Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Essenszuschuß. betriebliche Übung

 

Orientierungssatz

Parallelentscheidung zum Urteil des BAG vom 14.1.1988 - 6 AZR 347/85 (nicht amtlich veröffentlicht), das vollständig dokumentiert ist.

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 02.08.1985; Aktenzeichen 14 Sa 24/85)

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 08.01.1985; Aktenzeichen 19 Ca 260/84)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, den Klägern über den 1. Januar 1984 hinaus einen Essenszuschuß in Höhe von 1,-- DM arbeitstäglich zu zahlen.

Die Kläger sind am Institut für Festkörperforschung des Beklagten in S beschäftigt. Der Kläger zu 1) ist aufgrund des Arbeitsvertrages vom 3. Januar 1966 bei dem Beklagten tätig. Danach richtet sich das Arbeitsverhältnis sinngemäß nach den §§ 4 bis 70 des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) vom 23. Februar 1961, soweit nicht in dem Vertrag davon abweichende Regelungen getroffen sind. Ebenso finden nach § 2 des Vertrages die den BAT ergänzenden und ändernden Tarifverträge sinngemäß Anwendung. Der Kläger zu 2) ist aufgrund der Arbeitsverträge vom 20. März 1979, 28. Oktober 1980 und 30. September 1981 bei dem Beklagten beschäftigt. Nach allen Verträgen findet gemäß § 2 der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und die diesen ändernden und ergänzenden bzw. ersetzenden Tarifverträge Anwendung. Nach § 15 der Verträge sind Änderungen und Ergänzungen des Vertrages nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden (§ 4 BAT). Die Klägerin zu 3) ist bei dem Beklagten aufgrund des Arbeitsvertrages vom 14. Mai 1979 seit dem 1. Juli 1979 beschäftigt. Auch auf ihren Vertrag findet der BAT und die diesen ändernden, ergänzenden bzw. ersetzenden Tarifverträge aufgrund vertraglicher Vereinbarung Anwendung. Nach § 13 Abs. 2 des Vertrages sind Änderungen und Ergänzungen des Vertrages nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden. Der Kläger zu 4) ist bei dem Beklagten aufgrund des Vertrages vom 10. September 1971 seit dem 15. September 1971 als technischer Angestellter beschäftigt. Nach § 2 des Vertrages richtet sich das Arbeitsverhältnis sinngemäß nach den §§ 4 bis 70 des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) vom 23. Februar 1961, die als zwischen den Parteien vereinbart gelten, soweit nicht in dem Vertrag davon abweichende Regelungen getroffen sind. Die den BAT ergänzenden und ändernden Tarifverträge finden sinngemäß Anwendung.

Der Beklagte dient der wissenschaftlichen Forschung. Er gehört zu den juristischen Personen, die vom Bund institutionell gefördert werden. Im Rahmen dieser Förderung erhält er vom Bund Zuwendungen nach den im Ministerialblatt des Bundesministers der Finanzen und des Bundesministers für Wirtschaft Nr. 9 vom 4. Juli 1981 S. 411 bis 414 veröffentlichten "Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur institutionellen Förderung" (An-Best. I).

Die Kläger erhielten von Beginn ihres jeweiligen Arbeitsverhältnisses an wie alle übrigen Beschäftigten von dem Beklagten einen Essenszuschuß zum Kantinenessen von zuletzt 1,-- DM pro Arbeitstag in Form von Essensmarken. Der Beklagte gewährte diesen Zuschuß aufgrund der "Richtlinien für Kantinen bei Dienststellen des Bundes (Kantinenrichtlinien)" gem. Rundschreiben des Bundesministers des Inneren vom 21. Oktober 1974 - D III 7-213 321/15 - (GMBl S. 523) in der Fassung vom 25. September 1974. Nr. 9 Abs. 1 und 2 dieser Kantinenrichtlinien lauteten wie folgt:

"(1) Vollbeschäftigte Bundesbedienstete mit

durchgehender Arbeitszeit können zur

Steigerung der Leistungsfähigkeit an

jedem Arbeitstag in der Mittagszeit eine

um 1 DM verbilligte Hauptmahlzeit erhalten.

