Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung: Sozialarbeiterin in neurologischer Abteilung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Tätigkeit einer Sozialpädagogin/Sozialarbeiterin, die im Zusammenwirken mit Ärzten und Pflegekräften in einer neurologischen Akutstation der neurologischen Abteilung eines Landkrankenhauses Patienten mit akuten neurologischen Erkrankungen betreut, hebt sich in der Regel nicht durch ihre Bedeutung im Sinne der Vergütungsgruppe IVa Fallgr. 15 aus der Vergütungsgruppe IVb Fallgr. 16 der Vergütungsgruppen für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst der Anlage 1a zum BAT/BL heraus.

 

Normenkette

BAT §§ 22, 23 Sozialarbeiter; Teil II Abschn. G der Anlage 1a zum BAT/BL (Sozial- und Erziehungsdienst) VergGr. IVb Fallgr. 16, IVa Fallgr. 15, III Fallgr. 7; ZPO § 551 Nr. 7

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 04.08.1995; Aktenzeichen 3 Sa 654/93 E)

ArbG Lüneburg (Urteil vom 12.03.1993; Aktenzeichen 1 Ca 1540/91 E)

 

Tenor

  • Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 4. August 1995 – 3 Sa 654/93 E – aufgehoben.
  • Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 12. März 1993 – 1 Ca 1540/91 E – wird zurückgewiesen.
  • Die Klägerin hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung der Klägerin, insbesondere darüber, ob die Klägerin ab 1. Januar 1991 nach VergGr. III BAT/BL zu vergüten ist.

Die am 26. November 1953 geborene Klägerin ist Diplom-Sozialpädagogin/-Sozialarbeiterin mit staatlicher Anerkennung seit dem 29. März 1982. Darüber hinaus hat sie im Rahmen einer Zusatzqualifikation eine Ausbildung als Gestalt-Soziotherapeutin an der Europäischen Akademie für psychosoziale Gesundheit und Kreativitätsförderung – Fritz Perls Institut für Integrative Therapie – Staatlich anerkannte Einrichtung – in Hückeswagen seit dem 1. Januar 1984 absolviert; die Graduierung erfolgte “als Gestalt-Psychotherapeutin”.

Die Klägerin ist seit dem 1. Juli 1982 bei dem beklagten Land beschäftigt. Zunächst war sie drei Jahre lang als therapeutische Mitarbeiterin in der psychiatrischen Suchtabteilung des Landeskrankenhauses L… der Beklagten tätig. Seit dem 1. Oktober 1986 ist sie in der neurologischen Abteilung beschäftigt, und zwar “als nicht vollbeschäftigte Sozialarbeiterin mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit einer vollbeschäftigten Angestellten”, Änderungsvertrag vom 7. August 1986.

Auf das Arbeitsverhältnis finden nach übereinstimmendem Vortrag der Parteien der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge Anwendung.

Die Klägerin arbeitet im Team einer neurologischen Akutstation des Niedersächsischen Landeskrankenhauses L… – Fachkrankenhaus für Psychiatrie, Neurologie, Kinder- und Jugendpsychiatrie – des beklagten Landes. Das Team besteht aus Ärzten sowie Pflegekräften und der Klägerin als Sozialpädagogin. Das Landeskrankenhaus verfügt zusätzlich über eine physikalische Therapie. In der neurologischen Klinik werden Patienten mit akuten neurologischen Erkrankungen behandelt, die auch psychiatrisch und psychosomatisch erkrankt sind. Der Klägerin obliegt die Betreuung dieser Patienten.

In der “Tätigkeitsdarstellung und -bewertung – Angestellte –” betreffend die Klägerin vom 6. Januar 1992 heißt es unter “3. Aufgaben der Arbeitsplatzinhaberin …”:

“Aufgabenbeschreibung oder Aufgabenbezeichnung

  • gemäß Dienstanweisung vom 23.3.1981 für Sozialpädagogen/Sozialarbeiter der Niedersächsischen Landeskrankenhäuser
  • gemäß Regelaufgaben der Sozialarbeiter in der Personalverordnung Psychiatrie und eben da die inhaltliche Beschreibung der aufgabentypischen Schwerpunkte für Abhängigkeitskranke
  • Spezifisch für den Bereich der Neurologie:

    • Breite/große Zahl und häufiger Wechsel der anzuwendenden Vorschriften/Richtlinien: betrifft die Bereiche Psychiatrie, Psychosomatik, Neurologie und Allgemeinmedizin für ambulante und stationäre Versorgung
    • krankheitsspezifische rehabilitative Beratung
    • krankheitsspezifische Planung und Entwicklung von Perspektiven, welche erhebliche Auswirkungen auf Leib, Lebensqualität und finanzielle Absicherung/Versorgung des Betroffenen haben
    • krankheitsspezifische Krisenintervention bei Patienten/Angehörigen, insbes. bei schweren oder infausten Verläufen
    • spezifische Auswahl und Anmeldung geeigneter Rehabilitationskliniken
    • Auswahl/Organisation/Anmeldung geeigneter Pflege-/Schwerstpflegeplätze, bzw. spezifische Einrichtungen (z.B. Epileptiker, Apalliker, MS/Turmorkranke …)
    • therapeutische Einzel-/Familiengespräche, die therapeutische sowie krankheitsspezifische Fachkenntnisse erfordern – betrifft die Bereiche Psychiatrie/Psychosomatik/Neurologie/Allgemeinmedizin
    • Motivation/Information für Patienten bezüglich psychosomatischer/psychotherapeutischer, stationärer und ambulanter Behandlung, sowie Anmeldung und Auswahl geeigneter stationärer/ambulanter Einrichtungen
    • Teilnahme an den bereichsinternen Konferenzen/Visiten
    • kontinuierliche Zusammenarbeit mit den Stationsteams
    • Mitgestaltung des Stationsklimas sowie Beratung und Unterstützung des Stationsteams
    • stationsübergreifende Tätigkeit bei Verlegungen in die Bereiche Psychiatrie, Gerontopsychiatrie oder Suchtstation
    • Erstellung von Sozialberichten bei der Beantragung von Pflegschaften/Gebrechlichkeitspflegschaften
    • Erstellung von erweiterten Anamnesen bei Patienten mit Beschwerden ohne organisches Korrelat
    • Abwicklung des erforderlichen Schriftverkehrs bezüglich des Kostenabwicklungsverfahrens und sonstige Verlaufsberichte, die den psychosozialen Bereich des stationären Patienten betreffen
    • Aktive Mitarbeit bei den Entlassungsvorbereitungen, wenn notwendig, Schaffung der Voraussetzungen dafür (Hauspflege, Hilfsgeräte etc.), ggf. ambulante Nach-/Weiterbetreuung
    • Aktive Planung und Entwicklung sozialer/beruflicher Perspektiven bei des-/minderorientierten oder krankheitsbedingt in ihrer Qualifikation körperlich/psychisch/kognitiv eingeschränkter Patienten.”
Unter Ziff. 5 “Beschreibung der Tätigkeit, die eine Bildung von Arbeitsvorgängen und deren tarifliche Bewertung ermöglicht”, heißt es:

“Funktionsbereich Neurologie

Anteil an der gesamten Arbeitszeit in v.H.

