Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung eines Oberarztes in einer Universitätsklinik

 

Leitsatz (redaktionell)

Fortsetzung des Rechtsstreits bzgl. Urteile vom 14. August 1991 – 4 AZR 25/91 – AP Nr. 159 zu §§ 22, 23 BAT 1975 und vom 5. April 1995 – 4 AZR 144/94 – n.v.

 

Normenkette

BAT 1975 §§ 22-23; BGB §§ 133, 157, 611

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 11.12.1996; Aktenzeichen 1 Sa 1073/95)

ArbG Marburg (Urteil vom 19.07.1989; Aktenzeichen 1 Ca 96/89)

 

Tenor

1. Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 11. Dezember 1996 –1 Sa 1073/95 – wird zurückgewiesen.

2. Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.

Der Kläger ist promovierter Mediziner und seit dem 7. Januar 1989 zum außerplanmäßigen Professor berufen. Er war seit dem 1. Februar 1987 bis zum 30. September 1993 bei dem Klinikum der Philipps-Universität Marburg des beklagten Landes aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 26. Januar 1987 beschäftigt. In der Zeit vom 1. April bis 30. September 1993 war er gemäß § 50 Abs. 2 BAT ohne Vergütung beurlaubt. Er erhielt zunächst Vergütung nach VergGr. I b BAT, seit dem 1. Januar 1990 nach der VergGr. I a BAT. Nach § 2 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung.

Durch Beschluß des Klinikumvorstandes vom 21. Januar 1988 wurde der Kläger zum Stellvertreter des Abteilungsleiters der „Klinik für Allgemeinchirurgie” im Medizinischen Zentrum für Operative Medizin I bestellt. Dieser Beschluß hat folgenden Wortlaut:

„Beschluß

des Vorstandes vom: 21.01.1988 zu Top: 11 b

Stellvertreter des Abteilungsleiters der Klinik für Allgemeinchirurgie im Med. Zentrum für Operative Medizin I

Der Klinikumvorstand bestellt Herrn PD Dr. W. als Stellvertreter des Abteilungsleiters der Klinik für Allgemeinchirurgie im Med. Zentrum für Operative Medizin I.

(Dr. A.T.)

– Verwaltungsdirektor –”

Dem Abteilungsleiter, Prof. Dr. R., sind ca. 20 Ärzte dienstlich und organisatorisch unterstellt. Nach den gesetzlichen Bestimmungen des Hessischen Universitätsgesetzes (HUG) sind im Rahmen des Universitätsklinikums verschiedene medizinische Zentren eingerichtet, die jeweils von einem Professor als geschäftsführendem Direktor geleitet werden. Jedes einzelne medizinische Zentrum ist seinerseits in verschiedene Abteilungen/Kliniken untergliedert, die wiederum von einem Professor als Abteilungsleiter geleitet werden.

Nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers hat dieser auch in Anwesenheit des Abteilungsleiters neben einer Vielzahl anderer Tätigkeiten u.a. auch die Aufgabe, die Pläne für die Besetzung der Stationen und Funktionsbereiche mit ärztlichem und Pflegepersonal aufzustellen. Daneben bildet er die Stationsärzte fachchirurgisch, insbesondere operativ aus. Darüber hinaus hat er folgende organisatorische Aufgaben zu erledigen:

