Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordentliche Kündigung nach Einigungsvertrag. Verwendbarkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung war nicht nach Abs. 4 Ziff. 3 EV zulässig, wenn die anderweitige Verwendung des Arbeitnehmers bei einer Ersatz-Beschäftigungsstelle möglich war. Diese konnte auch in einem anderen Verwaltungszweig desselben Arbeitgebers eingerichtet werden.

 

Normenkette

Einigungsvertrag Art. 20 Abs. 1; Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4; SächsHochschulG § 160; KSchG § 1

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 20.01.1995; Aktenzeichen 10 Sa 572/94)

ArbG Dresden (Aktenzeichen 18 Ca 2958/93)

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 20. Januar 1995 – 10 Sa 572/94 – wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die der Beklagte auf Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 2 und 3 der Anlage I zum Einigungsvertrag (künftig: Abs. 4 Ziff. 2, 3 EV) stützt.

Die im Jahre 1945 geborene Klägerin ist Diplomphilosophin und Fachdozentin für kaufmännische Erwachsenenbildung. Sie unterrrichtete seit dem 16. Dezember 1985 als Fachschullehrerin an der Ingenieurschule für Verkehrstechnik “Erwin Kramer”, ab 1. Januar 1992 “Fachschule für Technik und Betriebswirtschaft Dresden”. Ihre Unterrichtsfächer waren bis August 1989 Marxismus/Leninismus, danach überwiegend Sozialkunde und in geringerem Umfang Volkswirtschaftslehre, Recht und Steuern.

Der Beklagte errichtete am 1. September 1991 im Zuständigkeitsbereich des Kultusministeriums ein Berufliches Schulzentrum Elektrotechnik unter derselben Anschrift wie die Fachschule für Technik und Betriebswirtschaft. In dieses Berufliche Schulzentrum wurde die Technikerausbildung der Fachschule integriert. Es beinhaltet eine Berufsschule, ein berufliches Gymnasium, eine Fachoberschule und eine Fachschule mit den Fachrichtungen Bautechnik, Elektrotechnik, Maschinentechnik, Kraftfahrzeugtechnik (“Fachschule für Technik und Betriebswirtschaft”). Die Klägerin wurde ab dem 1. September 1991 in der Schulausbildung der Techniker und Betriebswirte eingesetzt. Sie unterrichtete zuletzt 22 Wochenstunden Techniker und Betriebswirte sowie 2 Wochenstunden Ingenieure.

Mit einem Erlaß an die Ingenieur- und Betriebswirtschaftlichen Fachschulen vom 23. September 1992 regelte der Sächsische Staatsminister für Wissenschaft und Kunst folgendes:

“Zur Fortführung begonnener Ausbildungen an aufzulösenden Ingenieur- und Fachschulen des Freistaates Sachsen wird festgelegt:

1. Die Ingenieurschulen und die Betriebswirtschaftlichen Fachschulen des Freistaates Sachsen verlieren zum 31.12.1992 ihren bisherigen Status.

2. Studierende, die eine Ausbildung zum Ingenieur bzw. Ingenieurökonomen an einer der aufzulösenden Bildungseinrichtungen begonnen haben, können ihr Studium nach den bisherigen Ausbildungs- und Prüfungsordnungen fortsetzen und zu Ende führen.

3. Die Ausbildung wird, je nach den örtlichen Gegebenheiten, an folgenden am jeweiligen Standort neu gebildeten Bildungseinrichtungen fortgeführt:

c) Fachschulen in beruflichen Schulzentren,

4. In den Fällen, in denen keine neue Bildungseinrichtung entsteht, wird die Ingenieurschule bis zur Beendigung der Ausbildung fortgeführt, längstens jedoch bis 30.6.1994.

