Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung eines Zollsachbearbeiters

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Führen Tarifvertragsparteien im Anschluß an allgemeine Tätigkeitsmerkmale Beispielstätigkeiten an, die sie mit "zB" einleiten, sind die allgemeinen Merkmale nach dem Willen der Tarifvertragsparteien stets dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer eine Beispielstätigkeit ausübt. Ist dies nicht der Fall, bleibt eine Erfüllung der allgemeinen Merkmale zur Rechtfertigung einer höheren Eingruppierung möglich.

2. Wer eine höhere Eingruppierung anstrebt, hat im Prozeß die Tatsachen vorzutragen und im Streitfall zu beweisen, aus denen für das Gericht der rechtliche Schluß möglich ist, daß er die tariflichen Tätigkeitsmerkmale erfüllt. Hieran ändert sich auch dann nichts, wenn der Arbeitgeber in der Beschreibung des betreffenden Arbeitsplatzes zur Kennzeichnung der dort anfallenden Tätigkeiten einen allgemeinen Tarifbegriff (hier "selbständig") verwendet, solange er nicht zugleich konkrete Tätigkeiten aufführt, die den tariflichen Begriffsinhalt ausfüllen.

 

Orientierungssatz

Auslegung des § 4 des Vergütungstarifvertrages für die Beschäftigten des Bodenpersonals der LTU.

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 26.06.1992; Aktenzeichen 15 Sa 517/92)

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 28.01.1992; Aktenzeichen 7 Ca 5493/91)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die richtige Eingruppierung des Klägers.

Der Kläger, der zuvor in einem Speditionsunternehmen tätig gewesen war, ist seit dem 1. April 1979 bei der Beklagten beschäftigt. Zunächst war er 2 Jahre im Lager der Beklagten eingesetzt worden, um die Artikel und Waren kennenzulernen, die bei der Beklagten zolltechnisch abzufertigen sind. Seit dem Jahre 1981 ist der Kläger in der Zollabteilung tätig. Diese Unterabteilung des Bereichs Warenannahme und Versand hat die Aufgabe, alle zolltechnisch und rechtlich bedeutsamen Importe und Exporte der Beklagten, im wesentlichen für den Eigenbedarf, aber auch für den Verkauf an Bord der Flugzeuge, zu bearbeiten. Außerdem geht es in der Zollabteilung um den Im- und Export "gefährlicher Güter". Für diese Tätigkeit absolvierte der Kläger eine Zusatzausbildung und erwarb ein IATA-Zertifikat. Während der Tätigkeit bei der Beklagten holte der Kläger auf der Abendschule den Abschluß als Bürokaufmann nach.

Mit Schreiben vom 5. April 1989 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er sei, in Ergänzung zu seinem aktuellen Arbeitsvertrag, als "Zollsachbearbeiter" beschäftigt.

In einer Beschreibung des Arbeitsplatzes des Klägers heißt es zu den Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten:

"- Selbständige ordnungsgemäße Bearbeitung aller

Warenein- bzw. -ausfuhren unter Beachtung der

zoll- und außenhandelsrechtlichen Vorschriften.

- Erstellen von Frachtbriefen, Manifesten sowie

diversen Exportpapieren (z. B. T2L, T2, K-AE,

Carnet und Shipper's Declaration for Dangerous

Goods)

- Ausführung aller in der Abteilung Warenannahme/-

Versand anfallenden Arbeiten"

Die Anforderungen an den Stelleninhaber werden wie folgt beschrieben:

"Kaufmännische Ausbildung

Erfahrung im Speditionswesen sowie fundierte

Kenntnisse im Versandwesen "Übersee, LKW, Post,

Bahn und Luftverkehr"

Fundierte Kenntnisse der für das Arbeitsgebiet

relevanten Bereiche des Steuergesetzes (Zoll)

Erfahrung in computerunterstützten Arbeitsabläu-

fen

Selbständige Kontrolle eingehender Ersatzteillie-

ferungen

Sehr gute technische Kenntnisse

Englischkenntnisse

Führerschein Klasse III"

Vorgesetzter des Klägers ist der Leiter Warenannahme/Versand, der auch der verantwortliche steuerliche Beauftragte im Sinne der Abgabenordnung ist.