In Ausnahmefällen kann zugelassen

werden, daß diese Verbilligung für eine

Hauptmahlzeit außerhalb der Mittagszeit

gewährt wird. Der Begriff der Hauptmahlzeit

schließt kalte Speisen ein, die üblicherweise

als Mahlzeit eingenommen werden und zum sofortigen

Verzehr bestimmt sind.

(2) Eine verbilligte Hauptmahlzeit nach Absatz 1

erhalten Bundesbedienstete nicht, die

1. an einer aus anderen öffentlichen Mitteln

verbilligten Gemeinschaftsverpflegung

(z.B. beim Bundesgrenzschutz oder bei der

Bundeswehr) teilnehmen,

2. keinen Dienst verrichten (z.B. wegen Krankheit,

Urlaub oder Dienstbefreiung) oder auf

Dienstreise sind."

Ab 1. Januar 1984 wurden die Kantinenrichtlinien aufgrund des Kabinettsbeschlusses vom 29. Juni 1983 geändert. U.a. wurde die Nr. 9 gestrichen. Mit Schreiben vom 10. August 1983 teilte der Bundesminister des Inneren die Änderungen mit und wies darauf hin, daß der Wegfall des Zuschusses zur Gemeinschaftsverpflegung auch für die im Bundeshaushaltsplan nicht etatisierten, der Aufsicht des Bundes unterstellten juristischen Personen des öffentlichen Rechts, für die vom Bund institutionell geförderten Zuwendungsempfänger sowie für die Sondervermögen Deutsche Bundesbahn und Deutsche Bundespost gelte.

Daraufhin stellte der Beklagte den Zuschuß zum Mittagessen ab 1. Januar 1984 ein.

Die Kläger haben vorgetragen, sie hätten Anspruch auf den Essenszuschuß aufgrund einzelvertraglicher Zusage und aufgrund betrieblicher Übung. Die jahrelange, vorbehaltlose Gewährung des Essenszuschusses habe einem Verpflichtungswillen des Beklagten entsprochen. Dies ergebe sich schon daraus, daß er auf den Essenszuschuß bei Einstellungsgesprächen und auch in Stellenanzeigen besonders hingewiesen habe. Dem stehe nicht das Schriftformerfordernis nach § 4 Abs. 2 BAT entgegen, da dieses in Bezug auf den Essenszuschuß abgedungen worden und die Berufung auf die fehlende Schriftform zudem rechtsmißbräuchlich und treuwidrig sei. Darüber hinaus sei der Essenszuschuß auch Bestandteil der Sozialeinrichtung "Kantine", so daß sein Wegfall auch der Mitbestimmung des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG unterliege, die nicht gewahrt sei. Im übrigen sei ihr Anspruch auch schon aufgrund der Betriebsvereinbarung vom 3. Januar 1973 begründet, die folgenden Wortlaut habe:

"B e t r i e b s v e r e i n b a r u n g

---------------------------------------

Zwischen der Institutsleitung des M

und dem Betriebsrat wird folgende Vereinbarung

getroffen.

1. Der Essenszuschuß wird den Mitarbeitern

des M gewährt, welche am Kantinenessen

teilnehmen. Das heißt, es wird ein

verbilligtes Mittagessen in der Kantine

geboten. Darauf sollte bei Einstellungsgesprächen

hingewiesen werden.

2. Der Preis für ein Kantinenessen setzt sich

aus dem Zuschuß des Arbeitgebers und dem

Arbeitnehmeranteil zusammen. Bei Pfennigbeträgen

wird auf die nächsten DM -,10 aufgerundet."

