Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung bei unentgeltlichem Personalverkehr

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Deutsche Bundespost verletzt keine Mitbestimmungsrechte der Personalvertretung über Fragen der Lohngestaltung (§ 75 Abs 3 Nr 4 BPersVG), wenn sie den unentgeltlichen Busverkehr für das Personal einer abgelegenen Sendefunkstelle einstellt.

 

Orientierungssatz

Auslegung des § 3 Abs 2 des Tarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundespost vom 6.1.1955.

 

Normenkette

TVG § 1; BGB §§ 126, 242, 125 S. 1; BPersVG § 75 Abs. 3 Nrn. 4-5

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Entscheidung vom 11.11.1980; Aktenzeichen 7 Sa 295/80)

ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 08.11.1979; Aktenzeichen 2 Ca 84/79)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt war, den bisherigen unentgeltlichen Busverkehr für das Personal der Sendefunkstelle M einzustellen.

Die Klägerin ist seit dem 16. April 1971 als Arbeiterin im Reinigungsdienst bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost vom 6. Januar 1955 (TV Arb Bundespost) Anwendung. Die Klägerin wohnt in Ma. Diese Gemeinde wurde am 1. Januar 1977 aus den jetzigen Ortsteilen M und Z gebildet. Seit ihrer Einstellung bei der Beklagten wird die Klägerin in der Sendefunkstelle M beschäftigt. Diese liegt in einem Waldstück der Gemarkung Ma zwischen den früher selbständigen Ortsteilen M und Z. Die Entfernung zwischen der Funkstelle und der Bebauungsgrenze beträgt weniger als 1 Kilometer.

Seit dem Jahre 1949 unterhielt die Beklagte zwischen den umliegenden Ortschaften und der Sendefunkstelle einen regelmäßigen unentgeltlichen Busverkehr für das Personal. Der Bus wurde anfänglich von der Mehrzahl der ca. 50 Bediensteten, im Laufe der Jahre aber von immer weniger Arbeitnehmern benutzt. Der Personalverkehr wurde in den letzten Jahren von zwei Fahrern und zwei Fahrzeugen versehen. Die Fahrer hatten neben den Personalfahrten auch Versorgungsfahrten zwischen dem Fernmeldeamt H und der Sendefunkstelle durchzuführen und Antennen zu warten. Die Mittel für den Busverkehr stammten aus zwölf verschiedenen Haushaltstiteln der OPD Frankfurt am Main und wurden nicht gesondert verwaltet.

Bis zum Jahre 1973 bestand für derartige Personalfahrten keine Regelung. Am 19. November 1973 erließ der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen eine Verwaltungsanordnung (211-27554-OF/FuÜ), die Regelungen über ständig besetzte Funkübertragungsstellen enthält und einen kostenlosen Personaltransport vorsieht, wenn die Sendefunkstelle an einem abgelegenen Ort betrieben wird. Als abgelegen wird eine Stelle bezeichnet, wenn sie "mindestens 1 km von der Ortstafel oder der bauamtlich festgelegten Bebauungsgrenze" entfernt ist. Diese Bedingung war für die Sendefunkstelle M schon 1973 nicht mehr erfüllt.

Im Jahre 1977 beanstandete der Bundesrechnungshof den in Rede stehenden Personalverkehr. Die Beklagte ordnete die Einstellung der Fahrten zum 30. April 1978 an. Hierüber kam es zu Auseinandersetzungen mit dem Bezirkspersonalrat bei der OPD Frankfurt am Main. Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen vertrat die Auffassung, daß ein Mitbestimmungsrecht in diesem Falle nicht bestehe. Die Einstellung der Personalfahrten wurde zunächst ausgesetzt. Mit Schreiben vom 29. Januar 1979 teilte die Beklagte der Klägerin die endgültige Einstellung der Personalfahrten mit und stellte dementsprechend den Verkehr zum 31. März 1979 ein. Der Personalrat wurde an dieser Maßnahme nicht beteiligt.

