Entscheidungsstichwort (Thema)

Verzicht auf Hinzuziehung eines Dolmetschers in der Güteverhandlung

 

Leitsatz (redaktionell)

Wirksamkeit eines ohne Hinzuziehung eines Dolmetschers von dem Prozeßbevollmächtigten eines sprachunkundigen ausländischen Arbeitnehmers in der Güteverhandlung abgeschlossenen Prozeßvergleichs; Verzichtbarkeit der Einhaltung des § 185 Abs. 1 GVG i.V.m. Art. 103 Abs. 1 GG (im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts; vgl. Beschluß vom 29. April 1983, – 9 B 1610/81 – NVwZ 1983, 668)

 

Normenkette

GVG § 185; GG Art. 103; ZPO §§ 81, 83, 295, 794; BGB §§ 118-119, 123, 166, 779

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 30.01.1990; Aktenzeichen 8 Sa 1317/89)

ArbG Wesel (Urteil vom 20.09.1989; Aktenzeichen 3 Ca 1643/89)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 30. Januar 1990 – 8 Sa 1317/89 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Prozeßvergleichs.

Der Kläger, der die britische Staatsangehörigkeit besitzt, war seit dem 1. Mai 1977 bei den amerikanischen Stationierungsstreitkräften in R. als Einkäufer mit einem monatlichen Gehalt von zuletzt 4.733,– DM beschäftigt. Er ist seit dem 1. März 1987 als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 60 % anerkannt.

Mit Schreiben vom 29. April 1987 kündigten die US-Streitkräfte das Arbeitsverhältnis „zum 30. April 1987 mit außerordentlicher Kündigungsfrist”. Als Begründung führten sie an, der Kläger habe ohne Befugnis Leistungen vergeben, schriftliche Anweisungen nicht befolgt und Vertragsunterlagen nicht ausreichend dokumentiert. Er sei wegen Leistungsmängeln bereits am 27. November 1985 und am 6. März 1987 abgemahnt worden.

Mit der von seinen damaligen Prozeßbevollmächtigten unter Vorlage einer schriftlichen Prozeß vollmacht erhobenen, am 14. Mai 1987 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung gewandt. Die Klageschrift enthält am Ende die Anregung, wegen Sprachunkundigkeit des Klägers einen Dolmetscher hinzuzuziehen. Im Gütetermin am 4. Juni 1987 erschien der Kläger, der seit dem 23. März 1987 erkrankt war und für die Verhandlung einen Krankenhausaufenthalt unterbrochen hatte, in Begleitung eines seiner Prozeßbevollmächtigten, eines DAG-Bezirksleiters. Sein persönliches Erscheinen war nicht angeordnet, ein Dolmetscher nicht hinzugezogen worden. Weder der Kläger noch sein Prozeßbevollmächtigter haben auf Sprachprobleme des Klägers hingewiesen. Der Kläger hat sich nicht aktiv an der Verhandlung beteiligt. Auf Vorschlag des Gerichts wurde folgender Vergleich geschlossen:

  1. „Es besteht Einigkeit, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch eine fristgerechte, betriebsbedingte Kündigung der Beklagten mit dem 30.09.1987 sein Ende finden wird.
  2. Bis zu diesem Zeitpunkt erhält der Kläger seine bisherigen Bezüge weiter.
  3. Die Beklagte stellt ihn von der weiteren Dienstleistung unter Anrechnung auf seine Urlaubsansprüche frei.
  4. Die Beklagte zahlt an den Kläger wegen der Aufgabe des sozialen Besitzstandes gemäß §§ 9, 10 KSchG in Verb. mit § 3 Ziff. 9 EStG 30.000,– DM brutto = netto als Abfindung.
  5. Widerruf für die Beklagte durch schriftliche Eingabe bei Gericht bis zum 25.06.1987.”

Die Beklagte widerrief den Vergleich nicht. Der Kläger erhielt am 9. Juni 1987 von seinem Prozeßbevollmächtigten eine Ausfertigung des Sitzungsprotokolls, verbunden mit dem Hinweis, der Vergleich werde, falls ihn die Beklagte nicht widerrufe, rechtskräftig. Mit Schreiben vom 16. Juni 1987 übersandten ihm die US-Streitkräfte eine Personalmitteilung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 1987. Die Zahlungsanweisung über den Abfindungsbetrag von 30.000,– DM nahm der Kläger Ende September 1987 in Empfang.

