Leitsatz (amtlich)

1. Verletzt der Arbeitgeber als Drittschuldner die ihm nach § 840 Abs. 1 ZPO obliegende Erklärungspflicht, so umfaßt der Anspruch des Gläubigers auf Schadenersatz gemäß § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO Kosten für die Zuziehung eines Prozeßbevollmächtigten.

2. Der Senat hält bei erneuter Prüfung der Rechtslage an der Auffassung in dem Urteil vom 23. September 1960 – 5 AZR 258/59 – (BAG 10, 39 = AP Nr. 3 zu § 61 ArbGG 1953 Kosten) und in dem Urteil vom Mai 1968 – 5 AZR 190/67 – (BAG 21, 1 = AP Nr. 10 zu § 61 ArbGG 1953 Kosten) fest.

 

Normenkette

ArbGG § 61 Abs. 1 S. 2; ZPO § 104 ff.

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 14. Dezember 1971 – 11 Sa 717/71 – aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 30. Juni 1971 – 4 Ca 4677/70 – wie folgt geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger hat vollstreckbare Zahlungsbefehle gegen den bei der Beklagten beschäftigten Schuldner B… über 2.424,45 DM und 692,70 DM nebst Zinsen und Kosten erwirkt. Wegen dieser Ansprüche ließ er durch die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse des Amtsgerichts Dorsten vom 27. November 1969 – 6 M 3058/59 –, der Beklagten zugestellt am 29. Dezember 1969, und vom 18. Dezember 1969 – 6 M 3250/69 –, der Beklagten zugestellt am 7. Januar 1970, die angeblichen Lohnansprüche des Schuldners gegen die Beklagte pfänden und sich zur Einziehung überweisen. Nach den Urkunden über die Zustellung der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse wurde die Beklagte gemäß § 840 Abs. 1 ZPO von dem die Zustellung bewirkenden Gerichtsvollzieher aufgefordert, diesem sofort behufs Aufnahme in die Zustellungsurkunde oder binnen zwei Wochen von der Zustellung dem Kläger zu erklären:

  1. ob und inwieweit sie die Forderung als begründet anerkenne und Zahlung zu leisten bereit sei;
  2. ob und welche Ansprüche andere Personen an die Forderung machen;
  3. ob und wegen welcher Ansprüche die Forderung bereits für andere Gläubiger vorgepfändet sei.

Der Gerichtsvollzieher vermerkte in den Zustellungsurkunden, der Angetroffene habe nach erfolgter Vorlegung der obigen Fragen erklärt: „Beantwortung folgt schriftlich”. Trotz mehrfacher Aufforderung beantwortete die Beklagte die in den Zustellungsurkunden aufgenommenen Fragen gemäß § 840 Abs. 1 ZPO nicht. Die Beklagte leistete auch keine Zahlung. Daraufhin hat der Kläger – schon damals vertreten durch seine jetzigen Prozeßbevollmächtigten – mit Schriftsatz vom 14. Dezember 1970 – beim Arbeitsgericht eingegangen am 16. Dezember 1970 – Klage eingereicht. Der Kläger hat in dieser Klageschrift den Antrag angekündigt, die Beklagte zur Zahlung der sich aus den Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen ergebenden Beträge in Höhe von insgesamt 3.677,18 DM zu verurteilen.

Die Klageschrift ist der Beklagten am 19. Dezember 1970 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 28. Januar 1971 hat die Beklagte mitgeteilt, daß eine Lohnabtretung (Hauptforderung 3.397,90 DM), ein Zahlungsverbot (Hauptforderung 6.202,60 DM) und ein Pfändungsbeschluß (Hauptforderung 1.358,03 DM) den Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen des Klägers vorgehen.