Die Klägerin machte regelmäßig von dem Busverkehr Gebrauch. Mit ihrer am 14. März 1979 erhobenen Klage hat sie sich gegen die Einstellung des Busverkehrs gewandt und vorgetragen, die jahrzehntelange Durchführung des Personalverkehrs habe eine betriebliche Übung begründet, von der sich die Beklagte einseitig nur durch Änderungskündigungen lösen könne. Aufgrund des von ihr gesetzten Vertrauenstatbestands könne die Beklagte sich nicht auf das Fehlen der in § 3 Abs. 2 TV Arb Bundespost für Nebenabreden zum Arbeitsvertrag vorgesehenen Schriftform berufen. Zudem sei die Einstellung der Personalfahrten unwirksam, weil der Personalrat entgegen § 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG nicht beteiligt worden sei.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

1. festzustellen, daß die Beklagte ver-

pflichtet sei, über den 31. März 1979

hinaus unbefristet Personalfahrten

zur Sendefunkstelle M durch-

zuführen,

2. hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, sie über

den 31. März 1979 hinaus arbeitstäg-

lich zwischen Arbeitsstätte und Woh-

nung direkt vor Beginn der Arbeitszeit

und in unmittelbarem Anschluß an die

Arbeitszeit kostenlos durch ein Kraft-

fahrzeug zu befördern.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, durch die Organisationsanordnung des Bundespostministeriums vom 19. November 1973 sei der Personalverkehr abschließend geregelt. Weitergehende einzelvertragliche Ansprüche stünden der Klägerin nicht zu. Ansprüche aus betrieblicher Übung scheiterten an dem Schriftformerfordernis des § 3 Abs. 2 TV Arb Bundespost. Auch sei bei der Einstellung des Personalverkehrs der Personalrat nicht zu beteiligen gewesen. Die Personalfahrten könnten nicht als Sozialeinrichtung angesehen werden. Es handele sich um eine beteiligungsfreie Organisationsmaßnahme.

Das Arbeitsgericht hat dem Hauptantrag stattgegeben; das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

I. Die Feststellungsklage ist zulässig.

1. Zu entscheiden ist nur über die Feststellungsklage der Klägerin. Das Arbeitsgericht hatte dem Hauptantrag stattgegeben. Mit der Revision beantragt die Klägerin nur, die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil zurückzuweisen. Damit soll das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt werden.

2. Die Feststellungsklage ist zulässig (§ 256 Abs. 1 ZPO). Die Parteien streiten um das Weiterbestehen von Rechten und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis. Das ist ein Rechtsverhältnis. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung dieser Rechte und Pflichten.

Die Feststellung einer "unbefristeten" Beförderungspflicht kann nur bedeuten, daß die Verpflichtung, die die Klägerin festgestellt wissen will, solange besteht, bis sie nicht durch entsprechende rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten beseitigt wird.

II. Der Anspruch der Klägerin ist nicht begründet.

1. Auf eine einzelvertragliche Vereinbarung kann die Klägerin ihr Begehren nicht stützen.

a) Eine ausdrückliche einzelvertragliche Vereinbarung über einen unentgeltlichen Transport zu und von der Arbeitsstätte ist nach dem eigenen Vortrag der Klägerin nicht zustande gekommen.

b) Eine Zusage durch schlüssiges Verhalten wäre jedenfalls unwirksam, weil nach § 3 Abs. 2 TV Arb Bundespost Nebenabreden zum Arbeitsvertrag nur wirksam sind, wenn sie schriftlich getroffen sind.

Ob eine Nebenabrede vorliegt, bestimmt der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts in ständiger Rechtsprechung nach dem Gegenstand der vertraglichen Regelung. Wenn die Abrede die gegenseitigen Hauptrechte und Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag betrifft, also vornehmlich Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt zum Gegenstand hat, soll es sich nach dieser Rechtsprechung nicht um eine schriftformbedürftige Nebenabrede handeln (z. B. BAG Urteil vom 6. September 1972 - 4 AZR 422/71 - AP Nr. 2 zu § 4 BAT; Beschluß vom 9. September 1981 - 4 AZN 213/81 - AP Nr. 7 zu § 4 BAT). Dagegen nimmt der Vierte Senat eine Nebenabrede an, wenn es um Leistungen geht, die besondere Aufwendungen des Arbeitnehmers ausgleichen sollen oder nicht als eigentliches Arbeitsentgelt anzusehen sind, z. B. betriebliche Sozialleistungen (Urteil vom 9. Februar 1972 - 4 AZR 149/71 - AP Nr. 1 zu § 4 BAT; BAG 29, 182 = AP Nr. 4 zu § 4 BAT; Urteil vom 7. Dezember 1977 - 4 AZR 383/76 - AP Nr. 5 zu § 4 BAT; BAG 37, 228 = AP Nr. 8 zu § 4 BAT).

