Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Zulage bei Vertretung - ständige Unterstellung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Angestellter ist in die VergGr I der Anl 1a zum BAT einzugruppieren, wenn ihm mindestens acht Angestellte der VergGr IIa ständig unterstellt sind.

2. Eine ständige Unterstellung ist dann anzunehmen, wenn die Unterstellung auf eine gewisse, nicht unerhebliche Zeit erfolgt. Eine nicht unerhebliche Zeit ist zumindest dann gegeben, wenn sie ein Jahr andauert. Ob der Arbeitsvertrag des unterstellten Angestellten befristet ist, ist unerheblich.

 

Orientierungssatz

Vertreterzulage bei ständiger Unterstellung.

 

Normenkette

BAT Anlage 1a; BAT § 24 Fassung 1975-03-17

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 12.06.1990; Aktenzeichen 11 Sa 287/90)

ArbG Bonn (Entscheidung vom 13.02.1990; Aktenzeichen 1 Ca 1648/89)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Zulage nach § 24 BAT für die Dauer der kommissarischen Leitung der Abteilung " Rechner- und Führungssysteme (RuF)" der Beklagten durch den Kläger.

Der Kläger ist Diplom-Mathematiker und seit dem 16. Oktober 1966 bei der Beklagten beschäftigt. Nach § 3 des Arbeitsvertrages vom 27. April/12. Mai 1977 findet auf das Arbeitsverhältnis der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und die diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge in der jeweils für Angestellte des Bundes geltenden Fassung Anwendung. Der Kläger erhält z.Z. Vergütung nach der Vergütungsgruppe I a BAT.

Mit Schreiben vom 1. Dezember 1985 wurde ihm vom Vorstand der Beklagten mit Zustimmung des Betriebsrats für die Zeit ab 1. Dezember 1985 die kommissarische Leitung der Abteilung " Rechner- und Führungssysteme (RuF)" übertragen. Dieses Schreiben hat den folgenden Wortlaut:

"Betr.:

Kommissarische Leitung der Abteilung

"Rechner- und Führungssysteme"

Sehr geehrter Herr B ,

hiermit wird Ihnen unter Widerruf des Schreibens

des Institutsleiters FFM vom 28.11.1985 ab

01. De-zember 1985 die kommissarische Leitung der

oben genannten Abteilung übertragen.

Ein Anspruch auf Höhergruppierung sowie auf Zah-

lung einer persönlichen Zulage entsteht hierdurch

nicht.

Sie sind gegenüber den in der Abteilung tätigen

Mitarbeitern/innen weisungsbefugt.

Diese Verfügung ist jederzeit widerruflich.

Für Ihre Tätigkeit wünschen wir Ihnen viel Er-

folg"

Der vom Kläger vertretene Abteilungsleiter Dr. S ist in VergGr. I BAT eingruppiert. In der Vertretungszeit arbeiteten in der Abteilung RuF außer dem Kläger zunächst sieben Mitarbeiter, die in VergGr. I a oder I b BAT eingruppiert waren, und ein weiterer Mitarbeiter mit Vergütung nach der VergGr. II a BAT Fallgruppe 8, der nach der Protokollerklärung Nr. 6 als unterstellter Angestellter nicht mitzuzählen ist. Ab 1. April 1986, zunächst befristet bis zum 31. Dezember 1988, wurde für ein von Dritten finanziertes Forschungsvorhaben in der Abteilung RuF ein weiterer Mitarbeiter mit der VergGr. I b BAT eingesetzt. Das befristete Arbeitsverhältnis wurde in der Zwischenzeit zweimal verlängert und besteht z.Z. immer noch. Während des Vertretungszeitraums hatte der Kläger die Mittel des Forschungsvorhabens zu verwalten und die Projektarbeit mit dem Auftraggeber durch entsprechende Anweisungen an den neu eingestellten Mitarbeiter zu koordinieren. Ferner zeichnete er die Urlaubs- und Reiseanträge sowie Reisekostenrechnungen dieses Angestellten ab.

