Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausbildungskosten. Rückzahlungsvereinbarung

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 20.09.1991; Aktenzeichen 10 Sa 232/91)

ArbG Hamm (Urteil vom 17.01.1991; Aktenzeichen 4 Ca 471/90)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 20. September 1991 – 10 Sa 232/91 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rückzahlung von Fortbildungskosten.

Die Beklagte war in der Zeit vom l. September 1978 bis zum 31. Dezember 1989 bei dem Kläger als Krankenschwester beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch eigene Kündigung der Beklagten.

Vom l. Januar 1987 bis zum 31. Dezember 1988 nahm die Beklagte an einem berufsbegleitenden Seminar zur „Fachschwester für Anästhesie und Intensivmedizin” am … Hospital in N

teil. Dafür gewährte der Kläger der Beklagten während des dreiwöchigen Praktikums sechs Tage Fortbildungsurlaub für das Jahr 1987, außerdem sechs Tage Fortbildungsurlaub für das Jahr 1988 im Vorgriff sowie weitere sechs Tage Fortbildungsurlaub für das Jahr 1989 im Vorgriff. Außerdem wurde die Beklagte für den jeweils freitags stattfindenden theoretischen Unterricht vom Dienst freigestellt (bei Frühdienst drei Stunden und bei Spätdienst vier Stunden). Die Lehrgangsgebühren und Reisekosten wurden von dem Kläger nicht übernommen. In diesem Zusammenhang haben die Parteien vereinbart, daß die Beklagte nicht vor dem 31. Dezember 1991 aus dem Dienstverhältnis ausscheidet. Im Falle einer Beendigung des Dienstverhältnisses zum 31. Dezember 1989 sollte die Beklagte zwei Drittel und bei Ausscheiden zum 31. Dezember 1990 ein Drittel der Kosten, die dem Kläger durch die vorstehende Regelung entstanden sind, übernehmen.

Der Kläger fordert in diesem Rechtsstreit zwei Drittel der Kosten, die nach seiner Behauptung durch die Freistellung der Beklagten für den Lehrgang entstanden sind. Dafür errechnet er einen Gesamtbetrag von 4.101,12 DM und macht davon 2.734,08 DM geltend.

Der Kläger hat dazu die Ansicht vertreten, durch diese Zusatzausbildung habe die Beklagte ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt gesteigert, denn eine neue Regelung der Vergütungsgruppen für Mitarbeiter im Pflegedienst bei dem Kläger sehe eine Eingruppierung von Krankenschwestern/Pflegern mit erfolgreich abgeschlossener Weiterbildung für den Anästhesiedienst in die Vergütungsgruppe KR 5a vor, während in die Vergütungsgruppe KR 5 Ziff. 3 u.a. Krankenschwestern/Pfleger, die im Operationsdienst als Operationsschwester/Pfleger oder als Anästhesieschwester/Pfleger tätig seien, einzugruppieren seien. Der Kläger hat behauptet, er habe mit der Beklagten noch vor Beginn der Fortbildungsmaßnahme alle Einzelheiten der Rückzahlungsvereinbarung besprochen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.734,08 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 11. April 1990 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und hat bestritten, durch die Fortbildung berufliche Vorteile erlangt zu haben, wie sich bereits daraus ergebe, daß sie bei einer internen Bewerbung für eine entsprechende Tätigkeit von dem Kläger nicht berücksichtigt worden sei. Allein durch ihre langjährige Tätigkeit als Anästhesieschwester könne sie die auf dem Arbeitsmarkt geforderte Erfahrung nachweisen. Eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe KR 5a erfolge auch dann, wenn eine Krankenschwester bereits über vier Jahre Berufserfahrung in der Anästhesie verfüge. Das treffe auf sie zu. Die Rückzahlungsvereinbarung sei erst nach Beginn der Ausbildung mit ihr besprochen und abgeschlossen worden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung dagegen zurückgewiesen. Der Kläger verfolgt mit der Revision sein Klageziel weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die Fortbildung der Beklagten zwar neue Kenntnisse insbesondere auf dem Gebiete der Intensivmedizin vermittelt. Allerdings könne es zweifelhaft sein, ob die bezahlte Freistellung von insgesamt 162 Stunden – also vier bis fünf Wochen – in zwei Jahren eine dreijährige Bindung rechtfertigen könne. Eine übermäßige Bindung müsse allerdings auf ein angemessenes Maß zurückgeführt werden. Die Beklagte sei bereits ein Jahr nach Ende der Fortbildung ausgeschieden. Das könne aber letztlich dahingestellt bleiben, weil die Rückzahlungsvereinbarung aus anderen Gründen unwirksam sei:

