu klären. Dabei ist zu berücksichtigen, daß das beklagte Land der schon vom Arbeitsgericht ausgesprochenen Erwartung nicht widersprochen hat, das beklagte Land werde sich nach einem entsprechenden Feststellungsurteil richten (vgl. BAG 33, 34, 37; BAG 34, 281, 284, jeweils m.w.N.). Eine Leistungsklage würde den Rechtsstreit mit zwischen den Parteien nicht weiter streitigem Rechenwerk belasten; hierbei könnten ohnehin nur in der Vergangenheit geleistete Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienste berücksichtigt werden.

Die Klageanträge sind auch hinreichend bestimmt. Durch Auslegung kann ermittelt werden, für welche Zeiträume die Feststellung begehrt wird, dies ist hier jeweils der Zeitraum bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht. Wie sich aus der Formulierung "geleistete Dienste" ergibt, sollen künftige Tätigkeiten nicht erfaßt werden.

II. Dem Landesarbeitsgericht kann jedoch nicht in der Annahme gefolgt werden, die Kläger hätten aus § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 17 BAT und Nr. 8 der Sonderregelungen 2 c BAT einen Anspruch darauf, daß ihre als Bereitschaftsdienst erbrachten Leistungen in vollem Umfange als Arbeitszeit behandelt und vergütet würden.

1. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt, Bereitschaftsdienst im tariflichen Sinne liege nur vor, wenn der Arzt sich außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort zu Dienstleistungen bereithalten müsse und die Dienstleistungen erfahrungsgemäß weniger als die Hälfte der Zeit in Anspruch nähmen. Überschritten die Arbeitsleistungen den nach Nr. 8 Abs. 1 SR 2 c BAT zulässigen Anteil an der Zeit der Bereitschaft, so liege begrifflich kein Bereitschaftsdienst mehr vor, sondern Arbeitszeit. Nach dem Vorbringen der Parteien ergebe sich, daß die von den Klägern geleisteten und noch zu leistenden Bereitschaftsdienste jeweils zu durchschnittlich mehr als 50 % der Zeit mit Arbeitsleistungen ausgefüllt seien. Die erfolgte Zuordnung dieser Tätigkeiten zum Bereitschaftsdienst der Stufe D der Nr. 8 Abs. 2 SR 2 c BAT werde daher von dieser kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit bzw. einzelvertraglicher Bestimmung anwendbaren Vorschrift nicht gedeckt. Für die Frage, wie die Leistungen der Kläger während der angeordneten Bereitschaftsdienste zu bewerten seien, sei entgegen der Auffassung des beklagten Landes nicht auf die Durchschnittsbelastung der Ärzte einer Klinik während der Bereitschaftsdienste, sondern auf die in der Person des einzelnen Arztes gegebene Belastung abzustellen. Dies ergebe eine an Sinn und Zweck der Nr. 8 SR 2 c BAT orientierte, die Stellung dieser Bestimmung im Zusammenhang der mehrarbeitsbezogenen tariflichen Regelungen berücksichtigende Auslegung.

2. Schon der Ausgangspunkt des Landesarbeitsgerichts, die Kläger hätten begrifflich keinen Bereitschaftsdienst geleistet, trifft nicht zu.