Planung/Entwicklung sowie Strukturierung der sozialpädogischen/sozialarbeiterischen Interventionen, um der kurzen Verweildauer, dem hohen Durchlauf (ca. 100 Patienten pro Monat), der Diagnosevielfalt, der Schwere der Verläufe, sowie der Breite und der häufigen Wechsel der Anwendungsvorschriften/Richtlinien effektiv gerecht zu werden.

1

2

Teilnahme an den Konferenzen/Visiten/Fallbesprechungen

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3

Abwicklung des erforderlichen Schriftverkehrs:

a) an Sozialhilfeträger, b) Krankenkassen, c) Gerichte, d) Versorgungsämter, e) Rentenversicherungsträger, f) bestimmte Pfleger, g) spezifische Heime u.a. Nachsorgeeinrichtungen, h) Arbeitsämter, i) Rehabilitationskliniken u.a. Fachkrankenhäuser, j) Beratungsstellen, k) Ärzte u.a. ambulante Dienste, l) Sozialstationen u.a. Hauspflegeverbände, m) Angehörige, n) Selbsthilfegruppen, o) Sonstige

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Besonders schwierige Aufgaben, die sich erheblich herausheben durch das Maß an Verantwortung

Therapeutische Begleitung und Beratung von Patienten, die neurologisch schwer erkrankt sind (insbesondere Tumor-MS-Patienten, Patienten nach Hirninfarkt, -blutung u.a. Hirnschädigungen, Unfall, entzündliche Prozesse).

Das heißt:

Bei den schwereren u.a. infausten Verläufen findet eine stationär begleitende, stützende, beratende sowie emotional zugewandte therapeutische Betreuung statt (Hilfen bei der Bewältigung der Krankheit, Hilfen bei der Entwicklung von Bewältigungsstrategien, Entwicklung von kurzfristigen, realistischen Perspektiven; bei MS-Patienten insbesondere Hilfen zur Selbstwahrnehmung/Sensibilisierung, sowie Struktur- und Motivationshilfen, um einer Ausgliederung aus dem Berufsleben entgegenzuwirken.

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2

Therapeutische Begleitung von Patienten, die neben der neurologischen Erkrankung psychiatrisch erkrankt sind (insbesondere reaktive u.a. Depressionsformen, Neurosen, insbesondere Konversionsneurosen, Patienten mit psychotischen Symptomen sowie Demenzen, hirnorganischen Psychosyndroms sowie Medikamenten-, Alkoholmißbrauch/abhängigkeit).

Das heißt:

Therapeutische Interventionen mit dem Ziel, dem Betroffenen einen Zugang zu seiner psychischen Beeinträchtigung zu ermöglichen, kurzfristig greifende entlastende Strategien entwickeln – und langfristig für eine weitergehende ambulante oder wenn notwendig, stationäre Nachbehandlung motivieren; Realisierung/Konkretisierung dieser Nachbehandlung.

10

3

Therapeutische Begleitung von Patienten, die psychosomatisch erkrankt sind und eine diff.stationäre, motivationale Betreuung benötigen und eine strukurierte Nach- und Langzeittherapie.

Das heißt:

Therapeutische Intervention mit dem Ziel, den Betroffenen die individuellen Mechanismen der psychosomatischen Verarbeitungsweisen näherzubringen und somit motivierend für eine sinnvolle ambulante oder stationäre psychosomatische Weiterbehandlung zu sorgen; Organisation der Nachbehandlung.

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4

Therapeutische Begleitung von Patienten, die aufgrund neurologischer und psychischer Beeinträchtigung und psychosozialer Problematik (wohnungs-, arbeitslos, sozial isoliert, materielle Nöte, perspektivlos) unverzügliche Krisenintervention benötigen.

Das heißt:

Therapeutische Intervention mit dem Ziel, reale Entspannungs- und Entlastungssituationen zu schaffen durch Entwicklung tatsächlich, jeweils individuell erreichbarer, realistischer Strukturen und Perspektiven sowie sofortiger konkreter Hilfsmaßnahmen, d.h. subjektive und objektive Stabilisierung und Entwicklung langfristiger, stationär übergreifender Hilfen/Strukturen.

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5

Umfassende Familien-/Einzelgespräche im Rahmen einer Krisenintervention wegen diverser psychosozialer Probleme; insbesondere jedoch zur Bewältigung von Ängsten der Angehörigen (Umgang mit der spezifischen Krankheit und dem Erkrankten selbst).

Das heißt:

Hilfen bei der Entwicklung geeigneter Perspektiven und Maßnahmen individuell auf den Patienten/Angehörigen im Rahmen der therapeutischen Betreuung abgestimmt/erarbeitet; Organisation/Vermittlung in ambulante therapeutische Behandlung.

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Einzeltätigkeiten:

Die Tätigkeiten 1 – 5 (besonders schwierige Aufgaben, die sich herausheben …) werden von der Arbeitsplatzinhaberin in vollem Umfang selbständig, eigenverantwortlich und aus ihrer beruflichen Qualifikation und Erfahrung heraus begründet, durchgeführt.

Besonders schwierige Aufgaben

Beratung, Begleitung, Unterstützung von Patienten, die aufgrund ihrer Erkrankung schwerstpflegebedürftig sind und eine entsprechende Weiterbetreuung benötigen.