5. Die Kosten für die auslaufende Ausbildung trägt das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst. Die hierfür erforderlichen Lehrkräfte und die für die Absicherung des Lehrbetriebes notwendigen Beschäftigten bleiben in Arbeitsverhältnissen, die spätestens zum 30. Juni 1994 auslaufen. Der Personalbestand ist dem abnehmenden Ausbildungsbedarf laufend anzupassen.

…”

Das Kultusministerium schrieb im Oktober 1992 die Stellen für die neuen Beruflichen Schulzentren wie folgt aus:

“Die Ausbildung von Ingenieuren, Ökonomen und Ingenieurökonomen in der bisherigen Form läuft aus. Die für diese Ausbildung benötigten Ingenieur- und Fachschulen werden vom zuständigen Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst zum 31.12.1992 aufgelöst, sofern nicht noch laufende Ausbildungsgänge zu Ende zu führen sind.

Das Sächsische Staatsministerium für Kultus beabsichtigt entsprechend dem Schulentwicklungsplan, innerhalb der Beruflichen Schulzentren Fachschulen für Technik und/oder Wirtschaft einzurichten und Stellen auf Dauer zu besetzen. Die für diese Stellen vorgesehenen Lehrkräfte werden im Rahmen ihres Stundendeputats überwiegend an der Fachschule eingesetzt, darüber hinaus auch an anderen Schularten des Beruflichen Schulzentrums.

Als geeignet werden Bewerber/innen angesehen, die über eine langjährige Berufserfahrung in der Fachschulausbildung verfügen und einen einschlägigen Hochschulabschluß sowie einen pädagogischen Abschluß besitzen. Für den Einsatz in den genannten Bereichen kommen besonders Bewerber/innen aus den noch bestehenden Ingenieur- und Fachschulen in Betracht.

Bewerbungen sind umgehend … an die zuständigen Oberschulämter, Abt. Berufliche Schulen, zu richten. …”

Soweit die Lehrkräfte der bisherigen Ingenieur- und Fachschulen berücksichtigt werden konnten, weil die genannten Voraussetzungen erfüllt waren, erfolgte eine entsprechende Versetzung. Die Bewerbung der Klägerin für eine Stelle im Beruflichen Schulzentrum Elektrotechnik blieb erfolglos.

Die Ingenieurausbildung an der Fachschule für Technik und Betriebswirtschaft Dresden lief zum 30. Juni 1994 aus. Sozialkundeunterricht war im letzten Ausbildungsjahr nicht mehr vorgesehen.

Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 26. März 1993, zugegangen am selben Tage, ordentlich zum 30. Juni 1993.

Mit der am 16. April 1993 beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem Beklagten am 17. Mai 1993 zugestellten Klage hat die Klägerin vorgetragen, die Kündigung sei rechtsunwirksam. Der Bedarf an ihrer bisherigen Tätigkeit bestehe unverändert fort, weil die Ausbildung von Technikern und Betriebswirten an der Fachschule für Technik und Betriebswirtschaft fortgeführt werde. Die bisherige Fachschule sei nicht ersatzlos aufgelöst worden. Auch die Betriebswirteausbildung sei zum 1. Januar 1994 in das Berufsschulzentrum integriert worden. Seitdem würden dieselben Schüler wie vorher in den Fachschulabteilungen unterrichtet. Die Anzahl der Schüler sei nicht etwa gesunken.

