Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesamtzusage einer Versorgung und nachfolgender Tarifvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Versorgungsrichtlinien in Form einer Gesamtzusage werden Bestandteil des Arbeitsvertrages.

2. Soll nach den Richtlinien die Berechnung der Versorgung davon abhängen, ob ein Tarifvertrag Teile der Vergütung als ruhegeldfähig bezeichnet, sind die Richtlinien „tarifvertragsoffen”.

3. Die Einführung einer nicht ruhegeldfähigen Zulage in einem Tarifvertrag verstößt jedenfalls dann nicht gegen höherrangiges Recht, wenn mit dieser Regelung einer planwidrigen Überversorgung entgegengewirkt werden soll.

 

Normenkette

BetrAVG § 1 Ablösung

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Urteil vom 06.05.1994; Aktenzeichen 3 Sa 69/93)

ArbG Hamburg (Urteil vom 12.05.1993; Aktenzeichen 11 Ca 123/92)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 6. Mai 1994 – 3 Sa 69/93 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger will festgestellt wissen, daß eine in einem Tarifvertrag als „nicht ruhegeldfähig” bezeichnete Zulage bei der Berechnung seines Ruhegeldes als Teil der ruhegeldfähigen Bezüge zu berücksichtigen ist.

Der Kläger war vom 1. Mai 1956 bis 30. April 1991 bei der Beklagten beschäftigt. Er war und ist Mitglied in der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr. Die Beklagte sagte ihm eine Versorgung nach „Normen für die Gewährung von Ruhegehalt, Ruhelohn und Hinterbliebenenversorgung für Angestellte und Arbeiter der H. GmbH und der H. GmbH” zu. Die Regelungen wurden mit Wirkung vom 1. April 1966 durch „Richtlinien über die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung für die Arbeitnehmer der H. GmbH” ersetzt (Richtlinien 1966). Auf diese Richtlinien stützt der Kläger seine Klage. Abschnitt 7 dieser Richtlinien enthält folgende Regelung:

„(1) Ruhegeldfähige Bezüge der Angestellten sind

  1. das Tarifgehalt oder die vereinbarte monatliche Vergütung, die der Angestellte zuletzt bezogen hat,
  2. Zulagen, die im Tarifvertrag oder in Betriebsvereinbarungen als ruhegeldfähig bezeichnet werden, sofern der Angestellte sie während des ganzen letzten Beschäftigungsjahres oder während der letzten drei Beschäftigungsjahre insgesamt mindestens zwei Jahre lang bezogen hat,
  3. Ausgleichszulagen zur Sicherung des Vergütungsstandes bei Arbeitsunfall und Berufskrankheit.

(2) Ruhegeldfähige Bezüge der Arbeiter sind

  1. der Monatslohn,
  2. Zulagen, die im Tarifvertrag oder in Betriebsvereinbarungen als ruhegeldfähig bezeichnet werden, sofern der Arbeiter sie während des ganzen letzten Beschäftigungsjahres oder während der letzten drei Beschäftigungsjahre insgesamt mindestens zwei Jahre lang bezogen hat.
  3. Persönliche Zulagen zur Sicherung des Lohnstandes bei Leistungsminderung.

(3) Zu den ruhegeldfähigen Bezügen der Arbeitnehmer rechnet ferner ein Zwölftel der Summe der im Kalenderjahr vor dem Ausscheiden bezogenen tariflichen Zulagen und Zuschläge, die dem Arbeitnehmer als Entgelt für geleistete Arbeit gewährt wurden, sowie der Vergütungen und Löhne für Überstunden, Mehrarbeit und Bereitschaftsdienst.”

Die Beklagte will für die Berechnung des Ruhegeldes die Regelungen des Tarifvertrages vom 16. Dezember 1982 mit der Ergänzung aus dem Tarifvertrag vom 5. Mai 1986 anwenden. Diese Tarifverträge wurden von der Arbeitgebervereinigung energiewirtschaftlicher Unternehmen e.V. in Hannover, deren Mitglied die Beklagte ist, und der Gewerkschaft ÖTV vereinbart. Die Bestimmungen des Tarifvertrages 1982 lauten:

㤠8

Ruhegeldfähige Bezüge

(1) Ruhegeldfähige Bezüge sind

  1. die Grundvergütung oder die einzelvertraglich vereinbarten Monatsbezüge, die zuletzt der Berechnung der Vergütung zugrunde gelegen haben.
  2. Ausgleichszulagen zur Sicherung des Vergütungsstandes bei Arbeitsunfall und Berufskrankheit.