Der Kläger habe nicht dargelegt, aus welchen Gründen er der Beklagten die Teilnahme an der Fortbildung – für die sie Lehrgangsgebühren und Reisekosten selbst zu tragen hatte – überhaupt ermöglicht habe. Außerdem sei die Rückzahlungsvereinbarung deswegen nicht wirksam, weil sie „erst nach Beginn der Fortbildung abgeschlossen worden ist. Eine mündliche Verpflichtung der Beklagten, bevor diese den Lehrgang angetreten hatte, hat der Kläger nicht bewiesen”.

II. Bereits die letztgenannte Feststellung des Landesarbeitsgerichts reicht aus, um daraus die Rechtsunwirksamkeit der Rückzahlungsvereinbarung abzuleiten.

Diese tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Revision mit prozessualen Rügen nicht wirksam angegriffen. Der Kläger gibt in der Revisionsschrift nur eine zum Teil abweichende Sachverhaltsdarstellung, die revisionsrechtlich nicht beachtlich ist. In diesem Zusammenhang führt er aus, die Beklagte sei sich im Hinblick auf vorher durchgeführte Weiterbildungsmaßnahmen darüber im klaren gewesen, daß auch für die hier erneute Weiterbildungsmaßnahme „in gleicher Weise eine Vertragsbindung der unterzeichneten Art einzugehen war”. Es seien lediglich verwaltungstechnische Gründe gewesen, die dazu geführt hätten, daß die Rückzahlungsvereinbarung nicht schon am Tage der mündlichen Besprechung/Vereinbarung mit dem Zeugen Pander zur Unterschrift bereitgelegen habe. Beide Parteien hätten die Unterzeichnung dieser Vereinbarung nur noch als Formalität angesehen.

Dieser Sachvortrag ändert nichts an der Feststellung des Landesarbeitsgerichts, daß die Rückzahlungsvereinbarung erst einige Zeit nach Beginn der Ausbildungsmaßnahme unterzeichnet worden ist. Das ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht zulässig und führt zur Unwirksamkeit der Ruckzahlungsvereinbarung. Das gilt zumindest seit dem Urteil des erkennenden Senats vom 19. März 1980 (– 5 AZR 362/78 – AP Nr. 5 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe). Danach muß der Arbeitnehmer auf alle Folgen, die sich für ihn aus dem Abschluß einer solchen Vereinbarung ergeben, zu Beginn der vereinbarten Ausbildung klar und unmißverständlich hingewiesen werden. Daran fehlt es im Streitfall.

III. Unter diesen Umständen kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger im Streitfall dargelegt und bewiesen hat, daß außerhalb seines eigenen Betriebes Bedarf nach derart ausgebildeten Arbeitskräften besteht und die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten sowie die Verdienstchancen für die Beklagte durch die vom Kläger finanzierte Aus- oder Fortbildung gesteigert worden sind (u.a. BAGE 28, 159, 167 und nochmals bestätigend und zusammenfassend Senatsurteil vom 24. Juli 1991 – 5 AZR 443/90 – EzA § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 8). Die Darlegung des Klägers, daß er einer in dieser Weise ausgebildeten Krankenschwester eine höhere Vergütung zubillige, sagt noch nichts darüber aus, welche beruflichen Entwicklungschancen damit außerhalb des eigenen Betriebes eröffnet worden sind. Es kann unter diesen Umständen weiter dahingestellt bleiben, ob die bezahlte Freistellung in einem angemessenen Verhältnis zur dreijährigen Bindung steht. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht schon daran Zweifel erkennen lassen.

 

Unterschriften

Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog, Dr. Koffka, Schütters

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1079617

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