Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung nach Einigungsvertrag. mangelnde Eignung

 

Normenkette

Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1; BGB § 123 Abs. 1, § 242; ZPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Brandenburg (Urteil vom 13.10.1993; Aktenzeichen 4 (5) Sa 90/93)

ArbG Potsdam (Urteil vom 14.10.1992; Aktenzeichen 4 (7) Ca 584/92)

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 13. Oktober 1993 – 4 (5) Sa 90/93 – wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im wesentlichen über die Wirksamkeit einer auf Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 Einigungsvertrag (künftig: Abs. 4 Ziff. 1 EV) gestützten ordentlichen Kündigung.

Der im Jahre 1946 geborene Kläger war seit dem 1. August 1968 im Polizeidienst der DDR tätig. Er war vom 1. Februar 1973 bis zum 31. August 1974 Instrukteur der Politabteilung der Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei F. Nach einem Hochschulstudium arbeitete er vom 1. Oktober 1976 bis zum 31. Dezember 1979 als Stellvertreter des Leiters des Volkspolizeikreisamtes F. für politische Arbeit und anschließend in der Politischen Verwaltung des Ministeriums des Innern. Hier war er zunächst Inspekteur, seit dem 1. März 1982 Offizier für Propaganda. Zuletzt stand er im Range eines Oberstleutnants.

Der Leiter der Politischen Verwaltung war einer der Stellvertreter des Innenministers. Er hatte zwei Stellvertreter im Generalsrang, denen jeweils mehrere Abteilungen unterstanden. Der Kläger war in der Abteilung Schule und Propaganda beschäftigt, die von einem Oberst geleitet wurde.

Im März 1990 wurde der Kläger zum Zentralen Kriminalamt versetzt, das nach dem Beitritt als Gemeinsames Landeskriminalamt der fünf neuen Bundesländer (GLKA) fortgeführt wurde. Hier war er in der Aus- und Fortbildung tätig, zuletzt als Kriminaloberrat. In einem Personalfragebogen zum Dienstverlauf in der Volkspolizei gab er alle von ihm ausgeführten Tätigkeiten an.

Mit Schreiben vom 5. Februar 1991 teilte das Innenministerium des Beklagten dem Kläger mit, die Durchsicht seines Personalfragebogens habe keine Anhaltspunkte für eine außerordentliche Kündigung nach Abs. 5 EV ergeben, das Arbeitsverhältnis könne deshalb bestehen bleiben. Unter dem 30. Mai 1991 schrieb das Innenministerium an den Kläger, bei Durchsicht des Personalfragebogens sei seine politische Tätigkeit seit 1976 irrtümlich übersehen worden. Der Kläger sei der Gruppe der Politoffiziere zuzuordnen, eine Empfehlung zur Weiterbeschäftigung durch die Personalkommission sei nicht möglich. Er müsse mit einer ordentlichen Kündigung wegen persönlicher Ungeeignetheit rechnen.

Das GLKA kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers am 23. September 1991 zum 31. Dezember 1991. Im Kündigungsschreiben heißt es, die Gründe für die Kündigung lägen nicht in der Person des Klägers, sondern ausschließlich in der Auflösung des GLKA.

Der Kläger bewarb sich am 25. September 1991 beim Innenministerium für eine Tätigkeit im gehobenen Dienst als Sachbearbeiter Aus- und Fortbildung bei der Landespolizeischule. In dem Bewerbungsschreiben gab er zur persönlichen Eignung folgendes an:

„Ich versichere, daß ich zu keiner Zeit gegen die Menschenrechte verstoßen bzw. mit dem MfS zusammengearbeitet habe. Meine Tätigkeit in der ehemaligen Politischen Verwaltung des MdI (zu der ich laut Befehl verpflichtet wurde) beschränkte auf Mitarbeitertätigkeit. Ich habe dort keine Parteifunktionen ausgeübt. Die zahlreichen Kontakte mit Kollegen aus dem Bundeskriminalamt u.a. Altbundesländern haben mir bei meinem Umdenkungsprozeß sehr geholfen. Ich habe mit den politischen Anschauungen der damaligen SED nichts mehr gemein und bin bereit mein Wissen und Können in den Dienst der Polizei des Landes Brandenburg zu stellen.”