Mit Schreiben vom 2. Oktober 1987 mahnte der Kläger u.a. die Zahlung des Weihnachtsgeldes an und teilte mit, er sei gezwungen, seine Wiedereinstellung zu betreiben. Mit Schreiben vom 23. November 1987 bekräftigte er seine Forderungen und wies darauf hin, er betrachte den Vergleich wegen Nichterfüllung seiner Ansprüche als unwirksam. Von 1988 bis Mai 1989 führte der Kläger eine umfangreiche Korrespondenz mit dem Arbeitsgericht, dem Landesarbeitsgericht und verschiedenen US-Dienststellen mit dem Ziel seiner Wiedereinstellung. Mit Schreiben vom 14. Dezember 1988 teilte ihm das Department of the Army. Washington, abschließend mit, es betrachte das Arbeitsverhältnis aufgrund des Prozeßvergleichs als beendet.

Mit Schriftsatz vom 17. Juli 1989 hat der Kläger durch seine jetzigen Prozeßbevollmächtigten die Fortsetzung des Verfahrens beantragt. Er hat behauptet, der Prozeßvergleich vom 4. Juni 1987 sei wie folgt zustande gekommen:

Am Abend vor dem Gütetermin habe ein Gespräch zwischen seinem damaligen Prozeßbevollmächtigten und Herrn B. von den US-Streitkräften stattgefunden, in dessen Verlauf Herr B. auf eine evtl. Ablehnung der Weiterbeschäftigung nach Art. 56 Abs. 2 a Zusatzabkommen zum Nato-Truppenstatut hingewiesen habe. Herr B habe ferner angekündigt, auch das Gericht mit dieser Ausnahmeregelung zu konfrontieren und einzuschüchtern. Im Anschluß daran sei über eine vergleichsweise Beendigung des Arbeitsverhältnisses gesprochen worden, wobei Herr B. erklärt habe, nicht über eine Abfindung von 24.000,– DM hinausgehen zu wollen.

Im Gütetermin habe Herr B. wie angekündigt auf Art. 56 Abs. 2 a Zusatzabkommen zum Nato-Truppenstatut hingewiesen. Davon beeindruckt habe der Vorsitzende die vergleichsweise Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einer Abfindungszahlung von 14.000,– DM vorgeschlagen. Sein damaliger Prozeßbevollmächtigter, den er zuletzt kurz vor dem Termin angewiesen habe, im Hinblick auf seine geringen Rentenansprüche keiner vergleichsweise Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuzustimmen, habe daraufhin eine Abfindung von 30.000,– DM gefordert. Diese Forderung sei in der Erwartung gestellt worden, sie werde zurückgewiesen. Sein Prozeßbevollmächtigter hätte dann, entsprechend seiner Weisung, die Verhandlung fortführen können. Überraschenderweise habe die Gegenseite die Abfindungssumme aber sofort akzeptiert.

Er selbst habe der Verhandlung wegen fehlender Sprachkenntnisse nicht folgen können; die ihn begleitende Frau M. habe keine Dolmetscherdienste geleistet. Auch sei die Verhandlung nicht unterbrochen worden, um mit ihm den Vergleichsvorschlag zu erörtern. Weder dem Gespräch mit seinem Prozeßbevollmächtigten nach dem Termin noch dem ihm zugesandten Sitzungsprotokoll habe er entnommen, daß sein Arbeitsverhältnis beendet sei. Erst als er Ende September 1987 die Abfindung erhalten habe, sei ihm dies klargeworden. Nur unter Aufbietung aller Überzeugungskraft habe ihn ein Freund veranlassen können, die Abfindung zu vereinnahmen, zumal er ab dem 1. Oktober 1987 über keine Einkünfte mehr verfügt habe.