Die Kläger haben beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger

Ziffer 1) DM 200,--, an den Kläger Ziffer 2)

DM 157,--, an die Klägerin Ziffer 3) DM 202,-und

an den Kläger Ziffer 4) DM 215,-- zu bezahlen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und vorgetragen, der Essenszuschuß sei eine freiwillige soziale Leistung, die er in der Vergangenheit ohne Bindungswillen für die Zukunft erbracht habe. Insbesondere sei den Klägern beim Einstellungsgespräch keine Individualzusage gegeben worden. Im Einstellungsgespräch sei vielmehr, ebenso wie in einigen wenigen Stellenanzeigen lediglich darauf hingewiesen worden, er gewähre die derzeit üblichen Sozialleistungen des öffentlichen Dienstes, darunter den Essenszuschuß. In den schriftlichen Arbeitsverträgen sei eine Verpflichtung zur Zahlung des Essenszuschusses nicht aufgenommen worden. Einem etwaigen durch betriebliche Übung begründeten vertraglichen Anspruch stehe im übrigen auch § 4 Abs. 2 BAT entgegen. Schließlich unterliege der Wegfall des Essenszuschusses auch nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG, da der Essenspreis hierdurch keine Veränderung erfahren habe. Die von den Klägern in Bezug genommene Betriebsvereinbarung vom 3. Januar 1973 sei nicht wirksam abgeschlossen worden, da es hierzu der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters des Beklagten bedurft hätte, wie dem Betriebsrat auch bekannt gewesen sei. Diese sei nicht erteilt worden.

Das Arbeitsgericht hat nach den Klageanträgen erkannt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klagen abgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihren Klageanspruch weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger ist nicht begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch, weiterhin einen Essenszuschuß von 1,-- DM arbeitstäglich zu erhalten.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Kläger hätten keinen einzelvertraglichen Anspruch auf einen Essenszuschuß in Höhe von 1,-- DM arbeitstäglich. Eine entsprechende Vereinbarung sei mit dem Beklagten weder ausdrücklich noch konkludent getroffen worden. Insbesondere könne der Hinweis des Beklagten in Stellenanzeigen auf einen Essenszuschuß nicht als Vertragsangebot angesehen werden. Dies gelte gleichermaßen für etwaige Hinweise in den Einstellungsgesprächen. Der von den Klägern geltend gemachte Anspruch ergebe sich auch nicht aus einer betrieblichen Übung. Der Beklagte habe den Essenszuschuß unstreitig aufgrund und nach Maßgabe der Kantinenrichtlinien des Bundes erbracht. Dadurch sei zwar im Laufe der Jahre eine betriebliche Übung entstanden. Diese habe aber nur zum Inhalt gehabt, die Kantinenrichtlinien anzuwenden, nicht aber davon unabhängig und ohne Rücksicht auf deren Regelungen einen arbeitstäglichen Zuschuß von 1,-- DM zu zahlen. Die Einstellung des Essenszuschusses entspreche auch angesichts der Änderung der Kantinenrichtlinien durch den Beschluß der Bundesregierung vom Mai 1983 und die den Beklagten bindenden Nebenbestimmungen für Zuwendungsempfänger billigem Ermessen. Die Einstellung des Essenszuschusses verletze kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG, da ein solches nicht bestehe. Auch die Betriebsvereinbarung vom 3. Januar 1973 gebe den Klägern keinen Anspruch, da diese mangels Genehmigung durch den gesetzlichen Vertreter des Beklagten nicht wirksam abgeschlossen worden sei.

II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis und in weiten Teilen der Begründung stand.

1. Die Kläger können den von ihnen geltend gemachten Anspruch nicht auf eine besondere einzelvertragliche Vereinbarung stützen. Dem Vortrag der Kläger kann eine solche Vereinbarung jedenfalls nicht entnommen werden. Selbst wenn der Beklagte, wie die Kläger behaupten, während des Einstellungsgespräches erklärt haben sollte, er gewähre u.a. einen Essenszuschuß als Teil der üblichen Sozialleistungen, kann dies nicht als Angebot im rechtsgeschäftlichen Sinne gewertet werden, sondern nur als Hinweis auf die zu dieser Zeit bei dem Beklagten bestehende Regelung. Das gleiche gilt für den Hinweis des Beklagten in Stellenanzeigen, zumal diese kein Angebot zum Abschluß eines Arbeitsvertrages enthalten, sondern allenfalls eine Aufforderung hierzu (Palandt, BGB, 47. Aufl., § 145 Anm. 1 b).