Die Klägerin hat – soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung – beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 26. März 1993 aufgelöst worden sei.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat geltend gemacht, die Klägerin sei wegen einer Organisationsänderung und der damit verbundenen Auflösung der bisherigen Beschäftigungsstelle nicht mehr verwendbar. Ihr Arbeitsplatz sei weggefallen. Die frühere und die jetzige Fachschule für Technik und Betriebswirtschaft seien unterschiedliche Beschäftigungsstellen. Es handele sich trotz der Fortführung der Ausbildung wegen des andersartigen Status (Einrichtung nach dem SächsHochschulG bzw. Schule nach dem SächsSchulG) auch nicht um eine Nachfolgeeinrichtung. Nur zufällig werde dieselbe Bezeichnung geführt. Die Klägerin sei auch lediglich vorübergehend abgeordnet worden. Die Ausbildung der Betriebswirte werde durch das Berufliche Schulzentrum Wirtschaft durchgeführt. Die auslaufende Ausbildung zu Ingenieuren sei weiterhin in Verantwortung des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst erfolgt. Bedarfsbedingte Kündigungen seien schrittweise entsprechend dem Rückgang der Zahl der Studierenden ausgesprochen worden. Für das letzte Ausbildungsjahr habe nur noch ein Bedarf an 19 Lehrern bei 447 Gesamtwochenstunden und keinerlei Bedarf an Sozialkundelehrern bestanden. Die anderweitige Verwendung der Klägerin in einer anderen Dienststelle des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst (dem bisherigen Verwaltungszweig) sei nicht möglich. Die Verwendung in einem anderen Verwaltungszweig (Kultusministerium, Oberschulamt) sei nicht zu prüfen. Vielmehr habe die zuständige Landesbehörde über eine Neueinstellung der Klägerin auf der Grundlage eines Ermessensspielraums entscheiden dürfen. Nach Auffassung des Kultusministeriums habe die Klägerin nicht über die erforderliche Lehrbefähigung verfügt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben und die Revision zugelassen. Der Beklagte begehrt die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend erkannt, daß der Beklagte die Voraussetzungen des Abs. 4 Ziff. 2 oder 3 EV nicht dargelegt hat.

  • Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:

    Zum Zeitpunkt der Kündigung sei die Auflösung der Fachschule für Technik und Betriebswirtschaft Dresden auch nach Darstellung des Beklagten nicht beabsichtigt gewesen. Vielmehr habe die Ingenieurausbildung – längstens bis 30. Juni 1994 – fortgeführt werden sollen. Allerdings habe der Beklagte schon vor diesem Zeitpunkt grundlegende organisatorische Änderungen vorgenommen. U.a. habe er die Ausbildung von Technikern und Betriebswirten in das neu gegründete Berufliche Schulzentrum eingegliedert. Dadurch sei aber nicht die Möglichkeit der bisherigen Verwendung der Klägerin entfallen. Es sei unerheblich, daß die Ausbildung vom Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst auf das Kultusministerium übertragen worden sei. Durch den Einsatz der Klägerin in einem anderen Zuständigkeitsbereich habe der Beklagte die Art ihrer Verwendung geändert. Die so gestaltete Verwendung sei im Kündigungszeitpunkt bestehen geblieben. Die Klägerin habe seit dem 1. September 1991 22 Wochenstunden angehende Techniker und Betriebswirte unterrichtet; weggefallen seien nur die 2 Wochenstunden für Ingenieurstudenten. Unstreitig habe sich weder die Zahl der zu unterrichtenden Personen noch der Umfang des zu erteilenden Unterrichts verringert. Da der Unterrichtsbedarf im Umfang von 22 Wochenstunden für Techniker und Betriebswirte bestehen bleibe, sei ein mangelnder Bedarf nicht feststellbar. Der Beklagte habe einen Überhang an Arbeitskräften im Arbeitsbereich der Klägerin nicht dargelegt.

    Die Kündigung sei auch nicht wegen mangelnder Qualifikation wirksam. Soweit der Beklagte im Zusammenhang mit der erfolglosen Bewerbung der Klägerin auf die mangelnde Qualifikation der Klägerin hinweise, sei das personalvertretungsrechtliche Beteiligungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Der Beklagte habe dem Personalrat lediglich den verringerten Bedarf an Fachlehrern im Rahmen der auslaufenden Ingenieurausbildung, nicht aber Qualifikationsmerkmale mitgeteilt.

  • Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.