Der Kläger vertritt die Ansicht, der Prozeßvergleich vom 4. Juni 1987 sei aus prozessualen und materiellen Gründen nichtig. Prozessual verstoße er gegen § 185 GVG, weil das Gericht keinen Dolmetscher zum Gütetermin hinzugezogen habe. Materiell-rechtlich sei der Prozeßvergleich nichtig, weil er. sofern sein Prozeßbevollmächtigter die erforderliche Willenserklärung abgegeben haben sollte, von dessen Prozeßvollmacht nicht erfaßt gewesen sei. Allerdings sei davon auszugehen, daß er selbst den Vergleich abgeschlossen habe. Nach allgemeinen rechtsgeschäftlichen Grundsätzen sowie aufgrund Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB sei der Vergleich nichtig, weil er dessen Inhalt nicht verstanden habe. Auch seien er und sein Prozeßbevollmächtigter durch arglistige Täuschung zum Vergleichsabschluß bestimmt worden, weil die Gegenseite den Regelungsgehalt von Art. 56 Abs. 2 a Zusatzabkommen zum Nato-Truppenstatut verfälscht wiedergegeben habe. Außerdem sei das Angebot seines Prozeßbevollmächtigten, der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen eine Abfindung von 30.000,– DM zuzustimmen, nicht ernstlich im Sinne des § 118 BGB gemeint gewesen. Schließlich sei der Vergleich nach § 779 BGB unwirksam, weil die ihm zugrundeliegende Kündigung sittenwidrig sei.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 29. April 1987 zum 30. April 1987 nicht aufgelöst worden ist, sondern darüber hinaus zu den alten Bedingungen fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat ferner Widerklage erhoben mit dem Antrag

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch den Vergleich vom 4. Juni 1987 sein Ende gefunden hat.

Der Kläger hat die Abweisung der Widerklage beantragt.

Die Beklagte hält den Prozeßvergleich für wirksam. Sie hat vorgetragen, für die Ernsthaftigkeit der Forderung nach einer Abfindung von 30.000,– DM spreche, daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers die Vergleichsverhandlungen vor der Protokollierung hätte zum Scheitern bringen können, dies aber nicht getan habe. Der Kläger müsse die Erklärungen seines Prozeßbevollmächtigten gegen sich gelten lassen, auch wenn dieser seinen Weisungen zuwider gehandelt habe. Der Kläger verfüge zudem über ausreichende Deutschkenntnisse. Während und nach der Verhandlung habe ihm Frau M. Übersetzungsdienste geleistet. Der Kläger habe nach Unterbrechung der Verhandlung sein Einverständnis zum Vergleich gegeben und auf eine Widerrufsfrist verzichtet.

Das Gericht habe auch deshalb keine Veranlassung zur Ladung eines Dolmetschers gehabt, weil das persönliche Erscheinen des Klägers nicht angeordnet gewesen sei. Die Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB sei nicht unverzüglich erklärt worden. Für eine Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB fehle jeder substantiierte Sachvortrag. Die Behauptung des Klägers, das Arbeitsgericht habe in Wirklichkeit nach Art. 56 Abs. 2 a Zusatzabkommen zum Nato-Truppenstatut verfahren wollen, sei abwegig.

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, der Rechtsstreit zwischen den Parteien sei durch den Vergleich vom 4. Juni 1987 erledigt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er seinen Klageantrag weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

A. Das Berufungsgericht hat seine Auffassung, der Vergleich sei rechtswirksam zustande gekommen und damit der Rechtsstreit beendet, wie folgt begründet:

Ob zum Gütetermin ein Dolmetscher gemäß § 185 GVG hätte hinzugezogen werden müssen und der Kläger sich auf einen solchen Verfahrens fehler berufen könnte, könne letztlich dahingestellt bleiben. Selbst wenn dem Kläger durch die Verfahrensweise des Arbeitsgerichts das rechtliche Gehör verweigert worden wäre, wirke sich dies nicht unmittelbar auf den Prozeßvergleich als privatrechtlichen Vertrag aus. Entscheidend sei, daß der Kläger durch seinen Prozeßbevollmächtigten ordnungsgemäß vertreten und der Abschluß, des Vergleichs durch dessen Vollmacht gedeckt gewesen sei.

Eine Prozeß vollmacht ermächtige zur Beendigung des Rechtsstreits durch Vergleich. Dies gelte auch für eine bloße Terminsvollmacht, die der damalige Prozeßvertreter des Klägers unzweifelhaft gehabt habe.

Sämtliche übrigen Einwendungen des Klägers seien deshalb unerheblich, aber auch unbegründet.

