Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeit. Unzulässigkeit der Fallgruppenfeststellungsklage. Eingruppierung öffentl. Dienst. Prozeßrecht

 

Orientierungssatz

  • Vor den Gerichten für Arbeitssachen kann auf Feststellung geklagt werden, daß der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Arbeitnehmer ab einem bestimmten Zeitpunkt nach einer bestimmten Vergütungsgruppe zu bezahlen.
  • Unzulässig ist dagegen eine Klage, mit der ein Arbeitnehmer die Feststellung der Vergütung nach einer bestimmten Fallgruppe einer Vergütungsgruppe beantragt.
  • Eine unzulässige Fallgruppenfeststellungsklage liegt der Sache nach auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer bereits Vergütung nach der angestrebten Vergütung erhält, allerdings im Wege des Bewährungsaufstiegs, und deswegen die Feststellung begehrt, originär in der Vergütungsgruppe eingruppiert zu sein, um durch Bewährung in die nächst höhere Vergütungsgruppe aufsteigen zu können.
  • Eine verfahrensrechtlich zulässige Eingruppierungsfeststellungsklage liegt nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer, der nach einer niedrigeren tariflichen Vergütungsgruppe vergütet wird, die Feststellung der Verpflichtung des beklagten Arbeitgebers begehrt, an ihn Vergütung nach einer anderen, höheren Vergütungsgruppe zu zahlen.
 

Normenkette

ZPO § 256; BAT §§ 24, 22

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 19.10.2001; Aktenzeichen 12 Sa 753/01)

ArbG Köln (Urteil vom 10.05.2001; Aktenzeichen 19 Ca 10201/00)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin ab dem 1. Oktober 1999 Anspruch auf Vergütung nach VergGr. Vb BAT hat. Dabei geht es darum, ob die Klägerin die Voraussetzungen der VergGr. Vb Fallgr. 1a des Allgemeinen Teils der Anlage 1a zum BAT/BL auf Dauer erfüllt.

Die am 1. August 1964 geborene Klägerin wurde mit Berufsausbildungsvertrag vom 27. Juli 1984 beim Versorgungsamt K…, bei dem rund 350 Bedienstete tätig sind, für den Ausbildungsberuf einer Verwaltungsfachangestellten ab 1. August 1984 ausgebildet. Nach erfolgreicher Ablegung der Prüfung wurde sie mit Arbeitsvertrag vom 31. Juli 1987 als vollzeitbeschäftigte Angestellte auf unbestimmte Zeit unter Vereinbarung des BAT eingestellt und als Bürohilfskraft eingesetzt. Sie erhielt Vergütung nach der VergGr. VIII BAT. Ab dem 19. Februar 1988 wurde sie in die Aufgaben einer Rentensachbearbeiterin eingearbeitet. Mit Wirkung vom 1. Juni 1988 erhielt sie Vergütung nach VergGr. VII BAT. Nach erfolgreicher Erprobung erhielt sie ab 1. November 1988 eine Zulage entsprechend VergGr. Vc BAT. Mit Wirkung vom 1. Dezember 1989 wurden ihr diese Aufgaben auf Dauer übertragen. Sie erhielt Vergütung nach VergGr. Vc.

Von Februar 1990 bis März 1992 nahm die Klägerin an einer Fortbildungsmaßnahme für Angestellte mit der Zielsetzung gehobener Dienst erfolgreich teil. Mit Wirkung vom 1. Juni 1992 wurde die Klägerin in der Rentengruppe 11 in die Tätigkeit einer Rentenabschnittsführerin (VergGr. Vb Fallgruppe 1a der Anlage 1a zum BAT) unter Aufsicht und Anleitung eingearbeitet.

Mit Wirkung ab 1. Dezember 1992 erhielt sie Vergütung nach VergGr. Vb BAT, nachdem sie im Wege der Bewährung aus der VergGr. Vc (Fallgruppe 1a) in die VergGr. Vb (Fallgruppe 1c) aufgestiegen war.