(2) Zu den ruhegeldfähigen Bezügen der Arbeitnehmer rechnen ferner

  1. Zulagen, die in Tarifverträgen bzw. Betriebsvereinbarungen aufgeführt sind und
  2. Aufsichtsführendenzulagen und Funktionszulagen, sofern der Arbeitnehmer sie während der letzten drei Beschäftigungsjahre insgesamt mindestens zwei Jahre lang bezogen hat,
  3. in der für die im Dienst befindlichen Arbeitnehmer jeweils geltenden Höhe sowie
  4. ein Sechzigstel der in den fünf Kalenderjahren vor dem Ausscheiden bezogenen sonstigen Zulagen und Zuschläge, die dem Arbeitnehmer als Entgelt für geleistete Arbeit gewährt wurden, der Leistungsprämien sowie der Vergütungen für Überstunden, Mehrarbeit und Bereitschaftsdienst. Der sich danach ergebende Betrag erhöht sich um 5 v.H.. Bei Abschluß eines neuen Vergütungstarifvertrages erhöhen sich diese Zulagen und Zuschläge um einen Vomhundertsatz, der dem Durchschnitt entspricht, um den sich die Grundvergütungen linear erhöhen.

(3) Absatz 2 findet keine Anwendung auf Zulagen und Zuschläge, deren Ruhegeldfähigkeit ausdrücklich ausgeschlossen ist.

Mit einem weiteren Tarifvertrag vom 5. Mai 1986 haben die Tarifvertragsparteien § 8 Abs. 3 des Ruhegeldtarifvertrages um folgenden Satz ergänzt:

„Insbesondere können die Tarifvertragsparteien allgemeine, nicht ruhegeldfähige Zulagen zur Vergütung vereinbaren, um zu bewirken, daß die Arbeitnehmer nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben kein höheres Nettoeinkommen haben als vergleichbare aktive Arbeitnehmer.”

Mit diesem Tarifvertrag vom 5. Mai 1986 sind für die Arbeitnehmer der Beklagten erstmals Zulagen eingeführt worden, die als nicht ruhegeldfähig bezeichnet wurden. Die Tarifgehälter und diese allgemeinen, nicht ruhegeldfähigen tariflichen Zulagen sind in den Folgejahren von den Tarifvertragsparteien in unterschiedlichem Umfang erhöht worden.

Als der Kläger Ende April 1991 in den Ruhestand trat, bezog er ein monatliches Tarifgehalt von 4.902,– DM und eine allgemeine, nicht ruhegeldfähige Zulage von monatlich 411,– DM. Die Beklagte berechnete das Ruhegeld auf der Grundlage des zuletzt bezogenen Tarifgehaltes von 4.902,– DM. Der Kläger verlangt ein höheres Ruhegeld auf der Grundlage der ruhegeldfähigen Bezüge von monatlich 5.313,– DM.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Inhalt der Richtlinien 1966 sei im Wege der Gesamtzusage Inhalt seines Arbeitsvertrages geworden. Der Tarifvertrag von 1982/1986 enthalte ungünstigere Regelungen, die seine vertraglichen Ansprüche nicht beeinträchtigen könnten.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, bei der Berechnung des Ruhegeldes den in den Tarifverträgen als nicht ruhegeldfähig bezeichneten Teil seiner monatlichen Vergütung bei der Berechnung des Ruhegeldes zu berücksichtigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Tarifverträge von 1982 und 1986 seien nicht ungünstiger als die Zusage von 1966. Die Tarifvertragsparteien hätten schon nach den Richtlinien 1966 entscheiden können, welche Teile des Gehaltes ruhegeldfähig wären und welche nicht. Im übrigen müßten auf die Ablösung von Gesamtzusagen durch Tarifvertrag die Regelungen angewendet werden, die der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts für die Ablösung von Gesamtzusagen durch spätere Betriebsvereinbarungen aufgestellt hat. Die ablösende tarifliche Regelung sei geboten, um planwidrig eingetretene Überversorgungen der Arbeitnehmer zu vermeiden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Nach den Richtlinien von 1966 hängt es von dem Inhalt der tariflichen Regelung ab, welche Teile der Vergütung ruhegeldfähig sind. Der Senat folgt der Auslegung der Richtlinien von 1966 durch das Landesarbeitsgericht. Die tariflichen Regelungen, die ab 1986 Teile der monatlichen Vergütung als nicht ruhegeldfähig bezeichneten, sind wirksam.

