Entscheidungsstichwort (Thema)

Tagegeld für DRK-Rettungssanitäter. Reisekostenvergütung. Tagegeld und Aufwandsvergütung. DRK-Rettungssanitäter. Tarifrecht. Tarifauslegung. Tarifrecht öffentl. Dienst

 

Orientierungssatz

Fahrten eines DRK-Rettungssanitäters von seinem Wohnort zu einer Rettungswache, die nicht sein Dienstort ist, sind Dienstreisen. Der Anspruch auf Zahlung von Tagegeld ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Rettungswache näher an seinem Wohnort liegt als sein Dienstort.

 

Normenkette

BayRKG Art. 2 Abs. 1, 3, Art. 3-6, 9, 16 Abs. 3, Art. 17; BayRKG 1988 Art. 18; BAT § 42

 

Verfahrensgang

LAG Nürnberg (Urteil vom 02.03.1999; Aktenzeichen 6 Sa 1219/96)

ArbG Bayreuth (Urteil vom 13.11.1996; Aktenzeichen 4 Ca 23/96)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von dem Beklagten Zahlung von Tagegeld und Aufwandsvergütung nach den Vorschriften des Bayerischen Reisekostengesetzes (BayRKG).

Der Kläger ist seit dem 1. Oktober 1994 als Rettungssanitäter bei dem beklagten Kreisverband B…. des Bayerischen Roten Kreuzes beschäftigt. Dieser hat seinen Sitz in B…. und unterhält fünf Rettungswachen, davon eine in B…. und eine in F…. Die Entfernung vom Wohnort des Klägers in W…. nach B…. beträgt 16,5 km, diejenige nach F…. 5,5 km.

Die kraft Organisationszugehörigkeit tarifgebundenen Parteien haben im Arbeitsvertrag vom 27. September 1994 vereinbart, daß sich das Arbeitsverhältnis nach den Vorschriften des Manteltarifvertrags zur Anwendung des BAT für die Angestellten des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) in der jeweils geltenden Fassung (MTV) richtet. Nach Ziff. 7 Buchst. c des Vertrags hat der Kläger sich damit einverstanden erklärt, “im Bedarfsfall auf allen Wachen des Kreisverbandes eingesetzt zu werden”. Ziff. 8 des Arbeitsvertrags lautet: “Mündliche Vertragsabreden sind ungültig”.

Im MTV Nr. 15 vom 28. Juni 1991 heißt es:

“§ 1

Anwendung des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT)

(1) Der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23.01.1991 i.d.F. des Änderungstarifvertrages Nr. 66 vom 24. April 1991 … findet auf die Arbeitnehmer des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK), die in einer der Rentenversicherung der Angestellten unterliegenden Beschäftigung stehen, Anwendung, soweit in § 2 nichts anderes vereinbart ist.

§ 2

Anlagen

Bestandteil dieses Tarifvertrages sind

Anlage 1 – Abweichungen vom BAT

…”

“Anlage 1

zum Manteltarifvertrag Nr. 15

vom 28. Juni 1991

für Angestellte des Bayerischen Roten Kreuzes

Abweichungen vom BAT

(3) Soweit in einzelnen Paragraphen des BAT auf die jeweiligen Bestimmungen der Beamten bzw. die bei dem jeweiligen Arbeitgeber geltenden Bestimmungen hingewiesen wird, gelten die Bestimmungen für die Beamten des Freistaates Bayern.

…”

In § 42 Abs. 1 Buchst. a BAT ist bestimmt, daß für die Erstattung von Auslagen für Dienstreisen und Dienstgänge (Reisekostenvergütung) die für die Beamten des Arbeitgebers jeweils geltenden Bestimmungen entsprechend anzuwenden sind. Im Bayerischen Gesetz über die Reisekostenvergütung der Beamten und Richter (Bayerisches Reisekostengesetz – BayRKG) in der Fassung vom 23. Juni 1988 heißt es:

“…

Abschnitt II

Reisekostenvergütung

Art. 2

Begriffsbestimmungen

(1) Dienstreisen im Sinne dieses Gesetzes sind Reisen zur Erledigung von Dienstgeschäften außerhalb des Dienstortes, die schriftlich angeordnet oder genehmigt worden sind.…

(3) Der Anordnung oder Genehmigung einer Dienstreise oder eines Dienstganges im Inland bedarf es nicht, wenn dies nach dem Amt des die Dienstreise oder den Dienstgang ausführenden Beamten oder nach dem Wesen des Dienstgeschäfts nicht in Betracht kommt.

