Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweiswert des ärztlichen Zeugnisses nach § 3 Abs. 1 MuSchG

 

Leitsatz (amtlich)

  • Ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG darf nur dann ausgesprochen werden, wenn die Fortdauer der Beschäftigung Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind gefährden würde. Es reicht aber aus, wenn die Fortdauer der Beschäftigung allein aufgrund der individuellen Verhältnisse der Frau die Gesundheit von Mutter oder Kind gefährden würde.
  • Die Beweislast dafür, daß die Voraussetzungen für ein Beschäftigungsverbot in Wahrheit nicht vorgelegen haben, liegt beim Arbeitgeber (Bestätigung von BAG Urteil vom 31. Juli 1996 – 5 AZR 474/95 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
  • Der Arzt der Schwangeren hat zwar die Fragen des Arbeitgebers nach dem Umfang des Beschäftigungsverbots, nicht aber die Fragen nach den Gründen für den Ausspruch des Beschäftigungsverbots zu beantworten.
  • Angaben über den Gesundheitszustand und über den Verlauf der Schwangerschaft gehören nicht in das nach § 3 Abs. 1 MuSchG auszustellende ärztliche Zeugnis hinein. Durch einfaches Bestreiten kann der Arbeitgeber nicht erreichen, daß die Schwangere oder ihr Arzt Angaben dazu macht und sie ihren Arzt von der Schweigepflicht entbindet.
 

Normenkette

MuSchG § 3 Abs. 1, § 11 Abs. 1; EFZG § 3 Abs. 1; ZPO §§ 286, 377 Abs. 3, § 398

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 13.06.1995; Aktenzeichen 14 Sa 20/95)

ArbG Mannheim (Urteil vom 29.11.1994; Aktenzeichen 5 Ca 146/94)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Mutterschutzlohn aufgrund eines ärztlichen Beschäftigungsverbots und um Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit Januar 1990 als Fotosetzerin zu einem Monatsverdienst von durchschnittlich zuletzt 4.299,00 DM brutto beschäftigt.

Die Klägerin leidet phasenweise an Bluthochddruck. Sie war deshalb von Mittwoch, den 1. bis zum Donnerstag, den 16. September 1993 und von Montag, den 18. bis zum Sonntag, den 31. Oktober 1993 arbeitsunfähig krank.

Am 24. September und am Freitag, dem 15. Oktober 1993 war die Klägerin von der Beklagten schriftlich abgemahnt worden. Um den 15. Oktober 1993 wurde die Klägerin schwanger. Mit Schreiben vom 18. November 1993, das der Klägerin vom Geschäftsführer der Beklagten am Freitag, dem 19. November 1993 übergeben wurde, sprach die Beklagte die ordentliche Kündigung aus. Am selben Tag wurde die Schwangerschaft der Klägerin festgestellt. Daraufhin nahm die Beklagte die Kündigung zürück.

Von Montag, dem 22. November bis Freitag, dem 3. Dezember 1993 war die Klägerin wieder arbeitsunfähig krank. Am 3. Dezember 1993 stellte die behandelnde Frauenärztin ein Beschäftigungsverbot aus. Die Bescheinigung hat folgenden Wortlaut:

“Für Frau S… wird vom 6.12.93 bis zum Ende der Schwangerschaft ein vollständiges Beschäftigungsverbot ausgesprochen.

Das Beschäftigungsverbot wird auf Grund folgender Ursachen ausgesprochen: Drohende Fehlgeburt mit Blutung.

Die Weiterführung der Arbeit führt zu einer Gefährdung des Kindes.”

Die Beklagte verweigerte für die Zeit nach dem 3. Dezember 1993 jede Zahlung. Die Klägerin erhielt auch kein Krankengeld.

Mit Schreiben vom 19. Januar 1994 bot die Beklagte der Klägerin “eine Beschäftigung mit Korrekturlesen” an. Die Klägerin erwiderte mit anwaltlichem Schreiben vom 8. Februar 1994, die Gefährdung von Mutter und Kind entstehe nicht durch die Art der Arbeit oder die objektive Ausgestaltung des Arbeitsplatzes, sondern durch die psychische Belastung, der die Klägerin in Verbindung mit ihrer körperlichen Konstitution ausgesetzt sei.

