Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung. Nichterfüllererlaß. Gleichbehandlung

 

Leitsatz (redaktionell)

Eingruppierung eines türkischen Lehrers nach dem Nichterfüllererlaß des Kultusministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 20. November 1981, GABl. NW 1982, 7; Unterrichtsverpflichtungen

 

Normenkette

BAT Anlage 1 a VergGr. IV a, III und II a

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 10.10.1991; Aktenzeichen 12 (9) Sa 1149/89)

ArbG Herne (Urteil vom 31.05.1989; Aktenzeichen 5 Ca 1630/88)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 10. Oktober 1991 – 12 (9) Sa 1149/89 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Eingruppierung des Klägers und hilfsweise über den Umfang seiner Verpflichtung zur Erteilung von Unterricht.

Der 1953 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Nach dem Besuch des Gymnasiums in der Türkei absolvierte er von 1971 bis 1974 eine sechssemestrige Lehrerausbildung in der deutschen Abteilung des „Istanbul Atatürk Egitim Enstitüsü”. Mit dem Abschluß erwarb er die vorläufige Berechtigung, in der Türkei das Fach Deutsch an Mittelschulen und Gymnasien (Klassen 6 bis 11) und das Fach Türkisch an Mittelschulen (Klassen 6 bis 8) zu unterrichten. In der anschließenden, vom Militärdienst unterbrochenen Probezeit von weniger als zwei Jahren war er als Deutschlehrer zunächst an einer Ausbildungsstätte für Grundschullehrer und später an einem Handelsgymnasium in der Türkei tätig.

Der Studienabschluß des Klägers ist weder nach nordrhein-westfälischem Landesrecht dem deutschen Hochschulabschluß gleichgestellt noch durch Einzelentscheidung des Landes als gleichwertig anerkannt.

Seit dem 19. September 1978 ist der Kläger als Lehrer im Angestelltenverhältnis bei dem beklagten Land beschäftigt. In dem ursprünglich befristeten, später unbefristet fortgeführten Arbeitsvertrag vom 19. September 1978 heißt es:

㤠1

Herr … H. geb. am 13.12.1953 wird ab 19.09.1978 als Lehrer im Angestelltenverhältnis an einer Schule im Kreis R. zur Unterrichtung türkischer Kinder in Vorbereitungsklassen und zur Erteilung muttersprachlichen Unterrichts eingestellt.

Gemäß Erlaß des Kultusministers vom 22.03.1978 – Az.: ZB 1-2-23/06 – 99/78 – Ziffer 1.4 – wird er in die Vergütungsgruppe IV a BAT eingereiht.

§ 2

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen.”

Der Kläger wurde zunächst in verschiedenen Grund- und Hauptschulen eingesetzt. Mit dem Beginn des Schuljahres 1982/1983 wurde er mit seiner Zustimmung an die Gesamtschule … in G. versetzt. Dort unterrichtet er seither überwiegend in den Klassen 7 bis 10, darunter auch Türkisch im Wahlpflichtbereich für türkische Schüler anstelle einer zweiten Fremdsprache. Er ist unverändert in VergGr. IV a BAT eingruppiert. Ein mit Schreiben vom 29. Oktober 1985 unter Berufung auf Ziffer 7.2 des Erlasses des Kultusministers vom 9. November 1979 – ZB 1/2-23/06 – 1031/79 gestellter Antrag auf Eingruppierung „in eine höhere Gehaltsstufe” blieb erfolglos.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe Vergütung nach VergGr. II a BAT zu. Dies ergebe sich aus Ziffer 7.2 i.V.m. 2.2 des in § 1 des Arbeitsvertrages in Bezug genommenen und späterer inhaltsgleicher Erlasse (Nichterfüllererlasse), die Vertragsinhalt geworden seien. Er habe nämlich ein abgeschlossenes Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule, aufgrund dieses Studiums die Fähigkeit zum Unterricht in zwei Fächern, und zwar Deutsch und Türkisch, erteile auch überwiegend Unterricht im Wahlpflichtfach Türkisch und habe sich sechs Jahre bewährt. Zumindest sei er nach dem Erlaß aber nach VergGr. III BAT zu vergüten.