Art. 3

Anspruch auf Reisekostenvergütung

(1) Der eine Dienstreise oder einen Dienstgang ausführende Beamte hat Anspruch auf Reisekostenvergütung zur Abgeltung der dienstlich veranlaßten Mehraufwendungen.…

Art. 7

Dauer der Dienstreise

Die Dauer der Dienstreise richtet sich nach der Abreise und der Ankunft an der Wohnung.…

Art. 9

Tagegeld

(1) Bei einer Dienstreise, die nicht mehr als einen vollen Kalendertag beansprucht, beträgt das Tagegeld in

Reisekostenstufe A

28,- DM.

Reisekostenstufe B

31,- DM.

Bei Dienstreisen bis zu zwölf Stunden gilt Absatz 3.

Art. 17

Aufwandsvergütung

(1) Beamte, denen erfahrungsgemäß geringere Aufwendungen für Verpflegung oder Unterkunft als allgemein entstehen, erhalten nach näherer Bestimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr ermächtigten unmittelbar nachgeordneten Behörde anstelle der Reisekostenvergütung im Sinne des Art. 4 Nrn. 3 bis 5 und 7 entsprechend den notwendigen Mehrauslagen eine Aufwandsvergütung.…

Art. 18

Pauschvergütung

Die oberste Dienstbehörde kann bestimmen, daß bei regelmäßigen oder gleichartigen Dienstreisen oder Dienstgängen an Stelle der Reisekostenvergütung im Sinne des Art. 4 Nrn. 1 bis 8 oder Teilen davon eine Pauschvergütung gewährt wird, die nach dem Durchschnitt der in einem bestimmten Zeitraum sonst anfallenden Einzelvergütungen zu bemessen ist.…”

In dem Rundschreiben Nr. 54 der Personalabteilung des BRK vom 2. Juli 1990 wurde zum Vollzug des MTV Nr. 13 vom 30. März 1990 bestimmt, daß bei Einsatzfahrten innerhalb des eigenen Rettungsdienstbereichs anstelle der Reisekostenvergütung nach Art. 4 BayRKG eine Aufwandsvergütung nach Art. 17 BayRKG gezahlt wird, die bei einer Dienstreise von mehr als 12 Stunden Dauer 7/10 des vollen Tagegeldes beträgt.

Der Kläger war in der Zeit vom 3. bis 7. und vom 10. bis 14. Oktober 1994 sowie am 30. und 31. Januar 1995 und in der Zeit vom 6. bis 10. Februar 1995 in der Rettungswache F…. tätig; während der übrigen Zeit war er in der Rettungswache B…. eingesetzt. Die Dienstschichten dauerten jeweils zwölf Stunden. Der Kläger verlangt von dem Beklagten für neun Einsatztage in der Rettungswache F…. die Zahlung eines Tagegeldes nach Art. 9 BayRKG und für acht Einsatztage eine Aufwandsvergütung gemäß Art. 17 BayRKG in Höhe von insgesamt 380,80 DM.

Er hat die Auffassung vertreten, die Fahrten von seiner Wohnung nach F.… seien als Dienstreisen iSv. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayRKG anzusehen, da der Dienst in der dortigen Rettungswache ein Einsatz außerhalb des üblichen Dienstortes B…. sei. Es komme nicht darauf an nachzuweisen, daß tatsächlich ein Mehraufwand entstanden sei. Art. 9 BayRKG sehe die Gewährung pauschaler Tagessätze ohne entsprechenden Nachweis vor. An den Tagen, an denen er mindestens einmal den Rettungsdienstbereich B…. verlassen habe (3. bis 5., 7., 10., 11. und 13. Oktober 1994, 8. und 9. Februar 1995), stehe ihm ein volles Tagegeld gemäß Art. 9 BayRKG in Höhe von 28,00 DM zu. Abzüglich eines am 4. Oktober 1994 erstatteten Betrages von 8,40 DM ergebe sich ein Anspruch in Höhe von 243,60 DM. Für die übrigen Einsätze in F…. (6., 12. und 14. Oktober 1994, 30. und 31. Januar und 6. und 7. Februar 1995) stehe ihm eine Aufwandsvergütung gemäß Art. 17 BayRKG in Verbindung mit den vom Präsidium erlassenen Ausführungsvorschriften in Höhe von 7/10 eines vollen Tagessatzes zu. Da ihm am 30. Januar 1995 14,00 DM und am 6. Februar 1995 5,60 DM gezahlt worden seien, ergebe sich eine Restforderung in Höhe von 137,20 DM.

