Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonntagsarbeit; Zulässigkeit in Krankenanstalt für Schwangere

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es spricht viel dafür, kann aber für die vorliegende Entscheidung noch offenbleiben, daß die Ausnahme vom Sonntagsarbeitsverbot des § 8 Abs 1 MuSchG für schwangere Arbeitnehmerinnen in Krankenanstalten (§ 8 Abs 4 MuSchG) nur dann in Betracht kommt, wenn die Arbeitnehmerin bei der Krankenanstalt selbst angestellt ist und nicht von einem Drittunternehmen entsandt ist.

2. Das Sonntagsbeschäftigungsverbot entfällt nach § 8 Abs 4 MuSchG nur dann, wenn der Arbeitgeber die vorgesehene 24stündige Ruhezeit vor Heranziehung zur Sonntagsarbeit gewährleistet.

 

Normenkette

MuSchG §§ 11, 8 Abs. 1, 4

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 10.10.1989; Aktenzeichen 11 Sa 1069/89)

ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Entscheidung vom 02.06.1989; Aktenzeichen 4 Ca 95/89)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin während ihrer Schwangerschaft an Sonntagen nicht beschäftigt werden durfte und ob die Beklagte den Lohnausfall nach § 11 MuSchG ausgleichen muß.

Die Klägerin ist seit 1988 bei dem beklagten Gebäudereinigungsunternehmen mit einem Stundenlohn von 9,95 DM brutto tätig. Die Beklagte setzte sie als Reinigungskraft im P -Hospital in O ein. Dort hat die Klägerin montags bis samstags jeweils 4,75 Stunden und sonntags 2,5 Stunden gearbeitet.

Seit Dezember 1988 ist die Klägerin schwanger gewesen. Sie hat die Ansicht vertreten, ihr sei die Fortsetzung der Tätigkeit an Sonntagen wegen ihrer Schwangerschaft nach § 8 Abs. 1 MuSchG verboten. Seit dem 1. Januar 1989 sei sie für die Beklagte wegen dieses Beschäftigungsverbotes an Sonntagen nicht mehr tätig gewesen. Für die ausgefallene Arbeitszeit an Sonntagen bis einschließlich 28. Mai 1989 könne sie daher gemäß § 11 MuSchG von der Beklagten 746,11 DM brutto verlangen. Die in § 8 Abs. 4 MuSchG enthaltene Ausnahme vom Beschäftigungsverbot für Krankenpflegeanstalten betreffe sie nicht, da ihr Arbeitgeber nicht das Krankenhaus, sondern die Beklagte sei. Außerdem gehöre sie nicht zum Pflegepersonal. Im übrigen gelte diese Ausnahmeregelung nur dann, wenn dem Arbeitnehmer in jeder Woche einmal eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 24 Stunden im Anschluß an eine Nachtruhe gewährt wird. Eine solche Ruhezeit habe ihr die Beklagte nicht eingeräumt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 746,11 DM

brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 2. Mai 1989 zu

zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Klägerin sei von der Ausnahme vom Beschäftigungsverbot nach § 8 Abs. 4 MuSchG erfaßt. Diese Vorschrift betreffe nicht nur das Pflegepersonal und stelle auch nicht darauf ab, wer Arbeitgeber sei. Die Forderung sei weiter deshalb unberechtigt, weil die Klägerin in den letzten sechs Monaten des Jahres 1988 nur in zwei Monaten regelmäßig Sonn- und Feiertagsdienst verrichtet habe. Darüber hinaus habe die Klägerin am 14. März 1989 erklärt, den kompletten Arbeitsbereich abgeben zu wollen. Dem habe die Beklagte entsprochen. Dadurch sei die Sonn- und Feiertagsarbeit entfallen.

Die Klage war in den Vorinstanzen erfolglos. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts war für die Klägerin die Sonntagsarbeit nach § 8 Abs. 1 MuSchG verboten. Für den Arbeitsausfall wegen des Beschäftigungsverbots hat die Beklagte gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG den Durchschnittsverdienst, wie er nach dieser Vorschrift zu ermitteln ist, weiterzugewähren. Die Höhe der der Klägerin danach zustehenden Vergütung kann aus den bisher getroffenen Feststellungen nicht ermittelt werden. Deshalb muß wegen der Höhe der Klageforderung die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden.