Selbst wenn der Erlaß nicht Vertragsinhalt geworden sein sollte, ergebe sich die begehrte Höhergruppierung aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Das beklagte Land habe nämlich verschiedene andere türkische Lehrer, deren Ausbildung nicht höherwertig sei als seine, nach VergGr. II a oder III BAT vergütet. Hierzu hat er eine Reihe von Lehrern namentlich aufgeführt. Weiter hat der Kläger darauf verwiesen, daß eine ganze Anzahl türkischer Lehrer, die eine geringere Qualifikation aufwiesen als er, ebenfalls nach VergGr. IV a BAT vergütet würden. Er werde überdies auch gegenüber deutschen Lehrern benachteiligt, denn diese würden bei gleichartiger und gleichwertiger Tätigkeit höher vergütet als er.

Hilfsweise hat der Kläger die Auffassung vertreten, daß er, wenn ihm wegen angeblich mangelnder Qualifikation eine Höhergruppierung verwehrt werde, auch nicht verpflichtet sein könne, im Wahlpflichtbereich Türkisch zu unterrichten.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

  1. festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, ihn für die Zeit vom 1. November 1985 bis zum 10. Oktober 1991 entsprechend der VergGr. II a BAT zu vergüten;
  2. hilfsweise festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, ihn für die Zeit vom 1. November 1985 bis zum 10. Oktober 1991 entsprechend der VergGr. III BAT zu vergüten;
  3. hilfsweise festzustellen, daß er nicht verpflichtet ist. Stunden im Wahlpflichtbereich Türkisch anstelle einer zweiten Fremdsprache zu unterrichten, und daß er nicht verpflichtet ist, Vertretungsunterricht in Klassen mit deutschen Schülern zu erteilen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hat geltend gemacht, der Nichterfüllererlaß sei nicht Vertragsinhalt geworden. Selbst wenn dies aber der Fall wäre, seien die Voraussetzungen für eine Höhergruppierung nicht erfüllt. Es fehle dem Kläger nämlich an einer wissenschaftlichen Hochschulausbildung, auch habe er Türkisch nur als Nebenfach studiert. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ergebe sich auch nicht aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz, denn das beklagte Land vergüte vergleichbare türkische Lehrer, von Einzelfällen abgesehen, nicht besser als den Kläger. Das beklagte Land meint auch, mit Lehrern deutscher Ausbildung könne sich der Kläger wegen der insoweit bestehenden grundlegenden Unterschiede nicht vergleichen. Zur Unterrichtserteilung im Fach Türkisch sei er ungeachtet seiner Eingruppierung verpflichtet, da dies im Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat zu den vom Kläger angeführten Vergleichsfällen festgestellt, daß diese türkischen Lehrer entweder über eine vom Land als gleichwertig anerkannte wissenschaftliche Ausbildung, den Abschluß eines Studiums an einer deutschen pädagogischen Hochschule oder ein zweites Staatsexamen verfügten oder daß der Eingruppierung im Einzelfall besondere Umstände Zugrundelegen wie die Einstellung als Gymnasiallehrer, ein gerichtlicher Vergleich oder ein auf eine besondere Qualifikation abstellendes Gerichtsurteil. Das Landesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 10. Oktober 1991, den Parteien zugestellt am 13. August 1992, die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter. Das beklagte Land beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf § 72 Abs. 5 ArbGG i.V.m. § 551 Nr. 7 ZPO, wonach das Fehlen der Urteilsgründe ein absoluter Revisionsgrund ist. Zwar ist das mit Gründen versehene Urteil des Landesarbeitsgerichts den Parteien erst mehr als zehn Monate nach der Verkündung zugestellt worden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die der Senat erst kürzlich in seinem Urteil vom 11. November 1992 (– 4 AZR 83/92 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, zu I der Gründe, m.w.N.) wieder bestätigt hat, ist ein Urteil erst dann ohne weiteres als nicht mit Gründen versehen zu betrachten, wenn zwischen seiner Verkündung und der Zustellung mehr als ein Jahr liegt. Ist die Zeitspanne dagegen – wie im vorliegenden Fall – kürzer, so müssen besondere Umstände hinzutreten, aus denen sich ergibt, daß die Entscheidungsgründe nicht das eigentliche Beratungsergebnis wiedergeben. Solche Umstände sind hier weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

II. Auch im übrigen hält das Urteil des Landesarbeitsgerichts der revisionsgerichtlichen Überprüfung stand. Der Kläger kann weder die Höhergruppierung in VergGr. II a oder III BAT noch die Feststellung verlangen, daß er nicht zur Erteilung von Unterricht im Wahlpflichtbereich Türkisch sowie zur Vertretung in Klassen mit deutschen Schülern verpflichtet sei.