Der Kläger hat beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 380,80 DM netto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Erstattung von Reisekosten komme nicht in Betracht, da die Fahrten des Klägers zur Rettungswache in F…. keine Dienstreisen iSv. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayRKG seien. Im Arbeitsvertrag des Klägers sei kein bestimmter Dienstort, sondern der Einsatz in allen fünf Rettungswachen des Kreisverbands vereinbart worden. Dem Kläger seien durch den Einsatz in F…. keine Mehrauslagen entstanden. Der Einsatz des Klägers sei nach dessen Vorbringen im Wege der Abordnung erfolgt, so daß Art. 9 BayRKG keine Anwendung finde.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen der Klage stattgegeben.

II. Der Kläger hat gegen den Beklagten Anspruch auf Reisekostenvergütung. Für die Tage, an denen er in der Rettungswache in F…. eingesetzt war, steht ihm ein Tagegeld nach Art. 9 BayRKG zu.

1. Der Kläger kann nach den für die Beamten im Freistaat Bayern geltenden Vorschriften Reisekostenvergütung beanspruchen.

Nach Ziff. 2 des Arbeitsvertrags der Parteien bestimmt sich das Beschäftigungsverhältnis nach den Vorschriften des Manteltarifvertrags zur Anwendung des BAT für die Angestellten des BRK in der jeweils geltenden Fassung. Für den streitgegenständlichen Zeitraum (Oktober 1994 bis Februar 1995) ist der MTV Nr. 15 vom 28. Juni 1991 maßgebend, der am 1. Juli 1991 in Kraft getreten ist und durch den MTV Nr. 16 vom 16. Juni 1995 zum 1. September 1995 abgelöst wurde. Wegen der Verweisung auf die Vorschriften des BAT findet § 42 BAT Anwendung. Danach sind für die Erstattung von Auslagen für Dienstreisen und Dienstgänge (Reisekostenvergütung) die für die Beamten des Arbeitgebers jeweils geltenden Bestimmungen entsprechend anzuwenden. Nach Ziff. 3 der Anlage 1 zum MTV Nr. 15 ist damit das Bayerische Gesetz über die Reisekostenvergütung der Beamten und Richter (Bayerisches Reisekostengesetz – BayRKG) in der Fassung vom 23. Juni 1988 entsprechend anzuwenden.

2. Nach Art. 3 Abs. 1 BayRKG hat der eine Dienstreise ausführende Beamte Anspruch auf Reisekostenvergütung zur Abgeltung der dienstlich veranlaßten Mehraufwendungen. Die Reisekostenvergütung umfaßt auch ein Tagegeld, welches nach Art. 9 BayRKG bei einer Dienstreise von mehr als zwölf Stunden in voller Höhe und bei einer Dienstreise zwischen sechs und zwölf Stunden anteilig gewährt wird.

a) Bei den Fahrten des Klägers von seinem Wohnort zur Rettungswache nach F…. handelte es sich um Dienstreisen. Nach den Vorschriften des bayerischen Reisekostenrechts ist B…. als Dienstort des Klägers anzusehen, da sich dort der Sitz des Kreisverbands des Beklagten befindet. Für die Zeit des Einsatzes in F…. fand kein Wechsel des Dienstortes statt. Auch sind nicht alle Rettungswachen als Dienstorte des Klägers anzusehen.

aa) Die entsprechende Anwendung der beamtenrechtlichen Regelungen bezieht sich nicht nur auf Art und Umfang der zu gewährenden Leistungen, sondern auch auf den Begriff der Dienstreise als Anspruchsvoraussetzung. Nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayRKG sind Dienstreisen Reisen zur Erledigung von Dienstgeschäften außerhalb des Dienstortes, die schriftlich angeordnet oder genehmigt worden sind.