Kläger und Beklagte sind Mitglieder der Organisationen, die die Vergütungstarifverträge für die Beschäftigten des Bodenpersonals der LTU Lufttransport-Unternehmen GmbH & Co. KG (VTV-LTU) abschließen. Der Kläger wurde zuletzt nach der Vergütungsgruppe D Stufe 5 dieses Tarifvertrages vergütet.

Im Jahre 1990 machte der Kläger mehrfach erfolglos seine Höhergruppierung in die Vergütungsgruppe E Stufe 5 geltend. Dieses Ziel ist nunmehr Gegenstand seiner Klage, die auf die Vergütungsdifferenz zwischen beiden Vergütungsgruppen von Juli 1990 bis Oktober 1991 sowie auf die Feststellung einer entsprechenden Vergütungspflicht auch für die Zukunft gerichtet ist.

Der Kläger hat den Standpunkt vertreten, ihm stehe die geltend gemachte Vergütung bereits deshalb zu, weil die Beklagte ihn intern als Zollsachbearbeiter bezeichnet habe. Nach der Protokollnotiz I zu § 4 (Vergütungsgruppe E) VTV-LTU sei ein Mitarbeiter, der zu Recht als Sachbearbeiter bezeichnet werde, nach der Vergütungsgruppe E zu vergüten. Mit dieser Protokollnotiz werde der Katalog der Regelbeispiele zur Vergütungsgruppe E um das des Sachbearbeiters erweitert.

Der Kläger erfülle auch die tariflichen Voraussetzungen der selbständigen Tätigkeit, wie sie für eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe E VTV-LTU verlangt werde. Es gebe keine konkreten, seine Arbeit betreffenden Anweisungen. Lediglich im Rahmen der gesamten betrieblichen Abläufe würden bestimmte zollrechtlich relevante Im- und Exportvorgänge an ihn mit der Auflage herangetragen, die Ein- und Ausfuhr schnellstmöglich und beanstandungsfrei abzuwickeln. Die Vorgänge bearbeite er dann selbständig und unter Beachtung aller erforderlichen Zollvorschriften sowie sonstigen ein- und ausfuhrrechtlichen Regelungen. Hierzu gehöre auch die selbständige Erstellung von Frachtbriefen, Manifesten und Zollerklärungen, sowie ähnlicher Urkunden, wobei der Gegenstandswert oftmals Millionenhöhe erreiche. Sämtliche Papiere würden von ihm eigenhändig und selbstverantwortlich unterzeichnet. Eine Mitunterzeichnung durch einen Vorgesetzten erfolge nicht. Er entscheide auch selbständig darüber, in welcher zeitlichen Abfolge die ihm zugeleiteten Vorgänge bearbeitet würden. Ein wesentliches Aufgabenfeld sei auch die Beherrschung des zolleigenen EDV-Systems "Alfa", in das alle mit Flugzeugen der Beklagten importierten Artikel und Waren zur zollamtlichen Verarbeitung einzugeben seien.

Die Beklagte vergüte alle Mitarbeiter der Frachtabteilung, die eine vergleichbare Tätigkeit ausübten, nach der Vergütungsgruppe E. In jüngster Zeit habe sie in einer Vielzahl von Ausschreibungen mit ähnlichen oder gleichartigen Stellenbezeichnungen (z. B. Importsachbearbeiter, Sachbearbeiter Abt. Recht und Sicherung) für entsprechende Funktionen, die von ihr als Tätigkeit eines Sachbearbeiters qualifiziert worden seien, die Vergütungsgruppe E vorgesehen. Der Kläger weist schließlich auf zwei interne Ausschreibungen der Beklagten vom 9. November 1990 hin, in denen die Stellen eines Einkäufers im allgemeinen Einkauf mit den Vergütungsgruppen D/E und eines Exportsachbearbeiters mit der Vergütungsgruppe E bewertet worden waren.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die

Zeit vom 1. Juli 1990 bis 31. Oktober 1991

weiteres Bruttogehalt von 7.823,84 DM zu zah-

len;