I. Der von der Klägerin verfolgte Zahlungsanspruch ergibt sich dem Grunde nach aus § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG. Nach dieser Bestimmung hat der Arbeitgeber den in bestimmter Weise zu errechnenden Durchschnittsverdienst weiterzugewähren, wenn die Arbeitnehmerin u.a. wegen des Sonntagsarbeitsverbots nach § 8 Abs. 1 MuSchG mit der Arbeit aussetzen muß. Nach den getroffenen Feststellungen hatte die Klägerin, die seit Dezember 1988 schwanger war, als Arbeitnehmerin des beklagten Gebäudereinigungsunternehmens an Sonntagen 2 1/2 Stunden im P -Hospital, einer Krankenpflegeanstalt, Reinigungsarbeiten auszuführen. Für diese Tätigkeit galt das Beschäftigungsverbot des § 8 Abs. 1 Satz 1 MuSchG. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts waren die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 MuSchG für die Ausnahme vom Sonntagsarbeitsverbot nicht erfüllt.

1. Nach § 8 Abs. 4 MuSchG dürfen werdende Mütter abweichend von Abs. 1 in Krankenpflegeanstalten an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden, wenn ihnen in jeder Woche einmal eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 24 Stunden im Anschluß an eine Nachtruhe gewährt wird.

Mit dem Landesarbeitsgericht und der überwiegenden Meinung im Schrifttum (Bulla/Buchner, MuSchG, 5. Aufl., § 8 Rz 43; Zmarzlik/Zipperer/Viethen, MuSchG, 5. Aufl., § 8 Rz 14; Meisel/ Sowka, Mutterschutz, 3. Aufl., § 8 Rz 35, Gröninger/Thomas, MuSchG, § 8 Rz 25; a.A. Heilmann, MuSchG, § 8 Rz 40) ist davon auszugehen, daß die vorbezeichnete Ausnahmeregelung nicht nur für das Pflegepersonal von Krankenanstalten i.S. des § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Arbeitszeit in Krankenpflegeanstalten vom 13. Februar 1924 (RGBL I S. 66, 67) gilt. Vielmehr besteht die Ausnahme vom Sonntagsarbeitsverbot auch für solche Arbeitskräfte in Krankenanstalten, deren Einsatz erforderlich ist, um den ordnungsmäßigen Betrieb im Interesse der Versorgung der Kranken durchführen zu können. Um dies zu gewährleisten, ist es aber nicht nur erforderlich, daß die Pflegekräfte dem Bedarf entsprechend herangezogen werden können, sondern es gehören weitere Dienstleistungen dazu, um den Krankenhausbetrieb ordnungsmäßig abzuwickeln. Dazu zählen auch Reinigungsarbeiten, wie sie von der Klägerin vorzunehmen waren, die nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten für die Säuberung von Funktionsräumen zu sorgen hatte.

2. Erheblichen Bedenken begegnet jedoch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Ausnahmevorschrift des § 8 Abs. 4 MuSchG könne auch dann eingreifen, wenn die in einer Krankenpflegeanstalt tätige Arbeitnehmerin nicht in einem Arbeitsverhältnis zu der Krankenpflegeanstalt steht, sondern, wie hier, von einem Reinigungsunternehmen in einer Krankenpflegeanstalt eingesetzt wird.