Mit Schreiben vom 27. Januar 1993 wurde der Klägerin die Tätigkeit einer Rentenabschnittsführerin zum Zwecke der Erprobung vorübergehend bis zum 31. Dezember 1993 übertragen. Mit Schreiben vom 20. Oktober 1993 teilte das Versorgungsamt K… der Klägerin mit, sie habe sich in der höherwertigen Tätigkeit bewährt, die Erprobung sei abgeschlossen. Es verbleibe bei der vorübergehenden Übertragung der Aufgaben einer Rentenabschnittsführerin. Mit Schreiben vom 25. November 1993 wurde der befristete Einsatz der Klägerin auf der höherwertigen Position, der an sich am 31. Dezember 1993 auslief, bis zum 31. Dezember 1995 verlängert. Ab dem 9. Juli 1994 befand sich die Klägerin im Mutterschutz. Mit Schreiben vom 17. August 1994 beantragte die Klägerin Erziehungsurlaub vom 21. September 1994 bis zum 25. Juli 1997, der ihr auch bewilligt wurde. Ab dem 26. Juli 1997 nahm sie den Dienst wieder auf mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit befristet auf die Dauer von drei Jahren (25. Juli 2000).

Mit Schreiben vom 23. Juli 1997 übertrug das Versorgungsamt K… der Klägerin gemäß § 24 Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vorübergehend die Tätigkeiten einer Sachbearbeiterin des gehobenen Dienstes in der Abteilung 3 (Schwerbehindertengesetz). Als sachlicher Grund wurde der Zugang des Beamtenanwärters B… angegeben. Der in der Ausbildung befindliche Regierungsinspektor-Anwärter B… stand für Juli 1998 zur Prüfung an. Für ihn wurde nach Vortrag des beklagten Landes eine A 9-Planstelle freigehalten, die ihm bei Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe zuzuweisen war. Diese Planstelle war der Abteilung 3 zugeteilt worden.

Mit Schreiben vom 19. November 1998 teilte das Versorgungsamt K… der Klägerin mit, ab dem 1. September 1998 sei sie vertretungsweise gemäß § 24 Abs. 2 BAT als Sachbearbeiterin des gehobenen Dienstes in der Abteilung 3 eingesetzt. Der sachliche Grund hierfür liege ab diesem Zeitpunkt in der Beurlaubung der Beamtin F… und ab 1. Oktober 1998 in der Teilzeitbeschäftigung der Beamtin F…. Mit Schreiben vom 23. April 1998 des Landesversorgungsamtes Nordrhein-Westfalen war der Regierungsinspektorin z.A. M… F… auf ihren Antrag die regelmäßige Arbeitszeit für die Zeit vom 1. Oktober 1998 bis 31. September 2001 auf die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit ermäßigt worden. Vor dem 1. Oktober 1998 war Frau F… bereits mehrere Jahre vollständig ohne Dienstbezüge gem. § 85a LBG NW beurlaubt gewesen.

Mit Schreiben vom 30. März 2000 beantragte die Klägerin erfolglos “die Eingruppierung nach VergGr. Vb 1a BAT einschließlich des sich daraus ergebenden Bewährungsaufstieges” unter Hinweis darauf, daß die ihr seinerzeit zugewiesenen Tätigkeiten nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer übertragen seien.

Mit ihrer beim Arbeitsgericht am 1. Dezember 2000 eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie hat geltend gemacht, sie verrichte jedenfalls seit Juli 1997 Arbeiten, die originär ein Tätigkeitsmerkmal der VergGr. Vb erfüllten. Für die von ihr ausgeübte Tätigkeit bestehe beim Versorgungsamt K… ein Dauerbedarf.

Sie hat beantragt

festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin ab 01.10.1999 die Vergütung nach der Vergütungsgruppe Vb BAT zu bezahlen und dies im Arbeitsvertrag festzuschreiben.

