Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilzeitbeschäftigte Lehrerin

 

Normenkette

BeschFG 1985 § 2 Abs. 1; BGB §§ 134, 611, 612 Abs. 2, § 242; BAT §§ 70, 3 Buchst.q; TVG § 1 Auslegung

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 18.10.1989; Aktenzeichen 4 Sa 739/89)

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 24.05.1989; Aktenzeichen 6 Ca 6639/88)

 

Tenor

1. Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 18. Oktober 1989 – 4 Sa 739/89 – wird zurückgewiesen.

2. Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 1986 bis zum 31. Januar 1987 anteilige Vergütung nach der VergGr. III der Anlage 1 a zum BAT zu zahlen.

Die am 7. August 1955 geborene Klägerin ist aufgrund der Arbeitsverträge vom 13. Juli 1984 und vom 26. April 1985 vom 13. August 1984 bzw. vom 1. August 1985 bei dem beklagten Land an den Beruflichen Schulen des Kreises V. als teilzeitbeschäftigte Lehrerin (nebenberufliche Lehrkraft) für das Unterrichtsfach Deutsch tätig. Seit dem 1. Februar 1987 ist die Klägerin mit 18 Wochenstunden beschäftigt und bezieht anteilige Vergütung nach BAT. Für die Zeit vom 1. Januar 1986 bis zum 31. Januar 1987 erhielt die Klägerin Vergütung nach Jahreswochenstunden. Sie unterrichtete wöchentlich 12 Stunden; ein vollzeitbeschäftigter Lehrer hatte dagegen 25 Unterrichtsstunden wöchentlich zu erteilen. Die Höhe der Vergütung der Klägerin wurde ermittelt für 42 Wochen (Unterrichtszeit von 39 Wochen zuzüglich drei Urlaubswochen).

Die Klägerin hält die Vergütungsvereinbarung der Parteien im Hinblick auf § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 ab 1. Mai 1985 für unwirksam. Mit ihrer am 23. Dezember 1988 bei Gericht eingegangenen Klage verlangt sie vom beklagten Land die Nachzahlung der Differenz zwischen der ihr gewährten Vergütung (16.632,– DM brutto für 1986 und 1.386,– DM brutto für Januar 1987) und einer Vergütung nach VergGr. III BAT. Dabei legt sie eine ganzjährige Zahlungspflicht des beklagten Landes zugrunde. Sie macht weiter die anteiligen Beträge für Ortszuschlag, Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld geltend. Andererseits berücksichtigt sie den sogenannten Absenkungserlaß; sie verlangt folglich nicht die Differenz zwischen dem ihr gewährten Entgelt und dem Gehalt nach der VergGr. II a BAT, sondern nach der VergGr. III BAT.

Die Klägerin hat beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an sie 8.112,85 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus errechnenden Nettobetrag seit dem 10. Mai 1989 zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat vorgetragen, die Vergütungsvereinbarung der Parteien sei rechtswirksam. Das Beschäftigungsförderungsgesetz finde auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin keine Anwendung. Jedenfalls könne die Klägerin die geltend gemachte Vergütungsdifferenz nur für insgesamt 42 Wochen verlangen. Schließlich hat das beklagte Land geltend gemacht, die Ansprüche der Klägerin seien nach § 70 BAT verfallen, zumindest aber verwirkt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit der das beklagte Land sein Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Vergütungsvereinbarungen der Parteien verstießen mit Wirkung vom 1. Mai 1985 gegen das Benachteiligungsverbot für Teilzeitbeschäftigte in § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 und seien daher gemäß § 134 BGB nichtig. Die der Klägerin zustehende Vergütung müsse gemäß § 612 Abs. 2 BGB nach der üblichen Vergütung für vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte ermittelt werden. Diese sei nach der Praxis des öffentlichen Dienstes auch bei der Vergütung der Lehrer nach den unmittelbar nicht anwendbaren Bestimmungen der Anlage 1 a zum BAT zu berechnen. Die von der Klägerin erhobene Forderung stehe ihr daher zu. Die rechnerische Höhe der Klageforderung sei zutreffend, wenn man die eigenen Zahlen des beklagten Landes zugrunde lege. – Die Bestimmung des § 70 BAT hat das Landesarbeitsgericht nicht berücksichtigt.