Die Ausnahmevorschrift des § 8 Abs. 4 MuSchG, die den durch das Beschäftigungsverbot nach § 8 Abs. 1 MuSchG gewollten Schutz der werdenden oder stillenden Mutter zurückdrängt, muß wegen des vorrangigen Interesses des Gesundheitsschutzes eng ausgelegt werden. Durch die Ausnahmeregelung soll nur den in § 8 Abs. 4 MuSchG genannten Betrieben ermöglicht werden, ihre Funktionsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Den angeführten Betrieben, hier insbesondere den Krankenanstalten, soll deshalb ermöglicht werden, über ihre Arbeitnehmer und deren Einsatz trotz des an sich nach § 8 Abs. 1 MuSchG gewollten Schutzes unter den weiter in § 8 Abs. 4 MuSchG genannten Voraussetzungen frei disponieren zu können. Eine solche Dispositionsmöglichkeit braucht den in § 8 Abs. 4 MuSchG genannten Betrieben aber nicht eingeräumt zu werden und der Schutz der werdenden Mutter braucht nicht zurückzutreten, wenn der Betrieb, hier die Krankenanstalt, so organisiert ist, daß bestimmte Arbeiten von Drittfirmen durchgeführt werden. Der in § 8 Abs. 4 MuSchG angesprochene Betrieb benötigt dann als Arbeitgeber nicht die Ausnahmeregelung, um seinen Betrieb aufrechterhalten zu können. Soweit Arbeiten in der Krankenanstalt durch Drittunternehmen durchzuführen sind, obliegt es letzteren, den Einsatz der Arbeitskräfte nach eigenen Maßstäben und Kriterien zu gestalten. Durch Umstände, die in der Person von Arbeitnehmern der Drittfirmen eintreten können, werden die Belange der Krankenanstalt nicht berührt. Diese hat gegenüber dem Vertragsunternehmen einen Anspruch auf die Stellung von Arbeitnehmern für die vereinbarten Tätigkeiten. Die Vertragserfüllung hat die Reinigungsanstalt zu gewährleisten. Wenn eine Arbeitnehmerin des Reinigungsunternehmens wegen eines Beschäftigungsverbotes nach § 8 Abs. 1 MuSchG für Sonntagsarbeit nicht mehr herangezogen werden kann, obliegt es dem Reinigungsunternehmen, durch Einsatz anderer Arbeitnehmerinnen ihre Vertragspflichten gegenüber der Krankenanstalt zu erfüllen. Für deren Betrieb ist es nicht erforderlich, die Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 4 MuSchG einzusetzen. Insoweit gilt nichts anderes, als wenn ein bei dem Reinigungsunternehmen beschäftigter Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt. Auch für diesen Fall braucht die Krankenanstalt eine Personalreserve oder Ersatzkräfte für die ordnungsgemäße Aufrechterhaltung ihres Betriebes nicht einzuplanen.

Die vorstehend aufgezeigten Bedenken werden nicht dadurch ausgeräumt, daß zu einer ähnlichen Regelung, wie sie § 8 Abs. 4 MuSchG aufweist, die Ansicht vertreten wurde, es komme nicht darauf an, ob die Arbeitskräfte in dem von der Ausnahmeregelung erfaßten Betriebe selbst beschäftigt oder dort als fremde Hilfskräfte eines Drittbetriebes eingesetzt sind (OVG Berlin, Urteil vom 31. Juli 1961 - II B 115.60 - AP Nr. 1 zu § 19 AZO). Nach § 19 Abs. 1 AZO dürfen Arbeiterinnen nicht in der Nachtzeit von 20.00 bis 6.00 Uhr und an den Tagen vor Sonn- und Feiertagen nicht nach 17.00 Uhr beschäftigt werden. Diese Einschränkung gilt gem. § 19 Abs. 3 AZO nicht für die in § 17 Abs. 3 AZO genannten Betriebe, zu denen u.a. das Verkehrswesen, aber auch Krankenpflegeanstalten gehören. Unabhängig davon, daß das vorgenannte Urteil keine nähere Begründung für seine Auslegung enthält, ist die Verbotsnorm des § 19 Abs. 1 AZO, deren Berechtigung ohnehin in Frage gestellt wird, nicht mit der Schutznorm des § 8 Abs. 1 MuSchG vergleichbar.

Letztlich kann der Senat aber dahingestellt sein lassen, ob die Anwendung des § 8 Abs. 4 MuSchG schon daran scheitert, daß die Klägerin nicht Arbeitnehmerin einer Krankenanstalt war; selbst wenn § 8 Abs. 4 MuSchG zugunsten der Beklagten anzuwenden wäre, hat diese nicht die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß die Klägerin für Sonntagsarbeit eingesetzt werden durfte.

3. § 8 Abs. 4 MuSchG eröffnet die Zulässigkeit der Sonntagsarbeit nur unter der Voraussetzung, daß der werdenden Mutter einmal in der Woche eine ununterbrochene Ruhezeit von 24 Stunden im Anschluß an eine Nachtruhe gewährt wird. Eine solche ununterbrochene Ruhezeit ist auch dann einzuräumen, wenn die werdende Mutter an Sonn- und Feiertagen nur teilzeitbeschäftigt werden soll (Bulla/Buchner, MuSchG, 5. Aufl., § 8 Rz 38).