Das heißt:

Einschätzung der häuslichen Gegebenheiten, Verantwortung für die Regelung der Hauspflege, Schaffung der Voraussetzungen dafür (Beratung/Motivation der Angehörigen, ggf. gemeinsame Planung der räumlichen Umgestaltung etc., Organisation der Hilfsgeräte/Kostenabwicklung) bei schwierigen Verläufen Beratung und Anleitung der ambulanten Pflegepersonen – auch Auswahl und Beschaffung einer privaten Pflegerin. Beratung/Hilfen aufgrund der erheblichen finanziellen Veränderungen/Einbußen.

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2

Selbständiges verantwortliches Tätigsein in dem sensiblen Bereich der Heimunterbringung/bzw. anderer spezifischer Dauereinrichtungen: Patienten aller Altersstufen, die in der Regel durch akute/plötzliche Erkrankung aus ihrem sozialen Beziehungsgefüge herausgerissen werden.

Das heißt:

Umfassende Information/Beratung der Patienten/Angehörigen über die zur Verfügung stehenden Einrichtungen, Organisation/Konkretisierung der Unterbringung.

Ein erhebliches Maß an Motivationsarbeit, da sich für die Betroffenen die Lebensqualitäten/-perspektiven erheblich verändern/verschlechtern …

Individuelle emotionale Betreuung insbesondere der jüngeren Patienten/bzw. Angehörigen.

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3

Beratung/Hilfen aufgrund der erheblichen Kostenbelastungen/finanziellen Einbußen.

Beratung/Anmeldung und Organisation des vielschichtigen Bereichs der medizinischen Rehabilitation.

Das heißt:

Auswahl und Organisation von kurz-, mittel-, sowie langfristigen Maßnahmen in den entsprechenden Rehabilitationskliniken u.a. geeigneten Fachkrankenhäusern/ähnlichen Einrichtungen. Insbesondere Beratung/Motivation der Betroffenen bzw. der Angehörigen, Schaffung der Voraussetzungen dafür, bei Rehabilitation pflegebedürftiger Patienten aufwendige Vorbereitung.

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…”

Die Klägerin hat in der Berufungsinstanz “exemplarisch auf … detailliert dargestellte Einzelfälle” verwiesen.

Die Klägerin erhielt bis zum 31. Dezember 1990 Vergütung nach VergGr. IVb BAT. Seit dem 1. Januar 1991 erhält sie außerdem die Vergütungsgruppenzulage in Höhe von 7,5 % der Anfangsgrundvergütung der VergGr. IVb BAT nach Fußnote 1 zur VergGr. IVb Fallgruppe 16 der Vergütungsgruppen für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst der Anlage 1a zum BAT/BL.

Mit Schreiben vom 27. Juni 1991 machte die Klägerin erfolglos Vergütung nach VergGr. III BAT geltend. Mit ihrer am 19. Dezember 1991 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin weiter das Ziel, mit Wirkung ab 1. Januar 1991 nach VergGr. III BAT vergütet zu werden.

Sie hat die Auffassung vertreten, sie sei im Wege der Bewährung aus der VergGr. IVa Fallgruppe 15 in die VergGr. III Fallgruppe 7 der Vergütungsgruppen für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst der Anlage 1a zum BAT/BL aufgestiegen.

1995 legte sie das Staatsexamen in Psychologie ab – sie ist “Diplom-Psychologin” – und erhielt die Genehmigung zur Ausübung der Psychotherapie in eigener psychologischer Praxis. Auf ihren Antrag vom 21. März 1995 wurde ihr nach § 11 BAT in Verbindung mit den beamtenrechtlichen Vorschriften am 12. April 1995 die Nebentätigkeitsgenehmigung für “Ambulante Psychotherapie” in eigener psychologischer Praxis erteilt.

Die Parteien streiten im wesentlichen darüber, ob die Tätigkeit der Klägerin die Qualifizierungsmerkmale “besondere Schwierigkeit und Bedeutung” im Sinne der VergGr. IVa Fallgruppe 15 erfüllt.

Die Klägerin hat vorgetragen, ihr obliege gerade die Betreuung von neurologischen Patienten, die auch psychiatrisch und psychosomatisch krank seien. Aus den genannten Einzelfällen werde deutlich, daß spezielle neurologische psychiatrische und allgemeinmedizinische Kenntnisse (Diagnosevielfalt), spezielle therapeutische Kenntnisse, die über die allgemeine Arbeitsplatzbeschreibung einer Sozialpädagogin hinausgingen, spezielle psychotherapeutische und psychosomatische Kenntnisse notwendig seien, um die Patienten in die jeweils geeigneten vorhandenen psychosomatischen Kliniken und ambulanten Einrichtungen weiterzuvermitteln, da nicht jede Klinik für den Patienten geeignet sei (individuelle Problematik). Es müßten spezielle Kenntnisse über die spezifischen neurologischen Krankheitsbilder vorliegen, damit die jeweiligen Patienten in die für sie geeigneten rehabilitativen Einrichtungen angemeldet und untergebracht würden. So könne zum Beispiel nicht jeder Tumor-Patient in die Reha-Klinik D… überwiesen werden, da aufgrund der individuellen Persönlichkeitsstruktur in dem speziellen Fall zum Beispiel eine kleinere Rehabilitationseinrichtung eher geeignet sei oder eine Einrichtung, die auch schwerpunktmäßig psychotherapeutische und psychosomatische Behandlungsweisen anbiete oder zum Beispiel bestimmte diätetische Behandlungsweisen bevorzuge. Es seien differenzierte und umfassende Rechtskenntnisse notwendig. Aus den Einzelfällen werde deutlich, daß mehr als 50 % der Tätigkeit der Klägerin von konkreten Behandlungen direkt am Patienten gekennzeichnet sei und die formale und normale sozialarbeiterische und sozialpädagogische Arbeit einen geringen Teil einnehme. Auch werde deutlich, daß es sich um Tätigkeiten handele, die mindestens zu 80 % besonders schwierig seien und ein besonderes Maß an Verantwortung und Kompetenz erforderten. Die aktive Mitbehandlung der Klägerin am Patienten beanspruche mindestens zwei Drittel ihrer Arbeitszeit, die Entlassungsfürsorge maximal ein Drittel.

