Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung der Kranken Vergütung im Freischichtenmodell

 

Leitsatz (redaktionell)

Gleichgelagerter Fall zu 5 AZR 351/87, Urteil vom 15. Februar 1989

 

Normenkette

LFZG § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 3; Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer in der Metallindustrie im Bereich Osnabrück-Emsland vom 9. Januar 1985 §§ 2, 8

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 21.12.1988; Aktenzeichen 6 Sa 1928/88)

ArbG Osnabrück (Urteil vom 04.02.1987; Aktenzeichen 2 Ca 1599/86)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 21. Dezember 1988 – 6 Sa 1928/88 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, wie das fortzuzahlende Arbeitsentgelt für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit des Klägers zu berechnen ist.

Der Kläger ist bei der Beklagten als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt. Auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer in der Metallindustrie im Bereich Osnabrück-Emsland vom 9. Januar 1985 (künftig: MTV) Anwendung. Nach § 2 Nr. 1 Abs. 1 MTV beträgt die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ab 1. April 1985 (§ 19 Nr. 1 MTV) ohne Pausen 38,5 Stunden. Die Arbeitszeit im Betrieb wird im Rahmen des Volumens, das sich aus der für den Betrieb festgelegten wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden im Durchschnitt aller Vollzeitbeschäftigten ergibt, durch Betriebsvereinbarung geregelt (§ 2 Nr. 1 Abs. 2 Satz 1 MTV). Dabei kann die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für Vollbeschäftigte zwischen 37 und 40 Stunden betragen (§ 2 Nr. 1 Abs. 4 Satz 1 MTV). Schließlich ist in § 2 Nr. 13 MTV gesagt, daß aus Anlaß der Neufestlegung der Arbeitszeit die Auslastung der betrieblichen Anlagen und Einrichtungen nicht vermindert wird sowie daß bei einer Differenz zwischen Betriebsnutzungszeit und der Arbeitszeit für die einzelnen Arbeitnehmer der Zeitausgleich auch in Form von freien Tagen erfolgen kann.

Entsprechend diesen tariflichen Vorgaben ist zwischen der Beklagten und dem in ihrem Betrieb bestehenden Betriebsrat eine Betriebs Vereinbarung am 27. März 1985 abgeschlossen worden. In ihr ist festgelegt, daß für die vollzeitbeschäftigten Arbeiter die persönliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ab 1. April 1985 38,5 Stunden beträgt. Für die Umsetzung der Arbeitszeitverkürzung von 1,5 Stunden pro Woche sind mehrere Möglichkeiten vorgesehen, u.a. die Gewährung von freien Verfügungstagen. Über die Bezahlung der Arbeitszeit ist in Nr. 4 der Betriebsvereinbarung folgendes ausgeführt:

„4. Bezahlung der Arbeitszeit

4.1 Die Bezahlung erfolgt nach der Fälligkeit, d.h., an dem Tag, an dem 8 Stunden gearbeitet werden, werden auch 8 Stunden bezahlt. An freien Tagen erfolgt keine Bezahlung.

4.2 Die Bezahlung von Urlaub und Krankheit mit Lohnfortzahlung erfolgt unverändert gemäß den tarifvertraglichen Vorschriften (Vergangenheitsprinzip).

Der in den tarifvertraglichen Vorschriften (§ 8 Abs. 2 Buchstabe b MTV) genannte Divisor 65 wird verändert, wenn im Berechnungszeitraum mehr als 2 freie Tage liegen. Der Divisor wird für jeden über 2 Tage hinausgehenden zusätzlichen freien Tag um 1 verkürzt.

…”

Der Kläger war in der Zeit vom 3. bis 7. März, 29. April bis 20. Mai und 9. Juni bis 10. Juli 1986 arbeitsunfähig krank. Hinsichtlich der Lohnfortzahlung im Falle der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit bestimmt § 8 Nr. 2 MTV folgendes:

„2. Lohnfortzahlung für Arbeiter

Bei unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit sowie bei Kuren sind bei der Berechnung des Arbeitsentgelts abweichend von § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 des Lohnfortzahlungsgesetzes zugrunde zu legen:

  1. hinsichtlich der Lohnhöhe (Geldfaktor):

    der durchschnittliche tatsächliche Stundenverdienst in den letzten 3 abgerechneten Kalendermonaten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit (Gesamtverdienst des Arbeitnehmers in diesem Zeitraum einschließlich aller Zuschläge, geteilt durch die Zahl der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden);

  2. hinsichtlich der Anzahl der Arbeitsstunden je Krankheitstag (Zeitfaktor):

    1/5 der wöchentlichen Arbeitszeit des Arbeitnehmers nach dem Durchschnitt der letzten 3 abgerechneten Kalendermonate (Gesamt Stundenzahl des Arbeitnehmers, geteilt durch 65).

