Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung einer Sonderschullehrerin

 

Leitsatz (redaktionell)

Sonderschullehrerin mit pädagogischer Fachschulausbildung und einem zweijährigen Fernstudium an der Humboldt-Universität zu Berlin in der Fachrichtung der Pädagogik der Hörgeschädigten mit der Berufsbezeichnung „Lehrer für Hörgeschädigte”; Fortsetzung der Rechtsprechung des Senats zuletzt aus dem Urteil vom 19. Dezember 1996 – 6 AZR 595/95 – (nicht veröffentlicht).

 

Normenkette

BAT §§ 22, 23 Lehrer; BAT-O § 11 S. 2; Änderungstarifvertrag Nr. 1 zum BAT-O § 2 Nr. 3

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 21.06.1995; Aktenzeichen 10 Sa 653/94)

ArbG Dresden (Urteil vom 24.02.1994; Aktenzeichen 5 Ca 3117/93)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 21. Juni 1995 – 10 Sa 653/94 – aufgehoben.

2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 24. Februar 1994 – 5 Ca 3117/93 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.

Die Klägerin erwarb am 2. Juli 1976 am Institut für Lehrerbildung Löbau den Fachschulabschluß und damit die Lehrbefähigung für den Unterricht in den unteren Klassen der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule. Seit dem Jahre 1979 erteilt sie Unterricht an einer Schwerhörigenschule. Nach einem Fernstudium an der Humboldt-Universität zu Berlin in der Zeit vom 1. September 1989 bis zum 19. Juli 1991 in der Studienrichtung „Pädagogik der Hörgeschädigten” erwarb sie die Berechtigung, die Berufsbezeichnung „Lehrerin für Hörgeschädigte” zu führen.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit und arbeitsvertraglicher Vereinbarung der BAT-O Anwendung. Nach § 3 des Arbeitsvertrages vom 17. September 1991 gilt für die Eingruppierung der zutreffende Abschnitt der Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) für die von der Anlage 1 a nicht erfaßten Angestellten, die unter den Geltungsbereich des BAT-O fallen, in der jeweiligen Fassung. Danach wurde die Klägerin in VergGr. IV a BAT-O eingruppiert.

Mit Schreiben vom 1. Dezember 1992 wurde der Klägerin mitgeteilt, daß sie ab 1. Januar 1993 Vergütung nach VergGr. IV b BAT-O erhalte. Seit dem 1. Juli 1995 ist die Klägerin wiederum in VergGr. IV a BAT-O eingruppiert.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe auch in der Zeit vom 1. Januar 1993 bis zum 30. Juni 1995 Vergütung nach VergGr. IV a BAT-O zu. Aufgrund der tariflichen Bestimmungen richte sich die Eingruppierung nach der Zweiten Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach der Herstellung der Einheit Deutschlands (2. BesÜV) vom 21. Juni 1991. Danach erfülle sie die Voraussetzungen für eine Einstufung in die Besoldungsgruppe A 11, die der VergGr. IV a BAT-O entspreche. Sie sei Lehrerin im Unterricht an einer Sonderschule und verfüge über eine abgeschlossene pädagogische Fachschulausbildung sowie über ein für das Lehramt geeignetes wissenschaftliches Hochschulstudium von mindestens zwei Studienjahren. Damit seien auch die Anforderungen der VergGr. IV a Fallgruppe 6 der TdL-Richtlinien erfüllt.

Im übrigen sei die Rückgruppierung von VergGr. IV a BAT-O nach VergGr. IV b BAT-O mangels Beteiligung des Personalrates unwirksam gewesen.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, sie ab 1. Januar 1993 nach der VergGr. IV a BAT-O zu vergüten.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen für eine Vergütung nach VergGr. IV a BAT-O. Sowohl nach der 2. BesÜV als auch nach den TdL-Richtlinien sei Voraussetzung für eine Vergütung nach dieser Vergütungsgruppe ein mindestens zweijähriges Direktstudium. Ein zweijähriges Fernstudium reiche nicht aus.

Auch der Umstand, daß die Klägerin eine mehr als achtjährige Lehrtätigkeit zurückgelegt habe, führe nicht zu einer Vergütung nach VergGr. IV a BAT-O, da für vergleichbare beamtete Lehrer Beförderungsstellen nach Besoldungsgruppe A 11 im Haushalt nicht ausgewiesen worden seien.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt der Beklagte weiterhin Klageabweisung. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des berufungsgerichtlichen Urteils und unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zur Klageabweisung. Der Klägerin steht für die Zeit vom 1. Januar 1993 bis 30. Juni 1995 ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a BAT-O nicht zu. Für die Zeit ab 1. Juli 1995 ist die Klage unzulässig.