Das Merkmal der besonderen Bedeutung der Tätigkeit ergebe sich aus folgendem: Die Tätigkeit verhindere und/oder diene Zwangsunterbringungen in angemessenen Heimen, Einrichtungen und Anstalten. Die Tätigkeit sei bedeutsam für den gesamten weiteren Krankheitsverlauf der betroffenen Patienten und habe Auswirkungen in wichtigen Lebensbereichen (Arbeitsplatzerhaltung, Zusammenhalt der Familie, wirtschaftliche Existenz, Erhalt der Wohnung usw.). Die Tätigkeit habe Auswirkungen sowohl innerbetrieblich (Verkürzung der Aufenthaltsdauer der Patienten im Landeskrankenhaus) als auch gesellschaftlich oder gesamtwirtschaftlich: Der enorme Kostenfaktor – lange Krankheiten, ständige stationäre Behandlung, Arbeitsunfähigkeit, Verrentung des Patienten – werde durch die Tätigkeit der Klägerin erheblich beeinflußt.

Nachdem die Klägerin die entsprechende Tätigkeit nach VergGr. IVa Fallgruppe 15 bereits seit mehr als vier Jahren wahrnehme, sei sie nunmehr in VergGr. III Fallgruppe 7 eingruppiert.

Die Klägerin hat beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, die Klägerin mit Wirkung vom 1. Januar 1991 in die VergGr. III BAT (Fallgruppe 7) einzugruppieren und ihr die Vergütungsdifferenz zur VergGr. IVb (einschließlich Vergütungsgruppenzulage in Höhe von 7,5 % der Anfangsgrundvergütung der VergGr. IVb) ab dem 1. Januar 1991 auszuzahlen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hat die Auffassung vertreten, die Klägerin sei Diplom-Sozialpädagogin mit Fachhochschulabschluß. Ihr Studienschwerpunkt sei “Soziale Therapie und Beratung” gewesen. Sie sei als Sozialpädagogin eingestellt. Die ihr vertraglich obliegende Tätigkeit entspreche dieser Ausbildung, gehe über sie nicht hinaus. In der neurologischen Klinik würden Patienten mit akuten neurologischen Erkrankungen behandelt (hoher Durchlauf, kurze Verweildauer), nicht dagegen psychiatrisch und psychosomatisch Kranke. Daraus ergebe sich eine Eingrenzung der Tätigkeit der Klägerin, nicht eine Komplizierung. Unrichtig sei, daß ihr psychotherapeutische Aufgaben oblägen. Spezielle neurologische, psychiatrische und allgemeinmedizinische Kenntnisse, die über das hinausgingen, was von einem Krankenhaus-Sozialpädagogen zu erwarten sei, benötige sie nicht. Sie benötige keine speziellen sozialtherapeutischen Kenntnisse, die über die normalen Kenntnisse eines Sozialpädagogen im Krankenhaus hinausgingen. Zu ihren Aufgaben gehöre es nicht, für die Patienten geeignete Kliniken zu suchen. Das sei ausschließlich Sache der Ärzte. Zu den Aufgaben der Klägerin gehöre es dagegen, geeignete Rehabilitationseinrichtungen zu finden. Das sei typische Sozialarbeitertätigkeit. Die Anforderungen an ihre Rechtskenntnisse gingen über die Normalanforderungen nicht hinaus. In dieser Hinsicht sei ihre Tätigkeit etwas leichter, weil neurologische Kliniken in aller Regel keine Patienten behandelten, die nach dem Strafgesetzbuch oder der Strafprozeßordnung untergebracht seien.

Weder zur Anforderung des Heraushebens durch besondere Schwierigkeit noch zur Anforderung des Heraushebens durch Bedeutung gebe der Vortrag der Klägerin etwas her.

Hinsichtlich der Bedeutung sei darauf hinzuweisen, daß die Klägerin gemäß der Dienstanweisung – für graduierte Sozialarbeiter/Sozialpädagogen der Niedersächsischen Landeskrankenhäuser vom 23. März 1981 – nur einen gewissen Teilbereich der Betreuung und Versorgung der Patienten abdecke. Es sei sicherlich nicht nur ihr Verdienst, wenn die Patienten aus dem Krankenhaus entlassen werden könnten. Desweiteren sei die Klägerin im wesentlichen mit der Betreuung von Einzelfällen befaßt, das heiße, sie betreue zu entlassende Patienten und sorge für die nachgehende Fürsorge. Einer solchen Einzelfalltätigkeit komme grundsätzlich keine “Bedeutung” im Sinne des Tarifrechts zu. Auch der finanzielle Faktor erreiche kein Ausmaß, der die Annahme einer “Bedeutung” im Sinne des Tarifrechts rechtfertige.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin mit seinem am 4. August 1995 verkündeten, am 28. Juni/1. Juli 1996 zugestellten Urteil das arbeitsgerichtliche Urteil abgeändert und festgestellt, daß der Klägerin mit Wirkung ab 1. Januar 1991 Vergütung aus VergGr. III BAT anstelle gezahlter Vergütung aus VergGr. IVb BAT (einschließlich Vergütungsgruppenzulage) zusteht. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des die Klage abweisenden Urteils erster Instanz. Die Klägerin übt jedenfalls keine Tätigkeit aus, die sich durch ihre Bedeutung aus den nach der VergGr. IVb Fallgruppe 16 BAT/BL zu vergütenden Tätigkeiten heraushebt.

A. Das Berufungsurteil ist nicht etwa deswegen aufzuheben, weil es als nicht mit Gründen versehen zu behandeln wäre (§ 551 Nr. 7 ZPO).

Zwar ist das vollständig abgefaßte Urteil erst weit über zehn Monate nach seiner Verkündung den Parteien zugestellt worden, so daß davon auszugehen ist, daß es nicht binnen fünf Monaten nach der Verkündung schriftlich niedergelegt und von allen Richtern unterschrieben der Geschäftsstelle zugegangen ist, zumal das Urteil jedenfalls erst nach dem 12. März 1996 mit allen Unterschriften versehen zur Geschäftsstelle gelangt ist.

Ein solches Urteil gilt entsprechend § 551 Nr. 7 ZPO als nicht mit Gründen versehen (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluß vom 27. April 1993 – GmS-OGB 1/92 – AP Nr. 21 zu § 551 ZPO = NJW 1993, 2603; Senatsurteil vom 4. August 1993 – 4 AZR 501/92 – AP Nr. 22 zu § 551 ZPO; Senatsurteil vom 20. Oktober 1993 – 4 AZR 45/93 – AP Nr. 172 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Zu einer hierauf gestützten Aufhebung des Urteils bedarf es aber einer entsprechenden Rüge, an der es im vorliegenden Fall fehlt, nachdem das beklagte Land die erhobene Rüge nach vorausgegangener schriftlicher Ankündigung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat fallengelassen hat.