Der Vergleich sei durch die Parteien, vertreten durch ihre Prozeßbevollmächtigten, abgeschlossen worden. Deshalb sei es unerheblich, ob der Kläger sich des Vergleichsabschlusses bewußt gewesen sei. Auch aus der Tatsache, daß ihm kein Widerruf vorbehalten wurde, sei nicht zu schließen, er habe selbst den Vergleich akzeptiert.

Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Verlauf der Verhandlung falsch protokolliert worden sei. Es könne unterstellt werden, daß die Regelung des Art. 56 Abs. 2 a Zusatzabkommens zum Nato-Truppenstatut diskutiert worden sei. Dies ändere jedoch nichts daran, daß nicht das völlig anders ausgestaltete Verfahren nach dieser Vorschrift gewählt worden sei.

Der Vergleich sei auch nicht gem. § 118 BGB nichtig. Selbst wenn der Prozeßbevollmächtigte des Klägers eine Abfindung von 30.000,– DM in der Erwartung vorgeschlagen haben sollte, der Mangel der Ernstlichkeit dieses Vorschlags werde nicht verkannt, so hätte er spätestens bei der Protokollierung des Vergleichs widersprechen müssen.

Für eine Anfechtung nach den §§ 119, 123 BGB sei auf die Vorstellungen des Prozeßbevollmächtigten des Klägers abzustellen. Der Kläger habe selbst nicht behauptet, sein Prozeßbevollmächtigter habe sich über den Inhalt seiner Erklärung geirrt.

B. Dieser Würdigung ist im Ergebnis und auch in Teilen der Begründung zu folgen.

I. Der Prozeßvergleich hat eine Doppelnatur. Er enthält einerseits eine Prozeßhandlung, deren Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des Verfahrensrechts bestimmt, beruht zugleich aber auch auf einem Vertrag, für den alle Vorschriften des BGB gelten (ständige Rechtsprechung und überwiegende Meinung im Schrifttum; vgl. statt aller BAGE 40, 17, 20 = AP Nr. 31 zu § 794 ZPO, zu B II 1 der Gründe, m.w.N.). Daraus folgt, daß ein materiell unwirksamer Vergleich der Prozeßhandlung ebenfalls ihre Wirksamkeit nimmt. Ein prozessual unwirksamer Vergleich berührt dagegen nicht ohne weiteres die Wirksamkeit des materiell-rechtlichen Vertrages. Da die Prozeßhandlung nur die „Begleitform” für einen materiell-rechtlichen Vergleich ist, verliert sie ihren Sinn, wenn der Vergleich aus materiell-rechtlichen Gründen unwirksam ist. Kommt hingegen wegen formeller Mängel ein wirksamer Prozeßvergleich nicht zustande, so kann die materiell-rechtliche Vereinbarung als außergerichtlicher materiell-rechtlicher Vergleich im Sinne von § 779 BGB Bestand haben, wenn das dem Parteiwillen entspricht (BAGE 9, 172, 174 = AP Nr. 7 zu § 794 ZPO, zu 2 der Gründe).

II. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Vergleich sei nicht wegen eines prozessualen Verfahrensmangels unwirksam, ist jedenfalls im Ergebnis richtig.

1. Die unterbliebene Hinzuziehung eines Dolmetschers zu der Güteverhandlung berührt die Wirksamkeit des Vergleichs als Prozeßhandlung nicht. Insoweit kann mit dem Berufungsgericht dahingestellt bleiben, ob der Kläger der deutschen Sprache nicht in ausreichendem Maße mächtig ist und § 185 GVG die Hinzuziehung eines Dolmetschers auch dann gebietet, wenn die sprachunkundige Partei durch einen sprachkundigen Bevollmächtigten vertreten worden ist (für Hinzuziehung auch in diesem Fall: die – frühere – 24. Kammer des Berufungsgerichts, Urteil vom 24. November 1981 – 24 Sa 1125/81 – EzA § 794 ZPO Nr. 4; a.M. Waldner. Der Anspruch auf rechtliches Gehör, 1989, Rz 138; E. Schneider, in der Anm. zu dem vorbezeichneten Urteil). Ob die hierfür vom Berufungsgericht – in Übereinstimmung mit E. Schneider, a.a.O. – gegebene Begründung zutrifft, ein solcher Verfahrens fehler könne nicht zur Unwirksamkeit des Vergleichs führen, läßt der Senat ebenfalls offen. Denn der Kläger könnte sich auf einen solchen eventuellen Verfahrens fehler wegen Rügeverzichts nach § 295 Abs. 1 ZPO nicht mehr berufen.