1. Die Feststellungsanträge zu 1. und 2. sind zulässig. Es handelt sich hierbei um im öffentlichen Dienst allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklagen, bei denen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats das nach § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere rechtliche Interesse an der Feststellung unbedenklich zu bejahen ist. Dies gilt auch dann, wenn wie im vorliegenden Fall der Feststellungsantrag auf einen mit der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht abgeschlossenen Zeitraum beschränkt ist. Mit dem begehrten Feststellungsurteil wird nämlich für die Vergangenheit der Status des Klägers bestimmt, der über die im streitbefangenen Zeitraum zu leistende Vergütung hinaus auch für die Zukunft Bedeutung haben kann, etwa bei der Anrechnung von Beschäftigungszeiten (Urteil des Senats vom 19. März 1986 – 4 AZR 470/84 – AP Nr. 114 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

2. Die Feststellungsanträge zu 1. und 2. sind aber nicht begründet.

a) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß der Kläger sein Begehren nicht auf die Anlage 1 a zum BAT stützen kann, dessen Anwendung auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien vereinbart ist. Der Kläger ist nämlich Lehrkraft i.S.v. Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen der Anlage 1 a zum BAT und damit von der in dieser Anlage enthaltenen Vergütungsordnung ausgenommen.

b) Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, daß der Kläger aus dem in § 1 seines Arbeitsvertrages in Bezug genommenen sowie dem diesen ersetzenden Erlaß des Kultusministers des beklagten Landes vom 20. November 1981 (GABl. NW 1982, 7 ff. – Nichterfüllererlasse –) keinen Anspruch auf Höhergruppierung herleiten kann.

aa) Zunächst ist dem Berufungsgericht darin zuzustimmen, daß die Nichterfüllererlasse als verwaltungsinterne Anweisungen keine Normwirkungen nach außen und damit für Arbeitsverhältnisse entfalten können. Nur soweit ihre Anwendung von den Parteien vereinbart worden ist, sind sie für den Inhalt des Arbeitsverhältnisses maßgeblich (Senatsurteil vom 18. Mai 1988 – 4 AZR 765/87BAGE 58, 283 = AP Nr. 24 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer).

bb) Das Landesarbeitsgericht hat Zweifel daran geäußert, ob der Nichterfüllererlaß vom 20. November 1981 Vertragsinhalt geworden ist. Die hiergegen gerichteten Rügen des Klägers greifen nicht durch, denn das Berufungsgericht hat diese Frage im Ergebnis dahinstehen lassen und der Prüfung eines Höhergruppierungsanspruchs des Klägers zu seinen Gunsten die Annahme zugrundegelegt, daß der Nichterfüllererlaß in seiner jeweiligen Fassung Vertragsinhalt geworden ist.

cc) Damit kommt es auf folgende Bestimmungen des für den streitbefangenen Zeitraum maßgeblichen Nichterfüllererlasses vom 20. November 1981 (GABl. NW 1982, 7 ff.) an:

1. Lehrer an Grundschulen oder Hauptschulen

1.3 Ausländische Lehrer

Vergütungsgruppe des BAT

mit voller Lehrbefähigung nach dem Recht ihres Heimatlandes, die Gastarbeiterkinder unterrichten

IV b

nach mindestens sechsjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit und in dieser Vergütungsgruppe

IV a

(Auf die Bewährungszeit können Zeiten einer Tätigkeit im Schuldienst des Heimatlandes angerechnet werden.)