B.I. Die Klage ist zulässig. Es handelt sich der Sache nach um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die im öffentlichen Dienst allgemein üblich ist und gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Bedenken nicht bestehen (Senatsurteile vom 19. März 1986 – 4 AZR 470/84 – AP Nr. 114 zu §§ 22, 23 BAT 1975 und vom 20. März 1996 – 4 AZR 1052/94 – AP Nr. 22 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Die Klägerin begehrt zwar die Verurteilung der Beklagten, die Klägerin mit Wirkung vom 1. Januar 1991 in die VergGr. III Fallgruppe 7 BAT einzugruppieren und ihr die Vergütungsdifferenz zur VergGr. IVb BAT einschließlich Vergütungsgruppenzulage in Höhe von 7,5 % der Anfangsgrundvergütung der VergGr. IVb BAT ab 1. Januar 1991 auszuzahlen. Das Landesarbeitsgericht hat diesen Antrag aber zutreffend dahin verstanden, daß es der Klägerin um die Feststellung der Vergütung nach VergGr. III BAT ab dem 1. Januar 1991 geht, so daß unabhängig davon, daß nach der Rechtsprechung des Senats eine Klage unzulässig ist, wenn die Feststellung begehrt wird, daß der Arbeitnehmer nach einer bestimmten Fallgruppe innerhalb der Vergütungsgruppe zu entlohnen sei (vgl. z.B. Urteile des Senats vom 2. April 1980 – 4 AZR 306/78 – AP Nr. 35 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 23. Oktober 1985 – 4 AZR 216/84 – AP Nr. 10 zu § 24 BAT), der Antrag der Klägerin dahin auszulegen war, daß die Klägerin festgestellt wissen will, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin seit dem 1. Januar 1991 Vergütung nach VergGr. III BAT zu bezahlen.

II. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Tätigkeit der Klägerin erfüllt nicht die von ihr in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmale der VergGr. III BAT (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 1 und Unterabs. 2 BAT).

1. Auf das Arbeitsverhältnis ist kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der BAT anwendbar, und zwar in der Fassung für die Bereiche des Bundes und der Länder (BL).

2. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt damit davon ab, ob mindestens die Hälfte der die Gesamtarbeitszeit der Klägerin ausfüllenden Arbeitsvorgänge den Tätigkeitsmerkmalen der von ihr in Anspruch genommenen VergGr. III der Anlage 1a zum BAT (Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst) vom 19. Juni 1970 in der Neufassung des Tarifvertrages zur Änderung der Anlage 1a zum BAT vom 24. April 1991 in Kraft seit 1. Januar 1991 entspricht (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 BAT).

a) Auszugehen ist daher von dem von der Senatsrechtsprechung entwickelten Begriff des Arbeitsvorganges. Diesen hat der Senat verstanden als eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten (BAGE 51, 59; 51, 282; 51, 356 = AP Nr. 115, 116 und 120 zu §§ 22, 23 BAT 1975; ständige Rechtsprechung des Senats). Dabei ist es zwar rechtlich möglich, daß die gesamte Tätigkeit des Angestellten nur einen Arbeitsvorgang bildet, wenn der Aufgabenkreis nicht weiter aufteilbar und nur einer einheitlichen rechtlichen Bewertung zugänglich ist (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Urteil vom 10. Juli 1996 – 4 AZR 139/95 – AP Nr. 29 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter). Tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlicher Wertigkeit können jedoch nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefaßt werden (Urteil vom 10. Juli 1996 – 4 AZR 139/95 – aaO).

b) Von diesen Grundsätzen ist der Sache nach auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen. Es hat die Tätigkeit der Klägerin als einen einheitlichen großen Arbeitsvorgang angesehen. Es spricht viel dafür, daß die Betreuung von Patienten, die neurologisch erkrankt sind, ein Arbeitsvorgang ist. Das bedarf aber keiner abschließenden Entscheidung. Denn der Klägerin steht bei jedem denkbaren Zuschnitt der Arbeitsvorgänge nach ihrem eigenen Vortrag kein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. III BAT/BL zu.

3.a) Für die Eingruppierung der Klägerin sind die speziellen Tätigkeitsmerkmale des Teils II Abschnitt G der Anlage 1a zum BAT/BL (Sozial- und Erziehungsdienst) maßgebend. Diese haben soweit sie für den Rechtsstreit von Bedeutung sind, folgenden Wortlaut:

“Vergütungsgruppe Vb

10. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.

Vergütungsgruppe IVb

16. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, mit schwierigen Tätigkeiten.

(Diese Angestellten erhalten nach vierjähriger Bewährung in dieser Fallgruppe eine monatliche Vergütungsgruppenzulage in Höhe von 7,5  der Anfangsgrundvergütung [§ 27 Abschn. A Abs. 1] der VergGr. IVb.)

Vergütungsgruppe IVa

15. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, deren Tätigkeit sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der VergGr. IVb Fallgruppe 16 heraushebt.

16. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, deren Tätigkeit sich mindestens zu einem Drittel durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der VergGr. IVb Fallgruppe 16 heraushebt.

Vergütungsgruppe III

7. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, deren Tätigkeit sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der VergGr. IVb Fallgruppe 16 heraushebt,

nach vierjähriger Bewährung in VergGr. IVa Fallgruppe 15.

…”

Die Protokollnotiz Nr. 5 lautet:

“Schwierige Tätigkeiten sind z.B. die

  • Beratung von Suchtmittel-Abhängigen,
  • Beratung von HIV-Infizierten oder an AIDS erkrankten Personen,
  • begleitende Fürsorge für Heimbewohner und nachgehende Fürsorge für ehemalige Heimbewohner,
  • begleitende Fürsorge für Strafgefangene und nachgehende Fürsorge für ehemalige Strafgefangene,
  • Koordinierung der Arbeiten mehrerer Angestellter mindestens der VergGr. Vb.