Die Kläger haben im übrigen selbst nicht behauptet, ihnen sei zugesagt worden, der Essenszuschuß werde unabhängig von dessen Weiterzahlung im öffentlichen Dienst gewährt.

2. Ebensowenig können die Kläger den von ihnen geltend gemachten Anspruch auf die Kantinenrichtlinien in der Fassung von 1974 stützen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt derartigen Richtlinien und Erlassen als einseitigen Verwaltungsanordnungen keine unmittelbare zivil- und arbeitsrechtliche Bedeutung zu (BAG Urteil vom 14. August 1986 - 6 AZR 427/85 - AP Nr. 1 zu § 13 TVAng Bundespost, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen; BAGE 32, 105 = AP Nr. 2 zu § 11 SchwbG; BAGE 23, 83 = AP Nr. 2 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer; BAG Urteil vom 30. Januar 1980 - 4 AZR 1098/77 - AP Nr. 6 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer; BAGE 49, 31 = AP Nr. 19 zu § 242 BGB Betriebliche Übung = EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 15, m.w.N.). Sie können deshalb nur mittelbar durch einzelvertragliche Bezugnahme für das Arbeitsverhältnis Bedeutung gewinnen, gegebenenfalls auch in Verbindung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz oder der Bindungswirkung einer betrieblichen Übung. Es ist jedoch in jedem Einzelfall der konkrete Inhalt der vertraglichen Vereinbarung bzw. des tatsächlichen Verhaltens des Arbeitgebers festzustellen, insbesondere ob die Richtlinien in ihrer jeweiligen oder in ihrer zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Fassung vereinbart bzw. vom Arbeitgeber tatsächlich angewendet wurden (BAGE 49, 31 und Urteil vom 30. Januar 1980 - 4 AZR 1098/77 -, jeweils aaO). Die Kläger haben aber selbst nicht vorgetragen, der Beklagte habe mit ihnen die Anwendung der Kantinenrichtlinien in der Fassung von 1974 für alle Zukunft vertraglich vereinbart.

3. Die Weitergewährung des Essenszuschusses können die Kläger schließlich auch nicht kraft betrieblicher Übung verlangen. Diese liegt dann vor, wenn der Arbeitgeber bestimmte Verhaltensweisen regelmäßig wiederholt, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, daß ihnen eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden soll (BAG Urteil vom 14. August 1986 - 6 AZR 427/85 -, aaO; BAGE 40, 126, 133 = AP Nr. 1 zu § 3 TVArb Bundespost = EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 8; BAGE 47, 53 = AP Nr. 39 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche; BAGE 49, 151 = AP Nr. 14 zu § 77 BetrVG 1972 = EzA § 77 BetrVG 1972 Nr. 16).

a) Für die Begründung eines Anspruchs durch betriebliche Übung kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit Verpflichtungswillen handelt. Die Wirkung einer Willenserklärung oder eines bestimmten Verhaltens tritt im Rechtsverkehr deshalb ein, weil der Erklärende seinen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen dem Erklärungsempfänger gegenüber äußert, und dieser aus dem Erklärungsverhalten auf einen Bindungswillen schließen durfte. Auch für die Bindungswirkung der betrieblichen Übung ist allein entscheidend, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen mußte (vgl. BAGE 40, 126, 133, aaO; BAG Urteil vom 9. Juli 1985 - 1 AZR 631/80 - AP Nr. 16 zu § 75 BPersVG; BAGE 49, 290 = AP Nr. 22 zu § 242 BGB Betriebliche Übung = EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 16; BAG Urteil vom 5. Februar 1986 - 5 AZR 632/84 - AP Nr. 21 zu § 242 Betriebliche Übung = EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 18 = NZA 1986, 605 f., zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; BGH Urteil vom 7. Juni 1984 - IX ZR 66/83 - BB 1984, 1317).