2. Lehrer an Realschulen

2.2 Lehrer in der Tätigkeit von Realschullehrern

mit abgeschlossenem Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule,

die aufgrund ihres Studiums die Fähigkeit zum Unterrichten in mindestens zwei Fächern haben und die überwiegend Unterricht in mindestens einem ihrem Studium entsprechenden Fach erteilen

III

nach mindestens sechsjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit und in dieser Vergütungsgruppe

II a

2.3 Lehrer in der Tätigkeit von Realschullehrern mit Erster Staatsprüfung für das Lehramt der Sekundarstufe I.

IV a

nach mindestens sechsjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit und in dieser Vergütungsgruppe

III

2.4 Lehrer in der Tätigkeit von Realschullehrern

mit abgeschlossenem Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule,

die überwiegend Unterricht in mindestens einem ihrem Studium entsprechenden wissenschaftlichen Fach erteilen

IV a

nach mindestens sechsjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit und in dieser Vergütungsgruppe

III

2.5 Lehrer in der Tätigkeit von Realschullehrern

ohne Ausbildung nach den Fallgruppen 2.2, 2.3 oder 2.4 mit anderweitiger Ausbildung,

die überwiegend Unterricht in einem wissenschaftlichen Fach erteilen

IV b

nach mindestens sechsjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit und in dieser Vergütungsgruppe

IV a

7. Lehrer an integrierten Gesamtschulen

7.2 Lehrer, die überwiegend in den Klassen (Jahrgangs stufen) 7 bis 10 unterrichten, werden wie die entsprechenden Lehrer an Realschulen eingruppiert.

9. Gemeinsame Bestimmungen

9.1 Für die Auslegung des Begriffs „abgeschlossenes Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule” gilt die Protokollnotiz Nr. 1 zu Teil I der Anlage 1 a zum BAT. Abweichend hiervon gilt die Erste Staatsprüfung für ein schulform- oder schulstufenbezogenes Lehramt, für das eine Mindeststudienzeit von sechs Semestern vorgeschrieben ist, ebenfalls als Nachweis des abgeschlossenen Studiums an einer wissenschaftlichen Hochschule. Als abgeschlossenes Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule gilt auch ein abgeschlossenes Studium an einer ausländischen wissenschaftlichen Hochschule, das als gleichwertig anerkannt wird. Hierzu ist mir in jedem Einzelfall unter Beifügung der Studiennachweise ein begründeter Entscheidungsvorschlag vorzulegen.

Die in Ziffer 9.1 des Erlasses in Bezug genommene Protokollnotiz lautet wie folgt:

Wissenschaftliche Hochschulen sind Universitäten, technische Hochschulen sowie andere Hochschulen, die nach Landesrecht als wissenschaftliche Hochschulen anerkannt sind.

Eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung setzt voraus, daß die Abschlußprüfung in einem Studiengang abgelegt wird, der seinerseits mindestens das Zeugnis der Hochschulreife (allgemeine Hochschulreife oder einschlägige fachgebundene Hochschulreife) als Zugangsvoraussetzung erfordert, und für den Abschluß eine Mindeststudienzeit von mehr als sechs Semestern – ohne etwaige Praxissemester, Prüfungssemester o. ä. – vorgeschrieben ist.

dd) Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in VergGr. II a oder III BAT nach Ziffer 2.2 des Erlasses. Zwar ist er i.S. dieser Bestimmung als Lehrer in der Tätigkeit von Realschullehrern anzusehen, da er an einer Gesamtschule überwiegend in den Klassen 7 bis 10 unterrichtet (Ziffer 7.2 des Erlasses). Er kann aber das in Ziffer 2.2 geforderte abgeschlossene Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule nicht aufweisen. Die Ausbildung des Klägers erfüllt nämlich nicht die in Ziffer 9.1 des Erlasses insoweit aufgestellten Voraussetzungen. Eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung setzt nach der Protokollnotiz Nr. 1 zu Teil I der Anlage 1 a zum BAT nämlich voraus, daß dem Studienabschluß eine Mindeststudienzeit von mehr als sechs Semestern vorausgehen muß. Der Kläger hat aber nur ein sechssemestriges Studium absolviert. Die Ausbildung des Klägers ist nach den insoweit mit Rügen nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auch weder generell noch auf den Einzelfall bezogen als einer abgeschlossenen wissenschaftlichen Hochschulbildung gleichwertig anerkannt worden.