a) Nach Abs. 1 Satz 1 der Nr. 8 SR 2 c BAT ist der Arzt verpflichtet, "sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen (Bereitschaftsdienst)". Der Klammerzusatz "Bereitschaftsdienst" macht deutlich, daß es sich hierbei um eine tarifliche Definition des Begriffs des Bereitschaftsdienstes handelt. Sie ist dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 10. Juni 1959 - 4 AZR 567/56 - BAG 8, 25 = AP Nr. 5 zu § 7 AZO entnommen, nach dem Bereitschaftsdienst dann vorliegt, "wenn der Arbeitnehmer sich für Zwecke des Betriebs an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebs aufzuhalten hat, um erforderlichenfalls seine volle Arbeitstätigkeit unverzüglich aufnehmen zu können". Der Bereitschaftsdienst stellt mithin keine volle Arbeitsleistung dar. Er ist seinem Wesen nach eine Aufenthaltsbeschränkung, verbunden mit der Verpflichtung, bei Bedarf sofort tätig zu werden (vgl. Böhm/Spiertz, BAT-Kommentar, SR 2 a BAT Nr. 6 Rz 7; Breier/Kiefer/Uttlinger, BAT-Kommentar, SR 2 c BAT Erläuterung a zu Nr. 8; Fürst, GKÖD, T § 15 Rz 11; BAG Urteil vom 8. Juli 1959 - 4 AZR 274/58 - BAG 8, 63 = AP Nr. 1 zu § 13 AZO; BAG Urteil vom 24. Januar 1962 - 4 AZR 416/60 - BAG 12, 199 = AP Nr. 8 zu § 7 AZO; BAG Urteil vom 23. November 1960 - 4 AZR 257/59 - BAG 10, 191 = AP Nr. 6 zu § 12 AZO). Damit ist dem Bereitschaftsdienst ein bestimmter Höchstanteil an Arbeitsleistung nicht begriffsimmanent.

b) Auch für Ärzte im Geltungsbereich des BAT gilt nichts anderes. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts geben Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Nr. 8 SR 2 c BAT keine Begriffsbestimmung des Bereitschaftsdienstes; vielmehr befassen sich Abs. 1 Satz 2 allein mit der Zulässigkeit und Abs. 2 mit der vergütungsrechtlichen Bewertung von Bereitschaftsdienst im Sinne des Abs. 1 Satz 1.

aa) Gemäß Abs. 1 Satz 2 der Nr. 8 SR 2 c BAT darf der Arbeitgeber Bereitschaftsdienst nur anordnen, wenn zu erwarten ist, daß zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt. Aus dieser Vorschrift über die Zulässigkeit der Anordnung von Bereitschaftsdienst ergibt sich zweierlei: Zum einen ist der t a t s ä c h l i c h e Arbeitsleistungsanteil für sich gesehen rechtlich unerheblich; er kann allenfalls indirekt als Indiz für den zu erwartenden Arbeitsleistungsanteil bedeutsam werden (vgl. Clemens/Scheuring/ Steingen/Wiese, Kommentar zum BAT, Nr. 6 SR 2 a BAT Erläuterung 3; Böhm/Spiertz, aaO, SR 2 a BAT Nr. 6 Rz 17; Crisolli/Tiedtke, Kommentar zum BAT, Anlage 2 c Nr. 8 Erläuterung 6; Breier/Kiefer/Uttlinger, aaO, SR 2 c BAT Erläuterung a am Ende zu Nr. 8). Zum anderen betrifft selbst der z u e r w a r t e n d e Arbeitsleistungsanteil nicht die Frage, ob Bereitschaftsdienst vorliegt, sondern nur die Frage, ob er angeordnet werden darf. Bereitschaftsdienst, den der Arbeitgeber nicht hätte anordnen dürfen, bleibt gleichwohl Bereitschaftsdienst und wird nicht etwa von selbst zu voller Arbeitsleistung.

bb) Nichts anderes ergibt sich aus Abs. 2 der Nr. 8 SR 2 c BAT. Der Zusammenhang zwischen den Absätzen 1, 2 und 5 (die, soweit sie den Streitfall betreffen, für den gesamten Anspruchszeitraum unverändert gelten) bestätigt vielmehr die obige Auslegung.

