Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristung von Lektorenverträgen

 

Leitsatz (redaktionell)

Vgl. auch Senatsurteil vom 24. April 1996 – 7 AZR 605/95 – (zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt).

 

Normenkette

EWGVtr Art. 48 Abs. 2; HRG § 57a S. 2, § 57b Abs. 2-3, 5; BGB § 620

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 11.08.1995; Aktenzeichen 13 (3) Sa 160/95)

ArbG Bonn (Urteil vom 14.12.1994; Aktenzeichen 4 Ca 2923/94)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 11. August 1995 – 13 (3) Sa 160/95 – aufgehoben.

2. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 14. Dezember 1994 – 4 Ca 2923/94 – wird auf Kosten des beklagten Landes zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt das beklagte Land.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen wirksam bis zum 31. März 1995 befristet war. Die Klägerin ist französische Staatsangehörige und war seit dem 2. April 1991 bis zum 31. März 1995 beim beklagten Land als Lektorin für Französisch an der Universität Bonn tätig. Durch Arbeitsvertrag vom 2. April 1991 war das Arbeitsverhältnis zunächst bis zum 31. März 1993 befristet worden. Durch weiteren, im übrigen gleichlautenden Arbeitsvertrag vom 19. März 1993 wurde sodann ein weiterer bis zum 31. März 1995 befristeter Arbeitsvertrag geschlossen. Nach § 5 des Arbeitsvertrages vom 19. März 1993 bestimmt sich die Befristung nach § 57 b Abs. 3 in Verb. mit § 57 c Abs. 2 HRG. Nach Absatz 2 der vertraglichen Bestimmung sollte durch die Befristung sichergestellt werden, daß auch in der Folgezeit andere Lektoren mit aktuellem Bezug zur französischen Sprache diese in die Aus- und Fortbildung der Studenten einbringen können. In § 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrages werden die Richtlinien für die Beschäftigung und Vergütung von Lektoren an den wissenschaftlichen Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (GABl. NW 6/1985, 380 f.) in Bezug genommen.

Die Klägerin hält die Befristung des Arbeitsverhältnisses für unwirksam und insbesondere nicht für vereinbar mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 48 Abs. 2 EWG-Vertrag.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht kraft Befristung mit Ablauf des 31. März 1995 endet;
  2. das beklagte Land zu verurteilen, sie über den 31. März 1995 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hält die vereinbarte Befristung für wirksam. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verbiete Art. 48 EWG-Vertrag nicht jedwede Befristung der Arbeitsverhältnisse von Lektoren, sofern neben der ausländischen Staatsangehörigkeit ein weiterer, objektiv sachlicher Grund die Befristung rechtfertige. Solche sachlichen Gründe leiteten sich insbesondere aus den arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Richtlinien des Landes Nordrhein-Westfalen her. Ein sachlicher Grund ergebe sich neben der allgemeinen und speziellen Weiter- und Fortbildung des ausländischen wissenschaftlichen Nachwuchses aus dem Zweck der Befristung, einen laufenden kulturellen und wissenschaftlichen Austausch zu bewirken. Ein Ausschluß des Abschlusses von Zeitverträgen mit Lektoren würde zudem gegen die grundgesetzlich garantierte Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre verstoßen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht infolge Fristablaufs mit dem 31. März 1995 seine Beendigung gefunden. Denn die im Arbeitsvertrag der Parteien vom 19. März 1993 vorgesehene Befristung ist nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt und damit rechtsunwirksam.

I. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt: Ungeachtet der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu § 57 b Abs. 3 HRG sei die Befristung sachlich gerechtfertigt, da unabhängig von diesem speziellen Befristungstatbestand andere sachliche Gründe vorlägen, die die Befristung rechtfertigten. Ein sachlicher Grund ergebe sich zunächst aus der mit der Befristung verfolgten Absicht, den lebendigen und aktuellen Bezug des Lektors zur Sprache und Kultur seines Herkunftslandes zu fördern und einer Entfremdung dadurch entgegenzuwirken, daß kein Beitrag zu einer auf Dauer angelegten Wohnsitznahme außerhalb seines Sprachraums geleistet werde. Aktuelle Strömungen und Bildungen einer Sprache drückten sich gerade auch in trivialen Erscheinungsformen aus, die im Sinne einer lebendigen Verbundenheit weitaus besser bei einem ständigen Aufenthalt, als nur durch eine mittelbare Kontaktaufnahme über Medien, besuchsweise Reisen oder einer Kommunikation mit Landsleuten wahrgenommen werden könnten. Durch das legitime Interesse einer Universität, auch solche trivialen Erscheinungsformen in die Vermittlung einer lebendigen Sprache einfließen zu lassen, werde unmittelbar Inhalt und Beschaffenheit der Lehre betroffen. Da die Befristung ein taugliches Mittel zur Förderung dieses Zweckes sei, werde diese Gestaltungsmöglichkeit auch durch die Freiheit der Lehre im Sinne von Art. 5 Abs. 3 GG garantiert. Insoweit liege eine Parallele zu den programmgestaltenden Mitarbeitern von Rundfunkanstalten vor. Weiter sei die vereinbarte Befristung auch dadurch gerechtfertigt, daß mit ihr die Absicht verfolgt werde, ein Revirement der Stelleninhaber zu gewährleisten, um so einer maximalen Zahl ausländischer Staatsangehöriger die Möglichkeit einer lehrenden Tätigkeit in Deutschland zu eröffnen. Daß dieses Ziel vom beklagten Land auch ernsthaft verfolgt werde, zeige Ziffer 3.1 der Richtlinien für die Beschäftigung und Vergütung von Lektoren an den wissenschaftlichen Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen. Auch wenn dieser Befristungsgrund mangels substantiierter Darlegungen gerade zum konkret betroffenen Arbeitsplatz möglicherweise für sich allein genommen die Befristung nicht trage, werde jedenfalls im Verein mit dem Gedanken der aktuellen Sprachverbundenheit daraus ein Grund, der die Befristung sachlich rechtfertige.

II. Dieser Würdigung kann sich der Senat nicht anschließen.

1. Soweit das Landesarbeitsgericht unabhängig von § 57 b Abs. 3 HRG die Befristung durch die Notwendigkeit eines lebendigen und möglichst aktuellen Bezugs des Lektors zur Sprache und Kultur seines Herkunftslandes als sachlich gerechtfertigt angesehen hat, trägt dieser Grund die Befristung nicht. Im Anschluß an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteile vom 20. Oktober 1993 – Rs. C-272/92 – Spotti – AP Nr. 17 zu Art. 48 EWG-Vertrag und vom 2. August 1993 – Rs. C-259/91, 331/91 und 332/91 – Allué II – JZ 1994, 94 ff.) hat der Senat (Urteil vom 15. März 1995 – 7 AZR 737/94 – AP Nr. 10 zu § 2 BAT SR 2y, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt, zu V 3 und 4 der Gründe und Urteile vom 20. September 1995 – 7 AZR 249/94 –, n.v., zu I 2 der Gründe und – 7 AZR 70/95 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt, zu I der Gründe) entschieden, daß die Vermeidung der Entfremdung vom Herkunftsland kein anerkannter sachlicher Grund ist. Es gibt keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse für die unbewiesene These, daß der Aktualitätsbezug des Unterrichts eines Fremdsprachenlektors bei einem längeren Aufenthalt in Deutschland nicht mehr gewährleistet ist. Der Kontakt mit dem Heimatland und seiner originären Sprache kann auch auf andere Weise als durch Rückkehr, etwa durch aktuelle Kommunikationsmittel und Medien, aufrechterhalten werden. Die Gefahr, daß der Lektor durch einen längeren Auslandsaufenthalt den Kontakt mit seiner Muttersprache verliert, ist angesichts eines intensiven kulturellen Austausches und den zunehmenden Kommunikationserleichterungen damit als gering einzuschätzen.