§ 5 “Übergangsvorschriften für den Bereich des Bundes und für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder”

lautet, soweit hier von Interesse:

“Für die Angestellten, die am 31. Dezember 1990 in einem Arbeitsverhältnis gestanden haben, das am 1. Januar 1991 zu demselben Arbeitgeber fortbestanden hat, gilt für die Dauer dieses Arbeitsverhältnisses folgendes:

1. …

2. Hängt die Eingruppierung oder der Anspruch auf eine Vergütungsgruppenzulage nach diesem Tarifvertrag von der Zeit einer Tätigkeit oder von der Zeit einer Bewährung in einer bestimmten Vergütungs- und Fallgruppe oder von der Zeit einer Berufstätigkeit ab, wird die vor dem 1. Januar 1991 zurückgelegte Zeit vorbehaltlich der nachstehenden Nr. 3 so berücksichtigt, wie sie zu berücksichtigen wäre, wenn dieser Tarifvertrag bereits seit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses gegolten hätte.”

§ 5 Ziff. 3 ist im vorliegenden Rechtsstreit ohne Belang.

b) Die von der Klägerin in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmale der VergGr. III Fallgruppe 7 bauen auf der VergGr. IVa Fallgruppe 15 sowie auf der VergGr. IVb Fallgruppe 16 auf, die ihrerseits die Erfüllung der Anforderungen der VergGr. Vb Fallgruppe 10 der Vergütungsgruppen für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst voraussetzt. Zunächst müssen die Voraussetzungen der Ausgangsfallgruppe erfüllt sein. Anschließend sind die weiteren Merkmale der darauf aufbauenden höheren Vergütungsgruppen zu prüfen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Urteil vom 10. Juli 1996 – 4 AZR 139/95 – aaO, m.w.N.). Dabei genügt eine pauschale Überprüfung, soweit die Parteien die Tätigkeit der Klägerin als unstreitig ansehen und das beklagte Land die Tätigkeitsmerkmale als erfüllt erachtet.

c) Das Landesarbeitsgericht hat nicht geprüft, ob die Klägerin die Voraussetzungen der VergGr. Vb Fallgruppe 10 erfüllt. Das kann der Senat nachholen. Die dazu erforderlichen Feststellungen hat das Landesarbeitsgericht getroffen. Die Klägerin ist staatlich anerkannte Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin. Diesem Berufsbild entspricht ihre Tätigkeit. Die Betreuung von Patienten, die neurologisch krank sind und nach Vortrag der Klägerin darüber hinaus auch psychiatrisch und psychosomatisch krank sind, in einer neurologischen Akutstation eines Landeskrankenhauses gehört zum Aufgabengebiet eines Sozialarbeiters. Auch sie hat die Veränderung des Betreuten, seiner Lebenslage und Lebensqualität, Lösung aus unnötiger Abhängigkeit und Überwindung von Sozialisationsdefiziten als Ziel des beruflichen Handelns: Neurologisch Kranken soll geholfen werden und ihnen die Möglichkeit eröffnet werden, ein normales Leben zu führen (vgl. Urteile des Senats vom 25. Oktober 1995 – 4 AZR 495/94 – AP Nr. 21 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter und vom 10. Juli 1996 – 4 AZR 139/95 – aaO).

d) Die Klägerin erfüllt auch die Voraussetzungen der VergGr. IVb Fallgruppe 16, da sie “schwierige Tätigkeiten” im Sinne dieser Vergütungs- und Fallgruppe ausübt. Das hat das Landesarbeitsgericht zwar auch nicht geprüft. Das kann der Senat aber ebenfalls nachholen, nachdem die entsprechenden Feststellungen getroffen sind oder der Tatsachenvortrag insoweit unstreitig ist.

Das Merkmal der schwierigen Tätigkeit im Sinne der Fallgruppe 16 der VergGr. IVb haben die Tarifvertragsparteien in der Protokollnotiz Nr. 5 durch konkrete Beispiele erläutert. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist dann, wenn eines dieser Tätigkeitsbeispiele zutrifft, auch das Merkmal des Oberbegriffs erfüllt (vgl. Senatsurteil vom 10. Juli 1996 – 4 AZR 139/95 – aaO, m.w.N.). Wird kein Tätigkeitsbeispiel erfüllt, ist auf den allgemeinen Begriff zurückzugreifen, wobei dann aber dessen Bestimmung von den Maßstäben der Beispielstatbestände aus zu erfolgen hat; die Tarifvertragsparteien haben mit den Beispielen Maß und Bedeutung für die Auslegung des allgemeinen Begriffs vorgegeben (Senatsurteil vom 10. Juli 1996 – 4 AZR 139/95 – aaO, m.w.N.).

Die Betreuung neurologisch Kranker entspricht nicht direkt einem der in der Protokollnotiz Nr. 5 aufgeführten Beispiele. Die Tätigkeit der Klägerin kann jedoch mit der Beratung von Suchtmittel-Abhängigen, von HIV-Infizierten oder an AIDS erkrankten Personen oder mit der nachgehenden Fürsorge für ehemalige Heimbewohner verglichen werden. Wie bei den in der Protokollnotiz Nr. 5 genannten Personen ist auch bei den in einer neurologischen Akutstation eines Landeskrankenhauses zu betreuenden neurologisch kranken Personen typischerweise von besonders vielgestaltigen oder umfangreichen nicht nur sozialen Problemen auszugehen. Die Tätigkeit der Klägerin hebt sich insoweit aus der Normal- oder Grundtätigkeit eines Sozialarbeiters/Sozialpädagogen dadurch heraus, daß ihre Tätigkeit sich auf Menschen bezieht, die nicht nur allgemeine Sozialisationsdefizite aufweisen, sondern in erster Linie besondere Probleme, wie zum Beispiel das Leben mit ihrer Krankheit, zu bewältigen haben. Die von der Klägerin wahrgenommenen Tätigkeiten der Betreuung von neurologisch Kranken entsprechen ihrer Wertigkeit nach den von den Tarifvertragsparteien in der Protokollnotiz Nr. 5a – d gewählten Beispielen und sind auch unter das allgemeine Tätigkeitsmerkmal zu subsumieren (vgl. Urteile des Senats vom 28. Mai 1997 – 4 AZR 725/95 –, – 4 AZR 711/95 – beide zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Die von der Klägerin zu leistende Hilfestellung stellt zumindest dieselben Anforderungen wie die Betreuung von Angehörigen der in der Protokollnotiz Nr. 5 genannten Problemgruppen, zumal nach der Arbeitsplatzbeschreibung auch stationsübergreifende Tätigkeit bei Verlegungen in den Bereich Suchtstation stattfindet (Ziff. 3 1), was nur daraus schließen läßt, daß auch Suchtmittel-Abhängige zu betreuen sind, also eine Problemgruppe angesprochen ist, die auch in der Protokollnotiz Nr. 5 erwähnt ist. Die Tätigkeit der Klägerin hebt sich damit durch ihre Schwierigkeit aus der VergGr. Vb Fallgruppe 10 heraus. Hierüber besteht zwischen den Parteien letztlich auch kein Streit. Weitere Ausführungen dazu erübrigen sich deshalb.