Gemäß Abs. 2 der Nr. 8 SR 2 c BAT wird die Zeit des Bereitschaftsdienstes nach dem Maß der während des Bereitschaftsdienstes erfahrungsgemäß durchschnittlich anfallenden Arbeitsleistungen in bestimmtem Umfang als Arbeitszeit gewertet. Dabei wird Arbeitsleistung innerhalb des Bereitschaftsdienstes zwar nur von 0 bis 49 vom Hundert berücksichtigt. Das rechtfertigt indessen nicht den Schluß, bei einem höheren tatsächlichen oder zu erwartenden Arbeitsleistungsanteil sei kein Bereitschaftsdienst mehr gegeben. Denn die tarifvertragliche Regelung kann nur in der Weise und mit dem Inhalt zur Anwendung gebracht werden, wie sie von den Tarifvertragsparteien erkennbar zum Ausdruck gebracht worden ist (BAG Urteil vom 9. August 1978 - 4 AZR 77/77 - AP Nr. 5 zu § 17 BAT). Abs. 2 der Nr. 8 SR 2 c BAT kann nicht isoliert angewendet werden, sondern steht in engem Zusammenhang zu den Absätzen 5 und 1. Die Tarifpartner hatten danach keinen Anlaß, einen höheren Arbeitsleistungsanteil zu berücksichtigen. Denn nach Abs. 5 erfolgt die Zuweisung zu den einzelnen Stufen des Bereitschaftsdienstes durch eine nach § 4 Abs. 2 BAT einzelvertraglich abzuschließende Nebenabrede. Ist mehr als 49 v. H. Arbeitsleistung zu erwarten, soll eine solche Nebenabrede nicht abgeschlossen und darf Bereitschaftsdienst nicht angeordnet werden. Es ist deshalb als bewußte Entscheidung der Tarifvertragsparteien anzusehen, daß sie für diesen Fall eine Vergütungsregelung nicht getroffen und insbesondere eine Bewertung als Arbeitszeit nicht vorgenommen haben.

Aus Abs. 2 der Nr. 8 SR 2 c BAT kann daher nicht geschlossen werden, daß nach Auffassung der Tarifvertragsparteien bei mehr als 49 % Arbeitsleistungsanteil volle Arbeitszeit einsetzt oder eine Bewertung als volle Arbeitszeit stattfinden soll. Der t a t s ä c h l i c h e Arbeitsleistungsanteil ist, wie schon oben zu b aa) ausgeführt, nach der Systematik der SR 2 c BAT ohnehin unerheblich. Übersteigt der z u e r w a r t e n d e Arbeitsleistungsanteil 49 v. H. und ist mithin die Anordnung von Bereitschaftsdienst unzulässig, so soll nach dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien eine anderweite Regelung, etwa die Einführung von Schichtarbeit, gefunden werden. Die Vorschrift des Abs. 2 bietet mithin keinen Anhaltspunkt dafür, daß hier Bereitschaftsdienst gegenüber Vollarbeit begrifflich abgegrenzt wird; vielmehr geht es allein um die vergütungsmäßige Bewertung des zulässigen Bereitschaftsdienstes.

cc) Aus der erkennbar bewußt vorgenommenen Begrenzung der tariflichen Vergütungsregelung auf Bereitschaftsdienste mit höchstens 49 v. H. Arbeitsleistungsanteil folgt auch, daß hinsichtlich der vergütungsrechtlichen Bewertung von Bereitschaftsdiensten mit höherem Arbeitsleistungsanteil von einer offenen Tariflücke ausgegangen werden muß, deren Schließung den Gerichten versagt ist. Gerade im vorliegenden Zusammenhang liegt die Möglichkeit nahe, daß eine Bewertung von Bereitschaftsdienst mit mehr als 49 v. H. Arbeitsleistungsanteil als volle Arbeitszeit sogar dem Willen der Tarifvertragsparteien widersprechen würde, weil sie für viele Arbeitnehmer einen Anreiz zur Leistung unzulässigen Bereitschaftsdienstes schaffen würde.

3. Der dargestellte enge Zusammenhang der Regelungen, aus dem die Unzulässigkeit einer Ausweitung der Vergütungsregelung des Abs. 2 der Nr. 8 SR 2 c BAT folgt, wird auch dadurch bestätigt, daß nach der zitierten Entscheidung BAG AP Nr. 5 zu § 17 BAT die Zuweisung zu den einzelnen Stufen des Bereitschaftsdienstes durch eine konstitutive Nebenabrede erfolgen muß. Durch den ausdrücklichen Hinweis auf § 4 Abs. 2 BAT haben die Tarifvertragsparteien unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß die Entstehung des Anspruchs vom Abschluß einer solchen Nebenabrede abhängig ist und nicht bereits unmittelbar aus Abs. 2 der Nr. 8 SR 2 c BAT folgt. Erst die schriftlich abzuschließende einzelvertragliche Nebenabrede wirkt konstitutiv und anspruchsbegründend.