Zu Unrecht meint der Kläger, das Landesarbeitsgericht hätte Auskünfte türkischer Behörden dazu einholen müssen, daß das „Egitim Enstitüsü” schon zur Zeit seiner Ausbildung eine wissenschaftliche Hochschule gewesen sei. Auf die nach türkischem Recht vorzunehmende Qualifizierung dieses Instituts kommt es für die Auslegung der Ziffer 9.1 des Erlasses, der insoweit auf die Bewertung durch die Behörden des jeweils zuständigen deutschen Bundeslandes abstellt, nicht an.

ee) Auch auf andere Bestimmungen des Erlasses kann der Kläger sein Höhergruppierungsbegehren nicht stützen. So scheitert eine Eingruppierung in VergGr. III BAT nach Ziffer 2.4 des Erlasses ebenfalls am Fehlen eines abgeschlossenen Studiums an einer wissenschaftlichen Hochschule. Eine Eingruppierung in VergGr. III BAT nach Ziffer 2.3 des Erlasses kommt deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger die dort geforderte Erste Staatsprüfung für das Lehramt der Sekundarstufe I nicht abgelegt hat. Mit dieser Prüfung ist nämlich, wie das Landesarbeitsgericht aus den verwendeten Begriffen zutreffend geschlossen hat, die Erste Staatsprüfung nach deutschem Recht gemeint.

Es kann dahinstehen, inwieweit die vom Landesarbeitsgericht zur Bewertung Muttersprachlichen Ergänzungsunterrichts (MEU) angestellten Erwägungen zutreffen. Der vom Landesarbeitsgericht in diesem Zusammenhang angeführte Erlaß vom 4. Oktober 1989 (GABl. NW S. 570) enthält hierzu entgegen den Ausführungen im Berufungsurteil keine Bestimmungen; diese finden sich vielmehr erst in dem für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht einschlägigen Erlaß vom 22. Juni 1992 (GABl. NW I S. 159 ff.). Hierauf kommt es aber für die Entscheidung des Falles nicht an, denn jedenfalls kann nach diesen Bestimmungen auch die Erteilung von MEU allenfalls nach Ziffer 5.3 i.V.m. Ziffer 1.15 des Erlasses zu einer Eingruppierung in VergGr. III BAT führen, wofür aber wieder die – beim Kläger nicht vorhandene – abgeschlossene Ausbildung an einer wissenschaftlichen Hochschule i.S. des Erlasses Voraussetzung ist.

Die mit der Revision erhobene Rüge, das Berufungsgericht habe die gebotene Erörterung der mit dem MEU verbundenen Fragen mit den Parteien unterlassen, geht somit fehl, weil diese Fragen hier dahinstehen können.

c) Der Kläger kann sein Begehren auch nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz stützen.

aa) Nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ist es dem Arbeitgeber verwehrt, einzelne oder Gruppen von Arbeitnehmern ohne sachlichen Grund von allgemein begünstigenden Regelungen im Arbeitsverhältnis auszuschließen und schlechter zu stellen. Dieser Grundsatz gebietet es, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Er ist dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache folgender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die vorgenommene Differenzierung nicht finden läßt, so daß diese als willkürlich anzusehen ist (BAG Urteil vom 27. Juli 1988 – 5 AZR 244/87 – AP Nr. 83 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu II 1 der Gründe, m.w.N.).

Im Bereich der Vergütung ist dieser Gleichbehandlungsgrundsatz allerdings nur beschränkt anwendbar, weil der Grundsatz der Vertragsfreiheit für einzelvertraglich vereinbarte Löhne und Gehälter Vorrang hat. So kann der Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer besserstellen, ohne daß andere die Gleichbehandlung mit diesen Arbeitnehmern verlangen könnten. Wenn der Arbeitgeber dagegen die Leistungen nach einem erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, können Arbeitnehmer daraus einen Anspruch auf Gleichbehandlung herleiten (BAG, a.a.O.).

bb) Das Landesarbeitsgericht hat zunächst zutreffend angenommen, daß eine gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßende Benachteiligung des Klägers gegenüber deutschen Lehrern nicht vorliege. Insoweit bestehende Unterschiede in der Vergütung beruhen nämlich nach den vom Kläger in Anspruch genommenen Bestimmungen des Abschnitts 2 des Nichterfüllererlasses nicht auf der Staatsangehörigkeit, sondern auf der Art der Ausbildung (abgeschlossenes Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule). Dies ist ein sachlicher Grund, der die gesamte Vergütungspraxis des öffentlichen Dienstes prägt. Gegen die Zulässigkeit einer Eingruppierungsregelung, welche die Höhe der Vergütung von einer bestimmten Ausbildung abhängig macht und für die gleichartige Tätigkeit bei anderweitiger Ausbildung nur eine niedrigere Vergütung vorsieht, bestehen daher nach der Senatsrechtsprechung keine Bedenken (Urteil vom 16. September 1987 – 4 AZR 207/87 – ZTR 1988, 216).

