Entscheidungsstichwort (Thema)

Hausarbeitstag - Aufhebung der Hausarbeitstagsgesetze

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nachdem der Bundesgesetzgeber das Hausarbeitstagsgesetz Nordrhein-Westfalen vom 27. Juli 1948 (GVBl-NRW 1949 S 6) aufgehoben hat, können alleinstehende Arbeitnehmer einen Hausarbeitstag oder eine Abgeltung für einen nicht gewährten Hausarbeitstag nur noch verlangen, wenn sie vor dem 29. Januar 1980 Klage erhoben haben (Art 19 Abs 1 Nr 7, Abs 2 Satz 2 und Satz 3 Arbeitszeitrechtsgesetz vom 6. Juni 1994 - BGBl I 1170, 1181).

2. Ein solcher Anspruch kann nicht darauf gestützt werden, daß der Gesetzgeber es unterlassen hat, früher als geschehen eine Regelung herbeizuführen, die dem Gleichberechtigungsgebot des Art 3 Abs 2 GG entspricht.

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 13.10.1992; Aktenzeichen 7 Sa 211/92)

ArbG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 13.08.1991; Aktenzeichen 2 Ca 3060/85)

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Abgeltung für nicht gewährte Hausarbeitstage.

Die Klägerin ist seit 1974 in dem von der Beklagten getragenen Hospital als Schwesternhelferin tätig. Sie ist verwitwet und führt zusammen mit zwei Kindern einen eigenen Hausstand.

Die Beklagte gewährte der Klägerin zunächst Hausarbeitstage nach dem nordrhein-westfälischen Gesetz über Freizeitgewährung für Frauen mit eigenem Hausstand (HATG-NRW) vom 27. Juli 1948 (BGBl. III, 8050-9-d). Durch Beschluß vom 13. November 1979 erklärte das Bundesverfassungsgericht § 1 HATG-NRW wegen Verletzung des Art. 3 Abs. 2 GG für verfassungswidrig, soweit der Hausarbeitstag nur weiblichen, nicht aber auch männlichen alleinstehenden Arbeitnehmern gewährt wurde (Beschluß vom 13. November 1979 - 1 BvR 631/78 - BVerfGE 52, 369 = AP Nr. 28 zu § 1 HausarbTagsG Nordrh.-Westfalen). Diese Entscheidung wurde am 29. Januar 1980 allgemein bekannt. Daraufhin stellte die Beklagte die Gewährung von Hausarbeitstagen ein. Sie ging davon aus, daß bis zu einer gesetzlichen Neuregelung Ansprüche auf die Gewährung von Hausarbeitstagen ausgeschlossen seien. Dies gab sie ihren Mitarbeitern bekannt.

Nachdem das Bundesarbeitsgericht entschieden hatte, § 1 HATG-NRW bleibe weiterhin anwendbar, soweit verheiratete Frauen die Voraussetzungen für die Gewährung von Hausarbeitstagen erfüllten (Urteil vom 14. November 1984 - 5 AZR 443/80 - BAGE 47, 187 = AP Nr. 9 zu § 611 BGB Ausbildungsverhältnis), verlangte die Klägerin die Gewährung eines monatlichen Hausarbeitstags bzw. eine entsprechende Abgeltung rückwirkend für die Zeit von Juni 1985 bis März 1989.

Die Klägerin hat im Oktober 1985 Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, die gesetzliche Regelung gelte für sie weiter, zumal sie in ihrem Haushalt ihre beiden in den Jahren 1965 und 1963 geborenen Kinder mitversorge. Dem Bundesgesetzgeber sei es verwehrt, das Gesetz rückwirkend zum Nachteil der auch noch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts begünstigten Personenkreise außer Kraft zu setzen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.163,72 DM

brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht: Die Klägerin sei eine alleinstehende Frau, daher stehe ihr nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein Anspruch nicht zu. Die Klägerin werde von der Anwendungssperre des § 31 BVerfGG erfaßt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe eines Teilbetrags von 4.907,32 DM stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das Landesarbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 13. Oktober 1992 als "derzeit" unbegründet abgewiesen. Zwischenzeitlich ist durch Art. 19 des Arbeitszeitrechtsgesetzes vom 6. Juni 1994 (BGBl. I S. 1170, 1181, 1182), in Kraft getreten am 1. Juli 1994, das Gesetz über die Freizeitgewährung für Frauen mit eigenem Hausstand des Landes Nordrhein-Westfalen vom 27. Juli 1948 (GVBl. NRW 1949, Seite 6) mit Wirkung vom 29. Januar 1980 aufgehoben worden. Nach der gesetzlichen Neuregelung ist die Klage als endgültig unbegründet abzuweisen.

I. Die Klägerin kann ihr Begehren nicht mehr auf das nordrhein-westfälische Hausarbeitstagsgesetz stützen.

1. Entgegen der Ansicht der Klägerin war der Gesetzgeber nicht gehindert, die Rechtsgrundlage für die Gewährung bezahlter Hausarbeitstage für Alleinstehende rückwirkend zum 29. Januar 1980 aufzuheben.