    Muß infolge Teilzeitbeschäftigung, Kurzarbeit oder aus anderen Gründen (z.B. als entschuldigt anerkannte Arbeitsversäumnis) ein anderer Divisor angewandt werden, weil sich andernfalls nicht 1/5 der wöchentlichen Arbeitszeit je Krankheitstag ergeben würde bzw. um 1/5 der wöchentlichen Arbeitszeit je Krankheitstag i. S. des vorstehenden Absatzes zu erreichen, so ist er aus der Zahl der in den letzten 3 Monaten tatsächlich geleisteten Arbeitstage zu ermitteln.

…”

Über den anzusetzenden Geldfaktor besteht zwischen den Parteien kein Streit. In den für die Ermittlung des Zeitfaktors jeweils maßgebenden letzten drei abgerechneten Kalendermonaten hatten für den Kläger unbezahlte Freischichten zum Ausgleich der Differenz zwischen individueller regelmäßiger Arbeitszeit und der achtstündigen Betriebsnutzungszeit gelegen. Die Beklagte hat die von dem Kläger in den entsprechenden Berechnungszeiträumen erbrachten Arbeitsstunden jeweils durch 65 geteilt und so die je Krankheitstag zu vergütenden Arbeitsstunden ermittelt.

Der Kläger hat demgegenüber die Ansicht vertreten, die tarifvertragliche Regelung über die Berechnung des Zeitfaktors gestatte nicht, Tage, an denen Freischichten angefallen sind, für den Divisor zu berücksichtigen. Insoweit handele es sich um als entschuldigt anerkannte Arbeitsversäumnis i. S. von § 8 Nr. 2 b MTV. Der deshalb zu ermittelnde kleinere Divisor führe zu einer höheren Stundenzahl und zu einem höheren an den Krankheitstagen zu zahlenden Lohn. Der Differenzbetrag insoweit ist rechnerisch unstreitig. Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, an ihn 180,76 DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen auf den Nettobetrag seit dem 3. Oktober 1986 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die von ihr vorgenommene Berechnung der Krankenbezüge sei tarifgerecht geschehen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Beklagte hat das während der Arbeitsunfähigkeit des Klägers fortzuzahlende Entgelt zutreffend berechnet.

1. Nach § 2 Abs. 3 LFZG in Verb. mit § 8 Nr. 2 MTV sind für die Berechnung des nach § 1 LFZG fortzuzahlenden Arbeitsentgelts zwei Faktoren maßgebend. Zunächst ist hinsichtlich der Lohnhöhe (Geldfaktor) ein Stundenverdienst in der in § 8 Nr. 2 Buchst. a MTV näher beschriebenen Weise zu ermitteln. Hinsichtlich dieses Geldfaktors besteht zwischen den Parteien kein Streit.

2. Weiter kommt es für die Berechnung des während der Arbeitsunfähigkeit fortzuzahlenden Arbeitsentgelts darauf an, welche Arbeitszeit für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit zugrunde zu legen ist (Zeitfaktor). Hierzu enthält § 8 Nr. 2 Buchst. b MTV die Regelung, daß 1/5 der wöchentlichen Arbeitszeit des Arbeitnehmers nach dem Durchschnitt der letzten drei abgerechneten Kalendermonate zugrunde zu legen ist. Ein Klammerzusatz erläutert dies näher. Die Gesamtstundenzahl des Arbeitnehmers in der genannten Bezugsperiode ist durch 65 zu teilen.