Die Landespolizeischule teilte dem Kläger unter dem 5. November 1991 mit, die Personalauswahlkommission habe ihn für die Besetzung der Stelle als Sachbearbeiter „deliktorientierte – kriminalpolizeiliche Fortbildung” bei der Landespolizeischule in B. empfohlen, der Hauptpersonalrat habe die Empfehlung bestätigt, der Kläger werde mit sofortiger Wirkung in die genannte Stelle eingesetzt. Am 17. Dezember 1991 nahm das GLKA die Kündigung vom 23. September 1991 zurück und sprach die Versetzung des Klägers in die Landespolizeischule ab 1. Januar 1992 aus.

Nachdem der Beklagte den Kläger am 21. Januar 1992 vom Dienst beurlaubt hatte, kündigte er das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 18. Februar 1992, dem Kläger zugegangen am 25. Februar 1992, ordentlich zum 30. Juni 1992. Hilfsweise hat er das Arbeitsverhältnis mit Schriftsatz vom 10. August 1992 wegen arglistiger Täuschung angefochten.

Mit der am 23. März 1992 beim Arbeitsgericht eingereichten und vom Arbeitsgericht nachträglich zugelassenen Kündigungsschutzklage macht der Kläger den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend. Er hat vorgetragen, seine persönliche Eignung für den öffentlichen Dienst sei gegeben. Seine frühere Tätigkeit sei nicht mit der eines Politoffiziers gleichzusetzen. Er habe vor allen Dingen polizeiliche Führungsaufgaben wahrgenommen. In der Politischen Verwaltung habe er keinerlei eigene Entscheidungsbefugnis gehabt. Der zuständige Personalrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Ein Anfechtungsrecht des Beklagten habe nicht bestanden. Da das GLKA ausdrücklich nicht wegen mangelnder persönlicher Eignung gekündigt habe, habe er, der Kläger, davon ausgehen können, daß das Schreiben vom 30. Mai 1991 keine Bedeutung mehr besessen habe.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 18. Februar 1992 zum 30. Juni 1992 beendet worden sei, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbestehe,
  2. den Beklagten zu verurteilen, ihn über den 30. Juni 1992 hinaus weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, die mangelnde persönliche Eignung des Klägers ergebe sich aus dessen Tätigkeiten von 1973 bis März 1990 als Politoffizier der ehemaligen Deutschen Volkspolizei. Hierdurch habe sich der Kläger in besonderer Weise mit den Partei- und Staatszielen der DDR identifiziert. Er habe seiner Bewerbung im September 1991 zwar das Schreiben vom 5. Februar 1991 beigefügt, das Schreiben vom 30. Mai 1991 aber verschwiegen. Hierin liege ein schwerer Vertrauensbruch, der schon für sich die persönliche Eignung des Klägers ausschließe und zur Anfechtung gemäß § 123 BGB berechtigt habe. Die Landespolizeischule habe die Personalakte des Klägers nicht gekannt. Der in Personalangelegenheiten allein zuständige Direktor der Landespolizeischule habe die Kündigung unverzüglich erklärt, nachdem ihm die frühere Tätigkeit des Klägers als Politoffizier bekannt geworden sei.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte weiterhin Abweisung der Klage.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist nicht begründet.