Auf Verlangen der Beklagten ließ sich die Klägerin am 10. Februar 1994 von einem anderen Frauenarzt untersuchen. Die hierüber ausgestellte Bescheinigung lautet wie folgt:

“Gutachten

Oben genannte Patientin stellte sich heute bei uns vor. Es besteht eine Hochrisikoschwangerschaft (Hypertonus, Zustand nach Blutungen in der Gravidität).

Aufgrund unserer Untersuchungen besteht eine Gefährdung für Mutter und Kind bei Fortdauer der Beschäftigung.”

Die Beklagte erkannte auch diese Bescheinigung nicht an.

Von Freitag, dem 25. Februar bis Dienstag, dem 1. März 1994 und von Dienstag, dem 19. April bis Mittwoch, dem 27. April 1994 befand sich die Klägerin wegen schwangerschaftsbedingter Komplikationen im Krankenhaus. Die Mutterschutzfrist gem. § 3 Abs. 2 MuSchG begann am 25. Mai 1994. Das Kind der Klägerin wurde am 16. Juli 1994 geboren.

Die Klägerin verlangt für die Zeit vom 6. Dezember 1993 bis zum 24. Mai 1994 Vergütung in rechnerisch unstreitiger Höhe, und zwar für die Zeit ihrer Krankenhausaufenthalte Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle und im übrigen Mutterschutzlohn.

Die Klägerin hat vorgetragen: Das ärztliche Zeugnis gem. § 3 Abs. 1 MuSchG habe wie die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die Vermutung der Richtigkeit für sich. Die werdende Mutter sei, sofern keine begründeten Zweifel an der Richtigkeit bestünden, nicht verpflichtet, darüber hinausgehende Bescheinigungen vorzulegen. Es sei mit dem Persönlichkeitsrecht einer Schwangeren nicht zu vereinbaren, von ihr zu verlangen, gegenüber dem Arbeitgeber Einzelheiten ihrer Schwangerschaft zu offenbaren.

Die Voraussetzungen für den Ausspruch eines Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs. 1 MuSchG hätten vorgelegen. Der bei ihr bestehende chronische Bluthochdruck habe im Anspruchszeitraum für sich allein genommen nicht zur Arbeitsunfähigkeit geführt. Allerdings habe hierdurch bedingt eine Hochrisikoschwangerschaft vorgelegen. Aufgrund des Stresses im Betrieb seien Bluthochdruckspitzen zu befürchten gewesen. Dies hätte eine Lebensgefahr für das Kind bedeutet. Sie sei – entgegen den Angaben der Beklagten – auch im hektischen, nervenaufreibenden Kleingeschäft, d.h. im Akzidenz- und Anzeigensatz, eingesetzt gewesen. Das Betriebsklima sei generell durch großen Druck, Auseinandersetzungen und Furcht vor der entwürdigenden Kritik durch den Geschäftsführer gekennzeichnet gewesen. Ab Ende 1992/Anfang 1993 sei es immer schlimmer geworden. Der Geschäftsführer habe sich des öfteren abfällig über sie geäußert: Man müsse sie rausschmeißen, sie könne nichts. Dies habe dazu geführt, daß sie immer wieder “völlig fertig” von der Arbeit nach Hause gekommen sei und von dort aus ihrem Mann telefonisch die Vorkommnisse am Arbeitsplatz geschildert habe. Sie sei völlig aufgelöst gewesen und habe geweint. Die Auswirkungen dieser Streßsituationen seien sogar für die Frauenärztin feststellbar gewesen: so sei die Arbeitsunfähigkeit vom 18. bis 31. Oktober 1993 durch die Abmahnung vom 15. Oktober und die erneute Arbeitsunfähigkeit vom 22. November bis 3. Dezember 1993 durch die zuvor ausgesprochene Kündigung ausgelöst worden.

Die den Krankenhausaufenthalten vom 25. Februar bis zum 1. März und vom 19. April bis zum 27. April 1994 jeweils zugrundeliegenden Erkrankungen stünden nicht im Fortsetzungszusammenhang mit den im Jahre 1993 aufgetretenen Krankheitszeiten.