Nach den getroffenen Feststellungen hatte die Klägerin außer an Sonntagen in jeder Woche von Montag bis Samstag jeweils 4 3/4 Stunden tätig zu sein. Die Befugnis, sie für Sonntagsarbeit einzusetzen, setzte deshalb voraus, daß die Beklagte ihr die von § 8 Abs. 4 MuSchG vorgeschriebene 24stündige Ruhezeit an einem Wochentag einräumte. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts entfiel diese Verpflichtung der Beklagten nicht deshalb, weil die Klägerin unter Berufung auf § 8 Abs. 1 MuSchG die Sonntagsarbeit verweigerte. Es war vielmehr Sache der Beklagten, die vom Gesetz bestimmten Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß das Sonntagsarbeitsverbot entfiel. Deshalb mußte sie, wenn sie von der Klägerin Sonntagsarbeit verlangte, bestimmen, daß und wann die 24stündige Ruhezeit für die Klägerin gewährt werden sollte. Solange es an der Einräumung der Ruhezeit fehlte, blieb es bei dem Beschäftigungsverbot des § 8 Abs. 1 MuSchG. Die vom Landesarbeitsgericht vertretene Ansicht, die Klägerin habe zunächst Sonntagsarbeit leisten müssen, um dann abzuwarten, ob ihr die vorgeschriebene Ruhezeit eingeräumt wurde, ist mit der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar.

II. Steht der Klägerin danach für die verboten gebliebene Sonntagsarbeit die Vergütung nach § 11 MuSchG zu, so läßt sich jedoch noch nicht beurteilen, in welcher Höhe sie die Fortzahlung der Vergütung von der Beklagten beanspruchen kann. Die Klägerin hat für jeden Sonntag in der Zeit vom 1. Januar bis 28. Mai 1989 die Vergütung verlangt, die ihr durch den Ausfall der Arbeitszeit an diesen Tagen entgangen ist. Diese Berechnungsmethode berücksichtigt jedoch nicht § 11 Abs. 1 MuSchG. Danach ist der Durchschnittsverdienst der letzten 13 Wochen oder der letzten drei Monate vor Beginn des Monats, in dem die Schwangerschaft eingetreten ist, weiterzugewähren, wenn wegen eines Beschäftigungsverbots die Frau mit der Arbeit aussetzen muß. Der Verdienstausfall durch das Beschäftigungsverbot ist also nicht nach dem Lohnausfallprinzip, wie von der Klägerin vorgenommen, zu ermitteln. In diesem Zusammenhang könnte eine Rolle spielen, daß die Beklagte behauptet hat, die Klägerin sei bis Dezember 1988 nicht ständig mit Sonntagsdiensten betraut gewesen. Soweit allerdings die noch zu treffenden tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ergeben, daß ein ständiger Einsatz der Klägerin an Sonntagen in der Zeit nach Beginn der Schwangerschaft vorgesehen war, könnten sich daraus Ansprüche gemäß § 11 Abs. 2 MuSchG ergeben (vgl. dazu das Urteil des Senats vom 8. August 1990 - 5 AZR 584/89 - NZA 1990, 974 = NJW 1991, 62, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Schließlich hat die Beklagte behauptet, absprachegemäß habe die Klägerin ab 14. März 1989 einen anderen Arbeitsbereich erhalten, der Sonntagsarbeit nicht mitumfaßte. Das Landesarbeitsgericht hat von seinem Standpunkt aus zu Recht hierzu keine Feststellung getroffen. Auch insoweit bedarf es weiterer Aufklärung um die Begründetheit der Klage der Höhe nach beurteilen zu können.

Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog

Pallas Fischer

 

Fundstellen

Haufe-Index 439821

DB 1991, 2143 (LT1-2)

EBE/BAG 1991, 71-72 (LT1-2)

ARST 1991, 134-136 (LT1-2)

EEK, III/105 (ST1-3)

NZA 1991, 505-506 (LT1-2)

RdA 1991, 188

WzS 1992, 764 (L)

ZTR 1991, 299-300 (LT1-2)

AP § 8 MuSchG 1968 (LT1-2), Nr 3

ArztR 1992, 39 (K)

AuA 1991, 281-282 (LT1-2)

EzA § 8 MuSchG, Nr 2 (LT1-2)

EzBAT § 36 BAT Vergütung bei Mutterschutz, Nr 2 (LT1-2)

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