Mit Schriftsatz, vom 14. Juni 1971 – der Beklagten zugestellt am 22. Juni 1971 – hat der Kläger seine Klage geändert und den Antrag gestellt, die Beklagte zur Zahlung von 519,27 DM nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit zu verurteilen. Der Kläger hat die Klageänderung folgendermaßen begründet:

Die Beklagte hafte ihm gemäß § 1840 Abs. 2 Satz 2 ZPO für den aus der Nichterfüllung der Auskunftspflicht entstandenen Schaden, der darin bestehe, daß er wegen der Nichterfüllung dieser Pflicht einen unnötigen Rechtsstreit habe führen müssen. Bisher seien ihm durch die Tätigkeit seiner Rechtsanwälte folgende Kosten entstanden:

Gebühr §§ 11, 31¹ BRAGO

187,00 DM

Gebühr §§ 11, 31² BRAGO

187,00 DM

Gebühr §§ 11, 26 BRAGO

20,00 DM

Gebühr §§ 11, 27 BRAGO

19,00 DM

Gebühr §§ 11, 28¹ BRAGO

79,20 DM

MW-Steuer

27,07 DM

zusammen:

519,27 DM

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte gemäß dem geänderten Antrag verurteilt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision wegen Abweichens von den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts BAG 10, 39 = AP Nr. 3 zu 61 ArbGG 1953 Kosten und BAG 21, 1 = AP Nr. 10 zu § 61 ArbGG 1953 Kosten gemäß § 69 Abs. 3 Satz 2 ArbGG zugelassen.

Mit der Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Das Landesarbeitsgericht hat sein Abweichen von den im Tatbestand genannten Urteilen damit begründet, der Senat habe nicht hinreichend dem Umstand Rechnung getragen, daß der Schadenersatzanspruch aus § 840 Abs. 2 ZPO nicht Kosten einer im Sinne des § 61 Abs. 1 Satz 2 ArbGG obsiegenden, sondern einer praktisch unterlegenen Partei erfasse; die Partei habe nämlich die Aussichtslosigkeit ihrer weiteren Verfolgung ihres Pfändungspfandrechts erkannt.

Damit greift das Landesarbeitsgericht kritische Gesichtspunkte auf, die bereits Stehl (NJW 1966 S. 1349 f.) der Entscheidung des Senats in BAG 10, 39 = AP Nr. 3 zu § 61 ArbGG 1953 Kosten entgegenhalten und denen sich insbesondere Herschel in der Anmerkung zu AR-Blattei (D) Lohnpfändung, Entsch. 27, angeschlossen hat. Der Senat vermag auch bei erneuter Überprüfung der Rechtslage die Berechtigung dieses kritischen Einwandes nicht anzuerkennen. Da die Entscheidungen des Senats auch sonst weiterhin starkem Widerspruch in der Literatur begegnen (nunmehr auch Lüke in SAE 1970, S. 37 ff., und Grunsky, Anmerkung zu BAG/AP Nr. 10 zu § 61 ArbGG 1953 Kosten), sieht der Senat sich veranlaßt, seine Auffassung nochmals zusammengefaßt darzulegen.

§ 61 Abs. 11 Satz 2 ArbGG hat den Sinn, den arbeitsgerichtlichen Prozeß des ersten Rechtszuges zu verbilligen. Er schränkt den prozessualen Kostenerstattungsanspruch zu diesem Zweck dadurch ein, daß bestimmte Kosten – u.a. die für die Hinzuziehung eines Prozeßbevollmächtigten – als nicht nur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 ZPO bezeichnet werden. Die Vorschrift gilt ausnahmslos für das erstinstanzliche Verfahren, also auch dann, wenn der Arbeitnehmer obsiegt oder – wie im Drittschuldnerprozeß – ein Arbeitnehmer am Verfahren nicht beteiligt ist; dies hat der Senat in der Entscheidung BAG 10, 39/AP Nr. 3 zu § 61 ArbGG 1953 Kosten näher dargelegt.