Auf entsprechende Aufforderung des Arbeitsgerichts hat die Klägerin eine am 19. August 1994 ausgestellte “fachärztliche Äußerung” der Frauenärztin Frau St… vorgelegt, die das Beschäftigungsverbot ausgesprochen hatte. Deren Inhalt hat sich die Klägerin zu eigen gemacht.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 24.268,31 DM brutto nebst Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen: Das Beschäftigungsverbot entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen. Ein solches könne nur dann ausgesprochen werden, wenn die Risiken für Mutter oder Kind in irgendeinem Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz stünden. Dieser müsse für Mutter oder Kind besonders belastend sein. Das sei jedoch nicht der Fall. Bei der Klägerin habe wegen des mit der Arbeit nicht zusammenhängenden Bluthochdrucks eine Hochrisikoschwangerschaft bestanden. Die irregulär verlaufende Schwangerschaft sei eine Krankheit im Sinne des Rechts der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle, so daß die Ärztin an Stelle eines Beschäftigungsverbots eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hätte ausstellen müssen. Daß die Klägerin auch nach dem 3. Dezember 1993 wegen Bluthochdrucks arbeitsunfähig krank gewesen sei, folge auch daraus, daß sie zuvor aus denselben Gründen gefehlt habe. Soweit sich die Klägerin im Anspruchszeitraum zweimal im Krankenhaus aufgehalten habe, so lägen Erkrankungen vor, die im Fortsetzungszusammenhang mit den vorausgegangenen stünden.

Die Klägerin habe im Sitzen ohne Hektik gearbeitet und sei nicht mit dem unruhigeren Akzidenzgeschäft betraut gewesen. Sie habe in Ruhe Texte zu erfassen, zu gestalten oder zu korrigieren gehabt. Sie sei auch keineswegs entwürdigend behandelt worden. Die Abmahnungen und die dann zurückgenommene Kündigung seien ausgesprochen worden, weil sie aus objektiv nachvollziehbaren Gründen mit den Leistungen der Klägerin nicht zufrieden gewesen sei. Ihr Geschäftsführer nehme nur kaufmännische Aufgaben wahr und sei im Produktionsbereich nicht tätig. Schon deshalb könne der Vortrag der Klägerin nicht zutreffen.

Die den beiden Krankenhausaufenthalten jeweils zugrundeliegenden Erkrankungen stünden im Fortsetzungszusammenhang mit den im Jahre 1993 aufgetretenen Krankheitszeiten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat für die Zeit vom 25. Februar bis zum 1. März und vom 19. April bis zum 27. April 1994 Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und für die Zeit vom 6. Dezember 1993 bis zum 24. Mai 1994 mit Ausnahme der vorgenannten Zeiträume Anspruch auf Mutterschutzlohn.

I. Der Anspruch auf Mutterschutzlohn ergibt sich aus § 11 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 MuSchG. Das Landesarbeitsgericht ist zu der Überzeugung gelangt, daß die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 MuSchG vorliegen. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Nach § 3 Abs. 1 MuSchG dürfen “werdende Mütter … nicht beschäftigt werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist”. Es muß gerade die “Fortdauer der Beschäftigung” sein, die Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind gefährdet; die Gefährdung muß von der Fortsetzung der Arbeit ausgehen. Entgegen der Auffassung der Revision ist nicht Voraussetzung, daß der konkrete Arbeitsplatz oder die Arbeit als solche gesundheitsgefährdend sind. Ein Beschäftigungsverbot kann vielmehr auch dann ausgesprochen werden, wenn die Beschäftigung für nicht schwangere Frauen keinerlei Gefährdung mit sich bringt, wohl aber aufgrund der individuellen Verhältnisse der schwangeren Frau die Gesundheit von Mutter oder Kind gefährden würde (Gröninger/Thomas, MuSchG, Stand Februar 1997, § 3 Rz 26; Zmarzlik/Zipperer/Viethen, MuSchG, 7. Aufl. 1994, § 3 Rz 5; Bulla/Buchner, MuSchG, 5. Aufl. 1986, § 3 Rz 10).