Der Parteivortrag und die Feststellung des Landesarbeitsgerichts ergeben zwar nicht, ob zwischen den Klägern einerseits und dem beklagten Land andererseits Nebenabreden zum Arbeitsvertrag gemäß Abs. 5 der Nr. 8 SR 2 c BAT abgeschlossen worden sind. Die Klagen sind jedoch unabhängig hiervon nicht schlüssig.

a) Sollten Nebenabreden zum Arbeitsvertrag getroffen worden sein, ist die hierdurch erfolgte Zuweisung zu den einzelnen Stufen des Bereitschaftsdienstes für die Dauer der Abrede grundsätzlich bindend.

aa) Das gilt einmal innerhalb der Stufen (BAG AP Nr. 5 zu § 17 BAT). Der Arzt kann also nicht die Bewertung als Arbeitszeit nach einer höheren Stufe verlangen, weil sich herausgestellt hat, daß der Arbeitsleistungsanteil tatsächlich einer höheren Stufe entspricht. Ändert sich der zu erwartende Arbeitsleistungsanteil, wird die Arbeitszeit nicht automatisch nach einer anderen Stufe bewertet. Vielmehr bleibt es bis zum Zustandekommen einer neuen Nebenabrede bei der bisherigen Bewertung.

bb) Die vertragliche Zuweisung zu einer bestimmten Stufe ist auch dann bindend, wenn der tatsächliche Arbeitsanteil des Bereitschaftsdienstes über 49 % hinausgeht. Der Bereitschaftsdienst verliert allein deswegen weder seinen Charakter als Bereitschaftsdienst, noch wird er unzulässig, noch ist er anders zu vergüten. Nach den SR 2 c BAT kommt es auf den tatsächlichen Arbeitsanteil überhaupt nicht an (siehe oben 2 b aa).

cc) Geht der zu erwartende Arbeitsanteil des Bereitschaftsdienstes über 49 % hinaus, so ändert auch das an der Nebenabrede nichts. Der Arbeitgeber darf in diesem Falle nach Abs. 1 Satz 2 der Nr. 8 SR 2 c BAT Bereitschaftsdienst nicht anordnen (vgl. dazu Böhm/Spiertz, aaO, Nr. 6 SR 2 a BAT Rz 17; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, aaO, Nr. 6 SR 2 a BAT Erläuterung 3, vgl. auch Nr. 8 SR 2 c BAT Erläuterung 2 b; anderer Ansicht offenbar Breier/Kiefer/Uttlinger, aaO, SR 2 c BAT Erläuterung a zu Nr. 8: Solange die Nebenabrede ungekündigt bestehe, dürften beide Parteien des Arbeitsverhältnisses davon ausgehen, daß die Verhältnisse, die bei Abschluß der Vereinbarung bestanden hätten, unverändert fortbestünden; unklar Crisolli/Tiedtke, aaO, Anlage 2 c Nr. 8 Erläuterung 5, 6). Tut er dies gleichwohl, so handelt es sich um unzulässigen Bereitschaftsdienst, nicht dagegen automatisch um volle Arbeitsleistung; eine unbewußte Tariflücke liegt - wie oben ausgeführt - nicht vor. Ein tariflicher Vergütungsanspruch kann sich daher nur aus der vereinbarten Stufe des Bereitschaftsdienstes ergeben; daneben kommen allenfalls nichttarifliche Ansprüche (dazu unten 4) in Betracht.