2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet

ist, ihn nach der Vergütungsgruppe E Stufe 5

des jeweiligen Vergütungstarifvertrages für

das Bodenpersonal der Beklagten zu entlohnen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger erfülle nicht die tariflichen Voraussetzungen für eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe E. Daß er in der Arbeitsplatzbeschreibung als Zollsachbearbeiter bezeichnet werde, ändere hieran nichts. Es gebe kein Richtbeispiel für die Tätigkeit eines Sachbearbeiters. Die vom Kläger angesprochene Protokollnotiz ergänze die Richtbeispiele der Vergütungsgruppe E nicht. Die Protokollnotiz wolle nur erreichen, daß eine sachgerechte Eingruppierung nach Tätigkeitsmerkmalen gewährleistet sei und nicht allein auf die Bezeichnung als Sachbearbeiter abgestellt werde.

Der Kläger erfülle auch nicht das Tätigkeitsmerkmal eines Beschäftigten mit selbständiger Tätigkeit. Ein Teil seiner Aufgaben bestehe aus reinen Botengängen. Er habe die allgemeine Anweisung, arbeitstäglich die Vertragsspediteure aufzusuchen und dort Warenbegleitpapiere für Sendungen in Empfang zu nehmen. Soweit die Beklagte als Versenderin tätig werde, habe er die Warenbegleitpapiere den Vertragsspediteuren zu überbringen. Bei der Beauftragung von Spediteuren könne er innerhalb der ihm vorgegebenen Liste der Vertragsspediteure auswählen. Außerhalb des Kreises der Vertragsspediteure benötige er die Genehmigung seines Vorgesetzten. Der zweite Teil seiner Aufgaben bestehe im teilweisen Ausfüllen vorgedruckter Formulare. Bei einigen Formularen habe er die Eintragungen aufgrund der Informationen aus den die Sendung begleitenden Dokumenten zu übertragen. Bei anderen Formularen müsse er die jeweils zutreffenden zollrechtlichen Informationen eintragen. Diese Informationen ergäben sich aus den geltenden zollrechtlichen Bestimmungen, die der Kläger kennen oder nachlesen müsse. In keinem Falle habe er irgendeine Möglichkeit zu entscheiden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision gegen sein Urteil zugelassen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung nach der Vergütungsgruppe E VTV-LTU.

A. Die Klage ist zulässig.

Bei dem Klageantrag zu 2) handelt es sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die auch im Bereich der Privatwirtschaft allgemein üblich ist und keinen prozeßrechtlichen Bedenken begegnet (Senatsurteile vom 20. Juni 1984 - 4 AZR 208/82 - AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel; vom 25. September 1991 - 4 AZR 87/91 - AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel, zu I der Gründe, m.w.N.).

B. Die Klage ist nicht begründet.

I. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden aufgrund beiderseitiger Verbandszugehörigkeit die für die Beschäftigten des Bodenpersonals der Beklagten abgeschlossenen Vergütungstarifverträge (VTV-LTU) nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend Anwendung.

II. Zur Beurteilung des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs auf Eingruppierung in die Vergütungsgruppe E kommt es auf die folgenden tariflichen Bestimmungen des VTV-LTU in seiner derzeit geltenden Fassung an:

"§ 2

Eingruppierung

(1) Die Angehörigen des Bodenpersonals werden

gemäß ihrer überwiegenden Tätigkeit nach

Tätigkeitsmerkmalen in die Vergütungsgrup-

pen eingruppiert.

"Überwiegende Tätigkeiten" im Sinne dieser

Bestimmung liegt vor, wenn diese Tätigkeit

nicht nur vorübergehend zu mehr als 50 %

der tariflichen Grundarbeitszeit ausgeführt

wird.

...

§ 4

Vergütungsgruppen

Eingruppiert werden in Vergütungsgruppen:

...

Vergütungsgruppe D:

Beschäftigte mit gründlichen Fachkenntnissen, die

im Rahmen allgemeiner Anweisungen selbständig ar-

beiten,

z. B. Facharbeiter, Lageristen technisches Ge-

samtlager, Avioniker, Flugzeugmechaniker B,

Flugzeugmechaniker A, Kassenführer, Rechnungs-

prüfer in der Buchhaltung, Sekretärinnen,

Buchhalter, Schichtleiter/innen/ Passage,

Schichtleiter/innen Operations, Schichtleiter/-

innen Catering, EDV-Operator ohne Betriebssy-

stemkenntnisse, Arbeitsvorbereiter/innen EDV.