bb) Dienstort iS dieser Bestimmung sowie iSd. entsprechenden Vorschrift des Bundesreisekostengesetzes (BRKG) ist die politische Gemeinde, in der die Behörde oder ständige Dienststelle ihren Sitz hat, der der Beamte als Inhaber einer Planstelle oder auf Grund einer Abordnung zugewiesen ist (BVerwG 15. Dezember 1993 – 10 C 11/91 – BVerwGE 94, 364 ff. mwN; 23. Oktober 1985 – 6 C 3/84 – BayVBl. 1986, 184 f.). Diese vorwiegend status- und organisationsrechtlich geprägte Begriffsbestimmung des Dienstortes entspricht Sinn und Zweck des Gesetzes, weil der Beamte an dem Ort überwiegend seine dienstlichen Aufgaben wahrnimmt, wo der tatsächliche Mittelpunkt seiner Dienstausübung liegt. In einem solchen Fall entstehen durch Reisen zur Erledigung von Dienstgeschäften außerhalb des Dienstortes Mehraufwendungen, zu deren Abgeltung dem Dienstreisenden ein Anspruch auf Reisekostenvergütung zusteht. Ist ein Teil der Beschäftigungsbehörde in einer anderen Gemeinde untergebracht (Außenstelle), so ist diese Gemeinde für die bei der Außenstelle ständig beschäftigten Bediensteten der Dienstort (Meyer/Fricke Reisekosten Stand Februar 2001 § 2 BRKG Rn. 43 mwN). Weicht der ständige Beschäftigungsort eines Beamten von dem Ort seiner Planstellenbehörde ab und geht hierdurch jeglicher tatsächlicher Bezug zu dieser Behörde verloren, bestimmt sich für die Dauer der örtlichen Divergenz der reisekostenrechtliche Dienstort des Beamten allein nach seinem ständigen Beschäftigungsort (BVerwG 15. Dezember 1993 – 10 C 11/91 – aaO; vgl. auch BAG 31. Mai 1994 – 3 AZR 694/93 – nv.). Das BRKG geht immer dann von einem Wechsel des Dienstortes aus, wenn ein Beamter zu seinem ursprünglichen Dienstort am Sitz der Planstellenbehörde keine oder nur noch eine unwesentliche tatsächliche Beziehung hat, weil für ihn dort keine Anwesenheitspflicht besteht oder er dort keine Dienstpflichten mehr zu erfüllen hat. Eine Abordnung, Kommandierung oder Zuweisung führt zu einer Änderung des Dienstortes (BVerwG 15. Dezember 1993 – 10 C 11/91 – aaO mwN). Ein Bedürfnis zur Abgeltung “dienstlich” veranlaßter Mehraufwendungen ist dann nicht ersichtlich, wenn die “Reisen” ausschließlich zur Wahrnehmung der Tätigkeit an dem ständigen Beschäftigungsort durchgeführt werden. Derartige Aufwendungen sind grundsätzlich der allgemeinen Lebensführung zuzurechnen und von den Dienstbezügen zu bestreiten.

Der Beamte hat reisekostenrechtlich nur einen Dienstort (BVerwG 15. Dezember 1993 – 10 C 11/91 – aaO. mwN; 23. Oktober 1985 – 6 C 3/84 – aaO; Meyer/Fricke aaO § 2 Rn. 49). Ein Bediensteter, der seine Dienstgeschäfte regelmäßig in mehreren Gemeinden verrichten muß, hat nicht mehrere Dienstorte. Hierfür sprechen die Regelungen in §§ 17 und 18 BayRKG, wonach allein die Regelmäßigkeit und Häufigkeit von Dienstreisen zu einem bestimmten Ort die Eigenschaft der Reise als Dienstreise nicht entfallen läßt (Meyer/Fricke aaO § 2 Rn. 49). Müssen Dienstgeschäfte regelmäßig in mehreren Gemeinden verrichtet werden, so ist als Dienstort die politische Gemeinde anzusehen, in der die Behörde oder Dienststelle ihren Sitz hat, der ein Beamter als Inhaber einer Planstelle oder auf Grund einer Abordnung zugewiesen ist.

cc) Nach diesen Grundsätzen ist, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, B…. als Dienstort des Klägers anzusehen. Der Kreisverband B…. des BRK, bei dem der Kläger angestellt ist, hat seinen Sitz in B…. Zwischen den Parteien ist auch unstreitig, daß der Kläger nicht überwiegend in einer Rettungswache an einem anderen Ort beschäftigt wurde. Für die Zeit der Einsätze des Klägers in F…. änderte sich der Dienstort des Klägers somit nicht.