  • Eigenverantwortliche Organisation und Zusammenstellung aller relevanten Daten und Fakten für eine Wirtschaftlichkeitsprüfung der Chirurgischen Klinik im Rahmen einer Prüfung des Gesamtklinikums. Meßbar erfaßt wurden dabei nicht nur Patientenversorgung, sondern auch Forschung und Lehre.
  • Erstellen eines Dienstplanes für den ärztlichen Schichtdienst auf der chirurgischen Intensivstation. Dieser Dienstplan trägt dem sehr wechselhaften Arbeitsanfall einer Intensivstation sowie allen gesetzlichen Bestimmungen Rechnung. Es ist der erste von Verwaltung und Personalrat akzeptierte Dienstplan für diese Station seit ihrem Bestehen von über 4 Jahren.
  • Erstellen des „M. Operationskataloges”, der alle für unsere Klinik relevanten Operationen enthält. Die edv-mäßige Speicherung des Kataloges ermöglicht uns eine rasche statistische Leistungserfassung des Operationsbereiches, erleichtert die wissenschaftliche Erhebung bezüglich einzelner Operationen bzw. Krankheitsbilder und ermöglicht es, jedem Mitarbeiter am Jahresende einen Computerausdruck über seine selbst durchgeführten Operationen bzw. Assistenzen zur Verfügung zu stellen.
  • Mithilfe bei der Umorganisation des Dienstplanes der OP- Schwestern für die 39-Stunden-Woche ohne wesentliche Nachteile für den gesamten Operationsbetrieb in Absprache mit dem Klinikleiter und der Pflegedienstleitung.

Nachdem dem Kläger der vorgenannte Beschluß des Klinikumvorstandes mit Schreiben vom 3. Februar 1988 übersandt worden war, verlangte er zunächst mit Schreiben vom 16. März 1988 rückwirkend zum 15. Februar 1988 erfolglos Vergütung nach VergGr. I a BAT. Mit Schreiben vom 9. Mai 1988 beantragte er sodann Vergütung nach der VergGr. I Fallgruppe 4.

Nachdem dies von dem beklagten Land abgelehnt wurde, hat der Kläger dieses Begehren klageweise geltend gemacht.

Der Kläger hat vorgetragen, die Voraussetzungen der VergGr. I Fallgruppe 4 BAT lägen in seiner Person vor. Bei der Klinik für Allgemeinmedizin handele es sich um eine Anstalt im Sinne der Sonderregelung 2 a und um eine „Abteilung (Klinik)” im Sinne der Protokollnotiz Nr. 3. Er vertrete Prof. Dr. R. in der Gesamtheit seiner ärztlichen Dienstaufgaben und dies auch in Anwesenheit des Abteilungsleiters. Da das Schreiben vom 3. Februar 1988 keine Einschränkung enthalte, sei davon auszugehen, daß er zum ständigen Vertreter von Prof. Dr. R. bestellt worden sei.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, den Kläger ab 1. März 1988 bis zum 31. März 1993 nach VergGr. I BAT zu vergüten.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat vorgetragen, in dem Beschluß des Klinikumvorstandes sei keine ausdrückliche Anordnung im Sinne der VergGr. I Fallgruppe 4 BAT zu sehen. Der Kläger habe lediglich zum Abwesenheitsvertreter bestellt werden sollen, die Anordnung der ständigen Vertretung hätte ausdrücklich erfolgen müssen. Jegliches andersartige Verständnis des Beschlusses von Seiten des Klägers müsse sich das beklagte Land nicht zurechnen lassen. Im übrigen vertrete der Kläger Prof. Dr. R. nicht in der Gesamtheit der Aufgaben, wie sie in der Verordnung zu § 36 a HUG festgelegt seien. Soweit er zusammen oder in Absprache mit Prof. Dr. R. Leitungsfunktionen wahrnehme, liege keine echte Stellvertretung vor. Schließlich sei die Klinik, in der der Kläger tätig sei, keine Klinik im Sinne der Protokollnotiz Nr. 3.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Auf die zugelassene Revision hat der Senat das Urteil des Landesarbeitsgerichts mit Urteil vom 14. August 1991 (– 4 AZR 25/91 –) aufgehoben und zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Das Landesarbeitsgericht hat daraufhin eine Beweisaufnahme durchgeführt und mehrere Zeugen vernommen, jedoch nicht den vom Kläger zu vertretenden Abteilungsleiter Prof. Dr. R. Es hat sodann die Berufung des Klägers erneut zurückgewiesen. Auf die hiergegen vom Kläger eingelegte Revision hat der Senat mit Urteil vom 5. April 1995 (– 4 AZR 144/94 –) das Urteil des Landesarbeitsgerichts erneut aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Das Landesarbeitsgericht hat nach Vernehmung des Zeugen Prof. Dr. R. das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert, dem Klageantrag entsprochen und die Revision gegen sein Urteil wiederum zugelassen. Das beklagte Land erstrebt mit seiner Revision weiterhin die Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.

