Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellungsinteresse ausschließlich für die Vergangenheit. Ausschließlich vergangenheitsbezogene Eingruppierungsfeststellungsklage. Eingruppierung öffentlicher Dienst. Prozeßrecht

 

Orientierungssatz

Für eine Eingruppierungsfeststellungsklage besteht nicht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, wenn diese sich nur auf einen vergangenen Zeitraum bezieht und weder Vergütungsansprüche aus diesem Zeitraum zwischen den Parteien im Streit sind noch aus der erstrebten Feststellung sonstige gegenwärtige oder zukünftige Rechtsfolgen abgeleitet werden.

 

Normenkette

ZPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 06.11.2001; Aktenzeichen 3 Sa 318/01)

ArbG Elmshorn (Urteil vom 27.11.2000; Aktenzeichen 4 Ca 1343 e/00)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die zutreffende Vergütung der Klägerin für die Zeit vom 15. November 1996 bis zum 31. Oktober 2000.

Der am 1. November 1954 geborenen Klägerin wurde nach ihrem Studium an der Pädagogischen Hochschule Berlin im Jahre 1979 “der akademische Grad eines Diplompädagogen” zuerkannt. In der Folgezeit war sie in verschiedenen Funktionen bei mehreren Arbeitgebern im öffentlichen Dienst in der Sozialarbeit tätig. Am 1. März 1983 wurde sie vom Beklagten als Sozialarbeiterin eingestellt. Nach § 2 des Arbeitsvertrages der Parteien richtet sich das Arbeitsverhältnis ua. nach den Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) mit den zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträgen in ihrer jeweils geltenden Fassung sowie den an ihre Stelle tretenden Tarifverträgen. In § 5 des Arbeitsvertrages wurde bestimmt, daß die Klägerin “nach § 22 BAT in die Vergütungsgruppe Vb eingereiht” wird.

Im Jahre 1995 nahm der Beklagte eine Organisationsänderung seiner Verwaltung vor. Es wurde eine Fachbereichsstruktur eingeführt. Den Fachbereichen wurden jeweils Fachdienste nachgeordnet. Im Zusammenhang mit dieser Neugliederung wurde die bis dahin im Arbeitsbereich “Erziehungshilfen” beschäftigte Klägerin mit Wirkung vom 1. November 1995 zur Leiterin des Fachdienstes Soziale Dienste bestellt. Im Änderungsvertrag vom 13. November 1995 vereinbarten die Parteien wegen dieser Änderung der Tätigkeit der Klägerin ihre Eingruppierung “mit Wirkung vom 01.11.1995 in die Vergütungsgruppe III Fallgruppe 6 BAT”.

Mit Wirkung vom 15. Oktober 1996 wurden dem Fachdienst Soziale Dienste weitere vier Bereiche zugeordnet. Der Klägerin sind nunmehr rund 70 Mitarbeiter unterstellt. Im Hinblick auf diese Organisationsänderung beantragte die Klägerin am 15. November 1996 ihre Eingruppierung “mit sofortiger Wirkung in die Vergütungsgruppe BAT II Fallgr. 1b der Allgemeinen Vergütungsordnung”. Die Fachbereichsleitung entschied am 20. Januar 1997, daß die Klägerin “ab 15.11.96 bis zur Entscheidung über ihren Eingruppierungsantrag im Rahmen der Bewertung bzw. Eingruppierung aller Fachdienstleitungen in sinngemäßer Anwendung eine persönliche Zulage nach § 24 BAT in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen BAT II und BAT III” erhalten solle. Diese Zulage wurde zusagegemäß vom Beklagten an die Klägerin gezahlt. Mit Schreiben vom 9. März 1999 teilte der Beklagte der Klägerin mit, ihrem Antrag könne nicht entsprochen werden, da die “tariflich erforderlichen Tätigkeitsmerkmale” auf ihrem Arbeitsplatz nicht erfüllt seien. Ihre Fachbereichsleitung habe entschieden, daß sie in VergGr. III Fallgr. 6 BAT eingruppiert sei. Diese Eingruppierung sehe den fünfjährigen Bewährungsaufstieg nach VergGr. II Fallgr. 2 BAT vor. Ihre Höhergruppierung im Rahmen dieses Bewährungsaufstiegs sei daher zum 1. November 2000 möglich. Bis dahin erhalte sie weiterhin eine widerrufliche Zulage in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den VergGr. III und II BAT. Diese Zulage erhielt die Klägerin bis zum 31. Oktober 2000.

Mit ihrer am 26. Juli 2000 erhobenen Klage hat die Klägerin die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten erstrebt, sie ab 15. November 1996 nach der VergGr. II BAT/VKA zu bezahlen. Nachdem die Parteien in der Revisionsinstanz übereinstimmend vorgetragen hatten, die Klägerin erhalte auf Grund Bewährungsaufstiegs seit dem 1. November 2000 vom Beklagten Vergütung nach VergGr. II BAT, hat die Klägerin ihren Feststellungsantrag mit stillschweigender Zustimmung des Beklagten auf die Zeit bis zum 31. Oktober 2000 beschränkt.

