Entscheidungsstichwort (Thema)

Nutzungsentgelt für die Tätigkeit eines Zweitobduzenten

 

Leitsatz (amtlich)

  • Der im Geltungsbereich der VO über die Nebentätigkeit des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an den Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (HNtV NW) vom 11. Dezember 1981 als Zweitobduzent tätige Angestellte übt eine genehmigungspflichtige Nebentätigkeit aus und ist verpflichtet, an seinen Arbeitgeber ein Nutzungsentgelt für die Inanspruchnahme von Einrichtungen und Material zu zahlen.
  • Jedenfalls dann, wenn eine Anzeige der Nebentätigkeit nach § 9 HNtV NW unterblieben ist, beginnt die Verfallfrist gemäß § 70 BAT in der Regel erst mit der Erteilung einer Abrechnung über die erzielten Nebeneinnahmen (§§ 18, 19 HNtV NW) durch den Bediensteten.
 

Normenkette

BAT § 11 S. 1, § 70; HNtV NW vom 11. Dezember 1981 (GV NW 1981 726) §§ 9-10, 13, 15, 17-19; BGB § 126

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 17.01.1989; Aktenzeichen 8 Sa 64/88)

ArbG Berlin (Urteil vom 05.05.1988; Aktenzeichen 20 Ca 11/88)

 

Tenor

  • Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 17. Januar 1989 – 8 Sa 64/88 – wird zurückgewiesen.
  • Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Nutzungsentgelt für die Inanspruchnahme von Material und Einrichtungen im Rahmen der Tätigkeit als 2. Obduzent bei Obduktionen im Institut für Rechtsmedizin.

Der Beklagte war bis zum 31. August 1985 als wissenschaftlicher Angestellter an der Universität K… – Institut für Rechtsmedizin – bei dem klagenden Land beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis richtete sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) in der jeweils geltenden Fassung.

In der Zeit vom 1. April 1982 bis zum Ablauf seines Beschäftigungsverhältnisses übte der Beklagte, ohne eine entsprechende Genehmigung des Landes eingeholt oder diesem davon Mitteilung gemacht zu haben, gleichzeitig eine Tätigkeit als sog. zweiter Obduzent aus. Er erhielt für diese Nebentätigkeit Leistungen nach dem Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG) im Gesamtbetrag von 19.370,-- DM. Diese Einkünfte teilte der Beklagte dem Land erst unter dem 13. Dezember 1985 mit, nachdem er hierzu am 22. Juli 1985 aufgefordert worden war. Das Land setzte daraufhin mit Bescheid vom 9. April 1986 ein Nutzungsentgelt in Höhe von 17,5 % der Einkünfte, mithin also von 3.389,75 DM fest und erteilte hierüber unter dem 15. Oktober 1987 eine Rechnung.

Das Land hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei gemäß § 11 BAT i.V. mit §§ 15 ff. HNtV NW und § 315 BGB verpflichtet, ein Nutzungsentgelt zu zahlen, da er zur Ausübung seiner Nebentätigkeit im medizinisch-theoretischen Bereich Einrichtungen und Material des Landes in Anspruch genommen und die Nebentätigkeit i.S. von § 15 Abs. 3 Satz 1 HNtV NW auch nicht für den Dienstherrn ausgeübt habe. Zu einer Tätigkeit als Zweitobduzent sei er vom Land auch nicht verpflichtet worden. Ein Verfall der Forderung nach § 70 BAT sei nicht eingetreten, da der Beklagte seine Nebentätigkeitseinkünfte weder angezeigt noch rechtzeitig abgerechnet habe. Zumindest sei die Berufung auf die Ausschlußfrist rechtsmißbräuchlich. Solange der Arbeitnehmer seine Einkünfte aus der Nebentätigkeit nicht mitteile, könne schließlich schon begrifflich der Ausspruch auf Nutzungsentgelt nicht geltend gemacht werden. Die geltend gemachte Forderung sei auch angemessen, denn das Land habe nicht den Gesamtrahmen des nach § 17 Abs. 3 HNtV NW geschuldeten Nutzungsentgelts verlangt, sondern von der Reduzierungsmöglichkeit des § 16 Abs. 2 HNtV NW Gebrauch gemacht.

Das Land hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an das klagende Land 3.389,75 DM nebst 5,5 % Zinsen seit dem 9. Mai 1986 zu zahlen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, etwaige Ansprüche des Landes seien verfallen, da dem Land seine Tätigkeit als Zweitobduzent bekannt gewesen sei. Ein Anspruch bestehe auch nicht, weil er als Zweitobduzent bei der durch den Erstobduzenten erfolgenden Obduktion lediglich anwesend gewesen sei und keine Einrichtungen oder Materialien des Landes in Anspruch genommen habe. Zumindest sei die festgesetzte Nutzungsentschädigung nicht angemessen, da sich die tatsächliche Inanspruchnahme durch den Zweitobduzenten gegen Null bewege. Hinzukomme, daß dem Land die Vergütung des Erstobduzenten in vollem Umfang zufließe und ihm auch nach § 8 Abs. 2 ZSEG Sachkosten zu ersetzen seien. Von seinen Einkünften habe er zudem 30 % bis 40 % an den Sektionsgehilfen weitergegeben. Im übrigen habe die Verwaltung der medizinischen Einrichtungen des Landes bis 1983 selbst die Auffassung vertreten, bei Zweitobduzenten sei ein Nutzungsentgelt mangels Inanspruchnahme von Einrichtungen und Material nicht zu erheben. Erst nach Beanstandungen des Rechnungshofes habe die Verwaltung ihre Auffassung geändert.

Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage. Das klagende Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Der Beklagte ist verpflichtet, 17,5 % seiner Einnahmen aus seiner Tätigkeit als Zweitobduzent als Nutzungsentgelt an das Land zu zahlen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, der Beklagte habe bei seiner Tätigkeit als Zweitobduzent Einrichtungen und Material des Landes in Anspruch genommen. Bei seiner Tätigkeit sei er in ein Geschehen eingebunden gewesen, welches die Nutzung des Obduktionssaales und des benötigten Materials unabdingbar vorausgesetzt habe. Schließlich sei er nicht nur zu Kontrollzwecken anwesend gewesen, sondern habe auch die Protokolle über die Leichenöffnungen mitunterzeichnet und daher in gleicher Weise wie der Erstobduzent die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung übernommen. Das Land habe die Nutzungsentschädigung auch zutreffend gemäß § 17 Abs. 3 HNtV NW mit 17,5 % der bezogenen Vergütung berechnet. Da kein Personal in Anspruch genommen worden sei, seien jeweils 8,75 % für die Inanspruchnahme vor Einrichtungen und Material in Ansatz zu bringen. Eine Ermäßigung nach § 16 Abs. 2 HNtV NW komme nicht in Betracht, auch liege der Ausschlußtatbestand des § 15 Abs. 3 HNtV NW nicht vor. Er habe keine dem Land vertraglich geschuldete Leistung erbracht, sondern eine entgeltliche Nebentätigkeit als Sachverständiger ausgeübt. Der vom Land geltend gemachte Anspruch sei auch nicht nach § 70 BAT verfallen. Nach § 18 HNtV NW, der nach § 11 BAT anwendbar sei, sei der Beklagte nämlich verpflichtet, die für die Festsetzung des Nutzungsentgelts erforderlichen Angaben unverzüglich und vollständig zu machen. Dieser Verpflichtung sei der Beklagte nicht nachgekommen, so daß es dem klagenden Land ungeachtet der bis 1983 herrschenden Rechtsauffassung objektiv nicht möglich gewesen sei, seine Ansprüche zu erkennen und geltend zu machen. Erst durch die Auskunft vom 13. Dezember 1985 sei das Land instand gesetzt worden, das Nutzungsentgelt schriftlich geltend zu machen.

II. Diese Auführungen des Landesarbeitsgerichts halten im Ergebnis und in der Begründung der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

1. Nach § 11 BAT finden für die Nebentätigkeit des Beklagten die für die Beamten des klagenden Landes jeweils geltenden Bestimmungen sinngemäß Anwendung. Neben der Verordnung über die Nebentätigkeit des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an den Hochschulen des Landes Nordhein-Westfalen (HNtV NW) vom 11. Dezember 1981 (GV NW 1981, 726), finden mithin auch die hierzu ergangenen Erlasse und Rechtsverordnungen Anwendung, so u.a. der Erlaß des Ministers für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 14. November 1986 – I B 3 – 3846.6.6 – (ständige Rechtsprechung; vgl. zuletzt BAG Urteil vom 16. Februar 1989 – 6 AZR 289/87 – AP Nr. 9 zu § 42 BAT = ZTR 1989, 309; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Stand Oktober 1989, § 42 Rz 1; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann, BAT, Stand 1. September 1989, § 11 Erl. 2 ff.).

2. Gemäß den §§ 15 Abs. 1, 17 Abs. 3 HNtV NW ist für die Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personen und Material eine Nutzungsentschädigung zu zahlen, die in Bereichen mit medizinischtheoretischen Aufgaben 35  der bezogenen Vergütung beträgt. Sie kann nach dem für entsprechend anwendbar erklärten § 16 Abs. 2 HNtV NW höher oder niedriger bemessen werden, wenn die Berechnung nach dem Vomhundertsatz in keinem angemessenen Verhältnis zum Umfang der Inanspruchnahme steht. Die in Frage stehende Nutzungsentschädigung ist danach ihrem Wesen nach ein Ausgleich für die Vorteile, die dar Bedienstete dadurch erhält, daß er die dem Behördenapparat zur Verfügung stehenden Hilfsmittel nicht auf eigenes Risiko anzuschaffen und zu unterhalten hat und nicht die Arbeitskraft des ihm zur Verfügung stehenden Personals vergüten muß (Urteil des BVerwG vom 31. Januar 1974 – II C 36.70 – NJW 1974, 1440, 1443; BVerwG Urteil vom 26. Januar 1978 – 2 C 34.74 – ZBR 1979, 21 f.). Die Vorteile, die der Bedienstete dadurch erhält, daß er Einrichtungen, Material und Personal, deren Inanspruchnahme für seine Nebentätigkeit erforderlich ist, gewissermaßen vorfindet und sich ohne eigenes wirtschaftliches Risiko nutzbar machen kann, verlieren ihren wirtschaftlichen Wert auch nicht dadurch, daß geeignete private Obduktionsräume nicht zur Verfügung stehen. Im Gegenteil, gerade weil dies so ist, ist der Beklagte zur Ausübung seiner Tätigkeit als Zweitobduzent auf die entsprechenden Einrichtungen des Landes in besonderem Maße angewiesen; denn ohne diese Einrichtungen zu nutzen, könnte er seine Tätigkeit als Zweitobduzent nicht ausüben und keine Einnahmen erzielen.

3. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die HNtV NW auf die Tätigkeit eines Zweitobduzenten anwendbar, obwohl er bei Leichenöffnungen nach § 87 StPO auf gerichtliche oder staatsanwaltschaftliche Anordnung tätig wird. Denn ein Nutzungsentgelt ist nicht nur bei ärztlichen Dienstleistungen für Private zu zahlen, sondern für jedwede Nutzung der Einrichtungen des Landes. Diese Nutzung kann auch im Interesse des Landes liegen, ohne daß dadurch die Grundlage für die Forderung eines Nutzungsentgelts entfällt (BVerwG Urteile vom 31. Januar 1974 und 26. Januar 1978, aaO). Entscheidend für den Anspruch des Landes auf ein Nutzungsentgelt ist nicht der Zweck der Nebentätigkeit, sondern allein der Vorteil, den der Bedienstete dadurch erhält, daß er zur Erzielung privater Einnahmen sächliche und personelle Mittel des Landes in Anspruch nehmen kann. Unerheblich ist deshalb, daß die Vergütung des Beklagten nicht durch die GOÄ, sondern durch Nr. 2 der Anlage zu § 5 ZSEG vom 1. Oktober 1969. zuletzt geändert durch das Poststrukturgesetz vom 8. Juni 1989 (BGBl I, 1026. 1050) gesetzlich geregelt ist. Die HNtV NW unterscheidet nicht aufgrund welcher rechtlichen Bestimmungen die Einnahmen erzielt werden, sondern knüpft allein an die Tatsache Erzielung von Einnahmen an.

4. Der Beklagte hat bei seiner Tätigkeit unstreitig den Obduktionssaal und bei der Obduktion Material und andere Geräte des Landes benutzt. Unerheblich ist dabei, daß diese Mittel dem Erstobduzenten zum Zwecke der Strafrechtspflege ohnehin zur Verfügung stehen. Nach § 87 Abs. 2 Satz 1 StPO sind Leichenöffnungen von zwei Ärzten vorzunehmen. Danach ist die Obduktion von dem Erst- und Zweitobduzent gemeinsam durchzuführen; auch der Zweitobduzent ist für die Richtigkeit der bei der Leichenöffnung getroffenen medizinischen Feststellungen in gleicher Weise verantwortlich, wie der Erstobduzent. In welcher Weise beide Obduzenten sich die Arbeit untereinander teilen und ob der eine Obduzent mehr die manuellen Tätigkeiten vornimmt und der andere mehr beobachtend tätig ist, spielt keine Rolle. Denn auch der Zweitobduzent muß das Protokoll unterschreiben und trägt damit eigenverantwortlich die dort festgehaltenen Feststellungen (Löwe/Rosenberg, StPO, 23. Aufl. 1976, § 87 Rz 20 und 25). Damit müssen ihm aber zumindest die dafür notwendigen Einrichtungen und Materialien zur Verfügung gestellt werden. Ohne sie wäre er überhaupt nicht in der Lage, seinem gesetzlichen Auftrag nachzukommen. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang meint, die von dem Beklagten genutzten Einrichtungen und Mittel seien für seine Tätigkeit bedeutungslos, wird übersehen, daß es nach den Regelungen in §§ 15 ff. HNtV NW nicht darauf ankommt, ob die gleiche Tätigkeit auch ohne Inanspruchnahme der Einrichtungen und Materialien des Landes ausgeübt werden könnte. Ausgestaltung und Ablauf der Tätigkeit bestimmt zudem nicht der Obduzent, sondern vollzieht sich nach den von der Strafprozeßordnung vorgeschriebenen formellen Verfahren.

5. Der Beklagte hat die Einrichtungen und Materialien des Landes auch bei einer außerdienstlichen Tätigkeit in Anspruch genommen. Es mag zwar zutreffen, daß wegen der Regelung des § 87 Abs. 2 Satz 2 StPO die Tätigkeit als Erstobduzent bei gerichtlichen Leichenöffnungen zu den Dienstaufgaben der dort aufgezählten Ärzte gehört. Die Zweitobduzententätigkeit zählt jedenfalls nicht zu dem dienstlichen Aufgabenbereich, denn der Zweitobduzent wird insoweit nicht als Gerichtsarzt, sondern als gerichtlicher Sachverständiger tätig (OVG Berlin, Urteil vom 28. März 1960 – VI B 48.57 – NJW 1961, 984. bestätigt durch Beschluß des BVerwG vom 10. November 1960 – VI B 23.60). Allein aus diesem Grund ist auch eine Genehmigung der Tätigkeit durch das Land als Nebentätigkeit erforderlich, was die Revision selbst nicht in Abrede stellt. Das gleiche folgt aus dem Runderlaß des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 14. Mai 1976 – VI C 1-1028.3 – (MBl NW 1976, 1052 – Gld.-Nr. 2120), geändert durch Runderlaß vom 12. Februar 1986 – V B 3-1028.3 – MBl NW 1986, 275) betreffend “Durchführung von gerichtlich oder staatsanwaltschaftlich angeordneten Leichenöffnungen”. Nach Nr. 3.1 dieses Runderlasses ist nämlich die Entschädigung gemäß dem Gem. Rd. Erl. der Ministerpräsidenten und aller Landesminister vom 14. Dezember 1964 (MBl NW 1965, 98 – Gld.-Nr. 346) grundsätzlich an die Hochschulkasse, Kreiskasse oder Stadtkasse zu zahlen. Nur dann, wenn der Arzt dienstlich versichert, daß er die Obduktion nicht in Erfüllung seiner Dienstaufgaben durchgeführt hat, ist nach Nr. 3.2 des Runderlasses vom 14. Mai 1976 die Entschädigung unmittelbar an den Arzt zu zahlen. Da der Beklagte die Entschädigung jeweils unmittelbar erhalten hat, muß er daher gegenüber der Staatsanwaltschaft bzw. dem Gericht jeweils eine entsprechende Erklärung abgegeben haben.

6. Das Nutzungsentgelt beträgt in Bereichen mit medizinischtheoretischen Aufgaben nach § 17 Abs. 3 HNtV NW grundsätzlich 35 v.H. der bezogenen Vergütung. Gemessen daran ist das vom Land mit 17.5 % angesetzte Nutzungsentgelt der Höhe nach durchaus angemessen.

Was angemessen ist, ergibt sich aus dem generellen Sinn des Nutzungsentgelts, die Vorteile auszugleichen, die dem Bediensteten wirtschaftlich dadurch zugute Kommen, daß er weder die genutzten Hilfsmittel auf eigenes Risiko anzuschaffen und zu unterhalten hat, noch die Arbeitskraft des ihm zur Verfügung stehenden Personals vergüten muß (§ 15 Abs. 1 Satz 2 HNtV NW). Das Nutzungsentgelt muß in einem ausgewogenen Verhältnis zu der aus der Nebentätigkeit erlangten Vergütung stehen, wobei ein Vomhundertsatz dieser Vergütung in diesem Sinne angemessen ist, wenn er dem Bediensteten den eindeutig überwiegenden Teil des aus der Nebentätigkeit gewonnenen wirtschaftlichen Nutzens beläßt (BVerwG Urteile vom 31. Januar 1974 und 26. Januar 1978, aaO). Dies ist dann der Fall, wenn sichergestellt ist, daß der Dienstherr dem Bediensteten nicht “gleichsam mit der linken Hand wieder nimmt, was er diesem mit der rechten in Gestalt der Gestattung der Nebentätigkeit und der Gestattung, sich hierbei des behördlichen Apparates zu bedienen, gegeben hat” (BverwG Urteil vom 31. Januar 1974, aaO). Das trifft im Streitfall zu. Der Beklagte behält mit immerhin 82,5 % den weitaus überwiegenden Teil der Entschädigung, die ihm nach Nr. 2 der Anlage zu § 5 ZSEG für seine Tätigkeit als Zweitobduzent persönlich zusteht (Meyer/Höver, ZSEG, 17. Aufl., Rz 485). Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang darauf hinweist, er habe einen Teil der Vergütung an die Sektionsgehilfen weitergegeben, ist dies unbeachtlich. Nach § 10 HNtV NW ist Vergütung für eine Nebentätigkeit jede Gegenleistung in Geld oder geldwerten Vorteilen, auch wenn kein Rechtsanspruch darauf besteht. Damit ist auch der Teil der Vergütung, den der Beklagte, ohne dazu rechtlich verpflichtet zu sein, freiwillig den Sektionsgehilfen zugewendet hat, Teil der aus der Nebentätigkeit erlangten Vergütung (VGH Mannheim, NJW 1976, 2314, 2316).

III. Der Anspruch des klagenden Landes ist auch nicht gemäß § 70 BAT verfallen.

1. Nach der Vorschrift des § 70 BAT verfallen alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit, wenn sie nicht innerhalb dieser Frist schriftlich geltend gemacht worden sind. Diese Frist ist durch den Festsetzungsbescheid des klagenden Landes vom 9. April 1986 gewahrt worden, auch wenn das Land gegenüber einem Angestellten Forderungen nicht mit einem Festsetzungsbescheid einziehen kann. Die Bestimmung eines Tarifvertrages, wonach Ansprüche schriftlich geltend zu machen sind, ist als “eine durch Gesetz vorgeschriebene Form” im Sinne von § 125 Satz 1 BGB anzusehen. Danach liegt eine schriftliche Geltendmachung einer Forderung vor, wenn sie in einer Urkunde, die vom Aussteller mit Namensunterschrift versehen ist, erfolgt (§ 126 BGB). Diese Voraussetzungen erfüllt auch ein Festsetzungsbescheid, da dieser ebenso wie eine Klageschrift (vgl. hierzu BAGE 9, 296 ff. = AP Nr. 5 zu § 4 TVG Ausschlußfristen), die schriftliche Aufforderung enthält, die darin bezeichneten Ansprüche zu befriedigen. Sie ist auch innerhalb von sechs Monaten nach der Auskunft des Beklagten über seine Einkünfte aus der Nebentätigkeit vom 13. Dezember 1985 erfolgt.

2. Die schriftliche Geltendmachung erfolgte auch rechtzeitig. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 8. August 1985 – 2 AZR 459/84 – AP Nr. 94 zu § 4 TVG Ausschlußfristen, zu II 2e bb der Gründe, m.w.N.) beginnt der Lauf von Ausschlußfristen zwar unabhängig von der Erteilung einer Abrechnung bereits mit der Fälligkeit eines Anspruches. Ist jedoch der Anspruchsberechtigte nach Treu und Glauben daran gehindert, seine Ansprüche zu erkennen und zu erheben, weil der Anspruchsschuldner keine Abrechnung erteilt oder diese verzögert, ist der Lauf einer Verfallfrist für Zahlungsansprüche durch die Nichterteilung einer Abrechnung solange gehemmt, wie die fehlende Abrechnung noch verlangt werden kann (BAG Urteil vom 8. August 1985 = AP, aaO; BAGE 51, 308, 311 = AP Nr. 67 zu § 1 LohnFG; BAG Urteil vom 27. November 1984 – 3 AZR 596/82 – AP Nr. 89 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; BAG Urteil vom 18. Januar 1969 – 3 AZR 451/67 – AP Nr. 41 zu § 4 TVG Ausschlußfristen). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Anspruchsgläubiger eine Abrechnung benötigte, um seine Ansprüche berechnen zu können.

Vorliegend war der Beklagte nicht nur verpflichtet, der Hochschule halbjährlich die für die Festsetzung des Nutzungsentgelts erforderlichen Angaben zu machen (§ 18 HNtV NW), sondern auch bei Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal oder Material des Landes in Ausübung einer Nebentätigkeit eine Genehmigung des Landes einzuholen (§ 13 HNtV NW). Der Beklagte hat jedoch unstreitig weder eine Genehmigung zu der Inanspruchnahme von Einrichtungen und Material eingeholt, noch eine Abrechnung der von ihm erzielten Vergütungen vor dem 13. Dezember 1985 erteilt. Er hat nicht einmal die nach § 8 HNtV NW erforderliche Anzeige einer nicht genehmigungspflichtigen Nebentätigkeit gegenüber dem Land erstattet. Damit war das klagende Land nicht in der Lage, seinen Anspruch auf Nutzungsentgelt zunächst auch nur unbeziffert geltend zu machen (vgl. hierzu BAG Urteil vom 5. März 1981 – 3 AZR 559/78 – AP Nr. 9 zu § 70 BAT; BAG Urteil vom 16. Dezember 1971 – 1 AZR 335/71 – AP Nr. 48 zu § 4 TVG Ausschlußfristen).

IV. Schließlich greift vorliegend auch nicht der von der Revision erhobene Einwand der Verwirkung durch.

Die Revision hat hierzu außer dem Hinweis auf den Zeitablauf, also das Zeitmoment, nichts zu der Frage vorgetragen, ob es dem Beklagten noch zumutbar ist, einen geringfügigen Anteil der von ihm bezogenen Vergütung pflichtgemäß zu zahlen. Bei der Höhe der Forderung von 3.389,75 DM ergeben sich angesichts der zuvor bezogenen Vergütung von 19.370,-- DM auch keine Anhaltspunkte hierfür. Diese lassen sich auch nicht aus der Tatsache gewinnen, daß die Hochschulverwaltung nach der Behauptung des Beklagten zunächst selbst der Meinung gewesen sei, ein Nutzungsentgelt sei für die Tätigkeit eines Zweitobduzenten nicht zu zahlen. Eine irrtümlich falsche Rechtsanwendung läßt im öffentlichen Dienst jedenfalls nicht ohne weiteres einen Anspruch aufgrund betrieblicher Übung auf bestimmte Zahlungen entstehen (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 23. Juni 1988 – 6 AZR 137/86 – AP Nr. 33 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, m.w.N.). Sie kann dementsprechend auch nicht zum Verlust von begründeten Ansprüchen gegen den Bediensteten führen.

V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Röhsler, Dörner, Schneider, E. Schmidt, Spiegelhalter

 

Fundstellen

Haufe-Index 873915

RdA 1990, 188

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