    • Der Beklagte konnte die Kündigung vom 26. März 1993 auf Abs. 4 EV stützen. Die Klägerin ist aufgrund ihrer durchgehenden Beschäftigung als Fachschullehrerin an einer Ingenieurschule Angehörige des öffentlichen Dienstes im Sinne von Art. 20 Abs. 1 EV. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend unterstellt hat, fand Abs. 4 EV auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Dieses Sonderkündigungsrecht ist durch das Gesetz zur Verlängerung der Kündigungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach dem Einigungsvertrag vom 20. August 1992 (BGBl. I S. 1546) wirksam bis zum 31. Dezember 1993 verlängert worden (Senatsurteil vom 27. Juni 1996 – 8 AZR 1024/94 – AP Nr. 61 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 1 der Gründe).
    • Der Beklagte hat die Kündigung vom 26. März 1993 nicht darauf gestützt, die Klägerin entspreche wegen mangelnder fachlicher Qualifikation oder mangelnder persönlicher Eignung nicht den Anforderungen. Er hat nur geltend gemacht, das Oberschulamt sehe die Voraussetzungen für eine Neueinstellung in diesem Zusammenhang nicht als gegeben an. Ob die Voraussetzungen des Abs. 4 Ziff. 1 EV vorliegen, ist deshalb nicht zu prüfen.
    • Die Kündigung vom 26. März 1993 ist nicht wegen ersatzloser Auflösung der bisherigen Beschäftigungsstelle (Abs. 4 Ziff. 3, 1. Alt. EV) zulässig.

      • Beschäftigungsstelle der Klägerin war die Ingenieurschule für Verkehrstechnik “Erwin Kramer”, die ab dem 1. Januar 1992 “Fachschule für Technik und Betriebswirtschaft Dresden” hieß. An dieser Schule unterrichtete die Klägerin unstreitig bis zur Kündigung und darüber hinaus bis zum Ablauf der Kündigungsfrist.

        Ob daneben auch die neu eingerichtete “Fachschule für Technik und Betriebswirtschaft” im Beruflichen Schulzentrum Elektrotechnik ab dem 1. September 1991 Beschäftigungsstelle der Klägerin war, bedarf keiner Entscheidung. Immerhin unterrichtete die Klägerin ganz überwiegend an dieser neuen Schule.

      • Nach dem Erlaß des Sächsischen Staatsministers für Wissenschaft und Kunst vom 23. September 1992 sollte die Auflösung der bisherigen Fachschule für Technik und Betriebswirtschaft Dresden zum 30. Juni 1994 erfolgen. Da für die Ingenieurausbildung keine neue Bildungseinrichtung vorgesehen war, mußte die Ausbildung nach den früheren Ausbildungs- und Prüfungsordnungen an der Ingenieurschule fortgesetzt werden, die deshalb bis zur Beendigung der Ausbildung (30. Juni 1994) fortgeführt wurde. Ziff. 1 des genannten Erlasses regelte nur den Verlust des bisherigen Status (als Ingenieur- und Betriebswirtschaftliche Fachschule).

        Demgegenüber bestimmte § 160 des SächsHochschulG vom 4. August 1993 die rechtliche Auflösung der vor dem 3. Oktober 1990 gegründeten Ingenieurschulen und betriebswirtschaftlichen Fachschulen mit Inkrafttreten des Gesetzes am 3. Oktober 1993.

      • Die streitgegenständliche Kündigung kann weder mit dem Erlaß vom 23. September 1992 noch mit § 160 SächsHochschulG gerechtfertigt werden.