Soweit der Kläger darüber hinaus geltend gemacht hat, angestellte deutsche Lehrer an Gesamtschulen seien abweichend vom Nichterfüllererlaß ohne Rücksicht auf ihre Qualifikation besser vergütet worden, ist dem Landesarbeitsgericht darin zu folgen, daß diese pauschale Behauptung vom Kläger nicht hinreichend substantiiert worden ist. Da der Erlaß des Kultusministers die nachgeordneten Behörden bindet, begründet er eine Vermutung dafür, daß er von diesen im Regelfall auch befolgt wird und Eingruppierungen seinen Bestimmungen entsprechen. Zur Erschütterung dieser Vermutung hätte der Kläger konkrete Einzelfälle dartun müssen, in denen deutsche Lehrer an Gesamtschulen besser als im Erlaß vorgesehen vergütet werden. Das hat er aber nicht getan. Daher rügt er zu Unrecht, daß das Landesarbeitsgericht insoweit keinen Beweis erhoben hat.

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend gemacht hat, daß für den Zugang zur Lehrtätigkeit zwischen einer nach türkischem und einer nach deutschem Recht erworbenen Lehrbefähigung kein Unterschied gemacht worden sei, liegt dies neben der Sache, denn für die Eingruppierung gelten andere Voraussetzungen als für den Zugang zur Lehrtätigkeit. So ist in Ziffer 7.2 i.V.m. 2.5 des Erlasses ausdrücklich der Fall geregelt, daß ein Lehrer in der Sekundarstufe I an der Gesamtschule unterrichtet, ohne ein abgeschlossenes Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule aufzuweisen. Damit ist in dem Erlaß vorausgesetzt, daß gleichartige Tätigkeiten mit und ohne wissenschaftliche Hochschulbildung ausgeübt werden können.

cc) Das Landesarbeitsgericht hat auch in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise erkannt, daß das beklagte Land dem Kläger gegenüber im Verhältnis zu anderen türkischen Lehrern den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt hat.

Soweit der Kläger seine Benachteiligung darin sieht, daß weniger qualifizierte Kollegen nach derselben VergGr. IV a BAT wie er vergütet werden, ist dies unerheblich. Selbst wenn nämlich diese Vergütung seiner Kollegen mit dem Erlaß nicht vereinbar sein sollte – was keineswegs zwingende Folge einer geringeren Qualifikation sein muß –, könnte der Kläger daraus keinen Anspruch auf eine bestimmte höhere, im Erlaß für ihn nicht vorgesehene Vergütung ableiten. Daher kommt es entgegen der Auffassung der Revision nicht darauf an, ob das beklagte Land die hierzu vom Landesarbeitsgericht erbetenen Auskünfte vollständig erteilt hat oder nicht.

Soweit dagegen der Kläger seine Benachteiligung darin sieht, daß andere, in VergGr. II a oder III BAT eingereihte türkische Kollegen höher bezahlt werden als er, ist nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit den Senat nach § 72 Abs. 5 ArbGG i.V.m. § 561 ZPO bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts davon auszugehen, daß in der überwiegenden Zahl der Fälle aufgrund der Ausbildung der Betroffenen, in einem Fall wegen des Einsatzes an einem Gymnasium, nach dem Erlaß die Voraussetzungen für die höhere Eingruppierung vorliegen. Soweit in den verbleibenden Einzel fällen die Eingruppierung möglicherweise nicht dem Erlaß entspricht, liegt hierin keine generell vom Erlaß abweichende Handhabung, die der Kläger unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz auch für sich fordern könnte.