A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt: Die auf Abs. 4 Ziff. 1 EV gestützte Kündigung sei unwirksam. Eine über zehnjährige Tätigkeit als Offizier in der Politischen Verwaltung des Ministeriums des Innern der ehemaligen DDR könne zwar dazu führen, daß ein Arbeitnehmer im Polizeidienst wegen mangelnder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspreche, auch wenn ihm zusätzlich keine bestimmten vorwerfbaren Verhaltensweisen in Ausübung seiner Funktion zur Last gelegt werden könnten. Die Kündigung stelle jedoch ein widersprüchliches Verhalten dar. Dem Beklagten seien alle Tätigkeiten des Klägers bekannt gewesen, Er habe ihn dennoch auf seine Bewerbung in den Polizeidienst übernommen. Die Kündigung vom 23. September 1991 sei ausschließlich wegen Auflösung des GLKA erfolgt. Nach Rücknahme der Kündigung und Versetzung an die Landespolizeischule habe der Kläger annehmen können, daß die frühere Tätigkeit nicht zum Anlaß für eine Kündigung genommen werde. Der unzulässigen Rechtsausübung stehe nicht entgegen, daß der Kläger das Schreiben vom 30. Mai 1991 seiner Bewerbung nicht beigefügt habe. Dieses Schreiben enthalte lediglich die Bewertung einer Tatsache, die der Kläger bei der Bewerbung mitgeteilt habe. Weder habe der Kläger eine Tatsache verschwiegen, noch habe überhaupt eine Unkenntnis des Beklagten vorgelegen. Zudem hätte die einstellende Behörde Personalakten und Personalfragebögen einsehen müssen. Eine arglistige Täuschung durch den Kläger habe nach alledem nicht vorgelegen.

B. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

I. Der auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtete Klageantrag ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig; denn der Kläger macht nicht nur die Unwirksamkeit der Kündigung vom 18. Februar 1992 geltend, vielmehr streiten die Parteien auch über die Anfechtung vom 10. August 1992 (vgl. nur BAG Urteil vom 26. August 1993 – 8 AZR 561/92BAGE 74, 120, 123 = AP Nr. 8 zu Art. 20 Einigungsvertrag, zu B I der Gründe).

II. Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Beklagte könne die Kündigung nicht auf Abs. 4 Ziff. 1 EV stützen.

1. Abs. 4 EV findet keine Anwendung auf Arbeitsverhältnisse, die nach dem Wirksamwerden des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland vollkommen neu begründet wurden (vgl. BAG Urteil vom 20. Januar 1994 – 8 AZR 502/93 – BAGE 75, 280 = AP Nr. 11 zu Art. 20 Einigungsvertrag). Das Sonderkündigungsrecht im Einigungsvertrag ist aber anwendbar, wenn der Beschäftigte zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Beitritts dem öffentlichen Dienst der ehemaligen DDR angehörte und das zu kündigende Arbeitsverhältnis auf den neuen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes übergegangen oder durch Weiterverwendung neu begründet worden ist (vgl. BAG Urteil vom 20. Januar 1994 – 8 AZR 274/93BAGE 75, 284 = AP Nr. 10 zu Art. 20 Einigungsvertrag). Das Landesarbeitsgericht hat für den Senat bindend (§ 561 Abs. 2 ZPO) festgestellt, daß der Kläger vom GLKA an die Landespolizeischule versetzt worden ist. Demnach liegt eine Weiterverwendung vor, so daß das Sonderkündigungsrecht des Einigungsvertrages eingreift.

2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe sich aufgrund seiner Tätigkeit als höherer Offizier für Propaganda in der Politischen Verwaltung des Ministeriums des Innern in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert. Daraus ergebe sich seine mangelnde persönliche Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV. Demgegenüber kann es der Senat dahinstehen lassen, ob die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zu Art und Bedeutung der Tätigkeit des Klägers diesen Schluß rechtfertigen. Die persönliche Eignung des Klägers muß nicht abschließend beurteilt werden, da sich die Kündigung aus anderen Gründen als unwirksam erweist.

3. Die Kündigung vom 18. Februar 1992 verstößt gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) und ist deshalb unwirksam. Der Beklagte hat sich widersprüchlich verhalten, indem er das Arbeitsverhältnis aus Gründen gekündigt hat, die der Einstellung des Klägers bei der Landespolizeischule offenbar nicht entgegenstanden.