Das Landesarbeitsgericht hat auf den Streitfall die Erwägungen des Senats im Teil-Urteil vom 25. Januar 1989 (BAGE 61, 43 = AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985) angewandt. Insoweit ist ihm beizupflichten. Aber auch in den übrigen Teilen seiner Begründung ist ihm zu folgen.

II. Der Senat hat – seit seiner eben genannten ersten einschlägigen Entscheidung vom 25. Januar 1989 – bei der Frage der Vergütung teilzeitbeschäftigter Lehrer im Angestelltenverhältnis die Vergütung nach Jahreswochenstunden wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 in Verbindung mit § 134 BGB für rechtsunwirksam angesehen und ausgeführt, an die Stelle der entfallenen Vergütungsregelung trete die nach § 612 Abs. 2 BGB zu bestimmende übliche Vergütung. Die im öffentlichen Dienst als die übliche Vergütung im Sinne der genannten Vorschrift anzusehende Vergütung sei im Hinblick auf die im öffentlichen Dienst herrschende Übung, nach Tarif zu vergüten, die tarifliche Vergütung. Daher hätten die teilzeitbeschäftigten Lehrer anstelle der Vergütung nach Jahreswochenstunden Anspruch auf anteilige Vergütung, wie sie den jeweils vollzeitbeschäftigten angestellten Lehrern zustehe (vgl. BAGE 61, 43, 50 f. = AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985, zu IV 1 der Gründe; vgl. weiter Senatsurteil vom 26. September 1990 – 5 AZR 112/90 –, zu II der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen).

1. Die vollzeitbeschäftigten angestellten Lehrer erhalten ihre Bezüge das ganze Jahr durchgehend, d.h. also für 52 Wochen. Es bedeutet eine durch sachliche Gründe nicht gerechtfertigte Schlechterstellung der teilzeitbeschäftigten Lehrer mit weniger als der Hälfte der üblichen Arbeitszeit vollzeitbeschäftigter Lehrer, wenn sie ihre Vergütung nur für 42 Wochen im Jahr erhalten. Daher steht ihnen die Vergütung für das ganze Jahr durchgängig zu.

2. Zu der ortsüblichen Vergütung im Sinne des § 612 Abs. 2 BGB gehört auch der Ortszuschlag; denn die tarifliche Vergütung der Angestellten besteht aus der Grundvergütung und dem Ortszuschlag (§ 26 Abs. 1 BAT).

3. Der Klägerin steht weiter ein anteiliges Urlaubsgeld zu. Insoweit schließt sich der Senat der ausführlichen Begründung des Urteils des Achten Senats vom 15. November 1990 (8 AZR 283/89, zu II der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen) zu der Frage an, ob auch teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer anteiliges Urlaubsgeld beanspruchen können.

4. Ferner verlangt die Klägerin zu Recht die anteilige Sonderzuwendung (Weihnachtsgeld). Einen derartigen Anspruch hat der Sechste Senat im Urteil vom 6. Dezember 1990 (6 AZR 159/89) bejaht (zur Veröffentlichung vorgesehen). Dieser Auffassung wird beigepflichtet.

5. Die Rechtsbeziehungen der Parteien werden vom Absenkungserlaß des Finanzministers des beklagten Landes vom 27. Dezember 1983 (MBl NW 1984, 60) erfaßt, weil das Arbeitsverhältnis der Klägerin erst nach dem 31. Dezember 1983 begründet worden ist. Diesen Umstand hat die Klägerin bei der Berechnung der Höhe ihrer Forderung jedoch berücksichtigt.

6. Hinsichtlich der rechnerischen Höhe der Klageforderung hat das Landesarbeitsgericht die vom beklagten Land vorgetragenen, von der Klägerin aufgegriffenen und dadurch zwischen den Parteien unstreitig gewordenen Zahlen zugrundegelegt. Hieran ist der Senat gebunden (§ 561 Abs. 2 ZPO). Danach ergibt sich die von der Klägerin geforderte Differenz von 8.112,85 DM brutto.

III. Die Ansprüche der Klägerin sind weder verfallen (§ 70 BAT) noch verwirkt (§ 242 BGB).

1. § 612 Abs. 2 BGB betrifft die Höhe der Vergütung. Diese ist im öffentlichen Dienst üblicherweise die tarifliche Vergütung. Die rein rechnerische Größe einer bestimmten Vergütung umfaßt aber nicht auch gleichzeitig noch andere – rein rechtliche – Merkmale, die zum Wesen einer bestimmten tariflichen Vergütung gehören können. Vor allem ist es der rechnerischen Höhe einer Vergütung nicht wesenseigen, an eine bestimmte tarifliche Ausschlußklausel gebunden zu sein (so ausdrücklich Senatsurteil vom 26. September 1990 – 5 AZR 112/90 –, a.a.O., zur Veröffentlichung vorgesehen).