3. Unbegründet ist auch der zweite Hilfsantrag des Klägers. Er ist verpflichtet, Unterricht im Wahlpflichtfach Türkisch zu erteilen und in Klassen mit deutschen Schülern zu vertreten.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger seit seiner Versetzung an die Gesamtschule im Jahr 1982, mit der er sich einverstanden erklärt hatte, Türkisch als Wahlpflichtfach in Klassen der Sekundarstufe I unterrichtet. Die Vorinstanzen haben angenommen, daß damit in Abänderung des ursprünglichen Arbeitsvertrages die Verpflichtung zur Erteilung dieses Unterrichts Vertragsinhalt geworden sei. Daß diese Vertragsänderung nicht zu einer Änderung der Eingruppierung des Klägers geführt hat, haben sie als unerheblich angesehen.

Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Den Vorinstanzen ist darin zu folgen, daß die in § 4 BAT enthaltenen Bestimmungen über die Schriftform des Arbeitsvertrages und von Nebenabreden der Wirksamkeit einer konkludent getroffenen Vereinbarung über die Verpflichtung des Klägers zur Erteilung von Unterricht nicht entgegenstehen. Die Schriftform ist nämlich nur bei Nebenabreden Voraussetzung für deren Wirksamkeit (§ 4 Abs. 2 BAT), während Vereinbarungen über die Hauptpflichten nach § 4 Abs. 1 BAT in ihrer Wirksamkeit nicht von der Wahrung der dort vorgeschriebenen Schriftform abhängen (so die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. Urteil vom 18. März 1981 – 5 AZR 1096/78 – AP Nr. 2 zu § 611 BGB Arbeitsleistung, zu 1 c der Gründe). Die Vereinbarung über die Art des zu erteilenden Unterrichts betrifft die Hauptpflicht des Arbeitnehmers, nämlich seine Arbeitsleistung, und ist daher dem unter § 4 Abs. 1 BAT fallenden Kern des Arbeitsverhältnisses zuzuordnen (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 1986 – 4 AZR 556/83BAGE 52, 33, 39 f. = AP Nr. 12 zu § 4 BAT, zu 2 der Gründe).

Die Feststellung einer von den Parteien stillschweigend vorgenommenen Änderung des Arbeitsvertrages in dem Sinne, daß der Kläger zur Erteilung von Unterricht in Türkisch als Wahlpflichtfach verpflichtet sein sollte, ist Sache der Tatsacheninstanzen. Das Revisionsgericht kann die Auslegung solcher individuellen atypischen Willenserklärungen nur daraufhin überprüfen, ob sie gegen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze der §§ 133 und 157 BGB, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt oder wegen Außerachtlassung wesentlicher Umstände offensichtlich fehlerhaft ist (Senatsurteil vom 9. Dezember 1981 – 4 AZR 312/79BAGE 37, 228 = AP Nr. 8 zu § 4 BAT). Solche Verstöße sind hier nicht ersichtlich. Insbesondere läßt entgegen der Revision die Annahme der Vorinstanzen, angesichts der jahrelangen vorbehaltlosen Erteilung von Türkischunterricht im Wahlpflichtbereich sei diese Unterrichtsverpflichtung nicht von einer Höhergruppierung des Klägers abhängig gemacht worden, keine Rechtsfehler erkennen.

b) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht auch entschieden, daß der Kläger zur Erteilung von Vertretungsunterricht verpflichtet ist. Aus der Anstellung des Klägers als „Lehrer im Angestelltenverhältnis” ergibt sich nach dem Arbeitsvertrag nicht nur die Verpflichtung, die dort vereinbarten Unterrichtsstunden zu erteilen. Darüber hinaus umfaßt seine arbeitsvertragliche Verpflichtung vielmehr auch alle Dienstleistungen, die üblicherweise mit der Aufgabenstellung eines Lehrers an einer allgemeinbildenden Schule verbunden sind (BAGE 48, 327, 333 f. = AP Nr. 48 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten, zu II 2 b der Gründe). Hierzu gehört nach allgemeiner Übung auch die gelegentliche Erteilung von vertretungsweisem Unterricht, selbst wenn der Lehrer in diesen Klassen sonst nicht zu unterrichten hat.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Schneider, Dr. Wißmann, Hauk, Müller-Tessmann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1079610

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