I. Die Klage ist für die Zeit ab 1. Juli 1995 unzulässig, da das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse weggefallen ist, nachdem die Klägerin seit diesem Zeitpunkt Vergütung nach VergGr. IV a BAT-O erhält.

II. Die Klage ist für die Zeit vom 1. Januar 1993 bis zum 30. Juni 1995 unbegründet. Die Klägerin hat weder nach den aufgrund der tariflichen Bestimmungen anzuwendenden Vorschriften der 2. BesÜV noch nach den arbeitsvertraglich vereinbarten TdL-Richtlinien einen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a BAT-O.

1. Auf das Arbeitsverhältnis finden aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung der BAT-O und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung. Damit gelten für die Eingruppierung der Klägerin folgende Bestimmungen:

a) § 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O vom 8. Mai 1991

3. die Anlage 1 a ist, soweit sie keine besonderen Tätigkeitsmerkmale enthält, nicht auf Angestellte anzuwenden, die

als Lehrkräfte, auch wenn sie nicht unter die SR 2 1 I fallen,

beschäftigt sind. Diese Angestellten sind – gegebenenfalls nach näherer Maßgabe von Richtlinien – in der Vergütungsgruppe eingruppiert, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher der Angestellte eingestuft wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde. …

b) Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte (SR 2 1 I BAT-O)

Nr. 1

Zu §§ 1 und 2 – Geltungsbereich –

Diese Sonderregelungen gelten für Angestellte als Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen und berufsbildenden Schulen (Berufs-, Berufsfach- und Fachschulen)

Protokollnotiz:

Lehrkräfte im Sinne dieser Sonderregelungen sind Personen, bei denen die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebes der Tätigkeit das Gepräge gibt.

Nr. 3 a

Zu §§ 23 bis 25 – Eingruppierung –

Die Lehrkräfte werden nach § 11 Satz 2 in die Vergütungsgruppen eingruppiert, die sich bei Anwendung der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung ergeben.

Soweit in der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung Ämter für entsprechende Lehrkräfte nicht ausgebracht sind, ist die Vergütung unter Berücksichtigung der Ausbildung der Lehrkraft auf der Grundlage der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung arbeitsvertraglich zu regeln.

c) Zweite Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach der Herstellung der Einheit Deutschlands (2. BesÜV) vom 21. Juni 1991 (BGBl I S. 1345)

§ 7

Besoldungsordnungen

(1) Für Beamte an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen sowie an Sonderschulen gilt ergänzend Anlage 1 dieser Verordnung. …

Anlage 1

Besoldungsgruppe A 11

Lehrer 1) 2)

– als Lehrer im Unterricht an einer Sonderschule –

Lehrer 3) 6)

– als Lehrer im Unterricht an einer Sonderschule –

1) Mit abgeschlossener pädagogischer Fachschulausbildung.

2) In diese Besoldungsgruppe können nur Lehrer eingestuft werden, die nach Abschluß der Fachschulausbildung eine achtjährige Lehrtätigkeit oder eine dreijährige Dienstzeit seit Anstellung als Lehrer in der Besoldungsgruppe A 10 verbracht haben; § 2 Abs. 2 u. 3 gilt entsprechend.

3) Als Eingangsamt.

6) Mit abgeschlossener pädagogischer Fachschulausbildung und einem für das Lehramt geeigneten wissenschaftlichen Hochschulstudium von mindestens zwei Studienjahren.

2. Die Klägerin ist Lehrkraft i.S. der tariflichen Bestimmungen, da sie an einer Sonderschule des beklagten Landes Kenntnisse und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebes vermittelt. Deshalb ist für ihre Eingruppierung nach § 2 Nr. 3 Satz 1 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 die Anlage 1 a zum BAT-O nicht anzuwenden.

a) Die Eingruppierung erfolgt gem. § 2 Nr. 3 Satz 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 vielmehr in die Vergütungsgruppe, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher der Angestellte eingruppiert wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde. Dabei verweisen die Tarifvertragsparteien in Nr. 3 a Unterabs. 1 SR 2 1 I BAT-O auf die Vorschriften der 2. BesÜV. Diese tarifliche Verweisung auf die beamtenrechtlichen Vorschriften ist zulässig (BAG Urteil vom 24. November 1993 – 4 AZR 16/93 – AP Nr. 1 zu § 2 BAT-O; Urteile vom 13. Juni 1996 – 6 AZR 972/94 – AP Nr. 9 zu § 11 BAT-O und – 6 AZR 858/94 – AP Nr. 45 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

Nach den aufgrund der tariflichen Verweisung anzuwendenden Vorschriften der 2. BesÜV steht der Klägerin ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a BAT-O, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe A 11 entspricht, nicht zu.

b) Die Klägerin erfüllt nicht die Voraussetzungen der Fußnote 6) für eine Einstufung in die Besoldungsgruppe A 11 im Eingangsamt.