Hingegen ist nach Auffassung des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts statt der Unterscheidung nach Haupt- und Nebenpflichten eher das Regelungsziel maßgebend, das die Tarifvertragsparteien mit der Bestimmung verfolgt haben. Danach bezweckt die Formvorschrift nicht den Schutz der Arbeitnehmer, da sonst unerklärlich wäre, daß formfrei getroffene Hauptabreden wirksam sind, die weniger wichtigen Nebenabreden jedoch nur schriftlich getroffen werden können. Ebensowenig solle der Arbeitgeber vor der Zusage besonders günstiger Arbeitsbedingungen gewarnt werden. Hätten die Tarifvertragsparteien an die Einhaltung haushaltsrechtlicher Vorschriften gedacht, so hätte es nahegelegen, das Schriftformerfordernis von den finanziellen Folgen abhängig zu machen. Der Zweck der Regelung solle ersichtlich nur darin bestehen, die Einheitlichkeit der Arbeitsbedingungen des öffentlichen Dienstes zu sichern. Die anstellende Behörde solle daran gehindert werden, ungewöhnliche Absprachen in unkontrollierbarer Weise zu treffen. Deshalb seien Nebenabreden offenzulegen und einer dienstaufsichtlichen Überprüfung zugänglich zu machen. Nur so erkläre sich der scheinbare Widerspruch, daß die für die Parteien des Arbeitsvertrags wichtigen Hauptabreden formfrei möglich sind, während weniger wichtige Modalitäten nur schriftlich vereinbart werden können (Urteil vom 7. September 1982 - 3 AZR 5/80 - BAG 40, 126, 131 f. = AP Nr. 1 zu § 3 TV Arb Bundespost, zu II 1 der Gründe).

Im vorliegenden Fall kann offenbleiben, welcher Auffassung zu folgen wäre. Die Zusage der unentgeltlichen Beförderung von und zur Arbeitsstätte stellt in jedem Falle eine Nebenabrede dar. Die Busfahrten stellen zwar einen Vermögensvorteil dar, der nicht unentgeltlich und vom Arbeitsverhältnis losgelöst erbracht wird; sie sind aber nicht als eigentliches Arbeitsentgelt anzusehen. Die Einrichtung des Personalverkehrs erfolgte im Hinblick darauf, daß die Arbeitsstätte im Wald nur schwer erreichbar war und die Gewinnung von Arbeitskräften eines Anreizes bedurfte. Mit Rücksicht auf die soziale Zweckbestimmung handelt es sich um eine betriebliche Sozialleistung, die keinen Bestandteil der das Arbeitsverhältnis konstituierenden Hauptpflichten bildet.

Auch nach der Rechtsprechung des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts würde eine Nebenabrede anzunehmen sein. Die Einrichtung des Busverkehrs bedeutet eine Abweichung vom Regelungssystem des Tarifrechts im öffentlichen Dienst. Für die Leistung der Beklagten bestand von 1949 bis 1973 keine Regelung, erst die Verwaltungsanordnung vom 19. November 1973 brachte eine verwaltungsinterne Ermächtigung der nachgeordneten Dienststellen und eine Beschreibung der Voraussetzungen für die Einrichtung des Personalverkehrs für die betroffenen Arbeitnehmer. Es lag damit eine im tariflichen System nicht vorgesehene Leistung mit Ausnahmecharakter vor. Nach Sinn und Zweck der tariflichen Formvorschrift ist danach eine der Schriftform bedürftige Nebenabrede anzunehmen. Durch mündliche Zusagen konnten der Klägerin keine einzelvertraglichen Ansprüche auf unbegrenzte Fortführung des Busverkehrs erwachsen.

