Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirkung der Streitverkündung

 

Leitsatz (amtlich)

  • In einem Rechtsstreit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber (Betriebserwerber) über das Bestehen einer Versorgungsanwartschaft können die Arbeitnehmer dem Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) den Streit verkünden (§ 72 Abs 1 ZPO).
  • Stellt das Arbeitsgericht rechtskräftig fest, daß der neue Arbeitgeber (Betriebserwerber) für die Versorgungsanwartschaft nicht einzustehen hat, weil der PSV für die beim früheren Arbeitgeber begründete Versorgungsanwartschaft wegen eines bei diesem Arbeitgeber vor dem Betriebsübergang eingetretenen Sicherungsfalles haftet, kann der PSV in einem gegen ihn gerichteten weiteren Verfahren nicht mehr geltend machen, die erste Entscheidung sei falsch. Die Entscheidung im Vorprozeß bindet den PSV nach § 68 ZPO in den Elementen, auf denen das Urteil des Vorprozesses beruht.
 

Normenkette

BetrAVG § 7 Abs. 1 Sätze 2, 3 Nr. 4; BGB § 613a Abs. 1 S. 1; ZPO § 68

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 10.02.1988; Aktenzeichen 7 Sa 997/87)

ArbG Köln (Urteil vom 20.05.1987; Aktenzeichen 3 Ca 3095/85)

 

Tenor

  • Auf die Revision der Kläger und der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 10. Februar 1988 – 7 Sa 997/87 – aufgehoben.
  • Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 20. Mai 1987 – 3 Ca 3095/85 – teilweise abgeändert und neu gefaßt wie folgt:

    Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, ab 1. Januar 1981 für die bei der B… GmbH & Co. KG erdienten Anwartschaften der Kläger und des verstorbenen Ehemannes der Klägerin einzutreten.

  • Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger und die Klägerin 1/4, der Beklagte 3/4 zu tragen.

Von Rechts wegen !

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte (PSV) als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung für Betriebsrentenansprüche einzustehen hat.

Die Kläger und der verstorbene Ehemann der Klägerin zu 5) waren bei der B… KG beschäftigt. Sie hatten dort Zusagen der betrieblichen Altersversorgung über eine Unterstützungskasse erhalten. Die B… KG geriet Mitte der 70er Jahre in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Sie entschloß sich, ihren Betrieb stillzulegen. Im Zuge der Liquidation wurde ein Sozialplan für diejenigen Arbeitnehmer aufgestellt, die ihre Arbeitsplätze verloren. Ein Teil der Betriebsausstattung wurde aufgrund eines sogenannten Rahmenvertrags vom 17. Dezember 1975 an die S… AG veräußert. Diese übernahm auch 89 Arbeitnehmer und schloß mit ihnen zum 1. April 1976 neue Arbeitsverträge ab. Sie erteilte ihnen neue Versorgungszusagen, in denen eine Betriebszugehörigkeit seit dem 1. April 1976, im Falle des Klägers L… ab 25. Juni 1976, zugrunde gelegt wurde. Zu dem Kreis dieser Arbeitnehmer gehörten auch die Kläger und der Ehemann der Klägerin zu 5). Die B… KG stellte ihre Betriebstätigkeit am 31. März 1976 ein.

Die Kläger und der Ehemann der Klägerin zu 5) traten zu unterschiedlichen Zeitpunkten aus den Diensten der S… AG in den Ruhestand. Sie verlangten vom PSV die Zahlung der Betriebsrenten. Der PSV verwies sie an die S… AG; diese sei als Betriebserwerberin nach § 613a Abs. 1 BGB in die bestehenden Arbeitsverhältnisse eingetreten und hafte für die Betriebsrenten auch insoweit, wie sie bei der insolventen früheren Arbeitgeberin, der B…-… KG, erdient worden seien.

Die Kläger erhoben im Jahre 1983 gegen die S… AG Klage vor dem Arbeitsgericht Stuttgart. Sie verkündeten dem PSV den Streit. Der PSV trat dem Rechtsstreit im Oktober 1983 auf seiten der Kläger bei. Er machte geltend, die S… AG hafte als Betriebserwerberin für die Versorgungsansprüche.

Durch Urteil vom 21. Februar 1984 (20 Ca 1017/83) wies das Arbeitsgericht Stuttgart die Klage mit der Begründung ab, die zur Zeit der Konkurseröffnung bereits unverfallbaren Versorgungsanwartschaften habe nicht der Betriebsübernehmer, sondern der Träger der Insolvenzsicherung zu übernehmen.