I. Der Kläger hat für die Zeit vom 1. März 1988 bis zum 31. März 1993 Anspruch darauf, anstelle der gezahlten Vergütung eine solche nach der VergGr. I BAT/BL zu erhalten. Die Voraussetzungen der VergGr. I Fallgruppe 4 BAT/BL einschließlich der Protokollnotiz Nr. 3 zu dieser Bestimmung sind erfüllt. Der Kläger war in dieser Zeit zum ständigen Vertreter in einer Abteilung (Klinik) im Sinne der vorgenannten Normen bestellt worden.

1. Die hier in Rede stehende „Klinik für Allgemeinchirurgie” im „Medizinischen Zentrum für Operative Medizin I” des Universitätsklinikums Marburg ist eine „Klinik (Abteilung)” im Sinne der genannten Protokollnotiz. Dies hat der Senat im vorliegenden Rechtsstreit bereits in seinem Urteil vom 14. August 1991 (– 4 AZR 25/91 –) entschieden.

Entgegen der Revision hat der Senat diese Ansicht nicht mit der Entscheidung vom 25. Oktober 1995 (– 4 AZR 479/94 – AP Nr. 207 zu §§ 22, 23 BAT 1975) geändert. In diesem Urteil hat der Senat vielmehr über die Eingruppierung eines Oberarztes in der Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde des Landes Baden-Württemberg in Tübingen entschieden und dabei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß damit keine von der Auslegung der Protokollnotiz Nr. 3 im Urteil vom 14. August 1991 (– 4 AZR 25/91 – a.a.O.) abweichende Auslegung verbunden sei.

2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger sei durch den Beschluß des Klinikumvorstandes zum „ständigen” Vertreter des leitenden Arztes Prof. Dr. R. bestellt worden und nicht nur zum sogenannten „Abwesenheitsvertreter”. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Das Landesarbeitsgericht hat nach Vernehmung der an dem Beschluß vom 21. Januar 1988 beteiligten Mitglieder des Klinikumvorstandes und nach Vernehmung des Zeugen Prof. Dr. R. ausgeführt, angesichts der Fülle und der Bedeutung der Aufgaben, die dieser auf den Kläger zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung übertragen habe, habe der Kläger die Entscheidung des Klinikumvorstandes als Willenserklärung mit dem Inhalt entgegennehmen und verstehen müssen, er solle zum „Anwesenheitsvertreter” und damit zum ständigen Vertreter des Abteilungsleiters Prof. Dr. R. bestellt werden.

b) Diese vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Würdigung des Beweisergebnisses ist durch das Revisionsgericht nur in beschränktem Umfang überprüfbar, nämlich nur auf die Wahrung der Voraussetzungen und Grenzen des § 286 ZPO. Der Senat kann mithin nur überprüfen, ob das Landesarbeitsgericht den gesamten Inhalt der Verhandlung berücksichtigt hat, ob es alle erhobenen Beweise gewürdigt hat, ob die Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei sowie frei von Verstößen gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze ist, und schließlich, ob sie rechtlich möglich ist (vgl. BAG Urteil vom 12. März 1997 – 5 AZR 766/95 – AP Nr. 10 zu § 3 MuSchG; ständige Rechtsprechung des BAG).

c) Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts stand. Sie werden auch von dem beklagten Land nicht konkret, sondern nur noch mit dem Hinweis auf frühere Stellungnahmen und von ihm geäußerte Rechtsansichten angegriffen.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schliemann, Friedrich, Schneider, v. Dassel, Kiefer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1251948

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