Bei der in § 3 Abs. 2 TV Arb Bundespost vorgeschriebenen Schriftform handelt es sich um eine gesetzliche Schriftform im Sinne des § 126 BGB (BAG 35, 7, 12 f. = AP Nr. 3 zu § 19 TV Arb Bundespost; BAG 40, 126, 132 = AP Nr. 1 zu § 3 TV Arb Bundespost, zu II 3 der Gründe). Die Nichteinhaltung der Form führt zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts (§ 125 Satz 1 BGB).

c) Vertragliche Ansprüche der Klägerin sind nicht aufgrund betrieblicher Übung entstanden.

Unter betrieblicher Übung versteht man die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen, die bei den Betriebsangehörigen den Eindruck einer Gesetzmäßigkeit oder eines Brauchs erwecken (vgl. BAG 40, 126, 133 = AP Nr. 1 zu § 3 TV Arb Bundespost, zu III 1 a der Gründe, mit weiteren Nachweisen). Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt es für die Begründung eines Anspruchs durch betriebliche Übung nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit Verpflichtungswillen handelt. Die Wirkung einer Willenserklärung oder eines bestimmten Verhaltens tritt im Rechtsverkehr nicht deshalb ein, weil der Erklärende einen bestimmten Willen hegt, sondern weil er seinen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen dem Erklärungsempfänger gegenüber äußert. Ob sich der Arbeitgeber binden wollte, beurteilt sich danach, ob der Arbeitnehmer aus dem Erklärungsverhalten des Arbeitgebers auf diesen Willen schließen durfte. Auch wenn sich der Arbeitgeber über seine Bindung geirrt oder irrtümlich angenommen hat, er sei aus anderen Gründen zur Leistung verpflichtet, kann eine bindende betriebliche Übung entstehen. Insoweit genügt, daß der Arbeitgeber wissentlich den objektiven Tatbestand einer betrieblichen Übung, d. h. der regelmäßigen Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen, gesetzt hat, den die begünstigten Arbeitnehmer als Zusage einer dauernden, auch künftig zu gewährenden Leistung verstehen durften (BAG 23, 213, 220 = AP Nr. 10 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu I 2 b der Gründe; BAG 39, 271, 276 = AP Nr. 12 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu II 2 der Gründe; Urteil vom 7. September 1982 - 3 AZR 5/80 - BAG 40, 126, 133 = AP Nr. 1 zu § 3 TV Arb Bundespost, zu III 1 a der Gründe; Urteil vom 29. November 1983 - 3 AZR 491/81 - AP Nr. 15 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu II 2 a der Gründe; Urteil vom 6. März 1984 - 3 AZR 340/80 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt, zu 2 b der Gründe; Urteil vom 30. Oktober 1984 - 3 AZR 236/82 -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Für die Bindungswirkung der betrieblichen Übung entscheidend ist deshalb nur die Frage, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen mußte (§§ 133, 157 BGB).

Auch nach Auseinandersetzung mit abweichenden Auffassungen im Schrifttum hat das Bundesarbeitsgericht daran festgehalten, daß eine betriebliche Übung vertragliche Rechte der Arbeitnehmer begründet (vgl. zuletzt Urteile vom 6. März 1984 - 3 AZR 340/80 -, zu 2 b der Gründe, und vom 30. Oktober 1984 - 3 AZR 236/82 -, zu I 1 der Gründe).

Im vorliegenden Fall spricht viel dafür, daß die Beklagte eine betriebliche Übung begründet hat. Daraus kann die Klägerin jedoch keine vertraglichen Ansprüche herleiten. Auch die kraft betrieblicher Übung zustande gekommene stillschweigende Abrede ist unwirksam, weil die nach § 3 Abs. 2 TV Arb Bundespost vorgeschriebene Schriftform nicht eingehalten ist. Nach dieser Bestimmung sind Nebenabreden nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart sind. Auch eine betriebliche Übung kann grundsätzlich nur dann eine bindende Wirkung entfalten, wenn tariflichen Formvorschriften genügt ist. Aus einer stillschweigenden Zusage entstehen keine weitergehenden Rechte als eine ausdrückliche Verpflichtungserklärung begründen könnte (BAG 37, 228, 233 f. = AP Nr. 8 zu § 4 BAT; BAG 40, 126, 136 = AP Nr. 1 zu § 3 TV Arb Bundespost, zu III 1 c der Gründe). Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, daß damit im öffentlichen Dienst praktisch keine Ansprüche aus betrieblicher Übung entstehen können. Das ist richtig. Von den Tarifvertragsparteien ist dies aber so gewollt. Bedenken gegen die Wirksamkeit einer solchen tariflichen Regelung sind nicht berechtigt. Die Regelung verstößt nicht gegen zwingende gesetzliche Vorschriften. Im übrigen sind im öffentlichen Dienst die Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien weitgehend gesetzlich und tariflich normiert, so daß in diesem Bereich für die Anwendung der Grundsätze der betrieblichen Übung nicht das dringende Bedürfnis besteht, das zur Entwicklung dieses Rechtsinstituts geführt hat (BAG 37, 228, 234 = AP Nr. 8 zu § 4 BAT).