Gegen dieses Urteil legte nur der PSV als Streithelfer Berufung und Revision ein. Beide Rechtsmittel blieben erfolglos, weil der PSV die Berufungsfrist versäumt hatte (Urteil des Senats vom 16. September 1986 – 3 AZR 72/85 – AP Nr. 4 zu § 67 ZPO).

Nunmehr machen die Kläger und die Klägerin Ansprüche gegen den PSV geltend. Sie haben sich auf das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 21. Februar 1984 (20 Ca 1017/83) bezogen und zuletzt beantragt

festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ab 1. Januar 1981 für die bei der B… KG erdienten Anwartschaften einzutreten.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat an der Auffassung festgehalten, Schuldnerin der Betriebsrenten sei die S… AG. Diese sei Betriebsübernehmerin. Jedenfalls sei er nicht verpflichtet, die Renten insoweit zu zahlen, wie sie bei der S… AG erdient seien. Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart binde ihn nicht.

Das Arbeitsgericht hat die vor dem 31. Dezember 1980 fällig gewordenen Rentenraten als verjährt angesehen und im übrigen den auf Zahlung gerichteten Klagen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klagen abgewiesen. Dagegen richten sich die Revisionen der Kläger und der Klägerin.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen sind begründet. Der Beklagte hat für die umstrittenen Versorgungsanwartschaften einzustehen, soweit sie bei der B… KG erdient und daraus seit dem 1. Januar 1981 Ansprüche auf Zahlung einer Teilrente entstanden sind.

I. Das Berufungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Versorgungsanwartschaften der Kläger und des Ehemannes der Klägerin zu 5) seien, soweit sie am 31. März 1976 bei der B… KG erdient gewesen seien, auf die S… AG als Betriebserwerberin nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB übergegangen. Die S… AG sei nicht insolvent, so daß den PSV keine Einstandspflicht aus § 7 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG treffe.

II. Diese Begründung trägt die Klageabweisung nicht. Das Berufungsgericht hat § 68 ZPO übersehen.

Gemäß § 68 ZPO wird der Nebenintervenient im Verhältnis zu der Hauptpartei mit der Behauptung nicht gehört, daß der Rechtsstreit, wie er dem Richter vorgelegen habe, unrichtig entschieden sei; er wird mit der Behauptung, daß die Hauptpartei den Rechtsstreit mangelhaft geführt habe, nur insoweit gehört, als er durch die Lage des Rechtsstreits zur Zeit seines Beitritts oder durch Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei verhindert worden ist, Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend zu machen, oder als Angriffs- oder Verteidigungsmittel, die ihm unbekannt waren, von der Hauptpartei absichtlich oder durch grobes Verschulden nicht geltend gemacht sind.

An die hiernach eintretende Interventionswirkung ist der Beklagte gebunden, soweit es um Rentenansprüche geht, die auf den bei der B… KG erdienten Versorgungsanwartschaften beruhen.

1. Der Beklagte war Streithelfer der Kläger in dem Rechtsstreit der Kläger gegen die S… AG (20 Ca 1017/83 des Arbeitsgerichts Stuttgart).

2. Das Arbeitsgericht Stuttgart hat die Klage gegen die S… AG abgewiesen, da bei der B… KG ein den PSV zum Insolvenzschutz verpflichtender Sicherungsfall eingetreten sei. Die B… KG habe ihre Betriebstätigkeit am 31. März 1976 vollständig eingestellt und ein Konkursverfahren sei offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht gekommen (§ 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 BetrAVG). In einem solchen Sicherungsfall, so das Arbeitsgericht, gelte § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB nicht uneingeschränkt. Der vom Senat im Urteil vom 17. Januar 1980 (BAGE 32, 326 = AP Nr. 18 zu § 613a BGB) zum Sicherungsfall des Konkurses entwickelte Rechtsgedanke, daß der Träger der Insolvenzsicherung die bis zur Konkurseröffnung erdienten unverfallbaren Versorgungsanwartschaften zu übernehmen habe, sei auf den Fall der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit bei offensichtlicher Masselosigkeit zu übertragen. Folglich hafte der PSV und nicht die S… AG. Ob ein rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang stattgefunden habe, könne dahinstehen.