Vergütungsgruppe E:

Beschäftigte mit selbständiger Tätigkeit,

z. B. Leiter Betriebswerkstätten, Lagerleiter

Ersatzteillager, Einkäufer, Leiter Catering--

Lager, Akquisiteure, Repräsentanten/innen,

Operator EDV mit Betriebssystemkenntnissen,

Movement-Controller mit Abschlußprüfung, Vor-

arbeiter Werftbetrieb, Leiter/in Kantine,

Schichtleiter Passage/Düsseldorf, Schichtlei-

ter Operations/Düsseldorf, Flugzeugmechani-

ker A 1.

Protokollnotiz I.

Zur Vermeidung von Mißverständnissen waren sich

die Tarifvertragsparteien über folgendes einig:

...

zu § 4 (Vergütungsgruppe E):

Die Bezeichnung "Sachbearbeiter" darf nur in Ver-

bindung mit der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit

verwendet werden, damit eine sachgerechte Ein-

gruppierung nach Tätigkeitsmerkmalen gewährlei-

stet ist.

..."

III. Nach § 2 Abs. 1 VTV-LTU entscheidet sich die tarifgerechte Eingruppierung des Klägers danach, welche Tätigkeit er tatsächlich ausübt. Dabei sind seine einzelnen Tätigkeiten zu bewerten und einer der tariflichen Gehaltsgruppen zuzuordnen. Die Vergütung ist dann nach dem Wert der zeitlich überwiegenden Tätigkeiten zu bemessen.

1. Entgegen der Auffassung des Klägers ist diese Bewertung nicht deshalb entbehrlich, weil die Beklagte den Kläger seit ihrem Schreiben vom 5. April 1989 als "Zollsachbearbeiter" führt. Hierdurch wird kein Tätigkeitsbeispiel der Vergütungsgruppe E erfüllt.

a) Führen Tarifvertragsparteien im Anschluß an allgemeine Tätigkeitsmerkmale Beispielstätigkeiten an, die sie mit der Abkürzung "z. B." einleiten, hat dies nach der ständigen Senatsrechtsprechung eine zweifache rechtliche Bedeutung. Übt der Arbeitnehmer eine der Beispielstätigkeiten aus, dann sind nach dem Willen der Tarifvertragsparteien die Merkmale der betreffenden Vergütungsgruppe erfüllt. Ist dies nicht der Fall, kann sich der Anspruch auf die höhere Vergütung aus der Erfüllung der allgemeinen Merkmale der geltend gemachten Vergütungsgruppe ergeben (BAG Urteil vom 24. April 1985 - 4 AZR 448/83 - AP Nr. 4 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel; BAG Urteil vom 20. August 1986 - 4 AZR 256/85 - AP Nr. 47 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie; BAG Urteil vom 13. November 1991 - 4 AZR 131/91 - AP Nr. 3 zu § 1 TVG Tarifverträge: Brauereien).

b) Auf diese Rechtsprechung kann der Kläger sich nicht stützen. Ein Tätigkeitsbeispiel "Sachbearbeiter" gibt es zur Vergütungsgruppe E VTV-LTU nicht.