2. Auch der Gesichtspunkt des laufenden kulturellen und wissenschaftlichen Austausches trägt die Befristung nicht. Nach der Senatsrechtsprechung, an der festzuhalten ist, ist eine Befristung unter dem Gesichtspunkt des kulturellen Austausches sachlich nur gerechtfertigt, wenn die konkrete Lektorenstelle dem internationalen Austausch von Hochschulabsolventen dient. Dazu bedarf es entsprechender Vereinbarungen mit ausländischen Hochschulen oder jedenfalls der Darlegung einer entsprechenden Verwaltungspraxis. Die dem sog. Rotationsprinzip innewohnende Weiterbildungsfunktion ist als sachlicher Grund für die Befristung nur anzuerkennen und sinnvoll, wenn nach verhältnismäßig kurzer Zeit auch tatsächlich ein Austausch stattfindet (BAG Urteil vom 19. August 1981, BAGE 36, 179, 182 f. = AP Nr. 59 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu 3 c der Gründe; BAG Urteil vom 6. Mai 1982, BAGE 38, 372, 380 = AP Nr. 67 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II 6 c der Gründe; BAG Urteil vom 13. Mai 1982, BAGE 39, 38, 50 = AP Nr. 68 zu § 620 BGB Befrister Arbeitsvertrag, zu C III 1 der Gründe; BAG Urteil vom 15. März 1995 – 7 AZR 737/94 – AP Nr. 10 zu § 2 BAT SR 2y, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt, zu V 5 der Gründe; BAG Urteile vom 20. September 1995 – 7 AZR 70/95 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt, zu 4 der Gründe und – 7 AZR 249/95 –, n.v., zu I 3 der Gründe).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Das beklagte Land hat im vorliegenden Verfahren weder eine Vereinbarung mit einer ausländischen Hochschule vorgelegt noch hat es dargelegt, daß auch die Stelle der Klägerin gerade dem Zwecke des Austausches diene.

3. Auch aus der in Art. 5 Abs. 3 GG gewährleisteten Wissenschaftsfreiheit ergeben sich vorliegend keine erleichterten Befristungsmöglichkeiten. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 20. September 1995 – 7 AZR 249/95 –, n.v., zu I 2 c der Gründe und – 7 AZR 70/95 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt, zu 3 der Gründe) gewährt die Wissenschaftsfreiheit den in den Universitäten tätigen Wissenschaftlern einen grundgesetzlich gesicherten Freiraum zur wissenschaftlichen Betätigung, ohne näher zu regeln, in welcher Weise dies zu geschehen hat. Soweit die Hochschulen selbst Träger des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit sind (vgl. BVerfGE 85, 360, 384), äußert sich diese vor allem darin, daß die Hochschulen vorbehaltlich der Organisationsfreiheit des Staates autonom bestimmen können, welche Qualifikation im einzelnen die in ihr Lehrenden aufweisen müssen (vgl. Löwisch, JZ 1994, 293). Es steht den Hochschulen daher grundsätzlich auch frei zu bestimmen, welche Qualifikation Lektoren haben müssen und wie die Qualifikation der Lektoren erhalten bleibt. Auch insoweit ergibt sich jedoch aus Art. 5 Abs. 3 GG nicht, auf welche Art und Weise dies zu geschehen hat. Welche Vertrags formen für die jeweils im Lehrbetrieb einer wissenschaftlichen Hochschule tätigen Personen in Betracht kommen und zulässig sind, beurteilt sich daher nach den allgemeinen Bestimmungen und den hierzu entwickelten Grundsätzen. Die Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ist nicht schrankenlos gewährt. Sie steht im Spannungsverhältnis zu den aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Grundrechten der dort Beschäftigten. Diesen gegenüber ist ihr nicht schlechterdings der Vorrang einzuräumen (BVerfGE 57, 70, 99); zu beachten sind auch die sich aus arbeitsrechtlichen Vorschriften ergebenden Bindungen (BAG Urteile vom 20. September 1995, a.a.O.; BAG Urteil vom 6. Mai 1982, BAGE 38, 372, 382 f. = AP Nr. 67 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu III der Gründe; BAG Urteil vom 13. Mai 1982, BAGE 39, 38, 52 f. = AP Nr. 68 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu D der Gründe; BAG Urteil vom 29. September 1982, BAGE 40, 196, 198 f. = AP Nr. 69 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II 5 d der Gründe). Der Bestandsschutz der Arbeitnehmer genießt über Art. 12 Abs. 1 GG und das Sozialstaatsprinzip selbst Verfassungsrang. Der Arbeitnehmerschutz vor Befristungen und die Wissenschaftsfreiheit der Universität müssen daher zu einem verhältnismäßigen Ausgleich gebracht werden (vgl. BVerfGE 59, 231, 263 ff.). Selbst wenn das Interesse der Hochschule an einem aktualitätsbezogenen Unterricht als Teil ihrer Grundrechtsposition anzusehen sein sollte, bestehen gegen die Beschäftigung von Lektoren in unbefristeten Arbeitsverhältnissen aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Bedenken. Die Vermittlung von Fremdsprachen ist eine Dauertätigkeit der Hochschulen, für die ein ständiger Bedarf an Lehrkräften besteht. Der Hochschule steht es auch nach wie vor frei, Arbeitsverträge auch mit Fremsprachenlektoren zu befristen, sofern hierfür ein über § 57 b Abs. 3 HRG hinausgehender Befristungsgrund vorliegt, wie dies etwa bei einer tatsächlich stattfindenden Rotation der Fall ist.