b) Bei Beachtung dieser von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, von denen abzuweichen keine Veranlassung besteht, ist keine den Beklagten bindende betriebliche Übung entstanden, arbeitstäglich einen Essenszuschuß von 1,-- DM zu gewähren. Über die langjährige Zahlung des Essenszuschusses hinaus sind keine besonderen Anhaltspunkte vorhanden, aus denen die Kläger schließen konnten, der Essenszuschuß werde ihnen unabhängig von der jeweils gültigen Fassung der Kantinenrichtlinien des Bundes und ohne Beachtung haushaltsrechtlicher Erwägungen auf Dauer weitergewährt. Sie mußten vielmehr damit rechnen, daß bei Einschränkungen durch den Haushaltsgesetzgeber und/oder Änderungen der Kantinenrichtlinien auch sie als Angestellte eines zur Einhaltung des BAT und der öffentlichen Richtlinien verpflichteten und vom Bund abhängigen und überprüften Arbeitgebers im Hinblick auf den Essenszuschuß betroffen werden können. Dem steht nicht die Werbung des Beklagten mit den im öffentlichen Dienst üblichen Sozialleistungen und insbesondere dem Essenszuschuß als Teil dieser Leistungen im Rahmen der Einstellungsgespräche entgegen. Die Zusage der im öffentlichen Dienst üblichen Leistungen beinhaltet nicht, daß jede dieser Leistungen auf Dauer gewährt werden wird. Diese Aussage des Beklagten läßt vielmehr erkennen, daß nur die jeweils üblichen Leistungen erbracht werden sollen. Ihr läßt sich nicht die Zusage entnehmen, diese Leistungen unverändert in alle Zukunft gewähren zu wollen.

4. Der Beklagte hat bei der Einstellung des Essenszuschusses auch nicht gegen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates verstoßen.

a) Wie der Senat bereits in der Entscheidung vom 15. Januar 1987 - 6 AZR 589/84 - NZA 1987, 788 = ZTR 1987, 255 = EzA § 4 TVG Rundfunk Nr. 14 entschieden hat, wird durch die Streichung des Essenszuschusses die Sozialeinrichtung "Kantine" nicht berührt. Das Bestehen einer Sozialeinrichtung setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nämlich ein zweckgebundenes Sondervermögen voraus, das der Verwaltung bedarf (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 9. Juli 1985 - 1 AZR 631/80 - AP Nr. 16 zu § 75 BPersVG, m.w.N.). Deshalb liegt keine Sozialeinrichtung vor, wenn Sozialleistungen nach allgemeinen Richtlinien aus laufenden Betriebsmitteln gewährt werden (BAGE 34, 297, 302 ff. = AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, m.w.N.). Der Bestand der Kantine wird nicht dadurch berührt, daß der Beklagte den Essenszuschuß nicht mehr zahlt, auch wenn dies dort zu Umsatzeinbußen geführt haben mag. Der Beklagte hat die Zuschüsse auch nicht an die Kantine, sondern an die einzelnen Berechtigten durch Abgabe verbilligter Essensmarken erbracht. Diese Essensmarken sind daher keine "Sozialeinrichtung" im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Weder deren Ausgabe noch deren Verwaltung erfolgen in einer eigenständigen Organisation aus zu diesem Zweck abgesonderten Mitteln des Beklagten. Vielmehr werden die erforderlichen Aufwendungen aus den allgemeinen Haushaltsmitteln des Beklagten bestritten.

b) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat zwar ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich aller vermögenswerten Arbeitgeberleistungen, bei denen die Bemessung nach einem System erfolgt (vgl. statt vieler Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 87 Rz 496 ff., mit weiteren umfangreichen Nachweisen). Die Vorschrift erfaßt alle Formen der Vergütung aus Anlaß des Arbeitsverhältnisses (BAGE 32, 350, 362 = AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG Urteil vom 9. Juli 1985 - 1 AZR 631/80 - AP, aaO). Sie stellt ein umfassendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats sicher (vgl. dazu auch BAGE 27, 194, 200 ff. = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; BAGE 34, 297, 301 = AP, aaO; BAGE 36, 385, 390 = AP Nr. 10 zu § 76 BetrVG 1972; BAG Beschluß vom 30. März 1982 - 1 ABR 55/80 - AP Nr. 10 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Auch die Gewährung eines Essenszuschusses unterfällt damit grundsätzlich dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, selbst wenn er zweckgebunden, nur in der Kantine verwertbar sein mag und leistungsunabhängig gewährt wird. Vorliegend hat der Beklagte jedoch lediglich den mitbestimmungsfreien Dotierungsrahmen (BAGE 25, 93, 98 = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Werkmietwohnungen; BAG Beschluß vom 3. Juni 1975 - 1 ABR 118/73 - AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Werkmietwohnungen, m.w.N.; BAG Urteil vom 15. Januar 1987 - 6 AZR 589/84 - zur Veröffentlichung bestimmt; OVG Münster Beschluß vom 27. Januar 1981 - CB 3/80 - in Weiß, Personalvertretungsrecht, Entscheidungssammlung zum BPersVG, § 75 Rz 52) geändert, ohne im übrigen zugleich das Verteilungs- und Bemessungssystem zu verändern. Weder der Kreis der Bezugsberechtigten für ein entsprechend den Kantinenrichtlinien weiterhin verbilligtes Mittagessen, noch die sonstigen Faktoren haben sich geändert. Der Beklagte hat vielmehr lediglich den darüber hinausgehenden Barzuschuß von 1,-- DM je Essensmarke für alle Bediensteten gleichermaßen gestrichen. Über den finanziellen Rahmen, der für Sozialleistungen zur Verfügung gestellt wird, entscheidet aber der Arbeitgeber allein (Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 87 Rz 520).

5. Die Kläger können ihren Anspruch, weiterhin Essenszuschuß in Höhe von arbeitstäglich 1,-- DM zu erhalten, auch nicht auf die Betriebsvereinbarung vom 3. Januar 1973 stützen.

Dabei kann zugunsten der Kläger unterstellt werden, daß die Betriebsvereinbarung, wofür vieles spricht, wirksam abgeschlossen worden ist, obwohl eine Genehmigung des gesetzlichen Vertreters des Beklagten nicht vorliegt. Die Betriebsvereinbarung ist jedoch nur im Zusammenhang und im Rahmen der vorgegebenen Kantinenrichtlinien auszulegen. Schon nach ihrem Wortlaut gibt sie lediglich einen Anspruch darauf, daß den Mitarbeitern des M, welche an dem Kantinenessen teilnehmen, ein verbilligtes Mittagessen in der Kantine geboten wird. Auf welche Weise dies geschieht, ist in der Betriebsvereinbarung gerade nicht festgelegt worden. Die Kläger haben aber selbst nicht behauptet, das Mittagessen in der Kantine des Beklagten werde nach Einstellung des Zuschusses von 1,--- DM nicht mehr verbilligt abgegeben. Dies ist auch angesichts der Übernahme eines großen Teils der in der Kantine entstehenden Kosten entsprechend den in Kraft gebliebenen Regelungen der Kantinenrichtlinien nicht ersichtlich. Nach alledem bietet der Beklagte nach wie vor ein verbilligtes Mittagessen in der Kantine an. Darüber hinaus einen arbeitstäglichen Zuschuß von 1,-- DM zu zahlen, ist er aufgrund der Betriebsvereinbarung jedenfalls nicht verpflichtet.

6. Nach alledem kann dahingestellt bleiben, ob hier eine formnichtige Nebenabrede vorliegt, und ob die Berufung des Beklagten auf die Formnichtigkeit gegen Treu und Glauben verstößt.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Dr. Röhsler Dörner Schneider

Dr. Gehrunger Rose

 

Fundstellen

Dokument-Index HI440959

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