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt. Der Einsatz der Klägerin ab 26. Juli 1997 sei vorübergehend gem. § 24 Abs. 1 BAT als Sachbearbeiterin des gehobenen Dienstes erfolgt. Der sachliche Grund für den vorübergehenden Einsatz habe im voraussichtlichen Zugang des Beamtenanwärters B… im August 1998 gelegen. Als Herr B… im August 1998 eingemündet sei, jedoch an anderer Stelle habe verwendet werden müssen, sei daher die A 9-Planstelle der Frau F… im Wechsel mit der des Herrn B… der Abteilung 3 zugewiesen worden. Die Regierungsinspektorin F… sei zur Zeit gem. § 85a LBG NW seit längerem aus familiären Gründen beurlaubt gewesen. Mitte 1998 habe sie mitgeteilt, daß sie beabsichtige, ab 1. Oktober 1998 befristet bis zum 30. September 2001 ihren Dienst mit einer hälftigen Teilzeitbeschäftigung wieder aufzunehmen. Auf der Stelle F… sei ab dem 1. September 1998 die Klägerin mit ihrer Teilzeitbeschäftigung eingesetzt worden, wobei zunächst bis zum 30. September 1998 eine halbe Stelle frei geblieben sei. Ab 1. Oktober 1998 habe sich die Klägerin sodann diesen Dienstposten (= tatsächlich anfallender Arbeit) mit Frau F… geteilt. Das ergebe sich aus der Verfügung vom 19. November 1998.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision des beklagten Landes zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des beklagten Landes ist begründet. Sie führt zur Abweisung der Klage als unzulässig.

  • Die Klage ist wegen Fehlens des Rechtsschutzinteresses nach § 256 Abs. 1 ZPO unzulässig.

    1. Die Klägerin hat den Antrag gestellt, festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin ab 1. Oktober 1999 die Vergütung nach der VergGr. Vb BAT zu bezahlen und diese im Arbeitsvertrag festzuschreiben. Mit dem Antrag, die begehrte Vergütungsgruppe “im Arbeitsvertrag festzuschreiben”, begehrt die Klägerin nicht mehr, als was nach § 22 BAT ohnehin geboten ist.

    Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, an die der Senat gebunden ist, § 561 Abs. 2 ZPO aF, erhält die Klägerin aber bereits seit 1. Dezember 1992 die von ihr angestrebte Vergütung nach VergGr. Vb, allerdings im Wege des Bewährungsaufstiegs. Der Antrag der Klägerin ist deshalb auf die Feststellung gerichtet, spätestens ab 1. Oktober 1999 originär in der VergGr. Vb eingruppiert zu sein, um so im Wege der Bewährung in die VergGr. IVb (Fallgr. 2) aufsteigen zu können. Damit verlangt die Klägerin der Sache nach eine Fallgruppenfeststellung. Sie will festgestellt wissen, in der VergGr. Vb eingruppiert zu sein, weil sie die Voraussetzungen der Fallgr. 1a der VergGr. Vb des Allgemeinen Teils der Anlage 1a zum BAT erfüllt und nicht nur die der Fallgr. 1c “nach dreijähriger Bewährung in der VergGr. Vc Fallgr. 1a.” Damit handelt es sich nicht mehr um eine der ganz allgemein üblichen und verfahrensrechtlich zulässigen Eingruppierungsfeststellungsklagen.

    Eine solche liegt nämlich nur dann vor, wenn ein Angestellter des öffentlichen Dienstes, der nach einer niedrigeren tariflichen Vergütungsgruppe vergütet und auch sonst rechtlich behandelt wird, die Feststellung der Verpflichtung seines beklagten öffentlichen Arbeitgebers begehrt, an ihn Vergütung nach einer anderen, höheren Vergütungsgruppe zu zahlen, worin zugleich das weitere rechtliche Begehren enthalten ist, den betreffenden Kläger nicht nur nach der begehrten höheren Vergütungsgruppe zu entlohnen, sondern ihn auch in sonstiger rechtserheblicher Beziehung wie Urlaub, Reisekosten usw. entsprechend zu behandeln. § 22 BAT sieht nur die tarifliche Mindestvergütung nach einer bestimmten tariflichen Vergütungsgruppe vor (Abs. 1 Satz 2), wobei es nach dem Willen der Tarifvertragsparteien von der jeweils auszuübenden Tätigkeit abhängt, nach welcher konkreten Vergütungsgruppe sich die Vergütung und die sonstige rechtliche Behandlung des Angestellten bestimmen (Abs. 2 Unterabs. 1). Mit einer derartigen zulässigen Eingruppierungsfeststellungsklage ist die von der Klägerin der Sache nach erhobene Feststellungsklage nicht zu vergleichen. Die Klägerin wird nicht nur nach der VergGr. Vb vergütet, sondern danach auch in jeder sonstigen rechtserheblichen Weise behandelt. Sie begehrt der Sache nach die gerichtliche Feststellung, daß ihre Tätigkeit innerhalb der VergGr. Vb nicht, wie das beklagte Land annimmt, den Merkmalen der Fallgr. 1c, sondern denen der Fallgr. 1a entspricht.