        • Die Kündigung gem. Abs. 4 Ziff. 3, 1. Alt. EV ist nur dann zulässig, wenn sie in zeitlichem Zusammenhang mit der Auflösung der Beschäftigungsstelle ausgesprochen wird (Senatsurteil vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 714/92 – BAGE 76, 352 = AP Nr. 7 zu Art. 13 Einigungsvertrag, zu C I 2 der Gründe). Die Kündigung zum 30. Juni 1993 steht nicht in zeitlichem Zusammenhang mit einer tatsächlichen Auflösung zum 30. Juni 1994.
        • Die (allein) rechtliche Auflösung am 3. Oktober 1993 ist keine ersatzlose Auflösung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 3 EV. Eine Beschäftigungsstelle wird ersatzlos aufgelöst, wenn der Träger öffentlicher Verwaltung die bisherige organisatorische Verwaltungseinheit von materiellen, immateriellen und personellen Mitteln aufgibt und deren Verwaltungstätigkeit dauerhaft einstellt (Senatsurteil vom 26. Mai 1994, aaO, zu C I 1 der Gründe; Senatsurteil vom 19. Januar 1995 – 8 AZR 192/93 – n.v., zu II 2a der Gründe). Das ist am 3. Oktober 1993 mit Inkrafttreten des SächsHochschulG nicht geschehen, da die Verwaltungstätigkeit vorläufig fortgesetzt wurde.
        • Darüber hinaus ist die Ingenieurschule auch deshalb nicht ersatzlos aufgelöst worden, weil die neue Fachschule im Beruflichen Schulzentrum Elektrotechnik die frühere “Fachschule für Technik und Betriebswirtschaft Dresden” ersetzt hat. Eine Beschäftigungsstelle wird ersetzt, wenn eine neue Beschäftigungsstelle entsteht, die in einem räumlichen oder organisatorischen Zusammenhang mit der bisherigen Beschäftigungsstelle im wesentlichen die Aufgaben der bisherigen Beschäftigungsstelle erfüllt (Senatsurteil vom 19. Januar 1995 – 8 AZR 72/93 – n.v., zu I 2b der Gründe). Gerade das war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts der Fall. Die Fachschule im Berufsschulzentrum hat wesentliche Ausbildungsaufgaben der früheren Fachschule übernommen und fortgeführt. Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt des Beginns der Umstrukturierungen (1. September 1991). Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die von der Revision ausdrücklich so bestätigt werden, wurde die Ausbildung der Techniker und der Betriebswirte in das Berufsschulzentrum eingegliedert. Daß diese Ausbildung ursprünglich nicht zur Ingenieurschule gehörte und erst in den letzten Jahren der DDR eingeführt wurde, ist unerheblich. Der notwendige räumliche und organisatorische Zusammenhang liegt vor, zumal Dr. F… ab Februar 1993 beide Schulen leitete. Der Beklagte hat auch die Mehrzahl der Lehrkräfte in das Berufsschulzentrum übernommen, wie sich aus dem Unterrichtungsschreiben an den Personalrat vom 8. März 1993 und aus dem Schreiben vom 7. April 1993 ergibt. Demgegenüber spielen Statusänderung und Zuständigkeitsänderung für das Personal (Ministerium für Wissenschaft und Kunst einerseits, Kultusministerium andererseits) keine entscheidende Rolle. Ob die neue Beschäftigungsstelle einen “Ersatz” darstellt, richtet sich maßgeblich nach der Funktion. Eine Identität oder Teilidentität mit der aufgelösten Beschäftigungsstelle wird von Abs. 4 Ziff. 3 EV nicht verlangt.
    • Der Beklagte hat die Voraussetzungen von Abs. 4 Ziff. 3, 2. Alt. EV nicht dargelegt. Nach dieser Bestimmung ist die ordentliche Kündigung zulässig, wenn bei Verschmelzung, Eingliederung oder wesentlicher Änderung des Aufbaues der Beschäftigungsstelle die bisherige oder eine anderweitige Verwendung nicht mehr möglich ist.