§ 4 VTV-LTU selbst nennt dieses Tätigkeitsbeispiel nicht. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die dort vorgenommene Tätigkeitsaufzählung auch nicht aufgrund der Protokollnotiz I zu § 4 (Vergütungsgruppe E) VTV-LTU um ein solches Tätigkeitsbeispiel zu ergänzen. Dies ergibt sich bereits aus dem Einleitungssatz der Protokollnotiz. Sie soll nach dem Willen der Tarifvertragsparteien der Vermeidung von Mißverständnissen dienen. Eine rechtsbegründende Eingruppierungsregelung war nicht gewollt. Dem entspricht auch der Wortlaut des die Vergütungsgruppe E betreffenden Teils der Protokollnotiz. Allein die Bezeichnung als "Sachbearbeiter" soll für die Eingruppierung nicht ausreichen, weil dies keine sachgerechte Eingruppierung gewährleistet. Die Tarifvertragsparteien haben damit klargestellt, daß nicht die allgemeine und nichtssagende Bezeichnung eines Arbeitnehmers als Sachbearbeiter, sondern dessen Tätigkeit über die Eingruppierung entscheidet. Diese Klarstellung ist nach den Tätigkeitsbeispielen, die der Vergütungsgruppe E in ihrer heute geltenden Fassung beigefügt sind, an sich überflüssig. Ihr Sinn erschließt sich aus der Tarifgeschichte. Im Gehaltstarifvertrag-LTU vom 14. Juni 1976 war der Sachbearbeiter noch als Tätigkeitsbeispiel der Vergütungsgruppe E ausdrücklich genannt worden. Eine Protokollnotiz war hierzu nicht vereinbart. Mit dem Gehaltstarifvertrag-LTU vom 5. Dezember 1977 ist dieses Tätigkeitsbeispiel ersatzlos weggefallen und zugleich die jetzige Protokollnotiz zu § 4 (Vergütungsgruppe E) eingefügt worden. Damit haben die Tarifvertragsparteien deutlich gemacht, daß sie das Tätigkeitsbeispiel Sachbearbeiter bewußt gestrichen haben und daß in Zukunft die bloße dienstliche Bezeichnung eines Arbeitnehmers als Sachbearbeiter ohne eine den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen entsprechende Tätigkeit eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe E nicht rechtfertigen kann.

2. Der Kläger erfüllt die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppe E nicht. Er ist nicht "Beschäftigter mit selbständiger Tätigkeit". Die entsprechende Feststellung des Landesarbeitsgerichts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Die Vergütungsgruppen D und E bauen aufeinander auf. Während nach der Vergütungsgruppe D die Beschäftigten zu vergüten sind, die über gründliche Fachkenntnisse verfügen und im Rahmen allgemeiner Anweisungen selbständig arbeiten, verlangt die Vergütungsgruppe E die selbständige Tätigkeit des Beschäftigten ohne jede Einschränkung.

Nach der zum Begriff der Selbständigkeit in verschiedenen Tarifverträgen ergangenen Rechtsprechung des Senats ist eine Tätigkeit dann selbständig, wenn sie - bezogen auf die konkrete Aufgabenstellung - eine eigene Entscheidungsbefugnis über den zur Erbringung der geschuldeten Leistung einzuschlagenden Weg und das zu findende Ergebnis und damit eine gewisse Eigenständigkeit des Aufgabengebietes fordert. Dies schließt zwar eine fachliche Anleitung und Überwachung durch einen Vorgesetzten nicht gänzlich aus. Erforderlich ist aber ein eigenständiges Erarbeiten der Arbeitsergebnisse unter Verwertung eines bestehenden Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraums (Senatsurteil vom 2. März 1988 - 4 AZR 600/87 - AP Nr. 9 zu § 1 TVG Tarifverträge: Banken, m.w.N.).

Zwar kann nicht von einer einheitlichen, für alle Tarifverträge in gleicher Weise geltenden Bedeutung des Begriffes der selbständigen Tätigkeit ausgegangen werden. Dieser Begriff muß vielmehr in das Verhältnis zu vergleichbaren tarifvertraglichen Regelungen und den entsprechenden tarifvertraglichen Aufgaben gesetzt werden (Senatsurteil vom 24. August 1983 - 4 AZR 184/81 - AP Nr. 1 zu § 12 AVR). Die im VTV-LTU beigefügten Tätigkeitsbeispiele und die einer verbreiteten Tarifpraxis entsprechende Abstufung der Tätigkeitsmerkmale nach selbständiger Arbeit im Rahmen allgemeiner Anweisungen und selbständiger Tätigkeit zeigen aber, daß die Parteien des VTV-LTU den Begriff der Selbständigkeit in dem in Tarifverträgen allgemein gebräuchlichen Sinne verwendet haben.