    2. Dieses prozessuale Begehren ist unzulässig, weil es dafür an dem in § 256 Abs. 1 ZPO geforderten Feststellungsinteresse fehlt. Das hat der Senat in seiner Entscheidung vom 9. Juli 1980 (– 4 AZR 579/78 – BAGE 34, 57) im einzelnen begründet und das in ständiger Rechtsprechung vertreten (vgl. nur Senat 23. Oktober 1985 – 4 AZR 216/84 – AP BAT § 24 Nr. 10; 28. September 1994 – 4 AZR 542/93 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 185, zu I der Gründe). Daran hält der Senat nach erneuter Überprüfung fest. Ein entsprechendes Feststellungsinteresse der Klägerin kann nicht deswegen angenommen werden, weil sie aus der VergGr. Vb in die VergGr. IVb im Wege der Bewährung aufsteigen kann. Die tariflichen Mindestvergütungen und deren weitere rechtliche Konsequenzen im BAT richten sich nach der jeweils für den betreffenden Angestellten in Betracht kommenden Vergütungsgruppe und nicht etwa nach Fallgruppen. Die Teilnahme am Bewährungsaufstieg – hier frühestens ab 1. Juli 2003 – setzt nicht nur die Erfüllung dieses Tätigkeitsmerkmals der Ausgangsvergütungsgruppe voraus, aus der ein Bewährungsaufstieg möglich ist, sondern verlangt den vollen Ablauf der Bewährungszeit sowie die Bewährung im tariflichen Sinne. Würden Fallgruppenfeststellungsklagen als zulässig angesehen, entschieden die Gerichte für Arbeitssachen in derartigen Fällen nur über ein Anspruchselement eines eventuellen zukünftigen Begehrens; hier über das Vorliegen eines Tätigkeitsmerkmals der Ausgangsvergütungsgruppe, aus der im Wege der Bewährung in die nächst höhere Vergütungsgruppe aufgestiegen werden kann. Insoweit würde lediglich ein Rechtsgutachten erstattet werden. Das ist nicht Aufgabe der Gerichte.

  • Der Senat hat erwogen, den Antrag der Klägerin als eine zulässige Beschäftigungsklage (vgl. BAG 17. Dezember 1997 – 5 AZR 332/96 – BAGE 87, 311) anzusehen, und zwar auf Verurteilung des beklagten Landes, die Klägerin mit Tätigkeiten zu beschäftigen, die – originär – der VergGr. Vb entsprechen, sah sich aber mangels entsprechender Anhaltspunkte dazu im Vortrag der Klägerin daran gehindert.

    Der Klägerin bleibt unbenommen, nach Ablauf der Bewährungszeit eine Eingruppierungsfeststellungsklage zu erheben mit dem Ziel, ab einem bestimmten Zeitpunkt nach VergGr. IVb BAT vergütet zu werden. In deren Rahmen wäre zu prüfen, ob von der Klägerin nicht nur vorübergehend Tätigkeiten auszuüben waren, die originär der VergGr. Vb entsprachen, und zwar jedenfalls mit Wirkung ab 1. Juli 1997.

  • Die Feststellungsklage war daher bei Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts auf die Berufung des beklagten Landes unter Abänderung der Sachentscheidung des Arbeitsgerichts als unzulässig abzuweisen.
  • Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
 

Unterschriften

Schliemann, Wolter, Friedrich, Kiefer, Seifner

 

Fundstellen

Haufe-Index 934577

DB 2003, 2292

NZA 2003, 1111

ZTR 2003, 453

AP, 0

NJOZ 2003, 2640

Tarif aktuell 2003, 5

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