a) Zur Ermittlung der je Krankheitstag zu vergütenden Arbeitsstunden ist zwischen den Parteien wiederum unstreitig, welche Zahl von Arbeitsstunden von dem Kläger in den für die verschiedenen Krankheitszeiten jeweils heranzuziehenden abgerechneten Kalendermonaten geleistet wurde. Die von dem Kläger geleistete Gesamtstundenzahl des jeweiligen dreimonatigen Bezugszeitraums ist entsprechend der tariflichen Vorschrift durch 65 zu teilen. Daraus ergibt sich dann die von der Beklagten ermittelte und für die Vergütung der Krankheitstage zugrunde gelegte Anzahl der Arbeitsstunden je Krankheitstag.

b) Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Divisor von 65 nicht zu verringern um Tage der Freischichten, die im dreimonatigen Berechnungszeitraum liegen. Der Tarifvertrag sieht nur für bestimmte, die Arbeitszeit beeinflussende Umstände vor, daß ein anderer Divisor als 65 angewandt wird. Das kommt nur in Betracht, wenn infolge Teilzeitbeschäftigung, Kurzarbeit oder aus anderen Gründen (z.B. als entschuldigt anerkannte Arbeitsversäumnis) nicht bei dem Divisor von 65 verblieben werden kann. Wenn in dem Berechnungszeitraum unbezahlte Freischichten liegen, durch die der Unterschied zwischen der individuellen regelmäßigen Arbeitszeit und der Betriebsnutzungszeit ausgeglichen werden soll, um die tariflich vorgegebene und hier auch durch die Betriebsvereinbarung für den Kläger geltende Arbeitszeit von 38,5 Stunden einzuhalten, so handelt es sich dabei weder um eine Teilzeitbeschäftigung noch um Kurzarbeit noch um eine als entschuldigt anzuerkennende Arbeitsversäumnis. Wenn der Kläger an den Freischichttagen nicht gearbeitet hat, beruht dies auf der Verteilung der Arbeitszeit. Verdienstausfälle, wie sie die tarifliche Vorschrift, die zu einem anderen Divisor führt, vor Augen hat, treten nicht ein. Wenn, wie hier, die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung von acht Stunden täglich vergütet wird, auch soweit sie über die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus erbracht wird, erhält der Arbeitnehmer an den Tagen, an denen der Freizeitausgleich erfolgt, keine Vergütung. Ihm entsteht dadurch, daß er an den Freischichttagen unbezahlt von der Arbeit befreit ist, kein Verdienstausfall i. S. der in § 8 Nr. 2 Buchst. b MTV aufgeführten Beispiele. Die unbezahlte Freistellung von der Arbeit geschieht, um den Ausgleich zu schaffen zwischen der individuellen regelmäßigen Arbeitszeit und der während der Betriebsnutzungszeit erbrachten und bezahlten längeren Arbeitszeit (vgl. auch das Urteil vom 15. Februar 1989 – 5 AZR 351/87 – BB 1989, 1620).

c) Die von dem Kläger vertretene Ansicht würde nicht dem Umstand gerecht, daß seine Arbeitszeit in Wirklichkeit nicht 40 Stunden wöchentlich, sondern nur 38,5 Stunden beträgt und die darüber hinausgehende wegen der Beibehaltung der Betriebsnutzungszeit geleistete Arbeit durch Freizeit, die zu Freischichten zusammengeführt wird, auszugleichen ist. Würde man den Divisor wegen der Freischichten verändern, würde das im Ergebnis dazu führen, daß bei der tariflich vorgeschriebenen Bezugsmethode, bei der eine Durchschnittsgröße ermittelt werden soll, die tatsächlich geltende Arbeitszeit von 38,5 Stunden sich nie ergeben könnte. Richtig ist allerdings, daß die Höhe der Krankenbezüge davon abhängt, ob in dem Bezugszeitraum Freischichten lagen oder nicht. Aber solche Umstände beeinflussen stets die Berechnung von Vergütungen, die nach einem Referenzprinzip zu ermitteln sind.

d) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Betriebsvereinbarung vom 27. März 1985 im Hinblick auf § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG und § 77 Abs. 3 BetrVG insoweit rechtswirksam ist, wie sie in Nr. 4.2 Abs. 2 vorsieht, daß bei mehr als zwei Freischichten im Berechnungszeitraum der Divisor 65 zu kürzen ist. Denn nach dem zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt liegen die Voraussetzungen nicht vor, von denen nach der Betriebsvereinbarung eine Änderung des Divisors abhängt.

 

Unterschriften

Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog, Polcyn, Dr. Schönherr

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1073446

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