Weiter darf nicht übersehen werden, daß es eine „tarifliche Vergütung” für angestellte Lehrer nicht gibt. Nach Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen gilt die Anlage 1 a zum BAT nicht für Angestellte, die als Lehrkräfte beschäftigt sind. Ihre Vergütung wird durch ministerielle Eingruppierungserlasse geregelt, deren Inhalt jedoch arbeitsvertraglich vereinbart werden muß (vgl. BAG Urteil vom 30. Januar 1980 – 4 AZR 1098/77 – AP Nr. 6 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer, m.w.N.). Deshalb sind die Vergütungen der unter Nr. 5 der Vorbemerkungen fallenden Beschäftigten solche vertraglicher Art, und lediglich ihre Höhe ist durch Heranziehung der Vergütungssätze des BAT an der tariflichen Vergütung ausgerichtet. Hieraus ergeben sich zusätzliche Bedenken dagegen, die Ausschlußklausel des BAT mit der nach § 612 Abs. 2 BGB zu bestimmenden Höhe der Vergütung in Verbindung zu bringen.

2. Die Ausschlußklausel des § 70 BAT gilt für die Klageansprüche auch nicht deswegen, weil auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Wirkung vom 1. Februar 1987 der BAT anzuwenden ist. Wenn nämlich die Tarifbindung der Parteien eines Arbeitsverhältnisses erst nach Vertragsabschluß eintritt oder wenn ein Tarifvertrag ein Arbeitsverhältnis erst nach Vertragsabschluß erfaßt, dann werden die bis zum Zeitpunkt der Tarifgeltung entstandenen Ansprüche von einer tariflichen Ausschlußklausel jedenfalls dann nicht erfaßt, wenn sich die Klausel keine ausdrückliche Rückwirkung beimißt (so mit näherer Begründung die zur Veröffentlichung vorgesehene Entscheidung des Senats vom 26. September 1990 – 5 AZR 218/90 –, zu II der Gründe). § 70 BAT kennt jedoch keine rückwirkende Anwendbarkeit.

3. Da eine unmittelbare Geltung des § 70 BAT für die streitbefangene Zeit schon deswegen nicht in Betracht kommt, weil § 3 Buchst. q BAT in der bis zum 31. Dezember 1987 maßgeblichen Fassung Angestellte mit weniger als der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollzeitbeschäftigten Angestellten von der Tarifgeltung ausschloß, hätten die Parteien die Anwendbarkeit des § 70 BAT vertraglich vereinbaren müssen (wie dies in dem vom Senat am 25. Januar 1989, BAGE 61, 43 = AP, a.a.O., entschiedenen Rechtsstreit der Fall war). Daß dies geschehen sei, ist nicht vorgetragen.

4. Die Klägerin braucht sich schließlich auch nicht entgegenhalten zu lassen, sie wolle zwar die Vorteile der tariflichen Vergütung für sich in Anspruch nehmen, andererseits aber die damit üblicherweise verbundenen Ausschlußregelungen nicht gegen sich gelten lassen. Tarifliche Ausschlußklauseln müssen, wenn sie nicht kraft Tarifgebundenheit der Vertragsparteien gelten, ausdrücklich vereinbart werden. Eine solche Vereinbarung wäre auch für die ursprünglichen Vertragsbeziehungen der Parteien zulässig gewesen. Daß sie für die Klägerin nicht getroffen worden ist, kann nicht zu ihrem Nachteil aus schlagen.

5. Schließlich kann sich das beklagte Land nicht darauf berufen, der Anspruch der Klägerin sei wegen illoyaler Verspätung gemäß § 242 BGB verwirkt. Zur Verwirkung gehört nämlich auch der Umstand, daß dem Schuldner die Erfüllung der verspätet geltend gemachten Forderung nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten ist. Daß dies der Fall sei, dazu hat das beklagte Land nichts vorgetragen.

 

Unterschriften

Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog, Pallas, Fischer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1081298

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