Unter dem 4. November 1986 machte der Kläger erstmals bei der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung einer persönlichen Zulage gemäß § 24 BAT geltend. Er wiederholte sein Begehren mit Schreiben vom 5. Juni 1987. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 16. Juni 1987 die Zahlung einer Zulage mit der Begründung ab, die Tätigkeitsmerkmale der VergGr. I BAT Fallgruppe 1 b seien nicht gegeben, weil eine "ständige" Unterstellung vom mindestens acht Mitarbeitern im Sinne dieser Bestimmung nicht vorliege.

Mit Schreiben vom 24. August 1987 wurde die Übertragung der kommissarischen Leitung der Abteilung RuF zum 1. September 1987 widerrufen.

Mit der der Beklagten am 5. September 1989 zugestellten Klage hat der Kläger seinen Anspruch auf eine persönliche Zulage nach § 24 BAT weiterverfolgt und mit Rücksicht auf die Ausschlußfrist des § 70 BAT und die Verjährungsfrist nach § 196 Abs. 1 Nr. 8 BGB für die Monate Januar bis August 1987 Zahlung der Differenz zwischen den VergGr. I a und I BAT in der unstreitigen Höhe von insgesamt 6.727,68 DM brutto verlangt.

Er hat die Auffassung vertreten, in der Zeit seiner kommissarischen Leitung der Abteilung RuF hätten ab Einstellung des weiteren Mitarbeiters am 1. April 1986 die Voraussetzungen für eine persönliche Zulage nach § 24 Abs. 2 BAT vorgelegen. Denn ab diesem Zeitpunkt seien ihm ständig acht Mitarbeiter mit mindestens der VergGr. II a BAT unterstellt gewesen, so daß die Voraussetzungen der VergGr. I BAT Fallgruppe 1 b vorgelegen hätten. Der zusätzliche Mitarbeiter sei auch im Stellenplan der Beklagten ausgewiesen. Darüber hinaus weise auch das Forschungsprogramm 1987 der Beklagten in der Abteilung RuF die wissenschaftliche Tätigkeit von zehn Wissenschaftlern aus.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.727,68 DM

brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 5. September

1989 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, der zusätzliche Mitarbeiter sei dem Kläger nicht im Tarifsinn "ständig unterstellt" gewesen, da er nur befristet eingestellt worden sei. Die Beschäftigung dieses Mitarbeiters sei außerhalb des Stellenplans mit sog. Zeithilfemitteln erfolgt, die auch anderweitig hätten verwendet werden können. Die ständige Unterstellung im Sinne des Tätigkeitsmerkmals der VergGr. I BAT Fallgruppe 1 b setze dagegen eine dauerhafte und unbefristete Tätigkeit des unterstellten Mitarbeiters voraus. Eine lediglich faktische Unterstellung erfülle das tarifliche Tätigkeitsmerkmal nicht.

Das Arbeitsgericht hat der Klageforderung entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt die Beklagte weiterhin, die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß Zinsen nur aus dem Nettobetrag begehrt werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat in dem Klagezeitraum Anspruch auf eine persönliche Zulage nach § 24 Abs. 2 BAT.

I. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) Anwendung. Danach kommen für die von dem Kläger geltend gemachte Forderung folgende Bestimmungen des BAT und der Vergütungsordnung (Anl. 1 a) des BAT in Betracht:

Vergütungsgruppe I

Fallgruppe 1 b

Angestellte mit abgeschlossener wissenschaftli-

cher Hochschulbildung und entsprechender Tätig-

keit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund

gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen

entsprechende Tätigkeiten ausüben,

denen mindestens acht Angestellte mindestens

der Vergütungsgruppe II a durch ausdrückliche

Anordnung ständig unterstellt sind.

§ 24

Vorübergehende Ausübung einer höherwertigen Tä-

tigkeit

(1) ...

(2) Wird dem Angestellten vertretungsweise eine

andere Tätigkeit (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 1)

übertragen, die den Tätigkeitsmerkmalen

einer höheren als seiner Vergütungsgruppe

entspricht (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 bis 5),

und hat die Vertretung länger als drei Mo-

nate gedauert, erhält er nach Ablauf dieser

Frist eine persönliche Zulage für den letz-

ten Kalendermonat der Frist und für jeden

folgenden vollen Kalendermonat der Frist

und für jeden folgenden vollen Kalendermo-

nat der weiteren Vertretung. Bei Berechnung

der Frist sind bei mehreren Vertretungen

Unterbrechungen von weniger als jeweils

drei Wochen unschädlich. Auf die Frist von

drei Monaten sind Zeiten der Ausübung einer

höherwertigen Tätigkeit nach Absatz 1 anzu-

rechnen, wenn die Vertretung sich unmittel-

bar anschließt oder zwischen der Beendigung

der höherwertigen Tätigkeit und der Aufnah-

me der Vertretung ein Zeitraum von weniger

als drei Wochen liegt.