Das ärztliche Beschäftigungsverbot kann – den medizinischen Erfordernissen entsprechend – für jede Beschäftigung der Schwangeren im Betrieb des Arbeitgebers ausgesprochen werden. Es kann aber auch auf bestimmte Beschäftigungen oder Arbeiten unter bestimmten Umständen beschränkt werden. Dann darf der Arbeitgeber der Frau eine andere zumutbare Arbeit zuweisen (BAG Urteil vom 31. März 1969 – 3 AZR 300/68 – BAGE 21, 370 = AP Nr. 2 zu § 11 MuSchG 1968; Urteil vom 9. September 1971 – 3 AZR 261/70 – BAGE 23, 416 = AP Nr. 5 zu § 11 MuSchG 1968; Urteil vom 14. April 1972 – 3 AZR 395/71 – AP Nr. 6 zu § 11 MuSchG 1968; Gröninger/Thomas, aaO, Rz 9; Bulla/Buchner, MuSchG, 5. Aufl., Vorbem. zu §§ 3 bis 8, Rz 27 ff.; Zmarzlik/Zipperer/Viethen, aaO, § 3 Rz 15 f.). Dieses Recht kann der Arbeitgeber nur dann ausüben, wenn er über die entsprechenden Informationen verfügt.

Vielfach ist aber der gegenständliche Umfang des Beschäftigungsverbots in dem ärztlichen Zeugnis nicht näher umschrieben. In diesem Fall bezieht es sich zumindest auf die von der Schwangeren zuletzt ausgeführte Tätigkeit. Kann der Arbeitgeber die Schwangere anderweitig beschäftigen, so ist der Umfang des Beschäftigungsverbots auf eine entsprechende Frage des Arbeitgebers zu präzisieren. Diese Frage hat der Arzt zu beantworten, soweit der Schwangeren eine sachgerechte Antwort nicht selbst möglich ist.

Im Streitfall galt das Beschäftigungsverbot für jede Beschäftigung der Klägerin im Betrieb. Das hatte die Klägerin durch ihren Prozeßbevollmächtigten mitteilen lassen, nachdem ihr die Beklagte eine andere Tätigkeit angeboten hatte.

2. Ein Anspruch auf Mutterschutzlohn nach § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG besteht nur, wenn allein das mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbot dazu führt, daß die Schwangere mit der Arbeit aussetzt. Das Beschäftigungsverbot muß die nicht wegzudenkende Ursache für das Nichtleisten der Arbeit und den damit verbundenen Verdienstausfall sein. Dieser Ursachenzusammenhang ist dann gegeben, wenn die Schwangere nur in Befolgung des Beschäftigungsverbots teilweise oder völlig mit der Arbeit aussetzt und sie dadurch eine Verdiensteinbuße erleiden würde. Für die Zeit, in der die Schwangere arbeitsunfähig krank ist, ist dieser alleinige Ursachenzusammenhang nicht gegeben. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber – nach Ablauf des Sechswochenzeitraums – nicht mehr zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle verpflichtet ist.

Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit und Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung (§ 3 Abs. 1 MuSchG) schließen sich gegenseitig aus. Beruhen die Beschwerden allein auf der Schwangerschaft, so kommt es darauf an, ob es sich um einen krankhaften Zustand handelt, der zur Arbeitsunfähigkeit der Schwangeren führt. Haben die Schwangerschaftsbeschwerden dagegen keinen Krankheitswert oder führen sie als solche nicht zur Arbeitsunfähigkeit, so kommt das Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG in Betracht. Je nach dem hat die Schwangere entweder einen – gesetzlich auf sechs Wochen beschränkten – Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit gegen den Arbeitgeber (§ 3 EFZG) und anschließend auf Krankengeld gegen die Krankenkasse (§ 44 SGB V), oder sie hat gegen den Arbeitgeber einen – nicht auf sechs Wochen beschränkten – Anspruch nach § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG (Urteil vom 22. März 1995 – 5 AZR 874/93 – AP Nr. 12 zu § 11 MuSchG 1968; Urteil vom 5. Juli 1995 – 5 AZR 135/94 – AP Nr. 7 zu § 3 MuSchG 1968, beide Urteile zur Veröffentlichung auch in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

Dieser ständigen Rechtsprechung des Senats ist das Landesarbeitsgericht entgegen der Auffassung der Revision gefolgt. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Vergütung richte sich ausschließlich nach dem Recht der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, wenn die werdende Mutter arbeitsunfähig krank sei. Es hat damit keinesfalls – wie die Revision anführt – eine Mitursächlichkeit des Beschäftigungsverbots für den Verdienstausfall ausreichen lassen.