Die Klägerin hat vorgetragen, ihre Tätigkeit nach der Verwaltungsstrukturreform sei eingruppierungsrechtlich nicht klar zuzuordnen. Der Schwerpunkt ihrer Aufgaben liege jedoch im Allgemeinen Teil der Anlage 1a zum BAT. Ihre Tätigkeit erfülle die Anforderungen der VergGr. II Fallgr. 1b des Allgemeinen Teils der Anlage 1a zum BAT/VKA. Dies hat die Klägerin näher begründet.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin mit Wirkung vom 15. November 1996 nach der VergGr. II BAT/VKA zu bezahlen und die nachzuzahlenden Beträge seit Rechtshängigkeit mit 5 % über den allgemeinen Diskontsatz der EZB zu verzinsen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, entgegen der Auffassung der Klägerin seien die Tätigkeitsmerkmale des Tarifvertrages für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst für die Eingruppierung der Klägerin einschlägig. Die Klägerin sei danach in VergGr. III (Fallgr. 6) BAT/VKA mit Bewährungsaufstieg nach fünf Jahren in VergGr. II BAT/VKA einzustufen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin für die Zeit bis zum 31. Oktober 2000 die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.

  • Ihre nunmehr nur noch vergangenheitsbezogene Feststellungsklage ist unzulässig.

    1. Nach § 256 Abs. 1 ZPO ist eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses nur zulässig, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse hat, das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald feststellen zu lassen. Wird die Klage auf Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses gerichtet, so ist sie nur dann zulässig, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder die Zukunft ergeben (ständige Rechtsprechung des BAG, zB 19. Juni 2001 – 1 AZR 463/00 – BAGE 98, 76, 80, 81 = AP BetrVG 1972 § 3 Nr. 3 = EzA BetrVG 1972 § 118 Nr. 73). Für eine Feststellungsklage, die ursprünglich auf ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis gerichtet war, gilt nichts anderes (BAG 21. September 1993 – 9 AZR 580/90 – BAGE 74, 201, 202 = AP ZPO 1977 § 256 Nr. 22 = EzA ZPO § 256 Nr. 38). Wird diese infolge Zeitablaufs und Änderung tatsächlicher Umstände nur für einen vergangenen Zeitraum fortgeführt, bedarf es der Ableitung konkreter gegenwärtiger oder zukünftiger Rechtsfolgen aus der erstrebten Feststellung (BAG 21. September 1993 – 9 AZR 580/90 – aaO).

    Das besondere Feststellungsinteresse des § 256 Abs. 1 ZPO ist als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens, auch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu prüfen. Dabei hat das Gericht den Sachverhalt nicht von Amts wegen zu untersuchen, sondern der Kläger hat die erforderlichen Tatsachen darzulegen und ggf. zu beweisen (ständige Rechtsprechung des BAG, zB 23. April 1997 – 5 AZR 727/95 – BAGE 85, 347, 349, 350 = AP ZPO 1977 § 256 Nr. 40 = EzA ZPO § 256 Nr. 47). Fehlt es am hinreichenden Feststellungsinteresse, so ist die Klage als unzulässig abzuweisen; die Erstellung bloßer Gutachten ist nicht Aufgabe der Gerichte (BAG 23. April 1997 – 5 AZR 727/95 – BAGE 85, 347, 350 = aaO).

    2. Im Streitfall fehlt es an einem schutzwürdigen Interesse der Klägerin an der erstrebten Feststellung, der Beklagte sei ihr gegenüber zur Zahlung von Vergütung nach VergGr. II BAT für die Zeit vom 15. November 1996 bis 31. Oktober 2000 verpflichtet (gewesen).

    Die Klage war zwar ursprünglich auf eine gegenwartsbezogene Feststellung zur Zahlung von Vergütung nach VergGr. II BAT gerichtet. Die Klägerin ist jedoch schon seit dem 1. November 2000 – also noch vor Abschluß des ersten Rechtszuges – in der VergGr. II BAT eingruppiert und wird von dem Beklagten nach dieser vergütet. Aus der zwischen den Parteien noch streitigen Eingruppierung in der Zeit vom 15. November 1996 bis 31. Oktober 2000 leitet die Klägerin keine Vergütungsansprüche ab. Denn sie hat während dieses Zeitraums stets die Zulage in Höhe des Differenzbetrages zwischen der ihr damals vom Beklagten zugestandenen Vergütung nach VergGr. III BAT und der VergGr. II BAT erhalten. Insoweit kann ihr bei diesem Sachverhalt durch ein obsiegendes Urteil für ihre Vergütung im vorgenannten Zeitraum, um die es bei der Eingruppierungsfeststellungsklage geht, kein gegenwärtiger rechtlicher Vorteil erwachsen (vgl. Senat 25. Januar 1984 – 4 AZR 628/82 – BAGE 45, 57 = AP TVArb Bundespost § 10 Nr. 1). Anhaltspunkte dafür, daß über die Höhe der der Klägerin zustehenden und gewährten Vergütung in dem hier interessierenden Zeitraum noch einmal Streit zwischen den Parteien entstehen könnte oder andere gegenwärtige oder zukünftige Rechtsfolgen aus der erstrebten Feststellung abgeleitet werden könnten, sind von der Klägerin nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Eine Senatsentscheidung in diesem Rechtsstreit hätte lediglich die Bedeutung eines Gutachtens. Das Bedürfnis nach der gutachterlichen Beurteilung einer die Parteien interessierenden Rechtsfrage kann ein entsprechendes Feststellungsinteresse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO jedoch nicht begründen.

  • Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
 

Unterschriften

Schliemann, Friedrich, Wolter, Jürgens, Gotsche

 

Fundstellen

NZA 2004, 64

ZTR 2004, 213

NJOZ 2004, 236

Tarif aktuell 2003, 9

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