III. Einer Zurückverweisung des Rechtsstreits bedarf es nicht, da der Senat aufgrund der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts und des Parteivorbringens in den Schriftsätzen im Berufungsverfahren, auf die das Landesarbeitsgericht im Tatbestand ergänzend Bezug genommen hat, selbst in der Sache entscheiden kann (§ 72 Abs. 5 ArbGG, § 565 Abs. 3 ZPO). Ein die Befristung rechtfertigender sachlicher Grund liegt nicht vor.

1. Die Wirksamkeit der Befristung ergibt sich nicht aus § 57 b Abs. 3 HRG, da dieser vereinbarte Befristungsgrund nicht in Einklang mit Art. 48 Abs. 2 EWG-Vertrag steht.

Art. 48 Abs. 2 EWG-Vertrag regelt die Freizügigkeit für Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft. Die Freizügigkeit umfaßt die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer hinsichtlich der Arbeits- und Erwerbsbedingungen, die nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Im Anschluß an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteile vom 20. Oktober 1993 – Rs. C-272/92 – Spotti – AP Nr. 17 zu Art. 48 EWG-Vertrag und 2. August 1993 – Rs. C-259/91, 331/91 und 332/91 – Allué II – JZ 1994, 94 ff.) hat der Senat (Urteil vom 15. März 1995 – 7 AZR 737/94 – AP Nr. 10 zu § 2 BAT SR 2y, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt, zu V 3 und 4 der Gründe; Urteile vom 20. September 1995 – 7 AZR 249/94 –, n.v., zu I 2 der Gründe und – 7 AZR 70/95 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt, zu 1 der Gründe) entschieden, daß § 57 b Abs. 3 HRG dem in Art. 48 Abs. 2 EWG-Vertrag normierten Diskriminierungsverbot widerspricht, weil die unterschiedlichen Anforderungen an den Befristungsgrund bei Lektoren gegenüber den sonstigen Lehrkräften mit besonderen Aufgaben zu einer Ungleichbehandlung führen, die geeignet ist, ausländische Staatsangehörige zu diskriminieren. Diese Ungleichbehandlung kann auch nicht durch das Erfordernis der Sicherung eines aktualitätsbezogenen Unterrichts gerechtfertigt werden. Denn die Gefahr, daß der Lektor durch einen längeren Auslandsaufenthalt den Kontakt mit seiner Muttersprache verliert, ist angesichts eines intensiven kulturellen Austausches und der zunehmenden Kommunikationserleichterungen gering zu schätzen. Der Senat hat ergänzend darauf hingewiesen, daß es keine wissenschaftlichen Erkenntnisse für die unbewiesene These gebe, daß der Aktualitätsbezug des Unterrichts eines Fremsprachenlektors bei einem längeren Aufenthalt in Deutschland nicht mehr gewährleistet sei, schon weil der Kontakt mit dem Heimatland und der jeweils originären Sprache durch aktuelle Kommunikationsmittel und Medien aufrechterhalten werden könne, was auch eine Entfremdung vom Herkunftsland vermeide.

2. Soweit das beklagte Land im Berufungsverfahren die in den Richtlinien in Ziffer 1.3 festgelegte Zweckrichtung einer allgemeinen und insbesondere ggf. auch speziellen Weiter- und Fortbildung des ausländischen und wissenschaftlichen Nachwuchses und der speziellen Fort- und Weiterbildung im Sinne der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung (insbesondere die Promotion) angesprochen hat, rechtfertigt auch dies die Befristung nicht.