dd) Der Kläger war in F…. auch weder auf Grund einer Abordnung tätig noch handelt es sich um eine der Abordnung gleichzustellende Zuteilung zu einer Dienststelle der Beschäftigungsbehörde im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 2 der Verordnung über das Trennungsgeld der Beamten und Richter (Bayerische Trennungsgeldverordnung – BayTGV –) vom 9. Dezember 1985 (GVBl. S 803), zuletzt geändert durch ÄVO vom 15. Dezember 1988 (GVBl. S 500); vgl. insoweit auch Urteil des Dritten Senats vom 31. Mai 1994 – 3 AZR 694/93 – nv., der in einem vergleichbaren Fall den Sitz des Kreisverbands als Dienstort und die Fahrten zu den auswärtigen Rettungswachen als Dienstreisen angesehen hat).

Der Begriff der Abordnung ist weder im BayRKG (§ 22 Abs. 1) noch im BAT (§ 12 Abs. 1) definiert. Unter einer Abordnung wird regelmäßig die Zuweisung einer vorübergehenden Beschäftigung bei einer anderen Dienststelle oder einem anderen Betrieb des Arbeitgebers unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses verstanden (BAG 12. April 1972 – 4 AZR 224/71 – AP BRKG § 22 Nr. 1; 18. Februar 1976 – 5 AZR 616/74 – AP Saarland, UniversitätsG Nr. 1 = EzA BGB § 613a Nr. 5; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr BAT Stand April 2001 § 12 Rn. 43; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT Stand Januar 2001 § 12 Erl. 2). Die Abordnung setzt den Wechsel der Dienststelle/des Betriebs, nicht aber des Arbeitgebers voraus. Der abgeordnete Angestellte bleibt Arbeitnehmer der entsendenden Dienststelle/des entsendenden Betriebs.

Wesentliches Merkmal der Abordnung ist der Wechsel der Dienststelle. Dienststelle im Sinne der beamtenrechtlichen Vorschrift, auf die der BAT Bezug nimmt, ist nach der vorliegend heranziehbaren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die den Dienstposten des Beamten einschließende regelmäßig eingerichtete, kleinste organisatorisch abgrenzbare Verwaltungseinheit, der ein örtlich und sachlich bestimmtes Aufgabengebiet zugewiesen ist – wobei eine, wenn auch nur geringfügige, organisatorische Abgrenzbarkeit genügt – und die ihren inneren Betriebsablauf eigenverantwortlich bestimmt (BVerwG 2. Mai 1967 – II C 12.67 – BVerwGE 27, 41, 44; 23. September 1969 – II C 118.67 – BVerwGE 34, 42, 44; BAG 21. Juni 1990 – 6 AZR 342/88 – nv.; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr aaO § 12 Rn. 11). Es ist möglich, daß Teile einer Dienststelle räumlich weit voneinander entfernt, uU in mehreren Orten liegen.

Die Rettungswachen des Beklagten sind weder als Dienststellen in diesem Sinne noch als selbständige Betriebe anzusehen. Die organisatorisch kleinste Verwaltungseinheit des BRK, der der Kläger ausweislich seines Arbeitsvertrags angehört, ist vorliegend der Kreisverband des Beklagten und nicht die jeweilige Rettungswache. Die Rettungswachen sind organisationsrechtlich lediglich unselbständige Teile des Kreisverbands. Zwar muß nach dem Bayerischen Gesetz zur Regelung von Notfallrettung, Krankentransport und Rettungsdienst (Bayerisches Rettungsdienstgesetz – BayRDG) vom 10. August 1990 jede Rettungswache mit dem erforderlichen Personal sowie ständig einsatzbereiten Krankenkraftwagen, Notarzt-Einsatzfahrzeugen, Transportinkubatoren und Sonderfahrzeugen und Sondergeräten des Berg- und Wasserrettungsdienstes ausgestattet sein (Art. 20 Abs. 4 BayRDG). Es ist aber nicht ersichtlich, daß die Rettungswachen im erforderlichen Maße organisatorisch selbständig sind. Die Aufgabe der Durchführung des Rettungsdienstes ist lediglich auf verschiedene Ausgangspunkte im Rettungsdienstgebiet aufgeteilt. Alle Rettungswachen dienen der gleichen Aufgabe; sie müssen sich an verschiedenen Orten befinden, die vom Rettungszweckverband festgelegt sind, um die Hilfsfristen einhalten zu können.