a) Nach § 185 Abs. 1 GVG ist ein Dolmetscher hinzuzuziehen, wenn unter Beteiligung von Personen verhandelt wird, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine spezielle Form der Gewährung des durch Art. 103 Abs. 1 GG garantierten rechtlichen Gehörs (vgl. BVerwG Urteil vom 10. November 1981 – 9 C 474,80 – BayVBl. 1982, 349; Beschlüsse vom 29. April 1983 – 9 B 1610/81 – NVwZ 1983, 668 sowie vom 7. Oktober 1987 – 9 CB 20/87 – NJW 1988, 722).

Diese Vorschriften sind jedoch nach § 295 Abs. 1 ZPO verzichtbar. Sie gehören nicht zu jenen, auf deren Einhaltung durch die Beteiligten gem. § 295 Abs. 2 ZPO nicht verzichtet werden kann. Trotz seiner verfassungsrechtlichen Verankerung ist der Anspruch auf rechtliches Gehör den Beteiligten zur Wahrung ihrer eigenen Interessen eingeräumt. Es steht deshalb einem Beteiligten frei, auf die ihm zur Wahrnehmung seiner Rechte eingeräumten Äußerungsmöglichkeiten zu verzichten. Das trifft auch auf den von § 185 GVG speziell geregelten Fall zu, daß rechtliches Gehör durch Hinzuziehung eines Dolmetschers gewährt wird. Der Senat folgt auch insoweit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O.; ebenso: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 48. Aufl., § 185 GVG Anm. 1 A c; Zöller/Gummer, ZPO, 16. Aufl., § 185 GVG Rz 3; a.A. Kissel, GVG, § 185 Rz 6).

b) Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, daß der Kläger auf die Hinzuziehung eines Dolmetschers zu der Güte Verhandlung vom 4. Juni 1987 wirksam verzichtet hat. Sollte insoweit ein Verfahrensfehler des Arbeitsgerichts vorliegen, kann er diesen deshalb mit der Revision nicht mehr mit Erfolg rügen.

Der Kläger hat zwar nicht ausdrücklich auf die Hinzuziehung eines Dolmetschers verzichtet. Der Rügeverzicht nach § 295 Abs. 1 ZPO kann jedoch auch durch schlüssiges Verhalten erklärt werden (ebenso: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 295 Anm. 2 B; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 295 Rz 21). Nach Zöller/Gummer (a.a.O., § 185 GVG Rz 1 f.) muß der Verzicht auf die Hinzuziehung eines Dolmetschers eindeutig und damit nicht, wie die Revision dieser Formulierung entnimmt, ausdrücklich erklärt werden. Eine solche eindeutige Erklärung ist in dem Verhalten des Klägers im Gütetermin zu sehen.

Die damaligen Prozeßbevollmächtigten des Klägers hatten in der Klageschrift die Hinzuziehung eines Dolmetschers „für das weitere Verfahren” empfohlen. Das Arbeitsgericht hatte lediglich die Prozeßbevollmächtigten und die Beklagte zum Gütetermin geladen. Im Termin stellten weder der Kläger noch sein Prozeßbevollmächtigter einen entsprechenden Antrag. Der Kläger beanstandete auch nicht das Fehlen eines Dolmetschers oder wies zumindest auf seine Sprachunkundigkeit hin. Dies folgt aus seinem eigenen Vortrag, zwischen ihm und dem Gericht habe kein Wortwechsel stattgefunden. Zumindest ein entsprechender Hinweis war ihm möglich, da er von einem Verbandsbevollmächtigten ordnungsgemäß vertreten war und wiederum nach seinem eigenen Vortrag zumindest noch eine der englischen und deutschen Sprache mächtige Person anwesend war, auch wenn, wie er vorträgt, die Güteverhandlung nicht sehr lange dauerte. Wenn er sich trotz Kenntnis des Fehlens eines Dolmetschers völlig passiv verhielt, so brachte er damit eindeutig zum Ausdruck, daß er jedenfalls in diesem Termin die Wahrung seiner Rechte allein seinem Prozeßbevollmächtigten überlassen wollte. Zu der weitergehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 10. November 1981, a.a.O.), zur Erhaltung des Rügerechts wegen unterbliebener Hinzuziehung eines Dolmetschers reiche es nicht aus, wenn die anwaltlich vertretene sprachunkundige Partei lediglich das Fehlen eines Dolmetschers beanstande, vielmehr müsse ein förmlicher Vertagungsantrag gestellt werden, braucht deshalb keine Stellung genommen zu werden.