b) Wenn Nebenabreden zum Arbeitsvertrag nicht getroffen worden sein sollten, erscheint es zweifelhaft, ob das beklagte Land Bereitschaftsdienst überhaupt anordnen durfte. Denn die konstitutive Zuweisung zu den einzelnen Stufen des Bereitschaftsdienstes nach den Absätzen 2 und 5 der Nr. 8 SR 2 c BAT steht in engem Zusammenhang zur grundsätzlichen Zulässigkeit des Bereitschaftsdienstes nach Abs. 1. Es wird sogar die Auffassung vertreten, beim Abschluß eines Arbeitsvertrages mit der Verpflichtung zur Leistung von Bereitschaftsdienst sei die schriftliche Nebenabrede ein wesentlicher Vertragsbestandteil, ohne den im Zweifel der gesamte Arbeitsvertrag nicht zustande komme (Böhm/Spiertz, aaO, SR 2 c BAT Nr. 8 Erläuterungen Rz 3; Crisolli/Tiedtke, aaO, Anlage 2 c Nr. 8 Erläuterung 25). Diese Fragen können hier dahingestellt bleiben, denn in jedem Falle fehlt es an einer tariflichen Anspruchsgrundlage für eine höhere Vergütung, als sie die Kläger erhalten haben. Nach Nr. 8 Abs. 2 SR 2 c BAT beträgt die Vergütung des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit in Stufe D (Arbeitsleistungsanteil mehr als 40 bis 49 v. H.) mindestens 80 v. H. der Arbeitsvergütung; diese Vergütung haben die Kläger erhalten.

4. Auch aus allgemeinen Grundsätzen des Arbeitsrechts läßt sich ein höherer Vergütungsanspruch der Kläger nicht herleiten.

a) Zugunsten der Kläger kann unterstellt werden, daß schon ab dem 16. Mai 1979 (bzw. den späteren in den Klageanträgen genannten Zeitpunkten) zu erwarten war, daß die Zeiten ohne Arbeitsleistung während des Bereitschaftsdienstes nicht überwiegen würden und deshalb die Anordnung des Bereitschaftsdienstes während des gesamten Anspruchszeitraumes unzulässig war. Gleichwohl haben, wie dargestellt, alle Kläger Bereitschaftsdienst und nicht etwa Vollarbeit geleistet. Ferner kann unterstellt werden, daß der persönliche Arbeitsleistungsanteil, soweit er vom Landesarbeitsgericht nicht festgestellt worden ist, bei jedem Kläger mindestens dem durchschnittlichen Arbeitsleistungsanteil der betreffenden Klinik entsprach. Denn keiner der Kläger hat während der Bereitschaftsdienste des Anspruchszeitraumes in solchem Umfang Arbeit geleistet, daß eine volle Arbeitsleistung oder jedenfalls ein krasses Mißverhältnis im Sinne des § 138 BGB zwischen Arbeitsleistung während des Bereitschaftsdienstes und der hierfür gezahlten Vergütung angenommen werden könnte. Dabei kann auch dahinstehen, ab welchem Arbeitsleistungsanteil von Vollarbeit auszugehen ist. Bei den Klägern betrug der Arbeitsleistungsanteil im Höchstfalle 61 v. H.; dieser Anteil genügt jedenfalls nicht.

b) Die Voraussetzungen von Schadenersatzansprüchen sind nicht dargelegt worden. Die Kläger hätten insoweit eine schuldhafte Pflichtverletzung des beklagten Landes dartun müssen. Das ist nicht geschehen. Darüber hinaus wären Schadenersatzansprüche nicht ohne weiteres auf eine Bewertung und Vergütung des Bereitschaftsdienstes als volle Arbeitszeit gerichtet.

c) Soweit schließlich Ansprüche aus faktischem Arbeitsverhältnis (oder gar Bereicherungsansprüche) der Kläger in Betracht kommen, sind auch diese nicht auf eine Bewertung und Vergütung der Bereitschaftsdienstleistungen als volle Arbeitszeit gerichtet. Aus derartigen allgemeinen Rechtsgrundsätzen könnten die Kläger lediglich herleiten, daß ihnen der tatsächlich geleistete Arbeitsanteil als Arbeitszeit bezahlt würde. Keiner der Kläger hat jedoch während der Bereitschaftsdienste des Anspruchszeitraumes in solchem Umfang Arbeit geleistet, daß eine Bewertung über die nach den Absätzen 2 und 3 der Nr. 8 SR 2 c BAT geschehene Bewertung hinaus möglich wäre. Die nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu errechnende Vergütung haben die Kläger mithin erhalten.

Roeper Dr. Becker Dr. Steckhan

Dr. Johannsen Straub

 

Fundstellen

Haufe-Index 441359

AP § 17 BAT (LT1), Nr 12

PersV 1991, 233-234 (K)

RiA 1986, 7-8 (T)

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