II.1. Der Kläger besitzt eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung. Ihm wurde auch von der Beklagten, einer Forschungsgesellschaft, eine entsprechende Tätigkeit übertragen. Nach dem Wortlaut des Schreibens des Vorstandes der Beklagten vom 1. Dezember 1985 ist dem Kläger ausdrücklich mitgeteilt worden, er sei gegenüber den Mitarbeitern der Abteilung Rechner- und Führungssysteme weisungsbefugt. Damit ist auch das weitere tarifliche Erfordernis der Unterstellung durch "ausdrückliche Anordnung" seitens des Arbeitgebers erfüllt. Denn "Unterstellung" bedeutet nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, daß der Angestellte gegenüber den Unterstellten eine Weisungs- und Aufsichtsbefugnis auszuüben hat (vgl. statt aller: BAG Urteil vom 11. November 1987 - 4 AZR 336/87 - AP Nr. 140 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m.w.N.). Dabei kommt es, wie der Senat weiterhin in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, auf eine weitergehende Differenzierung hinsichtlich der Art der Aufsicht nicht an. Es braucht also im Einzelfall nicht nach Fach-, Rechts- oder reiner Dienstaufsicht unterschieden zu werden (BAG, aaO).

2. Dem Kläger waren auch einschließlich des ab 1. April 1986 befristet eingestellten Mitarbeiters insgesamt acht Angestellte mindestens der VergGr. II a ständig unterstellt.

a) Das Landesarbeitsgericht hat hierzu ausgeführt, eine "ständige Unterstellung" im Sinne des tariflichen Tätigkeitsmerkmals erfordere kein unbefristetes Arbeitsverhältnis des Unterstellten. Es genüge vielmehr, daß der unterstellte Mitarbeiter im Rahmen der Befristung und auf deren Dauer einem bestimmten Vorgesetzten zugeordnet sei und nicht etwa jeweils nur vorübergehend unterschiedlichen Abteilungen angehöre.

b) Hiergegen ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. Die Tarifvertragsparteien haben nicht im einzelnen festgelegt, nach welcher Zeitdauer der Unterstellung sie diese als "ständig" im Sinne des Tätigkeitsmerkmals in der VergGr. I BAT Fallgruppe 1 b ansehen. Nach den vom Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt BAGE 60, 219, 223, 224 = AP Nr. 127 zu § 611 BGB Gratifikation) vertretenen Auslegungsgrundsätzen ist unter "ständiger Unterstellung" eine ununterbrochene, auf gewisse nicht unerhebliche Dauer ausgelegte Unterstellung anzusehen. Dabei braucht sich der Senat vorliegend nicht auf eine bestimmte zeitliche Untergrenze festzulegen. Denn jedenfalls bei einer länger als ein Jahr dauernden ununterbrochenen Unterstellung ist eine "ständige Unterstellung" anzunehmen. Dies folgt schon daraus, daß auch Personalpläne in der Regel für diese Zeitspanne aufgestellt werden.

c) Der am 1. April 1986 befristet eingestellte Mitarbeiter war aber nach den nicht angegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts von Anfang an und jedenfalls bis zur Entscheidung des Landesarbeitsgerichts am 12. Juni 1990 der Abteilung RuF zugeordnet und der Aufsicht des jeweiligen Abteilungsleiters unterstellt. Damit war er dem Kläger bis zum Ende seiner Beauftragung mit der kommissarischen Leitung der Abteilung RuF am 31. August 1987, also für die Dauer von insgesamt 17 Monaten unterstellt. In dieser Zeit übte der Kläger auch diesem Mitarbeiter gegenüber die Dienst- und Fachaufsicht aus. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob er und wann er im einzelnen Weisungen erteilt hat, da es ausreicht, wenn er jederzeit und sofort in der Lage war, aktiv durch Erteilung der erforderlichen Anweisungen und fachlichen Weisungen einzugreifen (BAG Urteil vom 17. Dezember 1980 - 4 AZR 852/78 - AP Nr. 38 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