b) Der Anspruch scheitert nicht daran, daß es an einer schriftlichen Anordnung der Dienstreisen fehlte. Das Landesarbeitsgericht hat zu dieser Frage keine Feststellungen getroffen, was naheliegt, weil Dienstpläne, die den Einsatz der Mitarbeiter zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Arbeitsorten festlegen, in der Regel schriftlich erfolgen. Aber auch wenn es an einer schriftlichen Anordnung gefehlt hätte, würde dies dem Anspruch nicht entgegenstehen. Ein Arbeitgeber, der auf Grund eines Rechtsirrtums davon absieht, Einsätze schriftlich anzuordnen und zu genehmigen, kann sich auf einen solchen Rechtsirrtum nicht berufen. Die Verpflichtung zur Zahlung der Reisekostenvergütung kann nicht dadurch verhindert werden, daß den Arbeitnehmern für die Anordnung des Arbeitseinsatzes die Schriftform verweigert wird. Ein solches Verhalten wäre rechtsmißbräuchlich und würde dem Ziel dienen, das Entstehen eines Anspruchs auf eine nach den materiellen Voraussetzungen angefallene Reisekostenvergütung zu verhindern (15. November 1983 – 3 AZR 431/81 – AP BRKG § 2 Nr. 1).

c) Der Anspruch auf Zahlung eines Tagegeldes ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht deshalb ausgeschlossen, weil F…. näher am Wohnort des Klägers liegt als B….

aa) Zwar kann der Kläger keine Fahrtkostenerstattung oder Wegstreckenentschädigung (Art. 5 bzw. Art. 6 BayRKG) beanspruchen, da er auf Grund der kürzeren Entfernung unstreitig geringere Aufwendungen für die von ihm zu tragenden Fahrten von seinem Wohnort zur Rettungswache hat. Der Anspruch auf Zahlung eines Tagegeldes ist aber vom Bestehen des Anspruchs auf Fahrtkostenerstattung unabhängig.

bb) Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, wird das Tagegeld nach Art. 9 BayRKG gewährt, ohne daß der Dienstreisende die ihm tatsächlich entstandenen Mehrkosten nachzuweisen hat. Die Gewährung eines pauschalen Tagegeldes dient der gleichmäßigen und verwaltungsmäßig einfachsten Behandlung von Dienstreisen. Der Gesetzgeber hat erkannt und gebilligt, daß das Tagegeld im Einzelfall höher sein kann als die dadurch abzugeltenden tatsächlichen Mehraufwendungen (vgl. zu der entsprechenden Regelung des BRKG Meyer/Fricke aaO § 9 Rn. 1; Kopikki/lrlenbusch Reisekostenrecht des Bundes Stand Dezember 1999 § 9 Anm. 7, 8; Schulz Reisekostenrecht 11. Aufl. S 101). Die Pauschalierung verhindert, daß jeweils im Einzelfall zu prüfen ist, ob die Bedingungen am ständigen Arbeitsort günstiger sind als am auswärtigen Dienstort.

In Art. 16 Abs. 3 BayRKG ist zudem bestimmt, daß bei einer Dienstreise nach dem Wohnort für die Dauer des Aufenthaltes an diesem Ort kein Tage- und Übernachtungsgeld gewährt wird. Nach der amtlichen Begründung zu der entsprechenden Vorschrift des BRKG geht die Vorschrift davon aus, daß dem Dienstreisenden Mehrausgaben für Verpflegung und Unterkunft in der Regel nicht entstehen, wenn der Geschäftsort sein Wohnort ist. Auch diese Regelung zeigt, daß der Gesetzgeber bedacht hat, daß bei bestimmten Dienstreisen grundsätzlich geringere oder keine Aufwendungen für Verpflegung entstehen. Es erscheint daher ausgeschlossen, daß der Gesetzgeber verkannt hat, daß nicht jede Dienstreise an einen anderen Ort als den Wohnort tatsächlich mit Mehraufwendungen verbunden ist. Dennoch hat er bewußt – im Interesse einer Vereinfachung der Verwaltung – darauf verzichtet, eine Regelung zu treffen, die in diesen Fällen die Gewährung eines Tagegeldes ausschließt. Eine einschränkende Auslegung des Art. 9 BayRKG scheitert daher am Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke.

cc) Die Anwendbarkeit des Art. 9 BayRKG ist nicht durch Abs. 4 Ziff. 3 der Anlage 1 zum MTV Nr. 14 vom 18. Februar 1991 ausgeschlossen. Diese Regelung lautet:

“Abweichungen vom BAT

(4) Protokollnotiz zu § 15 BAT – regelmäßige Arbeitszeit:

3. Zur Sicherstellung des Rettungsdienstes können Mitarbeiter in allen Wachen ihrer Kreisverbände eingesetzt werden. Für die Erstattung von Auslagen ist Art. 17 BayRKG anzuwenden.