Auf die fehlende Schriftform kann sich die Beklagte berufen. Die Berufung auf die Formnichtigkeit einer Abrede kann nur ausnahmsweise eine unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) darstellen (vgl. BAG 37, 228, 236 = AP Nr. 8 zu § 4 BAT; BAG 40, 126, 136 f. = AP Nr. 1 zu § 3 TV Arb Bundespost, zu III 2 und 2 b der Gründe). Die Berufung einer Partei auf die Formnichtigkeit eines Vertrags verstößt für sich allein nicht gegen Treu und Glauben, selbst wenn aufgrund der formnichtigen Vereinbarung über einen langen Zeitraum hinweg Leistungen erbracht werden. Sieht eine gesetzliche oder tarifliche Vorschrift vor, daß die Wirksamkeit eines Vertrags von der Einhaltung einer bestimmten Form abhängig sein soll, so gebietet die Rechtssicherheit, daß die Vorschrift nicht ohne zwingenden Grund unbeachtet bleibt.

Besonderheiten, die die Berufung auf die Nichtigkeit einer Zusage wegen Nichteinhaltung einer tariflichen Schriftform ungerechtfertigt erscheinen lassen könnten, liegen im Streitfall nicht vor. In dem genannten Urteil vom 7. September 1982 - 3 AZR 5/80 - (BAG 40, 126, 137 f. = AP Nr. 1 zu § 3 TV Arb Bundespost, zu III 3 c der Gründe) hat der Dritte Senat der beklagten Bundespost die Berufung auf die Formvorschrift wegen Rechtsmißbrauchs versagt, weil eine Reihe von Besonderheiten vorlag, insbesondere der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen durch allgemeine Anordnung die dort umstrittene Frage der Trennungsentschädigung ausländischer Arbeitnehmer geregelt und dadurch sowie in einem Rechtsstreit vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften den Eindruck erweckt hatte, für die freiwillige Leistungsgewährung komme es auf die einzuhaltende Schriftform für vertragliche Ansprüche nicht an. Derartige besondere Umstände liegen hier nicht vor. Es kann nicht gesagt werden, daß die Beklagte durch die Art der Leistungsgewährung bei den begünstigten Arbeitnehmern den Eindruck erweckt hat, ein Formfehler komme nicht in Betracht. Außer der bloßen Gewährung der freiwilligen sozialen Leistung hat die Beklagte nichts getan, was den Bindungswillen für alle Zeiten zum Ausdruck gebracht hätte.

2. Aus der Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Personalrats ergibt sich ebenfalls kein individual-rechtlicher Anspruch der Klägerin auf Weiterbeförderung zu den bisherigen Bedingungen.

Es kann offenbleiben, ob durch die von der Klägerin gerügte Verletzung eines Mitbestimmungsrechts des Personalrats ein individual-rechtlicher Anspruch begründet werden kann, der zuvor noch nicht bestanden hatte. Der Hinweis darauf, daß der Arbeitgeber im Rahmen des Einzelarbeitsverhältnisses gegenüber dem Arbeitnehmer durch die Verletzung von Mitbestimmungsrechten keinen Rechtsvorteil erlangen dürfe, hilft nicht weiter. Der Klägerin stand kein Anspruch auf kostenlose Beförderung zu. Ihre Rechtsstellung konnte daher durch die Verletzung von Mitbestimmungsrechten nicht beeinträchtigt werden.