d) Nach alledem kommt es auch nicht darauf an - worauf die Revision abhebt - ob der jeweilige unterstellte Mitarbeiter im Stellenplan der Beklagten als ständiger Mitarbeiter ausgewiesen ist oder nur aus "Zeitmitteln", "Drittmitteln" oder sonstigen neben dem Stellenplan zur Verfügung stehenden Mitteln vergütet wird. Entscheidend ist nach der tariflichen Regelung nicht die Rechtslage im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis des Unterstellten, sondern allein die Frage, ob der Vorgesetzte die Aufsicht über ihn ständig auszuüben in der Lage ist. Dies war aber dem Kläger auch hinsichtlich des zusätzlichen Mitarbeiters uneingeschränkt möglich.

III. Die Beklagte trägt erstmals in der Revisionsbegründung und entgegen ihrem bisherigen ausdrücklichen Vortrag vor, der Leiter der Abteilung RuF werde nicht mit Rücksicht auf die ständige Unterstellung von mindestens acht Angestellten mindestens der VergGr. II a nach der VergGr. I Fallgruppe 1 b vergütet. Vielmehr werde er nach der VergGr. I Fallgruppe 2 vergütet, da er "in der Forschung" tätig sei. Das gleiche treffe auf den Kläger zu, auch dieser sei "in der Forschung" tätig. Sie meint, das Landesarbeitsgericht hätte deshalb mit Rücksicht auf Nr. 1 der Vorbemerkung zu allen Vergütungsgruppen zunächst prüfen müssen, ob diese Eingruppierung des Abteilungsleiters Dr. S zutreffend und der Kläger ebenso einzugruppieren sei.

Dabei handelt es sich jedoch um neuen Sachvortrag, der nach § 561 ZPO in der Revisionsinstanz nicht mehr berücksichtigt werden kann. Dies gilt im vorliegenden Fall auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß es sich insoweit um die Frage der tarifgerechten Eingruppierung des Klägers bzw. des Abteilungsleiters Dr. S handelt. Eine der von Literatur und Rechtsprechung zugelassenen Ausnahmen von dem Grundsatz, allein das sich aus dem Berufungsurteil sowie dem Sitzungsprotokoll sowie den dort in bezug genommenen Schriftstücken ergebende Parteivorbringen zu berücksichtigen, liegt ersichtlich nicht vor. Aus der gesamten Akte einschließlich des überreichten vorprozessualen Schriftverkehrs ist nicht ein einziger Anhaltspunkt für eine derartige Eingruppierung gegeben. Weder der Arbeitsvertrag des Klägers noch der des Abteilungsleiters Dr. S sind in den Vorinstanzen zu den Akten gereicht worden. Selbst mit dem Betriebsrat ist die Angelegenheit allein unter dem Gesichtspunkt der Anzahl der "ständig unterstellten" Mitarbeiter erörtert worden.

IV. Nach alledem hat der Kläger ab Einstellung des weiteren Mitarbeiters (April 1986) vertretungsweise eine Tätigkeit ausgeübt bzw. übertragen bekommen, die den Tätigkeitsmerkmalen der VergGr. I BAT Fallgruppe 1 b entsprach und damit einer höheren als seiner VergGr. I a BAT. Er hatte damit nach § 24 Abs. 2 Satz 1 BAT zumindest ab Januar 1987 einen Anspruch auf eine persönliche Zulage in Höhe der Differenz zwischen beiden Vergütungsgruppen (§ 24 Abs. 3 BAT) bis zum Ende der Beauftragung am 31. August 1987.

V. Da die Höhe der geforderten Zulagen für die Monate Januar bis August 1987 unstreitig ist, ist die Revision unbegründet. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Schaub Dr. Etzel Schneider

Wehner Dr. Knapp

 

Fundstellen

Haufe-Index 439294

ZTR 1991, 330-331 (LT1-2)

AP § 24 BAT (LT1-2), Nr 16

PersR 1991, 480 (L)

PersV 1991, 547 (L)

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