2. Ist der Vergleich vom 4. Juni 1987 somit nicht mit einem Verfahrensmangel behaftet und deshalb jedenfalls als Prozeßhandlung wirksam, so war der damalige Prozeßbevollmächtigte des Klägers auch aufgrund der vorgelegten schriftlichen Prozeßvollmacht, die keine Einschränkung enthielt, in jedem Falle gem. § 81 ZPO zum Vergleichsabschluß ermächtigt. Die Revision stellt für ihre Rüge der fehlenden Vollmacht zum Vergleichsabschluß auf die tragende Begründung des Berufungsgerichts ab, der Vergleich sei unbeschadet eines möglichen Verfahrensmangels jedenfalls als materiell-rechtliches Rechtsgeschäft wirksam geblieben. Auf ihren Vortrag, die Prozeß vollmacht erstrecke sich in einem solchen Falle nicht auf den zu einem „außergerichtlich gewordenen” Vergleich, braucht somit nicht eingegangen zu werden, weil der Vergleich, wie ausgeführt, als Prozeßhandlung wirksam ist.

III. Die Würdigung des Berufungsgerichts, der Prozeßvergleich sei als materiell-rechtliches Rechtsgeschäft wirksam, läßt keine Rechtsfehler erkennen. Die Revision erhebt hierzu auch keine konkreten Rügen. Der Senat beschränkt sich deshalb auf folgende Ausführungen:

1. Soweit der Kläger sich darauf berufen hat, der Vergleich sei mit Willensmängeln behaftet und wegen Anfechtung unwirksam geworden, ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, daß der Vergleich für ihn von seinem damaligen Prozeßbevollmächtigten abgeschlossen worden ist und es deshalb gem. § 166 Abs. 1 BGB nicht auf die Vorstellungen des Klägers über den Inhalt der rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen ankommt, die auf seiner Seite zum Vertragsabschluß geführt haben. Anhaltspunkte dafür, daß der damalige Prozeßbevollmächtigte auf bestimmte Weisungen des Klägers gehandelt hat und es deshalb in analoger Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 166 Abs. 2 BGB auf Willensmängel des Klägers ankommt (vgl. BGHZ 51, 141, 144 ff.), sind nicht ersichtlich. Ein solcher Fall kann zwar vorliegen, wenn die Partei selbst an den gerichtlichen Vergleichsverhandlungen teilnimmt. Der Kläger hat sich jedoch nach eigenem Vortrag im Gütetermin rein passiv verhalten. In der Formulierung „die Parteien” schlössen den Vergleich, sowie in dem Fehlen eines Widerrufsvorbehalts für den Kläger hat das Berufungsgericht zu Recht keinen Anhaltspunkt dafür gesehen, der Kläger habe den Vergleich selbst abgeschlossen. Willensmängel in der Person des damaligen Prozeßbevollmächtigten des Klägers sind vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden.

2. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch den Einwand des Klägers für unbegründet erachtet, der Vergleich sei nach § 118 BGB nichtig, weil der Vorschlag seines Prozeßbevollmächtigten, eine Abfindung von 30.000,– DM zu zahlen, nicht ernstlich gemeint gewesen sei. Sollte der Prozeßbevollmächtigte tatsächlich in dieser Weise vorgegangen sein, hätte er, als er erkannte, daß die Gegenseite seine Erklärung ernst nahm, diese aufklären müssen. Da dies nicht geschehen ist, könnte er sich nach § 242 BGB nicht auf § 118 BGB berufen (MünchKomm-Kramer, BGB, 2. Aufl., § 118 Rz 7; Palandt/Heinrichs, BGB, 49. Aufl., § 118 Anm. 2, m.w.N.),

 

Unterschriften

Hillebrecht, Triebfürst, Bitter, Thieß, Nipperdey

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1073614

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