Die Einschränkung des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs durch § 61 Abs. 1 Satz 2 ArbGG läßt sich sinnvoll nur durchführen, wenn sie entsprechend auf den materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch erstreckt wird, praktisch also auf die Fälle, in denen eine Kostenentscheidung im Prozeß aus irgendeinem Grunde unterblieben ist. Insbesondere trifft dies für die Fälle zu, in denen sich der materielle Kostenerstattungsanspruch auf § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO stützt. Gibt der Drittschuldner überhaupt nicht die erforderte Erklärung des § 840 Abs. 1 ZPO ab, so wird er im Prozeß – im Regelfall durch Versäumnisurteil – unterliegen. Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch des obsiegenden Pfändungsgläubigers ist hier gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 ArbGG beschränkt. Selbst dann also, wenn der Drittschuldner bis zur äußersten Konsequenz die Auskunftserteilung verzögert, bleibt er – wie unentschuldbar sein Verhalten auch immer sein mag – der Pflicht zur prozessualen Erstattung der in § 61 Abs. 1 Satz 2 ArbGG als nicht notwendig bezeichneten Kosten befreit. Es ist in diesem Falle ausgeschlossen, dem obsiegenden Gläubiger auf der materiellrechtlichen Grundlage des § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO einen Erstattungsanspruch hinsichtlich der ausgeschlossenen Kosten zu gewähren. Das würde zunächst dem allgemeinen Grundsatz widersprechen, daß prozessualer und materieller Kostenerstattungsanspruch sich decken (hierzu Stein-Jonas, Kommentar zur ZPO, 19. Aufl., Vorbem. III 2 vor § 91). Es würde auch dem Sinn des § 61 Abs. 1 Satz 2 ArbGG unmittelbar zuwiderlaufen; was das Gesetz für die Durchsetzung eines prozessualen Zieles als prozessual nicht notwendigen Kostenaufwand bezeichnet, kann nicht bei materiellrechtlicher Betrachtung ohne weiteres notwendiger und damit erstattungsfähiger Aufwand werden. Einen solchen Widerspruch könnte man für den Drittschuldnerprozeß allerdings vermeiden, wenn man bereits den prozessualen Kostenerstattungsanspruch von den Beschränkungen des § 61 Abs. 1 Satz 2 ArbGG befreite oder dem obsiegenden Gläubiger neben einem beschränkten prozessualen einen daneben stehenden unbeschränkten materiellen Erstattungsanspruch gewähren wollte (für das letztere offenbar Grunsky in der Anmerkung zu BAG/AP Nr. 10 zu § 61 ArbGG 1953 Kosten). Zu keiner dieser Alternativen kann sich der Senat entschließen. Die erstere scheitert an der klaren Vorschrift des § 61 Abs. 1 Satz 2 ArbGG, die zweite würde die grundsätzliche Bejahung zweier möglicher Kostenerstattungsansprüche für jeden abgeschlossenen Prozeß voraussetzen und damit die befriedende Wirkung des prozessualen Kostenerstattungsverfahrens gefährden; das hätte weitgehende, über den Bereich des § 840 ZPO erheblich hinausgehende Folgen.

Es ist demnach daran festzuhalten, daß nach abgeschlossenen Verfahren die im Drittschuldnerprozeß obsiegende Partei nur einen prozessualen durch § 61 Abs. 1 Satz 2 ArbGG inhaltlich beschränkten Kostenerstattungsanspruch hat, und zwar auch dann, wenn sie überhaupt keine Auskunft nach § 840 ZPO erhält und danach obsiegt. Ist dies aber die Rechtslage, so kann dem Pfändungsgläubiger auch dann keine unbeschränkte Kostenerstattung gewährt werden, wenn der Drittschuldner im Laufe des Prozesses die erforderte Auskunft erteilt und der Pfändungsgläubiger danach infolge der Rücknahme des Zahlungsverlangens in der Hauptsache nicht obsiegt. Dies wäre sachlich nicht gerechtfertigt. Einander gleichende Sachverhalte würden unterschiedlich beurteilt; man könnte sogar sagen, daß der weniger säumig handelnde Drittschuldner kostenrechtlich schlechter behandelt würde.