e) Dem Landesarbeitsgericht ist indes nicht darin zu folgen, daß die Klägerin die Voraussetzungen der VergGr. IVa Fallgruppe 15 erfüllt. Ihrem Vorbringen kann jedenfalls nicht entnommen werden, daß sich ihre Tätigkeit aus der VergGr. IVb Fallgruppe 16 durch ihre Bedeutung heraushebt. Es mag sein, daß der Klägerin über die Tätigkeit eines Sozialpädagogen mit schwieriger Tätigkeit im Sinne der VergGr. IVb Fallgruppe 16 hinaus solche Aufgaben übertragen worden sind, die ihre Arbeit als besonders schwierig erscheinen lassen. Dagegen spricht allerdings, daß die Klägerin, wie sie selbst vorgetragen hat, bereits während ihres Studiums einen Schwerpunkt auf den Bereich soziale Therapie und Beratung gelegt hat und damit die Tätigkeiten der Klägerin zu den Grundtätigkeiten eines derart ausgebildeten Sozialpädagogen gehören. Gegen die Auffassung des Landesarbeitsgerichts spricht auch der Umstand, daß die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag eine stationäre Psychotherapie nicht durchführt, es sich eher um Kurz- oder Kriseninterventionen auf sozio- oder psychotherapeutischen Grundlagen handelt und stets und ständig eine Rückkopplung und Absprache mit dem behandelnden Arzt und mit der behandelnden Ärztin erfolgt. Abschließend braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob die Tätigkeit der Klägerin durch “besondere Schwierigkeit” herausgehoben ist. Damit kommt es auf die insoweit erfolgten Angriffe der Revision gegen das Berufungsurteil nicht an.

f) Hinsichtlich der Bedeutung der Tätigkeit verlangt das Heraushebungsmerkmal der VergGr. IVa Fallgruppe 15, daß sich die Tätigkeit des Sozialarbeiters deutlich wahrnehmbar aus derjenigen der VergGr. IVb Fallgruppe 16 heraushebe. Mit dem Merkmal der “Bedeutung” sind die Auswirkungen seiner Tätigkeit angesprochen. Die gesteigerte Bedeutung kann sich aus der Art oder aus der Größe des Aufgabengebietes sowie aus der Tragweite für den innerdienstlichen Bereich und für die Allgemeinheit ergeben (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom 10. Juli 1996 – 4 AZR 139/95 – aaO, m.w.N.).

Weiter ist zu bedenken, daß in die VergGr. IVb Fallgruppe 16 Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit mit schwierigen Tätigkeiten eingruppiert sind. Was die Tarifvertragsparteien unter “schwierigen Tätigkeiten” verstehen, haben sie in der Protokollnotiz Nr. 5 beispielhaft erläutert. Zwar behandelt diese unmittelbar lediglich das Tatbestandsmerkmal der “schwierigen” Tätigkeiten. Durch deren Einordnung in die VergGr. IVb Fallgruppe 16 ist aber auch deren Bedeutung von den Tarifvertragsparteien eingruppierungsrechtlich bestimmt worden. Daraus folgt, daß die in der Protokollnotiz Nr. 5 aufgeführten schwierigen Tätigkeiten ihrer Bedeutung nach, soweit es auf diese für eine Heraushebung ankommt, solche der VergGr. IVb Fallgruppe 16 sind.

Dies ist für das Tatbestandsmerkmal der gesteigerten Bedeutung im Sinne des Heraushebungsmerkmals der VergGr. IVa Fallgruppe 15 zu berücksichtigen. Auswirkungen der Tätigkeit des Sozialarbeiters, die die in der Protokollnotiz Nr. 5 aufgeführten Tätigkeiten haben oder, soweit kein Beispiel erfüllt ist, den Auswirkungen dieser Tätigkeiten entsprechen, erfüllen nicht das Heraushebungsmerkmal der gesteigerten Bedeutung im Sinne der VergGr. IVa Fallgruppe 15 (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom 10. Juli 1996 – 4 AZR 139/95 – AP Nr. 29 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter).

Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, es liege auf der Hand, daß bei der von der Klägerin ausgeübten Betreuungstätigkeit ein unmittelbarer Einfluß auf die persönliche Lebenssphäre und -entwicklung der von ihr betreuten Personen genommen werde, um sie geeigneten Rehabilitationsmaßnahmen zuzuführen, psychisch zu stabilisieren, eine weiterführende psychotherapeutische Behandlung zu beginnen, ihre Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen, Ängste von Angehörigen abzubauen und sie kompetent im Umgang mit der Erkrankung zu machen, psychogene Ursachen von Lebenskrisen abzuklären usw. Das ist in seiner Tragweite durchaus vergleichbar mit der Bedeutung der Betreuung von Suchtmittel-Abhängigen, HIV-Infizierten und AIDS-Kranken. Ein wertender Gesichtspunkt, warum die Tätigkeit der Klägerin bei der Betreuung von neurologisch kranken Menschen in diesem Vergleich von herausgehobener Bedeutung sein sollte, ist nicht erkennbar. Dazu hätte es der Darlegung seitens der Klägerin und entsprechender Ausführungen des Landesarbeitsgerichts bedurft, daß die Tätigkeit der Klägerin bedeutungsvoller sei als die eines Sozialpädagogen, der für diese Personengruppen tätig ist. Auch die Sozialarbeiter, die Angehörige der in der Protokollnotiz Nr. 5 genannten Problemgruppen betreuen, sorgen dafür oder versuchen es wenigstens, daß sie geeigneten Einrichtungen zugeführt werden, sich körperlich und seelisch stabilisieren, Behandlungen auf sich nehmen, sie wieder arbeitsfähig werden, eine Arbeit aufnehmen (können), kurz, sie in das “normale” Leben zurückkehren können. Dabei gilt es gleichermaßen, die etwa abgebrochenen Bande zur Familie wieder zu knüpfen. Auch hier ist es Voraussetzung, wenn schon die Krankheit als solche nicht als heilbar erscheint, den Patienten in die Lage zu versetzen, mit seiner Krankheit so umzugehen, daß sie ihn im täglichen Leben nicht allzu sehr behindert. Es ist auch hinsichtlich der in der Protokollnotiz Nr. 5 genannten Personengruppen Aufgabe des Sozialarbeiters, die Defizite aufzuspüren und ihnen durch Hilfestellungen zu begegnen oder den betroffenen Personen die einschlägigen Hilfen zu vermitteln.