Am 29. Januar 1980 ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die teilweise Unvereinbarkeit des § 1 HATG-NRW mit Art. 3 Abs. 2 GG (Beschluß vom 13. November 1979 - 1 BvR 631/78 - BVerfGE 52, 369 = AP Nr. 28 zu § 1 HausarbTagsG Nordrh.-Westfalen) allgemein bekannt geworden. Die Erklärung der Unvereinbarkeit dieser Norm mit Art. 3 Abs. 2 GG, soweit der Hausarbeitstag weiblichen, nicht aber männlichen alleinstehenden Arbeitnehmern mit eigenem Hausstand zustehen sollte, hat gemäß § 31 Abs. 2 BVerfGG Gesetzeskraft. Seit der allgemeinen Bekanntgabe dieser Entscheidung konnten alleinstehende Frauen mit eigenem Hausstand aufgrund des § 1 HATG-NRW keinen Hausarbeitstag mehr verlangen.

2. Alleinstehende Frauen konnten auch nicht darauf vertrauen, daß der Gesetzgeber die Anwendungssperre des § 31 Abs. 2 BVerfGG durch eine Gesetzesnovelle rückwirkend wieder beseitigen würde.

Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Beschluß vom 13. November 1979 ausgeführt, es habe sich darauf beschränkt, die Verfassungswidrigkeit festzustellen, da dem Gesetzgeber verschiedene Wege offenstünden, die gebotene Gleichbehandlung herzustellen; zugleich hat es den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht zurückverwiesen, um dem Kläger des Ausgangsverfahrens die Chance zu eröffnen, an einer etwaigen Erstreckung des Anspruchs auf Männer teilzuhaben. Die Klägerin als Frau kann hieraus keinen Anspruch ableiten. Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war nicht zu entnehmen, alleinstehenden Frauen sei wieder ein Hausarbeitstag zuzugestehen. Der Gesetzgeber war aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gerade nicht gehindert, die Gleichbehandlung dadurch herbeizuführen, daß der Hausarbeitstag weder Frauen noch Männern eingeräumt wurde.

II. Auch auf die Übergangsregelung in Art. 19 Abs. 2 ArbZRG kann die Klägerin ihr Begehren nicht stützen. Danach verbleibt Arbeitnehmern, die nach dem 29. Januar 1980 Hausarbeitstage erhalten haben, das dafür gezahlte Entgelt; sie brauchen sich gewährte Hausarbeitstage auch nicht auf andere Freistellungen anrechnen zu lassen. Außerdem haben - weibliche und männliche - Arbeitnehmer, welche die für sie geltende Voraussetzungen für die Gewährung eines Hausarbeitstags erfüllen und eine Klage erhoben haben, über die noch nicht rechtskräftig entschieden ist, für die ihnen bis zum 29. Januar 1980 nicht gewährten Hausarbeitstage Anspruch auf eine entsprechende Zahl bezahlter freier Tage oder eine Abgeltung.

Zu diesem Personenkreis zählt die Klägerin nicht. Sie macht eine Abgeltung für nichtgewährte Hausarbeitstage erst für die Zeit von Juni 1985 bis März 1989 geltend. Für diesen Zeitraum gilt die Übergangsregelung nicht.

III. Die Revision macht geltend, der Rechtsstreit sei gemäß Art. 177 EWG-Vertrag dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorzulegen. Die Nichtgewährung des Hausarbeitstags verstoße gegen Art. 5 der Richtlinie 76/207/EWG (Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen). Nach der inzwischen geltenden Rechtslage besteht für eine Vorlage kein Anlaß. Ob - wie die Klägerin unter Hinweis auf Colneric (NZA 1992, 393, 396) meint - das nordrhein-westfälische Hausarbeitstagsgesetz gegen Art. 5 der genannten Richtlinie verstoßen hat, kann dahinstehen. Da dieses Gesetz inzwischen rückwirkend und ersatzlos aufgehoben worden ist, kommt ein solcher Verstoß nicht mehr in Betracht.

IV. Entgegen der Auffassung der Revision führt auch der - lange - Zeitraum zwischen dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 13. November 1979 und dem Inkrafttreten des Art. 19 ArbZRG am 1. Juli 1994 zu keiner anderen Beurteilung. Selbst wenn, wie die Klägerin meint, der Gesetzgeber durch "Untätigkeit" das ihm zustehende Ermessen überschritten haben sollte, folgt daraus kein Anspruch gegen die Beklagte. Zudem übersieht die Klägerin, daß wegen der bindenden Wirkung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. November 1979 ohnehin ein Rechtszustand eingetreten war, der es verbot, § 1 HATG-NRW auf alleinstehende Frauen anzuwenden. Ist aber ein Gesetz nicht anwendbar, so kann es auch keine privatrechtlichen Ansprüche begründen.

Griebeling Schliemann Reinecke

Dr. Kalb Kähler

 

Fundstellen

Haufe-Index 440325

BAGE 00, 00

BAGE, 361

ARST 1995, 59-60 (LT1-2)

NZA 1995, 467

NZA 1995, 467-468 (LT1-2)

AP § 1 HausarbTagsG Nordrh-Westfalen (LT1-2), Nr 32

AR-Blattei, ES 890 Nr 3 (LT1-2)

EzA § 1 Hausarbeitstagsgesetz, NRW Nr 5 (LT1-2)

MDR 1995, 611-612 (LT)

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