Die Frage braucht jedoch nicht weiter vertieft zu werden. Die Deutsche Bundespost hat nämlich kein Mitbestimmungsrecht des Personalrats verletzt.

a) Ein Mitbestimmungsrecht bei der Auflösung einer Sozialeinrichtung (§ 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG) scheitert daran, daß der Arbeitgeber keine Einrichtung geschaffen hatte.

Zwar unterliegt der Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG die Auflösung einer Sozialeinrichtung. Darin liegt eine Abweichung von der sonst weitgehend entsprechenden Regelung in § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG, zu der einhellig die Auffassung vertreten wird, daß die Auflösung der Sozialeinrichtung nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliegt (vgl. BAG 25, 93, 98 = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Werkmietwohnung, zu II B 3 der Gründe; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 87 Rz 97; Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 75 Rz 325 und 342). Doch setzt das Bestehen einer Sozialeinrichtung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein zweckgebundenes Sondervermögen voraus, das der Verwaltung bedarf. Der Senat hat es deshalb abgelehnt, eine Sozialeinrichtung anzunehmen, wenn Sozialleistungen nach allgemeinen Richtlinien aus laufenden Betriebsmitteln gewährt werden (vgl. zuletzt BAG 34, 297, 302 f. = AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu B II 1 der Gründe, mit weiteren Nachweisen).

Ein Werkverkehr mit Bussen kann eine Sozialeinrichtung darstellen (Fitting/Auffarth/Kaiser, aaO, § 87 Rz 93; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 87 Rz 178). Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts fehlt es aber im vorliegenden Fall an einer "Einrichtung" des sozialen Dienstes (vgl. dazu Fitting/Auffarth/Kaiser, aaO, § 87 Rz 92). Es gab keine abgesonderten Mittel und keine eigenständige Organisation. Unstreitig hatten die mit dem Personalverkehr befaßten beiden Bediensteten neben dieser Tätigkeit noch weitere Aufgaben zu erledigen, nämlich Versorgungsfahrten zwischen dem Fernmeldeamt H und der Sendefunkstelle, Fahrten zwischen den einzelnen Stationen auf dem Gelände der Sendefunkstelle und die Wartung von Antennen. Weiter stammten die Haushaltsmittel für die Personalfahrten aus zwölf verschiedenen Titeln für den Bereich der Oberpostdirektion Frankfurt am Main und wurden vor allem nicht abgesondert verwaltet.

b) Auch eine Verletzung der Mitbestimmung des Personalrats bei Fragen der Lohngestaltung (§ 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG) scheidet aus. Die Vorschrift des § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG ist wörtlich § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG nachgebildet (Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 75 Rz 272). Für den Bereich des Betriebsverfassungsrechts ist anerkannt, daß sich die Tatbestände der Nr. 8 und der Nr. 10 des § 87 BetrVG nicht gegenseitig ausschließen. Die Leistungen einer Sozialeinrichtung können gleichzeitig Teil der betrieblichen Lohngestaltung sein. Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht, gleichgültig, ob die Sozialleistungen vom Arbeitgeber unmittelbar gewährt oder über ein zweckgebundenes Sondervermögen abgewickelt werden (BAG 34, 297, 303 = AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu B II 2 der Gründe). Soweit eine "Einrichtung" fehlt, werden Sozialleistungen unter § 87 Abs. 10 BetrVG fallen (Jahnke, ZfA 1980, 863, 869). Entsprechendes muß für das Verhältnis von Nr. 5 und Nr. 4 des § 75 Abs. 3 BPersVG gelten.

Die in § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bzw. § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG geregelten mitbestimmungspflichtigen Fragen der betrieblichen Lohngestaltung bzw. der Lohngestaltung innerhalb der Dienststelle erfassen alle vermögenswerten Arbeitgeberleistungen, bei denen die Bemessung nach einem System erfolgt. Diese Vorschriften enthalten eine Generalklausel, die nicht nur den unmittelbaren Austausch von Arbeitsleistung und Lohn betrifft, sondern alle Formen der Vergütung aus Anlaß des Arbeitsverhältnisses erfaßt. In diesem Bereich soll ein umfassendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bzw. Personalrats sichergestellt werden. Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat daher stets betriebliche Versorgungsleistungen als Teil der betrieblichen Lohngestaltung angesehen (BAG 27, 194, 200 ff. = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, zu II B 1 bis 4 der Gründe). Vom Ersten und Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts sind auch sonstige betriebliche Sozialleistungen wie Arbeitgeberdarlehen, Ermäßigungen des Elternbeitrags für Kindergärten und im Wettbewerb zu gewinnende Reisen diesem Mitbestimmungsrecht unterworfen worden (BAG 34, 297, 301 = AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu B I 2 der Gründe; BAG 36, 385, 390 = AP Nr. 10 zu § 76 BetrVG 1972, zu III 2 der Gründe; BAG Beschluß vom 30. März 1982 - 1 ABR 55/80 - AP Nr. 10 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu I 2 der Gründe). Auch Sachleistungen, sonstige Vergünstigungen oder sonstige, wie auch immer geartete Vorteile, die dem Arbeitnehmer mit Rücksicht auf seine Arbeitsleistung gewährt werden, können Teil des Arbeitsentgelts sein (BAG AP Nr. 10 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu II 2 der Gründe). Danach bestehen keine Bedenken, auch die vorliegenden Personalfahrten unter die Generalklausel einzuordnen.

Daß die Beklagte rechtlich nicht verpflichtet war, einen Personalverkehr einzurichten, steht dem Mitbestimmungsrecht des Personalrats nicht entgegen; die Freiwilligkeit der Leistung führt lediglich zu einer Einschränkung des Mitbestimmungsrechts (BAG 37, 206, 209 = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Prämie, zu B II 1 der Gründe; BAG AP Nr. 10 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu I 4 der Gründe). Ebenso wie der Arbeitgeber frei darüber entscheiden kann, ob er eine zusätzliche freiwillige Leistung überhaupt erbringen will, ist er frei in der Entscheidung, ob er sie weiterhin erbringen oder ob er sie vollständig einstellen will. Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (grundlegend: BAG 27, 194, 203 = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, zu II B 6 a der Gründe; entsprechend zur Auflösung von Sozialeinrichtungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG: BAG 25, 93, 98 = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Werkmietwohnungen, zu II B 3 der Gründe; ausdrücklich zur vollständigen Einstellung von zusätzlichen freiwilligen Leistungen: Urteil des Fünften Senats vom 14. September 1983 - 5 AZR 284/81 -, zu II 2 b der Gründe, nicht zur Veröffentlichung vorgesehen). Allerdings hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts - ohne nähere Erörterung - nunmehr die Frage wieder offengelassen, ob eine gänzliche oder endgültige Streichung von freiwilligen Leistungen mitbestimmungsfrei ist (BAG 39, 277, 281 = AP Nr. 12 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu 3 a der Gründe; vgl. dazu auch Buchner, DB 1983, 877, 886 f.). Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, von der abzuweichen kein Grund besteht, und nach der ganz überwiegend im Schrifttum vertretenen Auffassung kann der Arbeitgeber allein darüber entscheiden, in welchem Umfang er finanzielle Mittel einsetzen will (vgl. BAG 37, 206, 209 = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Prämie, zu B II 1 der Gründe, mit weiteren Nachweisen; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 87 Rz 520; Fitting/Auffarth/Kaiser, aaO, § 87 Rz 127; Galperin/Löwisch, aaO, § 87 Rz 227). Nur wenn und solange der Arbeitgeber die freiwillige soziale Leistung erbringt, besteht ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Ausgestaltung der Leistung (Beschluß des Senats vom 13. September 1983 - 1 ABR 32/81 - BAG 43, 278, 290 = AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Prämie, zu B III 3 der Gründe).

Die Einstellung der Personalfahrten unterlag danach nicht dem Mitbestimmungsrecht des Personalrats nach § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG.

Dr. Kissel Dr. Heither Matthes

Rösch Dr. Wohlgemuth

 

Fundstellen

DB 1986, 230-231 (LT1)

AP § 75 BPersVG (LT1), Nr 16

AR-Blattei, Personalvertretung XIC Entsch 4 (LT)

ArbuR 1985, 289-290 (T)

PersR 1986, 75-76 (LT1)

PersV 1988, 187-190 (LT1)

RiA 1986, 181-182 (T)

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