Bereits die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe D setzt ein selbständiges Arbeiten, wenn auch im Rahmen allgemeiner Anweisungen, voraus. Hiervon ist nach der Senatsrechtsprechung auszugehen, wenn dem Arbeitnehmer eine gewisse Entscheidungsbefugnis über den Weg bleibt, den er zur Erbringung der geforderten Leistung einschlagen will. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die Aufgaben nach Anweisungen ausgeführt werden, die sich auf den konkreten Arbeitsablauf richten (Senatsurteil vom 9. Dezember 1987 - 4 AZR 461/87 -, nicht veröffentlicht), oder es um einfache Routinearbeiten geht, die zwar ohne konkrete Arbeitsanweisungen erbracht werden, die aber keine eigene Beurteilung oder Entschließung des Arbeitnehmers erfordern (Senatsurteil vom 23. April 1980 - 4 AZR 378/78 - AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Brauereien).

b) Es ist schon sehr zweifelhaft, ob der Vortrag des Klägers ausreicht, das so verstandene Tätigkeitsmerkmal der Vergütungsgruppe D VTV-LTU auszufüllen.

Nach der von der Beklagten in ihren tatsächlichen Angaben nicht in Zweifel gezogenen Arbeitsplatzbeschreibung des Klägers erfordern dessen Tätigkeiten zwar gründliche Fachkenntnisse, nämlich eine kaufmännische Ausbildung, Erfahrung im Speditionswesen, fundierte Kenntnisse in verschiedenen Bereichen, insbesondere der einschlägigen Steuergesetze, Erfahrung in computergestützten Arbeitsabläufen sowie sehr gute technische Kenntnisse. Dies und die Tatsache, daß der Kläger keine konkreten Anweisungen zur Arbeitsausführung erhält, schließen es aus anzunehmen, der Kläger habe nur Routinearbeiten einfachster Art zu erledigen. Der Kläger hat aber nicht im einzelnen vorgetragen, bei welchen der zu erledigenden Tätigkeiten die aufgeführten Anforderungen zu erbringen sind und deshalb von einer selbständigen Arbeit nach allgemeinen Anweisungen ausgegangen werden kann. Deshalb kann der für eine Bewertung nach § 2 Abs. 1 VTV-LTU erforderliche zeitliche Anteil solcher Tätigkeiten auch nicht festgestellt werden.

c) Dem Vorbringen des Klägers kann jedenfalls nicht entnommen werden, daß er Beschäftigter mit selbständiger Tätigkeit im Sinne der Vergütungsgruppe E ist.

Durch den Verzicht auf das einschränkende Merkmal "im Rahmen allgemeiner Anweisungen" machen die Tarifvertragsparteien deutlich, daß für die höhere Vergütung nach der Vergütungsgruppe E ein gegenüber der Vergütungsgruppe D gesteigertes Maß an Selbständigkeit erforderlich ist. Hierzu gehört nach der Rechtsprechung des Senats die Befugnis, die Arbeitsgestaltung und die Arbeitsergebnisse in nicht unerheblichem Ausmaß nach eigenen Entscheidungen zu bestimmen (Senatsurteil vom 2. März 1988 - 4 AZR 600/87 - AP Nr. 9 zu § 1 TVG Tarifverträge: Banken).

Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Kläger seine Tätigkeiten für eine solche Feststellung nicht hinreichend bestimmt vorgetragen hat. Er hat nicht dargelegt, aufgrund welcher Bearbeitungsschritte er seine Arbeitsergebnisse erreicht und wo hier für ihn welche Entscheidungsalternativen bestehen. Er selbst trägt vor, daß seine Tätigkeit zu einem wesentlichen Teil in der Verwendung von Formularen und der Nutzung des EDV-Systems "Alfa" besteht.

Die Möglichkeit, über die Reihenfolge zu entscheiden, in der die zugewiesenen Vorgänge bearbeitet werden, begründet keine Selbständigkeit im tariflichen Sinne. Es kommt auf die nicht nur unerhebliche Beurteilungs- und Entscheidungsmöglichkeit bei der Bearbeitung selbst an. Ebensowenig ist es für die Ausfüllung des Merkmals der Selbständigkeit von Bedeutung, daß die Tätigkeit nach dem Vortrag des Klägers eine längere Einarbeitungszeit erfordert. Dies spricht dafür, daß für die betreffende Tätigkeit gründliche Fachkenntnisse nötig sind. Dies wird aber - neben dem Merkmal der selbständigen Arbeit - bereits für eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe D verlangt. Ohne Bedeutung für die Ausfüllung des Begriffs der Selbständigkeit ist es schließlich, wenn der Kläger darauf hinweist, die von ihm zu bearbeitenden Vorgänge erreichten oftmals einen Wert in Millionenhöhe. Dies hat mit dem Begriff der Selbständigkeit unmittelbar nichts zu tun. Es läßt auch keinen Schluß darauf zu, in welchem Umfang ein Arbeitnehmer bei der Bearbeitung der zugewiesenen Vorgänge einen eigenen Entscheidungsspielraum hat.

