Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifliche Nah- und Fernauslösung und Lohnfortzahlung

 

Orientierungssatz

1. Nahauslösung nach dem Bundestarifvertrag für die besonderen Arbeitsbedingungen der Montagearbeiter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie einschließlich des Fahrleitungs-, Freileitungs- Ortsnetz- und Kabelbaues vom 30.4.1980 (BMTV) zählen zum fortzuzahlenden Arbeitsentgelt im Sinne von § 15 Nr 1 Buchst a Abs 1 des Manteltarifvertrages für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalen vom 30.4.1980 (MTV-Metall NRW), soweit sie versteuert werden müssen.

2. Dagegen gehören Fernauslösungen nach dem BMTV nicht zum fortzuzahlenden Arbeitsentgelt im Sinne von § 15 MTV- Metall NRW, auch dann nicht, wenn der Montagestammarbeiter im Bezugszeitraum nach dem das fortzuzahlende Arbeitsentgelt berechnet wird, nicht am Montageort übernachtet hatte, sondern täglich mit seinem Pkw von seiner Wohnung zum Montageort gefahren war.

 

Normenkette

TVG § 1; LFZG § 2 Abs. 1, 3 S. 1

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 16.04.1985; Aktenzeichen 16 Sa 58/85)

ArbG Wesel (Entscheidung vom 22.11.1984; Aktenzeichen 2 Ca 864/84)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger als Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle außer dem Lohn auch den zu versteuernden Teil der Nah- oder Fernauslösung zu gewähren.

Der Kläger ist seit 1976 bei der Beklagten als Rohrschlosser und Schweißer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis sind kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit der Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalen vom 30. April 1980 (MTV-Metall NRW) sowie der Bundestarifvertrag für die besonderen Arbeitsbedingungen der Montagearbeiter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie einschließlich des Fahrleitungs-, Freileitungs-, Ortsnetz- und Kabelbaues vom 30. April 1980 (BMTV) anzuwenden.

§ 7 BMTV enthält unter anderem folgende Bestimmungen über die Nahmontage:

"7.1.1 Begriff

Nahmontage ist eine Montage, bei der dem Montage-

stammarbeiter die tägliche Rückkehr zum Ausgangs-

punkt zumutbar ist.

.....

7.3 Nahauslösung

7.3.1. Die Nahauslösung ist eine Pauschaler-

stattung, die den Mehraufwand bei aus-

wärtigen Arbeiten abdecken soll.

(Hierzu heißt es in der Anmerkung 6:

Die Regelung über Nahauslösung trägt dem

Umstand Rechnung, daß die Beschäftigung

auf einer außerbetrieblichen Arbeitsstelle

eine längere Abwesenheit des Montagestamm-

arbeiters von zu Hause erfordert. Die längere

Abwesenheit bedingt Mehraufwendungen während

des Erreichens der Montagestelle und auf der

Montagestelle, die pauschal erstattet werden.

Eine Vergütung für den Zeitaufwand erfolgt

nicht.)

.....

7.3.11 Soweit und solange Auslösungen zu ver-

steuern sind, werden sie nach Maßgabe der ge-

setzlichen und tariflichen Bestimmungen wie

Arbeitsentgelt behandelt."

§ 6 BMTV bestimmt über die Fernmontage unter anderem:

"6.1 Begriff

Fernmontage ist eine Montage, die ein auswärtiges

Übernachten des Montagestammarbeiters erfordert,

weil ihm die tägliche Rückkehr entweder an den

Sitz des entsendenden Betriebes oder zu einer

Wohnung nicht zumutbar ist.

.....

6.4 Fernauslösung

6.4.1 Die Auslösung ist eine Pauschalerstattung

der Mehraufwendungen am Montageort.

.....

6.4.3 Soweit und solange Auslösungen zu versteuern

sind, werden sie nach Maßgabe der gesetz-

lichen und tariflichen Bestimmungen wie Ar-

beitsentgelt behandelt.

.....

6.10.1 Bei ärztlich festgestellter Arbeitsunfähig-

keit während der Montage wird die Auslösung

weitergezahlt.

(Hierzu heißt es in der Anmerkung 19: Voraussetzung

für die Weiterzahlung der Fernauslösung ist, daß

der Montagestammarbeiter sich auch während der Ar-

beitsunfähigkeit am Montageort aufhält.)

Der Montagestammarbeiter ist verpflichtet, unver-

züglich nach Hause zu fahren, wenn er nach ärzt-

licher Feststellung dazu in der Lage ist, es sei

denn, der Arbeitgeber ist mit dem Verbleib am

Montageort einverstanden. .....

(Hierzu heißt es in der Anmerkung 20: Fährt ein

Montagestammarbeiter trotz ärztlich festgestell-

ter Transportfähigkeit nicht unverzüglich nach

Hause, so entfällt vom Zeitpunkt der Transport-

fähigkeit an der Anspruch auf die Auslösung.)

Bei ärztlich festgestellter Arbeitsunfähigkeit

am Heimatort entfällt der Anspruch auf Fernaus-

lösung ab dem Tag, für den die Arbeitsunfähigkeit

festgestellt worden ist. ......"