      • Der Aufbau der Beschäftigungsstelle ist schon vor deren Auflösung (30. Juni 1994) durch die Ausgliederung der Techniker- und Betriebswirteausbildung und durch Beendigung der Neuaufnahme von Ingenieurstudenten wesentlich geändert worden. Das kann einen selbständigen Grund zur Kündigung darstellen.
      • Unstreitig war der Einsatz der Klägerin an der Ingenieurschule nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr möglich. Der Beklagte hat freilich die Verwendung der Klägerin bereits ab dem 1. September 1991 (teilweise) geändert. Daraus kann jedoch im Gegensatz zur Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht geschlossen werden, daß zum Kündigungszeitpunkt die bisherige (nämlich geänderte) Verwendung weiterhin möglich war. “Bisherige Verwendung” meint die ursprüngliche Tätigkeit, nicht die im Zuge einer längerfristigen Änderung der Beschäftigungsstelle vorweg geänderte Tätigkeit.
      • Nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt war eine anderweitige Verwendung der Klägerin möglich.

        • Die Revision weist zutreffend darauf hin, die Klägerin habe keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Bereich des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst aufgezeigt. Auch der Vergleich der Revision mit § 1 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 2b KSchG trifft im Grundsatz zu. Danach setzt die sozialwidrige Kündigung voraus, daß der Arbeitnehmer in demselben Verwaltungszweig weiterbeschäftigt werden kann; die Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung in einem anderen Verwaltungszweig führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung (KR-Etzel, 4. Aufl., § 1 KSchG Rz 549). Da die Kündigungsgründe des Abs. 4 EV die Umstrukturierungen des öffentlichen Dienstes erleichtern sollten (BT-Drucks. 11/7817, S. 180), kann “anderweitige” Verwendung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 3 EV nicht jegliche anderweitige Verwendung bei demselben öffentlichen Arbeitgeber bedeuten (vgl. nur Säcker/Oetker, MünchKomm, Zivilrecht im Einigungsvertrag, Rz 1004). Wird aber die bisherige Beschäftigungsstelle ersetzt, so ist die Möglichkeit einer anderweitigen Verwendung bei der Ersatz-Beschäftigungsstelle auch dann zu prüfen, wenn diese in einem anderen Verwaltungszweig eingerichtet wird. Das ergibt sich schon aus dem Zusammenhang mit Abs. 4 Ziff. 3, 1. Alt. EV, wonach sogar die Auflösung der Beschäftigungsstelle bei entsprechendem Ersatz die Kündigung nicht rechtfertigt. Der öffentliche Arbeitgeber kann sich wegen des räumlichen, organisatorischen und funktionalen Zusammenhangs der Beschäftigungsstellen nicht darauf berufen, nunmehr sei ein anderer Verwaltungszweig zuständig (vgl. für § 1 KSchG BAG Urteil vom 6. Februar 1997 – 2 AZR 50/96 – n.v., zu II 2b der Gründe).
        • Die Klägerin kam folglich für eine anderweitige Verwendung bei der Fachschule für Technik und Betriebswirtschaft im Beruflichen Schulzentrum Elektrotechnik grundsätzlich in Betracht. Sie hat die Möglichkeit der dortigen Weiterbeschäftigung unter Hinweis auf ihre Tätigkeit seit September 1991 und unter Hinweis auf die unveränderten Schülerzahlen aufgezeigt. Wie die Stellenausschreibung des Beklagten zeigt, bestand Bedarf an der Beschäftigung von Fachschullehrern. Der Beklagte mußte aufgrund der Bewerbung der Klägerin die Möglichkeit ihrer anderweitigen Verwendung an der neuen Fachschule prüfen. Soweit aus betrieblichen Gründen nicht alle Lehrer übernommen werden konnten, hatte der Beklagte das nachvollziehbar darzulegen. Darzulegen waren auch etwaige gegen die Klägerin sprechende Auswahlgesichtspunkte; denn diese hatte geltend gemacht, gerade sie könne unverändert weiterbeschäftigt werden.
        • Der Beklagte hat zum Umfang der Verwendbarkeit der vorhandenen Fachlehrer (insbesondere Anzahl der Stellen) nichts vorgetragen. Der Senat kann deshalb nicht davon ausgehen, die Klägerin sei aus betrieblichen Gründen an der neuen Fachschule nicht verwendbar gewesen. Nach der Stellenausschreibung könnte sogar angenommen werden, daß für alle als geeignet angesehenen Fachschullehrer eine Verwendungsmöglichkeit gegeben war.