Die Abgrenzung ist in der Praxis schwierig, insbesondere in Fällen der sog. Risikoschwangerschaft (Senatsurteil vom 5. Juli 1995 – 5 AZR 135/94 – zur Veröffentlichtung vorgesehen, zu II 2b (2) der Gründe) und wenn ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen wurde, nachdem die Frau zuvor wegen schwangerschaftsbedingter Krankheiten arbeitsunfähig krank geschrieben war. Die Entscheidung darüber obliegt dem behandelnden Arzt, der in solchen Fällen abzuwägen hat, ob krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorliegt, oder aber (nur) Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortbauer der Beschäftigung gefährdet sind. Hierbei muß dem Arzt ein Beurteilungsspielraum eingeräumt werden (Senatsurteil vom 5. Juli 1995, aaO und Senatsurteil vom 31. Juli 1996 – 5 AZR 474/95 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu II 2a der Gründe).

3. Einem ordnungsgemäß ausgestellten ärztlichen Beschäftigungsverbot kommt ein hoher Beweiswert zu. Der Arbeitgeber trägt das Risiko, das Gericht von der Unrichtigkeit des ärztlichen Beschäftigungsverbots überzeugen zu müssen (BAG Urteil vom 31. Juli 1996 – 5 AZR 474/95 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Das bedeutet: Die Beweislast dafür, daß die Voraussetzungen für den Ausspruch eines Beschäftigungsverbots in Wahrheit nicht vorgelegen haben, liegt beim Arbeitgeber. Damit hat die ärztliche Bescheinigung nach § 3 Abs. 1 MuSchG einen höheren Beweiswert als eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach § 5 Abs. 1 EFZG.

Das der Klägerin am 3. Dezember 1993 ausgestellte Beschäftigungsverbot enthält Angaben zum Gesundheitszustand und über den Verlauf der Schwangerschaft. Solche Angaben gehören in das nach § 3 Abs. 1 MuSchG auszustellende ärztliche Zeugnis nicht hinein. Es gilt insoweit dasselbe wie für Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Die Schwangere genügt ihrer Darlegungslast zunächst durch Vorlage der ärztlichen Bescheinigung nach § 3 Abs. 1 MuSchG. Durch einfaches Bestreiten kann der Arbeitgeber nicht erreichen, daß die Schwangere oder ihr Arzt genauere Angaben zum Verlauf der Schwangerschaft und zu ihrem Gesundheitszustand macht und sie ihren Arzt von der Schweigepflicht entbindet. Der Arbeitgeber, der die Bescheinigung nicht gegen sich gelten lassen will, hat vielmehr im Rechtsstreit zunächst Umstände darzulegen und zu beweisen, die zu ernsthaften Zweifeln am Vorliegen der Voraussetzung des § 3 Abs. 1 MuSchG Anlaß geben. Erst dann ist die Schwangere gehalten, ihren Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden und ggf. Angaben zum Verlauf der Schwangerschaft und ihrem Gesundheitszustand zu machen (ähnlich Gröninger/Thomas, MuSchG, Stand Februar 1997, § 3 Rz 29; Töns/Woelk/Dalheimer, Mutterschaftshilfe und Mutterschutz, Stand März 1995, § 3-K 10; Zmarzlik/Zipperer/Viethen, aaO, § 3 Rz 9).

Ob es hier Umstände gab, die zu ernsthaften Zweifeln am Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 MuSchG Anlaß gaben und die Klägerin daher verpflichtet war, gegenüber dem Gericht nähere Angaben zu machen, kann hier dahinstehen, da sie eine solche Bescheinigung (“fachärztliche Äußerung”) ihrer Ärztin vom 19. August 1994 mit näheren Angaben vorgelegt hat. Ebenso kann dahinstehen, ob die Klägerin verpflichtet war, sich durch einen anderen Arzt untersuchen zu lassen, da sie dies getan und eine entsprechende Bescheinigung vorgelegt hat.

4. Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der Bescheinigungen vom 3. Dezember 1993 und vom 10. Februar 1994 und aufgrund der fachärztlichen Stellungnahme der behandelnden Frauenärztin vom 19. August 1994 die Überzeugung gewonnen, daß keine zur Arbeitsunfähigkeit der Klägerin führende Krankheit vorgelegen hat. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt: Das Beschäftigungsverbot sei deshalb erteilt worden, weil die Schwangerschaft durch Bluthochddruck und Fehlgeburtsneigungen gefährdet gewesen sei. Eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin habe die Ärztin weder bescheinigt, noch sei ersichtlich, daß sie derartiges überhaupt in Betracht gezogen habe. Zwar heiße es in der fachärztlichen Äußerung vom 19. August 1994, “… daß der Schwerpunkt der Beschwerden nicht in einer normalen Arbeitsunfähigkeit lag, sondern …”. Dies könne aber nicht dahin verstanden werden, daß jedenfalls Arbeitsunfähigkeit bestanden habe. Dies widerspreche sowohl der Stellungnahme vom 19. August 1994 ihrem gesamten Inhalt nach, als auch der Bescheinigung vom 3. Dezember 1993. Diese erwähne ausschließlich eine Gefährdung des Kindes. Dann spreche alles dafür, daß eine etwaige Arbeitsunfähigkeit der Mutter aus medizinischer Sicht erst gar nicht in Betracht zu ziehen gewesen sei. Auch angesichts der beiden mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Erkrankungen der Klägerin im September und Oktober 1993 bestehe kein begründeter Anlaß zu der Annahme, die Klägerin sei dementsprechend – wegen Bluthochdrucks – auch ab dem 6. Dezember 1993 durchgehend arbeitsunfähig krank gewesen. Die Klägerin leide unstreitig unter chronischem Bluthochdruck; dieser habe jedoch auch vor dem 6. Dezember 1993 nicht zur dauerhaften Arbeitsunfähigkeit geführt. Dann sei es eine unzulässige Spekulation, derartiges nunmehr für den Streitzeitraum zugrunde zu legen.

b) Die gegen diese Beweiswürdigung gerichteten Angriffe der Revision bleiben erfolglos.

Die vom Berufungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung – genauer: die Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme (§ 286 Abs. 1 ZPO) – ist durch das Revisionsgericht nur beschränkt überprüfbar, nämlich nur auf die Wahrung der Voraussetzungen und Grenzen von § 286 ZPO. Das bedeutet: Der erkennende Senat kann lediglich überprüfen, ob das Landesarbeitsgericht den gesamten Inhalt der Verhandlungen berücksichtigt hat, und es alle erhobenen Beweise gewürdigt hat, ob die Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei sowie frei von Verstößen gegen die Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze ist und ob sie rechtlich möglich ist (BAG Urteil vom 18. September 1991 – 5 AZR 581/90 – AP Nr. 10 zu § 14 MuSchG 1968 = EzA § 14 MuSchG 1968 Nr. 10).

Derartige Fehler liegen nicht vor. Die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts ist möglich. Das Landesarbeitsgericht hat nicht gegen § 398 Abs. 1 ZPO verstoßen. Nach dieser Vorschrift kann “das Prozeßgericht … nach seinem Ermessen die wiederholte Vernehmung eines Zeugen anordnen”. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift scheidet hier schon deshalb aus, weil die die Klägerin behandelnde Fachärztin vom Arbeitsgericht überhaupt nicht als Zeugin vernommen wurde. Bei ihrer auf Veranlassung des Arbeitsgerichts vorgelegten “fachärztlichen Äußerung” vom 19. August 1994 handelt es sich nicht um eine schriftliche Beantwortung der Beweisfrage im Sinne von § 377 Abs. 3 ZPO, sondern um eine Urkunde, mit dessen Verwertung im Prozeß sich beide Parteien einverstanden erklärt haben. Allerdings hätte die Ärztin u.U. zu der entscheidungserheblichen Frage, ob die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 MuSchG vorgelegen haben, gehört werden müssen, wenn ein entsprechender Beweisantrag vorgelegen hätte. Das ist entgegen der Auffassung der Revision nicht der Fall. Der Beweisantritt in ihrem Schriftsatz vom 10. Februar 1995 bezieht sich allein auf die unsubstantiierte Behauptung, die behandelnde Ärztin habe sich nur “von der Tatsache einer drohenden Fehlgeburt leiten lassen, ohne ihr Augenmerk auf die wahren Ursachen zu richten”.

Unbegründet ist auch die Rüge, das Landesarbeitsgericht habe sich nicht mit dem Gutachten des Herrn Dr. T… vom 10. Februar 1994 auseinandergesetzt, der eine Hochrisikoschwangerschaft bescheinigt habe. Zum einen hat das Landesarbeitsgericht auch dieses Gutachten gewürdigt. Zum anderen folgt aus dem Vorliegen einer Hochrisikoschwangerschaft nicht, daß eine etwaige Krankheit der Schwangeren auch zur Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 3 Abs. 1 EFZG führt.