Nach § 8 Nr. 8 MTV-Metall NRW ist dem Arbeiter in Fällen unverschuldeter mit Arbeitsunfähigkeit verbundener Krankheit der regelmäßige Arbeitsverdienst bis zur Dauer von sechs Wochen weiterzuzahlen. Für die Berechnung des regelmäßigen Arbeitsverdienstes soll nach § 15 Nr. 1 Buchst. a) (soweit hier von Bedeutung) folgendes maßgeblich sein:

"Hinsichtlich der Lohnhöhe der durchschnitt-

liche Stundenverdienst in den letzten drei

abgerechneten Monaten .... vor Beginn des

Fortzahlungszeitraums (Gesamtverdienst des

Arbeitnehmers in dem betreffenden Zeitraum

einschließlich aller Zuschläge, jedoch ohne

einmalige Zuwendungen sowie Leistungen, die

Aufwendungsersatz darstellen, zum Beispiel

Auslösungen, soweit sie nicht Arbeitsentgelt

sind, geteilt durch die Zahl der bezahlten

Arbeitsstunden)."

Der Kläger war auf auswärtigen Baustellen eingesetzt. Seit Mitte 1983 erhielt er pro Arbeitstag eine Auslösung in Höhe von 40,05 DM wovon 18,05 DM steuerpflichtig waren. Bis 1982 bezog die Beklagte den steuerpflichtigen Teil der Auslösung in die Berechnung der Lohnfortzahlung ein. In der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Juli 1984 war der Kläger an insgesamt 26 Arbeitstagen arbeitsunfähig krank. Die Beklagte errechnete für diese Zeit den fortzuzahlenden Lohn ohne Auslösung. Mit seiner Klage verlangt der Kläger die Auszahlung des steuerpflichtigen Teiles der Auslösung.

Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte habe jahrelang den steuerpflichtigen Teil der Auslösung bei der Lohnfortzahlung berücksichtigt. Dadurch sei eine betriebliche Übung entstanden. Soweit ihm eine Auslösung gewährt worden sei, habe es sich um Nahauslösung gehandelt. Diese sei - soweit steuerpflichtig - bei der Berechnung des Durchschnittsverdienstes nach § 15 Nr. 1 Buchst. a) MTV-Metall NRW einzubeziehen. Der Kläger hat - soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung - beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 469,30 DM

brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich daraus

ergebenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit

zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, eine betriebliche Übung sei nicht entstanden, und weiter behauptet, sie habe erst Ende 1983 von ihrem Verband erfahren, daß die steuerpflichtigen Anteile der Auslösung im Falle der Arbeitsunfähigkeit nicht weiterzuzahlen seien. Bis dahin sei sie von einem anderen Verständnis der tariflichen Bestimmungen ausgegangen. Der Kläger habe bis Dezember 1984 Fernauslösung und erst danach Nahauslösung erhalten. Unabhängig davon seien Auslösungen kein Arbeitslohn, sondern Aufwendungsersatz und daher im Krankheitsfalle nicht zu berücksichtigen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit der der Kläger sein Klageziel weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur antragsgemäßen Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Vorinstanz. Die Sache bedarf weiterer Aufklärung.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, weder die Fernauslösung noch die Nahauslösung gehörten zu dem nach § 8 Nr. 8 Satz 1, § 15 Nr. 1 Buchst. a) MTV-Metall NRW fortzuzahlenden regelmäßigen Arbeitsverdienst. Es hat daher offengelassen, ob der Kläger Fern- oder Nahauslösung bezogen hat. Diesem Ergebnis kann nur teilweise gefolgt werden.

II. 1. Nahauslösungen nach dem Bundestarifvertrag für die besonderen Arbeitsbedingungen der Montagearbeiter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie einschließlich des Fahrleitungs-, Freileitungs-, Ortsnetz- und Kabelbaues mit Anmerkungen vom 30. April 1980 (BMTV) zählen zum fortzuzahlenden Arbeitsentgelt im Sinne von § 15 Nr. 1 Buchst. a) Abs. 1 des Manteltarifvertrages für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein- Westfalens vom 30. April 1980 (MTV-Metall NRW), soweit sie versteuert werden müssen. Das hat der Senat in seinem Urteil vom 14. August 1985 - 5 AZR 76/85 - (AP Nr. 14 zu § 2 LohnFG) unter Bezugnahme auf frühere Rechtsprechung, auf das Schrifttum (Ziepke, Kommentar zum MTV-Metall NRW, 1. und 2. Aufl.) und auf die Tarifgeschichte mit ausführlicher Begründung noch einmal klargestellt (vgl. zu II aaO). Daran wird festgehalten. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf das genannte Urteil verwiesen.

2. Dagegen gehören Fernauslösungen nach dem BMTV nicht zum fortzuzahlenden Arbeitsentgelt im Sinne von § 15 MTV-Metall NRW, auch dann nicht, wenn der Montagestammarbeiter im Bezugszeitraum, nach dem das fortzuzahlende Arbeitsentgelt berechnet wird, nicht am Montageort übernachtet hatte, sondern täglich mit seinem Pkw von seiner Wohnung zum Montageort gefahren war. Dies hat der Senat im Urteil vom 15. Juni 1983 (5 AZR 598/80) im Anschluß an das Urteil des Sechsten Senats vom 28. Januar 1982 (6 AZR 911/78, AP Nr. 11 zu § 2 LohnFG) ebenfalls mit ausführlicher Begründung noch einmal klargestellt (BAG 43, 87 = AP Nr. 12 zu § 2 LohnFG). Auch daran wird festgehalten.

III. Da das Landesarbeitsgericht Feststellungen zu der Frage, ob dem Kläger im maßgeblichen Zeitraum Nah- oder Fernauslösungen gewährt worden sind, nicht getroffen hat, ist es dem Senat nicht möglich, den Rechtsstreit abschließend zu entscheiden. Vielmehr bedarf es insoweit noch der näheren Aufklärung. Dies machte die Zurückverweisung des Rechtsstreits erforderlich.

Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog

Polcyn Dr. Kalb

 

Fundstellen

Dokument-Index HI440053

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