Zugleich würde damit § 61 Abs. 1 Satz 2 ArbGG sinnwidrig angewendet. Die Vorschrift begrenzt nach einem objektiven und damit für jedermann leicht erkennbaren Maßstab den notwendigen erstinstanzlichen Kostenaufwand des arbeitsgerichtlichen Verfahrens. Sie führt jedem Kläger von vornherein vor Augen, daß er das erstrebte Ziel nur unter Übernahme eines eigenen unabänderlichen Kostenrisikos erreichen kann, mutet ihm damit also zu, das Verfahren ohne Prozeßbevollmächtigten zu beginnen. Man kann von einer in § 61 Abs. 1 Satz 2 ArbGG sinngemäß enthaltenen Parteipflicht sprechen, den Kostenaufwand zu beschränken. Dieses objektiv kalkulierbare Risiko trifft in vollem Umfang auch den Pfändungsgläubiger, der ohne erteilte Lohnauskunft den Drittschuldnerprozeß einzuleiten gezwungen ist; auch ihm mutet das Gesetz, so sehr das Verhalten des Drittschuldners auch zu beanstanden sein mag, zu, den – übrigens als gewöhnliche Lohnklage in der Regel zunächst einfachen – Drittschuldnerprozeß mit geringem Kostenaufwand zu beginnen. Ein solches objektiv klar erkennbares Kostenrisiko kann sich, wenn es selbst noch im Falle des Obsiegens besteht, nicht im Laufe des Verfahrens ändern oder wegfallen. Der Senat sieht, auch vom Kostenminderungszweck des § 61 Abs. 1 Satz 2 ArbGG aus, einen unaufhebbaren Widerspruch darin, den obsiegenden Pfändungsgläubiger kostenerstattungsrechtlich anders – und schlechter – zu stellen als den, der aus welchen Gründen auch immer, kein obsiegendes Urteil erlagen kann.

Im Urteil BAG 21, 1 = AP Nr. 10 zu § 61 ArbGG 1953 Kosten hat der Senat den Gedanken der „Einheit der Rechtsordnung” für seine Auffassung benutzt. Es ist der Kritik (vor allem Grunsky, a.a.O., und Lüke, SAE 1970 S. 37 ff.) einzuräumen, daß dieses Argument für sich allein nicht ausreicht. Es ist richtig, daß man, wie Grunsky darlegt, mit Hilfe dieses Begriffs nicht alle auf dasselbe Ziel gerichteten parallellaufenden Ansprüche „zwangsbeschneiden” kann. Was der Senat als wesentlich ansah, war, Widersprüche bei der Durchsetzung mehrerer auf dasselbe Ziel – hier Erstattung bestimmter Kosten – gerichteter Ansprüche zu vermeiden. Es bleibt die Überzeugung, daß solche Widersprüche unvermeidlich sind, wenn prozessualer und materieller Kostenerstattungsanspruch bei einem Sachverhalt der vorliegenden Art verschieden weit gehen.

Solche Ansprüche treten übrigens nicht nur in der oben dargelegten Weise auf. Sie ergeben sich auch dann, wenn die im Prozeß erteilte Drittschuldnerauskunft nur zu einer teilweisen Rücknahme der Lohnklage Anlaß gibt. Wollte man in einem solchen Fall der Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts folgen, so würde hinsichtlich eines Teils der Anwaltskosten des Pfändungsgläubigers ein materieller Erstattungsanspruch auf der Grundlage des § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO bestehen, im übrigen aber die Kostenerstattung entfallen. Die Kosten für die einheitlich erfolgte Inanspruchnahme eines Prozeßbevollmächtigten müßten zum Teil als erstattungsfähig, zum anderen als nicht notwendig bezeichnet werden. Dies führt nicht nur zu praktischen Berechnungsschwierigkeiten, sondern erscheint insbesondere vom Kostenminderungszweck des § 61 Abs. 2 Satz 2 ArbGG her als widersprüchlich. Es ist, wie oben gesagt, dem Pfändungsgläubiger zumutbar, die Lohnklage auch bei fehlender Drittschuldnerauskunft ohne Inanspruchnahme eines Prozeßbevollmächtigten zu erheben. Diese Kostenminderungspflicht kann im Laufe des Verfahrens schwerlich teils wegfallen, teils aufrechterhalten bleiben. Wird dem Pfändungsgläubiger zugemutet, den nicht erledigten Teil des Zahlungsprozesses ohne weiteren Kostenaufwand weiterzuführen, so ist es nicht gerechtfertigt, denselben Kostenaufwand für den erledigten Verfahrensteil aus materiellrechtlichen Gründen als erstattungsfähig zu bezeichnen.

Demnach war das angefochtene Urteil aufzuheben. Gemäß § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO war zugleich in der Sache selbst, und zwar durch Abweisung der Klage, zu erkennen.

 

Fundstellen

BAGE, 486

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