Für das Landesarbeitsgericht ergibt sich die Bedeutung auch aus den unmittelbaren Auswirkungen auf die Allgemeinheit im Hinblick auf die Funktion eines Landeskrankenhauses. Auch dem ist nicht zu folgen. Es wird zum einen nicht deutlich, was das Landesarbeitsgericht meint. Die Klägerin hat keine Leitungsfunktion und bearbeitet keine Grundsatzfragen, so daß von daher Auswirkungen auf das Landeskrankenhaus, etwa auf seine Strukturen oder auf die Betreuung der Patienten und damit letztlich auf die Tätigkeit des Landeskrankenhauses überhaupt und damit für die Allgemeinheit nicht erkennbar sind. Die Auswirkungen der Tätigkeit der Klägerin gegenüber Dritten und der Allgemeinheit sind in ihrer Tragweite vergleichbar mit den Tätigkeiten, die bei der Betreuung von Angehörigen der in der Protokollnotiz Nr. 5 genannten Problemgruppen gegeben sind. Die Klägerin trägt selbst vor, sie führe Kurz- oder Kriseninterventionen auf sozio- oder psychotherapeutischen Grundlagen durch; sie habe “einen hohen Durchlauf mit jeweils geringer Verweildauer zu betreuen (ca. 100 Patienten werden monatlich betreut bei einer Durchschnittsverweildauer von ca. 20 Tagen)”. Die Klägerin hat eine Halbtagsstelle. Daher wird sie schon aus Zeitgründen nicht mehr als Routinearbeit leisten können, von Ausnahmefällen abgesehen. Auch von daher ist nicht erkennbar, was die Bedeutung im Tarifsinne auszumachen vermag.

Auch die von der Klägerin selbst angeführten Gesichtspunkte vermögen das Merkmal der Bedeutung nicht zu belegen. Nicht nur die Arbeit der Klägerin, sondern auch die Tätigkeiten, die unter die Protokollnotiz Nr. 5 fallen, verhindern und/oder dienen Zwangsunterbringungen in angemessenen Heimen, Einrichtungen und Anstalten oder erfolgen im Rahmen einer solchen Unterbringung. Das gilt auch für den Vortrag, die Tätigkeit der Klägerin sei bedeutend für den gesamten weiteren Krankheitsverlauf der betreffenden Patienten und habe Auswirkungen in wichtigen Lebensbereichen wie Arbeitsplatzerhaltung, Zusammenhalt der Familie, wirtschaftliche Existenz, Erhalt der Wohnung usw. Das trifft auch für die unter die VergGr. IVb Fallgruppe 16 fallende Betreuung von Angehörigen in der Protokollnotiz Nr. 5 genannten Personengruppen zu. Insbesondere im Bereich der begleitenden Fürsorge für Heimbewohner und der nachgehenden Fürsorge für Strafgefangene geht es um Arbeitsplatzsicherung und/oder Arbeitsplatzbeschaffung, Existenzsicherung, Beibehaltung der Wohnung, Suche nach Unterkunft, Reintegration in die Familie usw., also letztlich um die Hilfe zur Selbsthilfe. Die Verkürzung der Aufenthaltsdauer der Patienten im Landeskrankenhaus ist generelles Anliegen aller Mitarbeiter des Landeskrankenhauses. Nicht nur die Klägerin trägt dazu bei oder versucht, dazu beizutragen. Nicht ihr Aufgabengebiet allein bewirkt eine Aufenthaltsverkürzung. Besondere Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf den innerdienstlichen Bereich des Landeskrankenhauses sind damit nicht belegt. Die Klägerin erläutert nicht, was sie unter gesellschaftlichen oder gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen gerade ihrer Tätigkeit versteht. Der enorme Kostenfaktor, lange Krankheiten, ständige stationäre Behandlung, Arbeitsunfähigkeit, Verrentung des Patienten sind auch bei Personen gegeben, die den Problemgruppen der Protokollnotiz Nr. 5 angehören. Die Sozialarbeiter versuchen durch ihre Tätigkeit, die Kosten für die Allgemeinheit zu verringern und jedenfalls für die jeweils betreuten Personen sich selbst überflüssig zu machen, indem sie es den von ihnen Betreuten es ermöglichen, wieder selbständig zu werden und ohne Hilfen auszukommen, sofern irgend möglich.

Eine gegenüber den Tätigkeiten, die unter die VergGr. IVb Fallgruppe 16 fallen, gesteigerte Bedeutung der Tätigkeit der Klägerin ist auch sonst nicht erkennbar (vgl. im übrigen die Urteile des Senats vom 28. Mai 1997, aaO).

4. Ist eine Heraushebung jedenfalls durch “Bedeutung” im Sinne der VergGr. IVa Fallgruppe 15 nicht gegeben, konnte ein Bewährungsaufstieg aus der VergGr. IVa Fallgruppe 15 in die VergGr. III Fallgruppe 7 nicht stattfinden.

Der Senat brauchte daher nicht prüfen, ob im Hinblick auf die Übergangsvorschriften für die Bereiche des Bundes und der Länder in § 5 Ziff. 2 des Tarifvertrages vom 24. April 1991 die Bewährungszeit bereits ab 1. Januar 1987 angelaufen ist und ob die Klägerin in dieser Zeit die Voraussetzungen der VergGr. IVa Fallgruppe 15 erfüllt hat.

Ein Anspruch der Klägerin, ab 1. Januar 1991 nach VergGr. III BAT/BL vergütet zu werden, besteht sonach nicht.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Bott, Friedrich, Fieberg, Winterholler

 

Fundstellen

Haufe-Index 884863

BB 1998, 224

RdA 1998, 64

RiA 1998, 278

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