d) Entgegen seiner Auffassung hatte der Kläger auch die uneingeschränkte Darlegungslast für die den Tarifbegriff der selbständigen Tätigkeit ausfüllenden Tatsachen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats hat der Kläger einer Eingruppierungsfeststellungsklage nach den allgemeinen Grundsätzen des materiellen und des Verfahrensrechts diejenigen Tatsachen vorzutragen und im Streitfalle zu beweisen, aus denen für das Gericht der rechtliche Schluß möglich ist, daß er die tariflichen Tätigkeitsmerkmale unter Einschluß der darin vorgesehenen Qualifizierungsmerkmale erfüllt (Senatsurteil vom 19. März 1980 - 4 AZR 300/78 - AP Nr. 32 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAGE 34, 158, 166 f. = AP Nr. 36 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß vorliegend auch unter Berücksichtigung der Arbeitsplatzbeschreibung kein Anlaß besteht, diese Regel umzukehren. Zwar heißt es dort, die Aufgaben des Klägers umfaßten die "selbständige ordnungsgemäße Bearbeitung aller Warenein- bzw. -ausfuhren unter Beachtung der zoll- und außenhandelsrechtlichen Vorschriften" sowie die "selbständige Kontrolle eingehender Ersatzteillieferungen". Dies entbindet den Kläger aber nicht von seiner Darlegungslast. Aus der Arbeitsplatzbeschreibung ergibt sich kein Hinweis darauf, daß der Begriff der Selbständigkeit dort in dem in der Vergütungsgruppe E verwendeten Sinne gebraucht werden sollte. Hiermit ist im Zweifel lediglich die Tatsache angesprochen, daß der Kläger im wesentlichen frei von konkreten Arbeitsanweisungen tätig wird. Es kann deshalb auch nicht davon ausgegangen werden, daß mit der Verwendung des Begriffes "selbständig" die Erfüllung des entsprechenden tariflichen Tätigkeitsmerkmals anerkannt werden sollte. Die Arbeitsplatzbeschreibung enthält auch keine konkreten Tatsachen, die den Schluß auf eine selbständige Tätigkeit im Tarifsinne nahelegten.

Im übrigen ist der Tätigkeitsbeschreibung auch nicht zu entnehmen, welches die zeitlich überwiegenden Tätigkeiten des Klägers sind, auf die es für dessen Eingruppierung nach § 2 Abs. 1 VTV-LTU ankommt.

IV. Der Kläger kann die geltend gemachte Eingruppierung nach der Vergütungsgruppe E VTV-LTU auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz beanspruchen.

Soweit er hierzu geltend macht, die Beklagte vergüte Mitarbeiter mit vergleichbaren Tätigkeiten nach der Vergütungsgruppe E oder habe Stellen mit entsprechend vergleichbaren Tätigkeiten nach der Vergütungsgruppe E ausgeschrieben, reicht dieser Vortrag nicht aus. Der Kläger legt nicht im einzelnen dar, inwieweit hier tatsächlich Vergleichbarkeit der Tätigkeiten besteht. Soweit er sich auf die Stelle eines Einkäufers bezieht, ergibt sich die in der Ausschreibung vorgesehene Vergütungsgruppe E bereits aus dem entsprechenden Tätigkeitsbeispiel im VTV-LTU.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Schaub Dr. Wißmann Bepler

Dr. Kiefer Hauk

 

Fundstellen

Haufe-Index 439373

DB 1994, 1682 (LT1-2)

NZA 1994, 710

NZA 1994, 710-712 (LT1-2)

SAE 1994, 246-249 (ST1)

AP § 1 TVG Tarifverträge Luftfahrt (LT1-2), Nr 10

AR-Blattei, ES 1530 Nr 21 (LT1-2)

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