a) § 242 BGB verkörpert einen allgemeinen Rechtsgedanken, der auch auf Kündigungen Anwendung findet. Das gilt ebenso für Kündigungen nach dem Einigungsvertrag. § 242 BGB ist neben den Gesetzesnormen, die die Gründe für eine Kündigung regeln, aber nur in beschränktem Umfang anwendbar. Eine Kündigung ist dann gemäß § 242 BGB nichtig, wenn sie aus Gründen, die von den speziellen Normen nicht erfaßt werden, Treu und Glauben verletzt (vgl. BAG Urteil vom 16. Februar 1989 – 2 AZR 347/88BAGE 61, 151, 160 = AP Nr. 46 zu § 138 BGB, zu III 1 der Gründe; BAG Urteil vom 23. Juni 1994 – 2 AZR 617/93 – NZA 1994, 1081; KR-Friedrich, 4. Aufl., § 13 KSchG Rz 232 m.w.N.; Hueck/v. Hoyningen-Huene, KSchG, 11. Aufl., § 13 Rz 88). Der Grundsatz von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung, wobei eine gegen § 242 BGB verstoßende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage wegen der Rechtsüberschreitung als unzulässig angesehen wird. Welche Anforderungen sich aus Treu und Glauben ergeben, läßt sich nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls entscheiden (vgl. BAG Urteil vom 23. Juni 1994, a.a.O.).

b) Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 8. Juni 1972 – 2 AZR 336/71BAGE 24, 292, 298 f. = AP Nr. 1 zu § 13 KSchG 1969, zu 4 der Gründe; Urteil vom 13. Juli 1978 – 2 AZR 798/77BAGE 31, 1, 10 = AP Nr. 18 zu § 108 BetrVG 1979, zu III 3 der Gründe) hat § 242 BGB für anwendbar erklärt, wenn ein widersprüchliches Verhalten des kündigenden Arbeitgebers vorliegt (venire contra factum proprium). Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses kann rechtsmißbräuchlich sein, wenn der Kündigende sich damit in unvereinbaren Gegensatz zu seinem früheren Verhalten setzt. Das widersprüchliche Verhalten ist rechtsmißbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. BGH Urteil vom 5. Dezember 1991 – IX ZR 271/90 – NJW 1992, 834 m.w.N.; Palandt/Heinrichs, BGB, 55. Aufl., § 242 Rz 55 ff.). So liegt etwa eine unzulässige Rechtsausübung vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer durch sein Verhalten Anlaß gegeben hat, zu glauben, das Arbeitsverhältnis werde längere Zeit fortbestehen, und dann plötzlich kündigt (KR-Friedrich/4. Aufl., § 13 KSchG Rz 236; MünchArbR/Wank, § 116 Rz 151). Hat er dem Arbeitnehmer erklärt, dieser brauche nicht mit einer Kündigung zu rechnen, verstößt es gegen § 242 BGB, wenn er ihm kurz darauf kündigt (Röhsler, Der Betrieb 1969, 1148). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Arbeitgeber sich auf einen besonderen nachträglich entstandenen sachlichen Grund berufen kann.

c) Die dargestellten Voraussetzungen einer Treuwidrigkeit der Kündigung liegen im Streitfalle vor.

Dem Beklagten waren alle Tätigkeiten des Klägers bekannt, insbesondere seine Tätigkeit als Politoffizier in der Politischen Verwaltung des Ministeriums des Innern. Unstreitig hat der Kläger alle seine Tätigkeiten im Personalfragebogen angegeben. Anläßlich seiner Bewerbung bei der Landespolizeischule hat der Kläger zwar nicht im einzelnen seine Funktionen in der Vergangenheit aufgeführt. Er hat aber auch darauf hingewiesen, daß er in der Politischen Verwaltung des Ministeriums des Innern als Mitarbeiter tätig war. Der Kläger konnte sich mit einer allgemeinen Umschreibung seiner Tätigkeit begnügen, da nach konkreten Funktionen nicht ausdrücklich gefragt wurde. Trotz seiner Tätigkeit in der Politischen Verwaltung des MdI wurde der Kläger von der Landespolizeischule übernommen. Seine frühere Tätigkeit wurde vom Beklagten aber zugleich zum Anlaß für die Kündigung vom 18. Februar 1992 genommen. Zwischen der Übernahme des Klägers durch die Landespolizeischule und dem Ausspruch der Kündigung hat sich die Tatsachengrundlage für die Bewertung der früheren Tätigkeit des Klägers nicht geändert. Die Angabe im Bewerbungsbogen, daß der Kläger Mitarbeiter in der Politischen Verwaltung des MdI war, hätte von der einstellenden Behörde zum Anlaß genommen werden müssen, die Personalakten des Klägers anzufordern, falls diese vor der Einstellung nicht vorlagen. Aus einem Vermerk des Ministeriums vom 19. Dezember 1991 ergibt sich, daß die Behörden und Einrichtungen vor Übernahme von Bediensteten gehalten waren, die Personalfragebögen einzusehen. Ein Versäumnis der einstellenden Behörde bei der Überprüfung der Personalunterlagen kann nicht zu Lasten des Klägers gehen.

Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die Annahme eines widersprüchlichen Verhaltens nicht durch das Verhalten des Klägers bei der Bewerbung entfällt. Dem Kläger kann nicht vorgeworfen werden, daß er das Schreiben vom 30. Mai 1991 nicht vorgelegt hat. Dieses Schreiben enthielt keine Tatsache, die der Kläger bei der Bewerbung verschwiegen hat. Es enthielt lediglich die Bewertung einer Tatsache, die der Kläger bei der Bewerbung mitgeteilt hat, nämlich seiner Tätigkeit in der Politischen Verwaltung des Mdl. Zudem stammte das Schreiben vom Innenministerium, wohin sich auch die Bewerbung richtete; der Kläger mußte nicht annehmen, es sei dort unbekannt. Auch konnte die Auswahlkommission der Landespolizeischule aufgrund der Angaben des Klägers eine eigene Bewertung vornehmen. Fehlten ihr Informationen, hätte sie ohne weiteres die Personalunterlagen anfordern können. Auf die Kenntnis des Leiters der Landespolizeischule von der Bewertung durch die Personalkommission kommt es nicht an.

Soweit der Beklagte erstmals in der Revisionsinstanz behauptet, zwischen Dezember 1989 und Januar 1990 seien auf Veranlassung des Klägers seine Kaderakten bereinigt worden, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der in der Revisionsinstanz nicht zu berücksichtigen ist (vgl. § 561 ZPO).

III. Da die Kündigung vom 18. Februar 1992 schon aus materiellrechtlichen Gründen unwirksam ist, kommt es auf die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats nicht an. Das Landesarbeitsgericht hat diese Frage zu Recht dahinstehen lassen.

IV. Der Beklagte hat den Arbeitsvertrag nicht wirksam angefochten.

Zweifelhaft erscheint bereits, ob der Beklagte eine ordnungsgemäße Anfechtung ausgesprochen hat. Es wird nicht hinreichend deutlich, welche seiner Erklärungen angefochten wurden. Der Anfechtungseinwand kann nur dann schlüssig sein, wenn die Nichtigkeit der betreffenden Willenserklärung den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses berührt. Das ist nicht ohne weiteres ersichtlich.

Davon abgesehen ist der Beklagte nicht zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung bestimmt worden (§ 123 Abs. 1 BGB). Das Verschweigen stellt nur dann eine Täuschungshandlung dar, wenn eine Aufklärungspflicht besteht. Ein Arbeitnehmer braucht ungünstige Umstände grundsätzlich nicht ungefragt zu offenbaren. Wie bereits ausgeführt, bestand für den Kläger keine Offenbarungspflicht. Wenn der Beklagte vorträgt, eine Bewertung der politischen Tätigkeit sei aufgrund der Vorlage des Schreibens vom 5. Februar 1991 unterblieben, ist dies nicht dem Kläger zur Last zu legen, sondern fällt allein in die Sphäre des Beklagten. Der Kläger mußte seine Bewerbungschancen nicht dadurch schmälern, daß er seinen Unterlagen ein negatives Werturteil der Personalkommission über seine frühere Tätigkeit in der DDR beifügte. Er mußte sowieso damit rechnen, daß die einstellende Behörde Einsicht in seine vollständigen Personalakten nahm.

V. Über den Weiterbeschäftigungsantrag ist in der Revisionsinstanz nicht mehr zu entscheiden.

C. Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

 

Unterschriften

Ascheid, Müller-Glöge, Mikosch, Plenge, E. Schmitzberger

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1093202

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