Eine spezielle Fort- und Weiterbildung kann zwar grundsätzlich dem Befristungstatbestand nach § 57 b Abs. 2 Nr. 1, erste Alternative HRG unterfallen. Welchem speziellen Fortbildungszweck die Befristung vorliegend gedient haben soll, legt das beklagte Land allerdings nicht dar. Vor allem aber wurde dieser Befristungsgrund nicht entsprechend der Formvorschrift des § 57 b Abs. 5 HRG arbeitsvertraglich vereinbart, so daß sich das beklagte Land auf ihn nicht berufen kann. Der Hinweis auf die Richtlinien genügt im Entscheidungsfall nicht dem Zitiergebot des § 57 b Abs. 5 HRG. Zweck des § 57 b Abs. 5 HRG ist es, zwischen den Vertragsparteien Klarheit darüber zu schaffen, ob zur Rechtfertigung der Befristung des Arbeitsverhältnisses ein in § 57 b Abs. 2 HRG geregelter Befristungsgrund in Anspruch genommen werden soll. Diese Frage soll einem späteren Streit der Parteien entzogen werden. Diesem Zweck wird die arbeitsvertragliche Vereinbarung nicht gerecht. Gemäß § 6 des ursprünglichen Arbeitsvertrages vom 2. April 1991 war der Klägerin eine Lehrverpflichtung von 16 Wochenstunden auferlegt. Hierbei handelt es sich um die reguläre Lehrverpflichtung gemäß Ziffer 2.5 der Richtlinien. Nach Ziffer 2.5 der Richtlinien ist allerdings für den Zeitraum, in dem die Beschäftigung des Lektors zugleich einer speziellen wissenschaftlichen Fort- und Weiterbildung dient und u.a. auch aus diesem Grunde befristet ist, die Lehrverpflichtung auf 12 Deputatstunden zu ermäßigen. Gemäß Ziffer 5.2 der Richtlinien ist im Arbeitsvertrag die aus diesem Grunde zu gewährende Ermäßigung zu vereinbaren, wenn die Beschäftigung zugleich dieser speziellen Fort- und Weiterbildung dient. Eine solche arbeitsvertragliche Vereinbarung einer Reduzierung der Deputatstunden ist nicht erfolgt und auch tatsächlich nicht durchgeführt worden, so daß davon auszugehen ist, daß dieser Befristungsgrund tatsächlich nicht vereinbart werden sollte. Unter Berücksichtigung des Gesamtinhalts der Richtlinien mußte die Klägerin bei objektiver Betrachtungsweise den Verweis in § 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrages auf die Richtlinien insoweit dahingehend verstehen, daß ein eventuelles Promotionsvorhaben nicht zur Grundlage der Befristung gemacht werden sollte, da eine Reduzierung des Lehrdeputats gerade nicht vereinbart wurde.

3. Ein sachlicher Grund der Befristung folgt vorliegend auch nicht aus § 57 b Abs. 2 Nr. 1, zweite Alternative HRG. Zwar verweisen die Richtlinien des Landes in Ziffern 1.3 und 3.1 auf eine Erweiterung und Vertiefung der eigenen Kenntnisse des Lektors zur Steigerung der Befähigung für eine spätere Berufstätigkeit. Das beklagte Land hat aber nicht dargelegt, inwieweit die Dienstleistung auch der Aus-, Fort- oder Weiterbildung gedient haben soll. Bei einer beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung im Sinne des § 57 b Abs. 2 Nr. 1, zweite Alternative HRG handelt es sich im Sinne des § 7 HRG um eine Qualifizierung auf ein berufliches Tätigkeitsfeld hin, das im Wege der Ergänzung und Vertiefung der im Studium erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten die beruflichen Aussichten außerhalb der Hochschule verbessert (KR-Lipke,

4. Aufl., § 57 b HRG Rz 10). Demgegenüber war die Klägerin zum Zeitpunkt des Abschlusses des ersten Arbeitsvertrages bereits mehrjährig als Lehrerin für Französisch tätig und übte damit einen ihrer Qualifikation entsprechenden Beruf bereits aus.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO.

 

Unterschriften

Steckhan, Schmidt, Düwell, Dr. Schiele, Jubelgas

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1093118

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