          Der Beklagte hat nach seinen eigenen Darlegungen eine Auswahl unter Inanspruchnahme eines Ermessensspielraums getroffen. Es fehlt aber ein verwertbarer Vortrag dazu, warum die Auswahl zu Ungunsten der Klägerin ausgefallen ist, warum gerade die Klägerin als nicht verwendbar angesehen wurde. Soweit der Beklagte sich auf eine fehlende Lehrbefähigung und damit auf Qualifikationsgesichtspunkte beruft und persönliche Eignungsmängel andeutet, ist dieser Vortrag nicht verwertbar; denn hierzu ist, was die Klägerin schon in der Vorinstanz gerügt hat, der Personalrat unstreitig nicht angehört worden (vgl. nur BAG Urteil vom 5. Oktober 1995 – 2 AZR 1019/94 – AP Nr. 55 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, zu B II 2b der Gründe; BAG Urteil vom 26. Oktober 1995 – 2 AZR 1026/94 – AP Nr. 35 zu Art. 20 Einigungsvertrag, zu II 2 der Gründe, auch zur Veröffentlichtung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; Senatsurteil vom 26. September 1996 – 8 AZR 176/95 – n.v., zu III der Gründe). Gegen die entsprechenden Ausführungen des Landesarbeitsgerichts wendet sich die Revision auch nicht.

    • Die Voraussetzungen des Abs. 4 Ziff. 2 EV sind ebenfalls nicht dargelegt.

      • Nach Abs. 4 Ziff. 2 EV ist die Kündigung zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnden Bedarfs nicht mehr verwendbar ist. Dieser Kündigungsgrund kommt neben Abs. 4 Ziff. 3 EV in Betracht. Er wird durch die Umstrukturierung und die Auflösung der Beschäftigungsstelle zum 30. Juni 1994 nicht ausgeschlossen (vgl. Senatsurteil vom 26. Mai 1994, aaO, zu C I 3 der Gründe).
      • Da die Fächer der Klägerin an der Ingenieurschule nach dem 30. Juni 1994 nicht mehr unterrichtet wurden, bestand hier kein Bedarf mehr. Die Klägerin war an der Ingenieurschule nicht mehr verwendbar.
      • Auch bei Abs. 4 Ziff. 2 EV ist eine anderweitige Verwendbarkeit zu prüfen (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 24. April 1997 – 8 AZR 117/95 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Insoweit kam die Verwendung der Klägerin im Beruflichen Schulzentrum Elektrotechnik in Betracht. Auch wenn aufgrund der auslaufenden Ingenieurausbildung insgesamt ein verringerter Beschäftigungsbedarf bestand, bedurfte es doch einer Auswahl durch den Beklagten (vgl. Senatsurteil vom 19. Januar 1995 – 8 AZR 914/93 – BAGE 79, 128 = AP Nr. 12 zu Art. 13 Einigungsvertrag, zu B III 1 der Gründe). Daß diese Auswahl im Streitfall ordnungsgemäß war, kann nicht angenommen werden (siehe oben 4c).
    • Die Kündigung des Beklagten vom 26. März 1993 ist demnach mangels eines rechtfertigenden Grundes gemäß § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam. Sie hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst.
  • Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
 

Unterschriften

Ascheid, Dr. Wittek, Mikosch, Harnack, Rosendahl

 

Fundstellen

Haufe-Index 893927

FA 1998, 29

NZA 1998, 811

RiA 1998, 282

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