Zwar verfügt sie über eine abgeschlossene pädagogische Fachschulausbildung, erteilt Unterricht an einer Sonderschule und hat ein für ihr Lehramt geeignetes wissenschaftliches Hochschulstudium absolviert. Dieses weist jedoch nicht die geforderte Dauer von mindestens zwei Studienjahren i.S. dieser Fußnote auf.

Der Senat hat bereits im Urteil vom 13. Juni 1996 (– 6 AZR 858/94 – AP Nr. 45 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) im einzelnen ausgeführt, daß ein zweijähriges Fernstudium an der Humboldt-Universität zu Berlin in der Fachrichtung der Pädagogik der intellektuell Geschädigten, das zum Abschluß als „Lehrer für intellektuell Geschädigte” führt, die Anforderungen der Fußnote 6) zur Besoldungsgruppe A 11 nicht erfüllt. Diese Rechtsprechung hat der Senat in den Urteilen vom 26. September 1996 (– 6 AZR 261/95 – nicht veröffentlicht), vom 24. Oktober 1996 (– 6 AZR 415/95 – AP Nr. 50 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer), vom 21. November 1996 (– 6 AZR 464/95 – nicht veröffentlicht) und vom 19. Dezember 1996 (– 6 AZR 595/95 – nicht veröffentlicht) bestätigt.

Die Rechtsprechung des Senats beruht im wesentlichen auf der Erwägung, daß der Abschluß als „Lehrer für intellektuell Geschädigte”, wie auch der von der Klägerin erworbene Abschluß als „Lehrerin für Hörgeschädigte”, sowohl durch ein einjähriges Direktstudium als auch durch ein zweijähriges Fernstudium erworben werden konnte. Ein Hochschulabschluß, der auch durch ein einjähriges Studium erworben werden konnte, kann deshalb nicht gemeint sein, wenn der Verordnungsgeber der 2. BesÜV eine wissenschaftliche Hochschulausbildung von mindestens zwei Studienjahren voraussetzt. Zur Begründung im übrigen wird auf die angeführte Rechtsprechung des Senats Bezug genommen.

c) Die Klägerin hat die Voraussetzungen für eine Einstufung in die Besoldungsgruppe A 11 nach der Fußnote 2) im Aufstiegsamt nicht dargelegt.

Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BAG Urteil vom 13. Juni 1996 – 6 AZR 858/94 – AP Nr. 45 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) hätte die Klägerin insoweit über die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen hinaus darlegen müssen, daß sie aufgrund ihrer bisherigen Leistungen für das Beförderungsamt geeignet erschien, eine Planstelle tatsächlich im Haushalt zur Verfügung stand und der Dienstherr sie bei ermessensfehlerfreier Entscheidung in das Beförderungsamt eingestuft hätte.

Ein entsprechender Sachvortrag der Klägerin liegt nicht vor. Im übrigen hat der Beklagte, wie in anderen Rechtsstreitigkeiten auch, unwidersprochen geltend gemacht, daß Beförderungsstellen nach Besoldungsgruppe A 11 im fraglichen Zeitraum im Haushalt nicht ausgewiesen worden seien.

3. Der Klägerin steht auch kein arbeitsvertraglicher Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a BAT-O nach den TdL-Richtlinien in den bis zum 30. Juni 1995 geltenden Fassungen zu.

Die TdL-Richtlinien in der bis zum 30. Juni 1995 geltenden Fassungen erforderten in Fallgruppe 6 der VergGr. IV a BAT-O, ebenso wie die Besoldungsgruppe A 11 der Anl. 1 zur 2. BesÜV, ein für das Lehramt geeignetes Hochschulstudium von mindestens zwei Studienjahren. Diese Voraussetzung kann durch ein zweijähriges Fernstudium, wie ausgeführt wurde, nicht erfüllt werden. Dies wurde im übrigen durch die Einleitung zu Abschnitt E der TdL-Richtlinien in der ab 1. August 1993 geltenden Fassung ausdrücklich klargestellt.

4. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt: BAG Urteil vom 8. August 1996 – 6 AZR 1013/94 – AP Nr. 46 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer) führt der Umstand, daß der Personalrat bei der Rückgruppierung von VergGr. IV b BAT-O nach VergGr. IV a BAT-O nicht beteiligt wurde, nicht zu einem Anspruch auf Fortzahlung der bisherigen Vergütung, wenn die eingruppierungsmäßigen Voraussetzungen dafür nicht vorliegen. Dies hat die Klägerin im Klagezeitraum – wie dargelegt – nicht erfüllt.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Freitag, Dr. Armbrüster, H. Lenßen, Gebert

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1093159

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