…”

Selbst wenn durch diese Protokollnotiz die Anwendbarkeit des Reisekostenrechts auf die Vorschrift des Art. 17 BayRKG beschränkt gewesen wäre, hätte dies auf den streitgegenständlichen Anspruch keine Auswirkungen. Auf ihn wäre die Regelung nicht anwendbar. Der MTV Nr. 14 wurde einschließlich seiner Anlagen zum 1. Juli 1991 durch den hier maßgebenden MTV Nr. 15 abgelöst, der in seinen Anlagen eine entsprechende Regelung nicht enthält.

dd) Art. 9 BayRKG wird auch nicht durch Art. 17 BayRKG verdrängt. Zwar kann davon ausgegangen werden, daß die Voraussetzungen für die Festsetzung einer Aufwandsvergütung gemäß Art. 17 BayRKG vorliegen. Art. 9 BayRKG wird aber nur dann durch die Regelung des Art. 17 BayRKG verdrängt, wenn die Höhe einer Aufwandsvergütung tatsächlich festgesetzt wurde (Kopicki/lrlenbusch Reisekostenrecht des Bundes Stand Dezember 1999 § 17 Anm. 17). Insoweit ist dem Landesarbeitsgericht Hamm zu folgen (5. Dezember 1996 – 17 Sa 969/96 – nv.), das bei Anwendung der in diesem Punkt gleichlautenden Bestimmung des § 17 BRKG angenommen hat, ein beim Hauptamt eines Arbeitsamtes als Berufsberater tätiger Angestellter habe bei einem Einsatz in der Nebenstelle dieses Arbeitsamtes einen Anspruch auf ein Tagegeld nach Art. 9 BRKG, solange die Bundesanstalt für Arbeit die Höhe einer geringeren Aufwandsvergütung nach Art. 17 BRKG nicht festgesetzt habe. Der Beklagte hatte eine das Tagesgeld unterschreitende Aufwandsvergütung nicht festgesetzt. Zwar war in einem Rundschreiben Nr. 54 der Personalabteilung des BRK vom 2. Juli 1990 zum Vollzug des MTV Nr. 13 vom 30. März 1990 bestimmt, daß bei Einsatzfahrten innerhalb des eigenen Rettungsdienstbereichs anstelle der Reisekostenvergütung nach Art. 4 BayRKG eine Aufwandsvergütung nach Art. 17 BayRKG gezahlt wird, die bei einer Dienstreise von mehr als 12 Stunden Dauer 7/10 des vollen Tagegeldes beträgt. Diese Bestimmung ist jedoch für den streitgegenständlichen Zeitraum ohne Bedeutung. Nach ihrem Wortlaut bezieht sie sich ausdrücklich nur auf die Geltungsdauer des MTV Nr. 13. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß sie auch nach Inkrafttreten des MTV Nr. 14 und des MTV Nr. 15 noch angewandt wurde. Der Beklagte hat sich vielmehr ausdrücklich darauf berufen, daß die Regelung nur für den MTV Nr. 13 galt.

3. Die Parteien haben auch nicht wirksam vereinbart, daß dem Kläger bei Einsätzen in anderen Rettungswachen des Beklagten kein Anspruch auf Reisekostenerstattung zustehen soll. Da beide Parteien tarifgebunden sind, stünde einer solchen Vereinbarung bereits § 4 Abs. 3 TVG entgegen.

4. Der Kläger kann nach Art. 9 Abs. 1 BayRKG volles Tagegeld beanspruchen. Nach Art. 7 BayRKG richtet sich die Dauer der Dienstreise nach der Abreise und der Ankunft an der Wohnung. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß die Dienstschichten des Klägers jeweils 12 Stunden dauerten, so daß zwischen der Abreise und der Ankunft an der Wohnung jeweils mehr als 12 Stunden lagen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Gräfl, H. Schmidt, G. Helmlinger

 

Fundstellen

Haufe-Index 892458

FA 2001, 349

ZTR 2001, 470

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge