Entscheidungsstichwort (Thema)

Korrektur einer Eingruppierung. Bewährungsaufstieg. Korrigierende Rückgruppierung einer Sozialarbeiterin. Arbeitsvertragsrecht. Eingruppierung im kirchlichen Bereich

 

Orientierungssatz

  • Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bei der korrigierenden Rückgruppierung ist auch im Falle eines Bewährungsaufstiegs sachgerecht, soweit die Mitteilung über die Eingruppierung die für den Bewährungsaufstieg maßgebliche Vergütungs- und ggf. Fallgruppe bezeichnet.
  • Der Arbeitgeber muß darlegen, inwieweit die von ihm ursprünglich vorgenommene Eingruppierung unrichtig ist, wenn er sich an dieser Mitteilung nicht festhalten lassen will.
  • Der Arbeitgeber muß die objektive Fehlerhaftigkeit der mitgeteilten Vergütungsgruppe darlegen und ggf. beweisen, wenn sich der Angestellte auf die ihm vom Arbeitgeber mitgeteilte Vergütungsgruppe beruft.
  • Die Fehlerhaftigkeit ist bereits dann gegeben, wenn eine der Voraussetzungen für die bisherige Eingruppierung fehlt.
  • Der Hinweis auf eine ergangene Entscheidung über die Eingruppierung eines vergleichbaren Angestellten reicht jedenfalls dann nicht aus, wenn die Eingruppierungsfeststellungsklage an fehlendem hinreichenden Vortrag von Tatsachen zu mindestens einem Heraushebungsmerkmal gescheitert war.
  • Der Arbeitgeber muß vielmehr im einzelnen darlegen, daß und warum entgegen seiner ursprünglichen Wertung die Eingruppierung des Angestellten falsch gewesen sein soll.
  • Ist ein wertender Vergleich erforderlich, daß und warum sich eine Tätigkeit nicht aus einer Tätigkeit, die unter eine niedrigere Vergütungsgruppe fällt, heraushebt, so ist vom Arbeitgeber entsprechend vorzutragen; die Darlegungslast entspricht “quasi spiegelbildlich” der des Angestellten beim “normalen” Rechtsstreit um eine höhere Eingruppierung/Vergütung.
 

Normenkette

AVR Caritasverband § 12; Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) Anlage 2d VergGr. 4b Ziff. 24, VergGr. 4a Ziff. 23, VergGr. 3 Ziff. 11

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 20.04.2001; Aktenzeichen 12 (7) Sa 118/01)

ArbG Köln (Urteil vom 20.09.2000; Aktenzeichen 3 Ca 9425/98)

 

Tenor

  • Die Revision des beklagten Vereins gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 20. April 2001 – 12 (7) Sa 118/01 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß festgestellt wird, daß der beklagte Verein verpflichtet ist, die Klägerin ab 1. April 1998 nach der VergGr. 3 der Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR Caritasverband) zu vergüten.
  • Der beklagte Verein hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin nach der Anl. 2d zu den Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR), insbesondere darum, ob die Klägerin auf Grund erfolgten Bewährungsaufstiegs aus der VergGr. 4a nach VergGr. 3 AVR zu vergüten ist.

Die am 13. März 1961 geborene Klägerin ist auf Grund Dienstvertrages vom 1. September 1987 ab diesem Zeitpunkt bei dem beklagten Verein als Diplomsozialpädagogin beschäftigt. Nach § 2 dieses Vertrages gelten für das Dienstverhältnis die “Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes” (AVR) in ihrer jeweils geltenden Fassung.

Die Klägerin war zunächst in der Kontakt- und Beratungsstelle für psychisch Kranke eingesetzt und wurde nach VergGr. 4b AVR bezahlt. Ab 1. April 1994 ist die Klägerin Berufsbetreuerin. Sie führt gesetzliche Betreuungen nach §§ 1896 ff. BGB durch. Die aus diesem Anlaß von beiden Parteien unterzeichnete “Ergänzung zum bestehenden Dienstvertrag” vom 18. Februar 1994 lautet:

“Hiermit wird … vereinbart, daß Frau A… ab dem 1. April 1994 vom derzeitigen Fachbereich ‘Hilfe für psychisch Erkrankte’ in den Fachbereich ‘Betreuungsvereine’ wechselt.

Frau A… wird ab dem 01.04.1994 in die VergGr. AVR, Anl. 2d, 4a, Ziff. 23, eingruppiert.”

Mit Schreiben vom 12. März 1998 begehrte die Klägerin, “den Bewährungsaufstieg zum 1. April 1998 zu vollziehen”. Sie sei, da sie die Voraussetzungen der VergGr. 4a Ziff. 23 der Anl. 2d zu den AVR erfülle, im Wege der Bewährung aus der VergGr. 4a in die VergGr. 3 (Ziff. 11) AVR aufgestiegen.

Das lehnte der Beklagte unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Senats vom 27. Juli 1994 (– 4 AZR 593/93 – AP AVR Caritasverband § 12 Nr. 5) ab. “Die ursprünglich vollzogene Eingruppierung” sei “fehlerhaft” gewesen.

Mit ihrer am 10. November 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Eingruppierungsbegehren weiter. Sie erfülle als Vereinsbetreuerin die Voraussetzungen der VergGr. 4a Ziff. 23. Ihre Tätigkeit hebe sich durch das Maß der Verantwortung erheblich aus der VergGr. 4b Ziff. 24 heraus. Diese Arbeit habe sie während der vorgesehenen vierjährigen Bewährungszeit beanstandungsfrei ausgeführt. Einem vollzeitbeschäftigten Betreuer obliege nach den Vorgaben des beklagten Vereins die Führung von 30 gesetzlichen Betreuungen. Da sie als Mitarbeitervertreterin von ihrer eigentlichen Tätigkeit freigestellt sei, seien ihr 15 gesetzliche Betreuungen als persönliche und namentlich vom Amtsgericht bestellte Betreuerin zugewiesen. Bei diesen Betreuungsfällen handele es sich ausnahmslos um schwierige Betreuungen, die auf Grund Empfehlung der Vormundschaftsgerichtshilfe und durch Entscheidungen der zuständigen Vormundschaftsrichter/-innen nicht durch ehrenamtliche Betreuer/-innen geführt werden könnten. Der Wirkungskreis umfasse sämtliche Möglichkeiten der richterlichen Anordnung (Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmungsrecht, Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Sicherstellung der häuslichen Versorgung und/oder Pflege, Postkontrolle usw.) und erfordere ein umfassendes und komplexes Fachwissen. Zusätzlich zu diesen Tätigkeiten als Betreuerin kämen Organisations- und Entwicklungsaufgaben im Betreuungsverein selbst. Da die Position einer Leitungskraft dort nicht besetzt sei, müßten die Strukturen des Arbeitsfeldes, das Abrechnungswesen mit den Amtsgerichten, das Konzept des Vereins, die Öffentlichkeitsarbeit von den Betreuer/-innen selbst entwickelt und aufgebaut werden. Bei der Landesbetreuungsbehörde sei sie offiziell als zuständige Mitarbeiterin für sog. Querschnittsarbeit benannt. Diese Querschnittsarbeit umfasse die Gewinnung, Beratung und Begleitung von ehrenamtlichen Betreuern und Betreuerinnen. Diese Tätigkeiten höben sich in ihrer Verantwortung und dem Maße der Eigenverantwortlichkeit erheblich von den Tätigkeiten der Ziff. 24 der VergGr. 4b der Anl. 2d zu den AVR ab. Die Klägerin ist der Auffassung, daß der beklagte Verein für die angeblich fehlerhafte Eingruppierung zum 1. April 1994 darlegungs- und beweispflichtig sei. Er habe im einzelnen darzulegen, inwiefern die Voraussetzungen für die vorgenommene Eingruppierung zum damaligen Zeitpunkt nicht vorgelegen haben sollen. Dazu habe der beklagte Verein nichts vorgetragen.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß der beklagte Verein verpflichtet ist, die Klägerin ab 1. April 1998 nach der VergGr. 3 Ziff. 11 der Anl. 2d der Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) zu vergüten.

Der beklagte Verein hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die Darlegungs- und Beweislast liege im vollen Umfang bei der Klägerin. Es handele sich nicht um einen Fall der sog. korrigierenden Rückgruppierung. Der beklagte Verein habe lediglich von dem ihm zustehenden Recht Gebrauch gemacht, die Tätigkeit der Klägerin zu bewerten mit dem Ergebnis, daß die Eingruppierung und damit der Bewährungsaufstieg nicht gerechtfertigt seien. Im übrigen ordne das Bundesarbeitsgericht die Tätigkeit eines Diplomsozialarbeiters als Vereinsbetreuer in die VergGr. 4b Ziff. 21 ein. Diese Tätigkeit könne nicht als eine durch das Maß der damit verbundenen Verantwortung herausgehobenen Tätigkeit angesehen werden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der beklagte Verein die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Klägerin beantragt, die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Fallgruppenfeststellung entfällt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht entsprochen.

  • Die Klage ist zulässig.

    • Es handelt sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die auch außerhalb des öffentlichen Dienstes allgemein üblich ist und nach ständiger Rechtsprechung des Senats keinen prozeßrechtlichen Bedenken begegnet (vgl. 25. September 1991 – 4 AZR 87/91 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Großhandel Nr. 7, zu I der Gründe mwN). Das gilt auch für den Bereich der AVR (vgl. 27. Juli 1994 – 4 AZR 593/93 – AP AVR Caritasverband § 12 Nr. 5, zu I der Gründe mwN).
    • Allerdings hat das Landesarbeitsgericht übersehen, daß eine Feststellungsklage unzulässig ist, nach der ein Arbeitnehmer nach einer bestimmten Fallgruppe zu vergüten ist; die AVR machen die Dienstbezüge nicht von Fallgruppen/Ziffern oder deren Erfüllung abhängig. Vielmehr richten sich die Dienstbezüge allein nach der jeweils von den Mitarbeitern auszuübenden Tätigkeit und der dieser Tätigkeit entsprechenden Vergütungsgruppe ≪ vgl. § 12 AVR iVm. Vergütungsregelung I Eingruppierung≫ (vgl. Senat 2. April 1980 – 4 AZR 306/78 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 35 und 9. Juli 1980 – 4 AZR 579/78 – BAGE 34, 57 jeweils zum BAT). Dem hat die Klägerin durch eine entsprechende Klarstellung ihres Antrags in der Revisionsinstanz Rechnung getragen.
  • Die Klage ist begründet.

    Die Klägerin hat nach den auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden AVR Anspruch auf Vergütung nach VergGr. 3.

    Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt an sich davon ab, ob mindestens die Hälfte der die Gesamtarbeitszeit der Klägerin ausfüllenden Arbeitsvorgänge mindestens einem Tätigkeitsmerkmal der von ihr für sich in Anspruch genommenen Vergütungsgruppe 3 der Anlage 2d zu den AVR entspricht (§ 12 AVR iVm. Ziff. I “Eingruppierung” der Vergütungsordnung/Vergütungsregelung der Anlage 1 zu den AVR).

    Unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der sog. korrigierenden Rückgruppierung steht der Klägerin die Vergütung nach der VergGr. 3 (Ziff. 11) ab 1. April 1998 aber dann zu, wenn sie sich mit Erfolg darauf berufen kann, entsprechend der “Ergänzung zum bestehenden Dienstvertrag” vom 18. Februar 1994 seit 1. April 1994 zu Recht in VergGr. 4a (Ziff. 23) eingruppiert gewesen zu sein, und wenn sie sich in dieser Tätigkeit bewährt hat. Das ist im Ergebnis der Fall.

    • Auf das Arbeitsverhältnis sind, wovon übereinstimmend auch die Parteien ausgehen, die AVR in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

      Zwar können die AVR nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine normative Wirkung entfalten, sondern nur kraft einzelvertraglicher Bezugnahme auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung finden (vgl. zB BAG 6. Dezember 1990 – 6 AZR 159/89 – BAGE 66, 314, 320 mwN; 26. Mai 1993 – 4 AZR 358/92 –, – 4 AZR 382/92 – und – 4 AZR 383/92 – AP AVR Caritasverband § 12 Nr. 2, 3, 4). Eine solche Vereinbarung liegt hier aber vor. Nach § 2 des Dienstvertrages vom 1. September 1987 gelten für das Dienstverhältnis die AVR in ihrer jeweiligen Fassung.

    • Die Eingruppierung der Klägerin richtet sich nach folgenden Tätigkeitsmerkmalen der Anl. 2d zu den AVR in der ab 1. Februar 1994 geltenden Fassung:

      “Vergütungsgruppe 4b

      24. Diplom-Sozialarbeiter, Diplom-Sozialpädagogen, Diplom-Heilpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit

      • in gruppenergänzenden Diensten in Einrichtungen der Erziehungs-, Behinderten- oder Gefährdetenhilfe,
      • als Leiter einer Gruppe in Einrichtungen der Erziehungs-, Behinderten- oder Gefährdetenhilfe,
      • in entsprechenden eigenverantwortlichen Tätigkeiten.

      Vergütungsgruppe 4a

      23. Diplom-Sozialarbeiter, Diplom-Sozialpädagogen, Diplom-Heilpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit, deren Tätigkeit sich durch das Maß der damit verbundenen Verantwortung erheblich aus Vergütungsgruppe 4b Ziffer 24 heraushebt.

      Vergütungsgruppe 3

      11. Diplom-Sozialarbeiter, Diplom-Sozialpädagogen, Diplom-Heilpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit, deren Tätigkeit sich durch das Maß der damit verbundenen Verantwortung erheblich aus Vergütungsgruppe 4b Ziffer 24 heraushebt, nach vierjähriger Bewährung in Vergütungsgruppe 4a Ziffer 23.

    • Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bei der korrigierenden Rückgruppierung sei auch im Falle des Bewährungsaufstiegs sachgerecht. Die relevanten Umstände seien letztlich dieselben wie bei der sog. korrigierenden Rückgruppierung.

      Das entspricht der Rechtsprechung des Senats.

      Die Grundsätze zur Darlegungslast des Arbeitgebers bei der korrigierenden Rückgruppierung sind auf den Fall der Verweigerung des Bewährungs- bzw. Zeitaufstiegs zu übertragen, soweit die Mitteilung über die Eingruppierung die für den Bewährungs- bzw. Zeitaufstieg maßgebliche Vergütungs- und Fallgruppe bezeichnet. Der Arbeitgeber muß darlegen, inwieweit die von ihm ursprünglich vorgenommene Eingruppierung unrichtig ist, wenn er sich an dieser Mitteilung nicht festhalten lassen will. Beruft sich der Angestellte auf die ihm vom Arbeitgeber mitgeteilte Vergütungsgruppe, so muß der Arbeitgeber die objektive Fehlerhaftigkeit der mitgeteilten Vergütungsgruppe darlegen und ggf. beweisen; die Fehlerhaftigkeit ist bereits gegeben, wenn eine der Voraussetzungen für die bisherige Eingruppierung fehlt. Das hat der Senat in der Entscheidung vom 26. April 2000 (– 4 AZR 157/99 – BAGE 94, 287, 296 f.) im einzelnen begründet. Darauf nimmt der Senat Bezug. Daran hält der Senat nach erneuter Überprüfung fest. Es ist zwar richtig, daß ein Fall der Rückgruppierung bei der Klägerin nicht vorliegt. Die Klägerin erhält weiter Vergütung nach VergGr. 4a. Es ist auch richtig, daß der Bewährungsaufstieg nicht automatisch erfolgt, vielmehr neben dem Ablauf der vorgesehenen Bewährungszeit der Arbeitnehmer sich tatsächlich bewährt haben muß. Der Senat hat aber darauf hingewiesen, daß es sowohl im Falle der korrigierenden Rückgruppierung als auch im Falle des Bewährungsaufstiegs um die vom Arbeitgeber gewollte Abkehr von der dem Arbeitnehmer früher mitgeteilten und in der Folgezeit praktizierten Eingruppierung geht, wenn der Arbeitgeber die Voraussetzungen der bislang für richtig angesehenen Vergütungsgruppe leugnet, aus der der Arbeitnehmer im Wege des Bewährungs- oder Zeitaufstiegs in eine andere, höhere Vergütungsgruppe aufgestiegen sein will. Der Unterschied liegt lediglich darin, daß bei dem Zeit- oder Bewährungsaufstieg die zusätzliche Voraussetzung des Zeitablaufs oder der Bewährung vorliegen muß. Für diese Voraussetzungen bleibt es bei der Darlegungs- und ggf. Beweislast des Arbeitnehmers. Die Notwendigkeit der Gleichbehandlung beider Fallgruppen wird besonders deutlich, wenn der Arbeitnehmer ausgehend von der ihm mitgeteilten und gewährten Vergütungsgruppe den Bewährungs- oder Zeitaufstieg begehrt und der Arbeitgeber hierauf mit der korrigierenden Rückgruppierung reagiert. Will der Arbeitgeber in solcher Konstellation den an sich gegebenen Zeit- oder Bewährungsaufstieg dadurch vermeiden, daß er sich nunmehr auf die Unrichtigkeit der von ihm selbst mitgeteilten Vergütungs- und Fallgruppe beruft, so steht dies in der Wirkung dem Fall gleich, daß er nunmehr die Rückgruppierung teilweise, nämlich in Form der Verhinderung des Zeit- oder Bewährungsaufstiegs durchsetzen will. Von daher ist es nicht begründbar, dem Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für die Richtigkeit der ihm vom Arbeitgeber früher mitgeteilten Vergütungs- und Fallgruppe aufzuerlegen, wenn er die Höhergruppierung im Wege des Zeit- oder Bewährungsaufstiegs geltend macht, und dem Arbeitgeber diese Last für die Unrichtigkeit seiner eigenen Eingruppierungsmitteilung nur dann aufzuerlegen, wenn er die Rückgruppierung vollständig, dh., auch unter Absenkung der Vergütung durchsetzen will.

    • Zur Begründung seiner Auffassung, bei dieser Verteilung der Darlegungs- und Beweislast sei davon auszugehen, daß die Klägerin zutreffend in VergGr. 4a (Ziff. 23) eingruppiert sei, weil der beklagte Verein den Nachweis der fehlerhaften Eingruppierung nicht erbracht habe, hat das Landesarbeitsgericht darauf abgestellt, die Klägerin habe vorgetragen, daß sie seit ihrem Einsatz im Betreuungsverein, also ab 1. April 1994, nicht nur die Normaltätigkeit einer Vereinsbetreuerin verrichtet habe, sondern auch Leitungsaufgaben, dies insbesondere in der Weise, daß sie organisatorische und Entwicklungsaufgaben wahrnehme. Diese Arbeiten könnten durchaus eine über VergGr. 4b hinausgehende Bezahlung rechtfertigen. Es sei deshalb Sache des beklagten Vereins gewesen, im einzelnen darzutun, daß diese von der Klägerin und zwei anderen Vereinsbetreuerinnen erbrachten weitergehenden Tätigkeiten eine Eingruppierung in VergGr. 4a nicht rechtfertigten. Insoweit fehle es an jedem hinreichend substantiierten Vortrag des beklagten Vereins. Im Gegenteil. Er habe bestätigt, daß die Stelle eines Geschäftsführers erst ab April 1998 besetzt worden sei und dieser erst ab diesem Zeitpunkt die Leitungsfunktion ausgeführt habe. Vorher müsse diese also bei anderen, ua. bei der Klägerin gelegen haben. Wie die Verhältnisse ab 1. April 1998 gewesen seien, sei unerheblich. Da habe die Klägerin die vierjährige Bewährungszeit absolviert gehabt und sei dementsprechend in VergGr. 3 der Anl. 2d zu den AVR eingruppiert gewesen. Das hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

      • Der Rückgriff auf die Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast bei der korrigierenden Rückgruppierung auch für den Fall des Bewährungsaufstiegs bedurfte es zunächst aber deswegen nicht, weil die Klägerin sich nicht nur auf den Standpunkt gestellt hat, ihre Eingruppierung in der Vergütungsgruppe, aus der sie in die nächst höhere im Wege der Bewährung aufgestiegen sein will, sei zutreffend. Sie hat vielmehr vor dem Hintergrund der nicht besetzten Position einer Leitungskraft zu ihren Organisations- und Entwicklungsaufgaben im Betreuungsverein selbst vorgetragen, die sie wie die anderen Betreuerinnen und Betreuer durchgeführt hätten, als Beleg für die Anforderung der erheblichen Heraushebung ihrer Tätigkeit durch das Maß der damit verbundenen Verantwortung aus der VergGr. 4b Ziff. 24 iSd. VergGr. 4a Ziff. 23. Diesen Vortrag hat der beklagte Verein nicht hinreichend widerlegt. Sein Vortrag ist insoweit unschlüssig.

        • Der beklagte Verein hat in dem Schriftsatz vom 18. März 1999 Bl. 3, auf den sich der beklagte Verein in der Revisionsinstanz als Beleg für hinreichenden Vortrag iSd. Rechtsprechung des Senats zur korrigierenden Rückgruppierung beruft, ausgeführt, jedenfalls seit April 1998 übe der Geschäftsführer des beklagten Vereins die Leitungsfunktionen aus. Er sei zuständig für die gesamte Koordination und die Abrechnung mit den Gerichten pp. Wenn das Landesarbeitsgericht daraus den Schluß zieht, vorher müsse die Leitungsfunktion bei anderen, ua. bei der Klägerin gelegen haben, so ist das ebensowenig zu beanstanden wie der Hinweis des Landesarbeitsgerichts, im Zeitpunkt des Einsatzes eines Geschäftsführers sei die Bewährungszeit bereits abgelaufen gewesen.
        • Daran ändert der weiter von der Revision in Bezug genommene Vortrag des beklagten Vereins im Schriftsatz vom 14. Juni 1999 Bl. 3 nichts. Dort heißt es, bis April 1998 hätten alle Mitarbeiterinnen des Betreuungsvereins im Team gearbeitet, ohne daß eine herausgehobene Leitung stattgefunden habe. Leitungsaufgaben wie Leitung von Teamgesprächen, Planung und Durchführung der Zusammenarbeit mit anderen Betreuungsvereinen, Überlegungen zu konzeptionellen Fortschreibungen usw. seien im Team erledigt worden. Andere Leitungstätigkeiten seien immer ausschließlich von der Geschäftsführung erledigt worden (zB Entscheidungen über Erinnerungs- und Widerspruchsverfahren gegenüber den Gerichten, Abrechnungsverfahren gegenüber Gerichten und Mündelvermögen einschließlich Zeichnungsberechtigung, Vertragsverhandlungen mit zuständigen Betreuungsbehörden usw.). Seit April 1998 obliege die gesamte Leitung dem Geschäftsführer, und zwar einschließlich der Teamgesprächsleitung usw.

          Auch insoweit wird nicht deutlich, wer die Leitungsfunktion in der Zeit vom 1. April 1994 bis 31. März 1998, die der Bewährungszeit entspricht, wahrgenommen hat, daß die Klägerin in dieser Zeit ausschließlich auf die Tätigkeit eines Betreuers reduziert war, jedenfalls ab 1. Januar 1998, nachdem die Klägerin nach dem Vortrag des beklagten Vereins nicht mehr beim Landschaftsverband R… als zuständige Mitarbeiterin für die sog. “Querschnittsarbeit” – ie. planmäßige Gewinnung und Beratung und Begleitung von ehrenamtlichen Betreuern – benannt war, und daß und warum sie damit das Merkmal der erheblichen Heraushebung aus der VergGr. 4b Ziff. 24 durch das Maß der damit verbundenen Verantwortung entgegen der früheren Einschätzung des beklagten Vereins nicht erfüllen soll. Es ist nicht dargetan, was es ausmachen soll, daß das Maß ihrer Verantwortung sich nicht aus dem der VergGr. 4b Ziff. 24 erheblich heraushebt.

      • In seinem Ablehnungsschreiben vom 16. September 1998 hat sich der beklagte Verein auf die Entscheidung des Senats vom 27. Juli 1994 (– 4 AZR 593/93 – AP AVR Caritasverband § 12 Nr. 5) berufen, nach der ein Diplomsozialarbeiter/Diplomsozialpädagoge in der Tätigkeit eines Betreuers jedenfalls nur dann in VergGr. 3 (Ziff. 11) eingruppiert ist, wenn seine Tätigkeit durch das Maß der damit verbundenen Verantwortung erheblich aus VergGr. 4b Ziff. 24 herausgehoben ist und er eine vierjährige Bewährungszeit in VergGr. 4a Ziff. 23 zurückgelegt hat, wobei eine Darlegung der üblichen Verantwortung eines Diplomsozialarbeiters/Diplomsozialpädagogen unzureichend ist. Mit dem Hinweis auf die genannte Entscheidung des Senats hat der beklagte Verein allenfalls die Behauptung aufgestellt, die Klägerin erfülle das in VergGr. 4a Ziff. 23 geforderte Merkmal der erheblichen Heraushebung der Tätigkeit durch das Maß der mit ihr verbundenen Verantwortung aus der VergGr. 4b Ziff. 24 nicht. Das ist aber nicht durch einen entsprechenden Vortrag belegt und – nach Bestreiten von Tatsachen – unter Beweis gestellt.

        Denn der Senat hat nicht etwa entschieden, daß ein Diplomsozialarbeiter/Diplomsozialpädagoge in der Tätigkeit eines Betreuers/Vereinsbetreuers die Voraussetzungen der VergGr. 4a Ziff. 23 nicht erfüllt, sondern hat für den konkreten Fall entschieden, daß sich aus dem Sachvortrag jenes Klägers nicht ergibt, daß die Tätigkeit des Betreuers sich durch das Maß der damit verbundenen Verantwortung erheblich aus der VergGr. 4b Ziff. 24 heraushebt. Es fehlte der Vergleich zwischen den Tätigkeiten der Ziff. 24 der VergGr. 4b und der Betreuungstätigkeit, der hätte Aufschluß darüber geben können, daß und warum die Betreuungstätigkeit sich durch das Maß der mit ihr verbundenen Verantwortung aus den Tätigkeiten, die unter die Ziff. 24 der VergGr. 4b fallen, erheblich heraushebt oder erheblich herausheben soll. Dementsprechend war “quasi spiegelbildlich” von dem beklagten Verein im einzelnen anhand der Tätigkeit der Klägerin vorzutragen, daß und warum entgegen der ursprünglichen Wertung die Eingruppierung der Klägerin fehlerhaft gewesen sein soll. Darauf hat die Klägerin zutreffend hingewiesen.

        Der beklagte Verein hätte nicht bei der Darlegung stehen bleiben dürfen, die Betreuungstätigkeit der Klägerin als Sozialarbeiterin sei eine typische Normaltätigkeit des Sozialpädagogen, wobei der beklagte Verein der Sache nach Passagen der genannten Entscheidung des Senats wiedergibt. Der beklagte Verein hätte im einzelnen darlegen müssen, warum die von ihm und von der Mitarbeitervertretung für zutreffend gehaltene Eingruppierung, die in der “Ergänzung zum bestehenden Dienstvertrag” vom 18. Februar 1994 ihren Niederschlag gefunden hat, falsch gewesen sein soll, und zwar entweder wegen unzutreffender rechtlicher Einordnung – warum soll das Heraushebungsmerkmal im Lichte der Tätigkeit (Tätigkeitsbeschreibung) der Klägerin nicht vorgelegen haben? – oder aber daß und warum die Tätigkeit der Klägerin, von der man ausgegangen sei, der Wirklichkeit nicht entsprochen haben soll mit der Folge der unzutreffenden Eingruppierung der Klägerin in VergGr. 4a. Das ist nicht geschehen, und zwar auch nicht hinreichend im Verlaufe des Rechtsstreits.

        Damit kann sich die Klägerin mit Erfolg darauf berufen, entsprechend der “Ergänzung zum bestehenden Dienstvertrag” vom 18. Februar 1994 seit 1. April 1994 zu Recht in VergGr. 4a eingruppiert gewesen zu sein.

    • Die Klägerin hat mit Ablauf des 31. März 1998 die vierjährige Bewährungszeit absolviert, und zwar – auch nach dem Vortrag des beklagten Vereins – beanstandungsfrei.

      Damit ist die Klägerin im Wege der Bewährung aus der VergGr. 4a in die VergGr. 3 der Vergütungsgruppen für Mitarbeiter im Sozial- und Erziehungsdienst der Anl. 2d zu den AVR aufgestiegen. Sie hat daher Anspruch auf Vergütung nach VergGr. 3 AVR ab 1. April 1998.

  • Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
 

Unterschriften

Bott, Wolter, Friedrich, Kiefer, Münter

 

Fundstellen

Haufe-Index 893419

DB 2003, 1121

NZA 2003, 688

ZTR 2003, 232

AP, 0

PersV 2003, 274

ZMV 2003, 146

NJOZ 2003, 1587

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