3. An diese Begründung des Arbeitsgerichts ist der Beklagte als Streithelfer jenes Rechtsstreits in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gebunden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der wohl einhelligen Auffassung im Schrifttum bindet die Entscheidung im Vorprozeß den Streithelfer hinsichtlich der Entscheidungselemente, also in bezug auf die tatsächlichen Feststellungen und die tragenden rechtlichen Grundlagen (statt aller: BGHZ 85, 252, 255 f. und BGH Urteil vom 15. November 1984 – III ZR 97/83 – VersR 1985, 568 f.; Thomas/Putzo, ZPO, 15. Aufl., § 68 Anm. 3, jeweils mit weiteren Nachweisen). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Das bedeutet, daß der PSV nicht mehr geltend machen kann, es sei am 31. März 1976 kein Sicherungsfall i.S. des § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 BetrAVG eingetreten. Er kann auch nicht mehr geltend machen, bei vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit des Versorgungsschuldners und offensichtlicher Masselosigkeit sei § 613a Abs. 1 BGB anders als im Sicherungsfall des Konkurses uneingeschränkt anwendbar mit der Folge, daß auch die beim Betriebsveräußerer erdienten Versorgungsanwartschaften auf den Erwerber übergehen. Die Interventionswirkung des § 68 ZPO führt deshalb im Streitfall zu dem Ergebnis, daß der PSV für die bei der B… KG erdienten Anwartschaften und die daraus anteilig erdienten Versorgungsansprüche der Kläger und der Klägerin einzustehen hat.

III. Die hiergegen gerichteten Einwendungen des Beklagten vermögen nicht zu überzeugen. Der PSV kann sich auch nicht auf eine abweichende Rechtsprechung des Senats berufen.

1. In dem vom PSV zur Begründung seiner abweichenden Auffassung genannten Urteil des Senats vom 15. Januar 1985 (3 AZR 39/84 – AP Nr. 3 zu § 67 ZPO) war der PSV dem Kläger beigetreten und hatte im Wege einer selbständigen Zwischenfeststellungsklage geltend gemacht, daß er für die Klageforderung nicht eintrittspflichtig sei. Der Senat hat diese Klage, die sich gegen die unterstützte Partei richtete, u.a. deshalb als unzulässig angesehen, weil es an der für § 256 Abs. 2 ZPO vorausgesetzten Vorgreiflichkeit für die Entscheidung des Rechtsstreits fehlte (aaO, zu 2b der Gründe). Der PSV wollte bereits im Prozeß zwischen Versorgungsgläubiger und Versorgungsschuldner die Rechtskraft einer Entscheidung erreichen, die – ohne daß es darauf ankam – seine Nichteintrittspflicht rechtskräftig feststellte. Hieraus kann der PSV nichts für den Umfang der Interventionswirkung des § 68 ZPO herleiten. Berechtigt ist lediglich die Schlußfolgerung, daß die Entscheidung des Arbeitsgerichts Stuttgart im Vorprozeß des vorliegenden Streitverfahrens keine Rechtskraftwirkung zu Lasten des PSV entfaltet. Dem haben die Kläger indes schon dadurch Rechnung getragen, daß sie ihre Klage zurückgenommen haben, soweit sie anfänglich auch die bei der S… AG erdienten Versorgungsrechte gegen den PSV geltend gemacht hatten. Das Arbeitsgericht Stuttgart hat zwar auch in diesem Umfang die Klage mit Rücksicht auf einen von ihm angenommenen Sicherungsfall abgewiesen, eine Eintrittspflicht des PSV hat es in der Begründung seiner Entscheidung aber nur für die bei der B… KG bis zur Betriebseinstellung am 31. März 1976 erdienten Anwartschaften bejaht.

2. Aus dem Urteil des Senats vom 16. September 1986 ( –3 AZR 72/85 – AP Nr. 4 zu § 67 ZPO) kann der Beklagte ebenfalls nicht herleiten, er sei nicht an die Entscheidung über seine Einstandspflicht im Vorprozeß gebunden. In diesem Urteil hat der Senat der Auffassung des PSV widersprochen, für ihn als Streithelfer laufe eine eigene Rechtsmittelfrist ab Zustellung des anzufechtenden Urteils an ihn (aaO, zu II der Gründe). In diesem Zusammenhang hat der Senat erneut die Auffassung vertreten, die Rechtskraft des verspätet angefochtenen Urteils erstrecke sich nicht auf den PSV. Es bestand jedoch kein Anlaß, auf den Umfang der Interventionswirkung nach § 68 ZPO einzugehen. Eine Entscheidung darüber, ob der PSV Insolvenzschutz gewähren muß, war in jenem Rechtsstreit gerade nicht zu treffen.

 

Unterschriften

Dr. Heither, Schaub, Griebeling, Dr. Bächle, Oberhofer

 

Fundstellen

Haufe-Index 841006

RdA 1990, 313

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