Die Angriffe der Revision gegen die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts laufen darauf hinaus, daß die Beklagte die Beweise anders würdigt als das Landesarbeitsgericht. Revisible Rechtsfehler sind damit jedoch nicht aufgezeigt.

II. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 25. Februar bis zum 1. März und vom 19. bis zum 27. April 1994 ergibt sich aus § 3 Abs. 1 EFZG. Das Landesarbeitsgericht hat das Vorliegen einer Fortsetzungserkrankung im Verhältnis zu den Erkrankungen im September und im Oktober 1993 zu Recht verneint.

1. Nach § 3 Abs. 1 EFZG in der bis zum 30. September 1996 gültigen Fassung (Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25. September 1996, Art. 13, BGBl. I, S. 1476) verliert der Arbeitnehmer, der innerhalb von zwölf Monaten infolge derselben Krankheit wiederholt arbeitsunfähig wird, den Anspruch auf Arbeitsentgelt nur für die Dauer von insgesamt sechs Wochen nicht, es sei denn, er war vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig. Der Arbeitgeber trägt die Beweislast für das Bestehen einer Fortsetzungskrankheit (Urteil vom 4. Dezember 1985 – 5 AZR 656/84 – AP Nr. 42 zu § 63 HGB).

2. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Klägerin sei jeweils wegen schwangerschaftsspezifischer Komplikationen ins Krankenhaus eingeliefert worden; dann sei eine Fortsetzung der Erkrankung im Verhältnis zu den Erkrankungen vom September und Oktober 1993 nicht ersichtlich.

Auch diese Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden. Die Revision macht geltend, in ihrer fachärztlichen Äußerung beschreibe die behandelnde Ärztin “eindeutig und völlig unmißverständlich”, daß auch der Arbeitsunfähigkeitszeitraum vom 25. Februar bis zum 1. März 1994 auf erhöhte Blutdruckwerte zurückzuführen sei. Das ist der fachärztlichen Äußerung nicht zu entnehmen. Es heißt dort nur, daß die nachgewiesene Wehentätigkeit aufgrund der erhöhten Blutdruckwerte nicht ambulant behandelt werden konnte, sondern stationär eingewiesen werden mußte.

3. Das Landesarbeitsgericht hat sich entgegen der Revision auch nicht in Widerspruch gesetzt zu dem Urteil des Senats vom 14. November 1984 (– 5 AZR 394/82 – BAGE 47, 195 = AP Nr. 61 zu § 1 LohnFG). Danach kann sich eine mit häufigen, ausschließlich graviditätsbedingten Erkrankungen einhergehende Schwangerschaft als ein nicht ausgeheiltes, befristetes Grundleiden und damit als dieselbe Krankheit im Sinne des Entgeltfortzahlungsrechts darstellen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die einzelnen Erkrankungen untereinander noch in einem besonderen Fortsetzungszusammenhang stehen. Entscheidend ist vielmehr, daß sie jeweils für sich genommen auf die Schwangerschaft zurückzuführen sind. Es muß sich aber um graviditätsbedingte (schwangerschaftsbedingte) Krankheiten handeln. Schwangerschaftsbedingt ist aber neben den Erkrankungen in den Streitzeiträumen nur die Erkrankung vom 22. November bis zum 3. Dezember 1993. Damit wird die gesetzliche Anspruchsdauer von sechs Wochen nicht überschritten. Die Arbeitsunfähigkeitszeiten vom 1. bis zum 16. September und vom 18. bis zum 31. Oktober 1993 beruhen dagegen nach der fachärztlichen Äußerung vom 19. August 1994 auf dem Bluthochdruck der Klägerin. Im September 1993 war die Klägerin noch nicht schwanger. Aus der fachärztlichen Äußerung ergibt sich nicht, daß die Fehlzeit vom 18. bis zum 31. Oktober 1993 schwangerschaftsbedingt war.

 

Unterschriften

Schliemann, Reinecke, Bröhl, Glaubitz, Buschmann

 

Fundstellen

Haufe-Index 884912

BAGE, 237

NZA 1997, 882

SAE 1998, 187

MDR 1997, 850

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