1. Die Richtlinien von 1966 sind als Gesamtzusage Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden. Besonderheiten bei der Begründung eines Anspruchs haben keinen Einfluß auf dessen Rechtsnatur (BAG Großer Senat Beschluß vom 16. September 1986 – GS 1/82 – BAGE 53, 42, 55 = AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972, zu C II 1 a der Gründe).

2. Abschnitt 7 Abs. 1 der Richtlinien von 1966 enthält eine allgemeine Regelung darüber, welche Teile der Vergütung eines Angestellten ruhegeldfähig sind. Die Richtlinien unterscheiden zwischen dem Tarifgehalt und Zulagen. Die Zulagen gehören nur dann zu den ruhegeldfähigen Bezügen, wenn sie in einem Tarifvertrag als ruhegeldfähig bezeichnet werden. Die Richtlinien von 1966 waren insoweit von Anfang an „tarifvertragsoffen”. Die Tarifvertragsparteien hatten es schon nach diesen Richtlinien in der Hand, mit der Einführung von tariflichen Zulagen auch über deren Ruhegeldfähigkeit zu entscheiden. Sie konnten die Ruhegeldfähigkeit einer Zulage dadurch ausschließen, daß sie sie als „nicht ruhegeldfähig” bezeichnen. Inhaltliche Einschränkungen enthalten die Richtlinien insoweit nicht.

Diesem Verständnis der Richtlinien steht die Regelung in Abschnitt 7 Abs. 3 nicht entgegen. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine reine Berechnungsregel. Soweit Zulagen bei der Berechnung des Ruhegeldes zu berücksichtigen sind, wird der Weg für die Berechnung des monatlichen Ruhegeldes beschrieben. Als Berechnungsvorschrift steht diese Regelung nicht im Widerspruch zu der Regelung in Abschnitt 7 Abs. 1. In den Bestimmungen werden verschiedene Fragen angesprochen. Die Befugnis der Tarifvertragsparteien, darüber zu entscheiden, welche Teile der Vergütung ruhegeldfähig sind und welche nicht, wird durch Absatz 3 nicht eingeschränkt.

Der Kläger beanstandet die Auslegung der Richtlinien mit der Bemerkung, „eine so weitreichende Kompetenz der Tarifvertragsparteien zur Einwirkung auf einzelvertraglich entstandene Ansprüche” müsse abgelehnt werden. Der Einwand des Klägers ist nicht begründet. Es geht nicht um die Einwirkung des Tarifvertrages auf entstandene Ansprüche. Der Kläger konnte von Anfang an nicht damit rechnen, daß Zulagen, die von den Tarifvertragsparteien als nicht ruhegeldfähig bezeichnet wurden, bei der Berechnung seines monatlichen Ruhegeldes berücksichtigt wurden.

3. Von der in der Ruhegeldordnung von 1966 vorgesehenen Möglichkeit, Teile der Vergütung als nicht ruhegeldfähig zu bezeichnen, haben die Tarifvertragsparteien ab 1986 Gebrauch gemacht. Sie haben mit dem Tarifvertrag von 1986 erstmals neben dem Tarifgehalt eine allgemeine Zulage vereinbart, die sie als nicht ruhegeldfähig bezeichnet haben. Gegen diese tariflichen Regelungen bestehen keine rechtlichen Bedenken.

a) Die Gerichte für Arbeitssachen haben Tarifverträge nur daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen höherrangiges Recht, insbesondere gegen das Grundgesetz oder zwingendes Gesetzesrecht verstoßen (vgl. u.a. BAGE 22, 252, 267 = AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu B IV 3 b der Gründe; BAGE 41, 163, 168 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Besitzstand, zu II 3 der Gründe; BAG Urteil vom 7. März 1995 – 3 AZR 282/94 – BB 1995, 2217 ff. = DB 1995, 2020 ff. = PersR 1995, 443 ff., zu B II 2 a der Gründe).

b) Keine höherrangige Rechtsnorm verbietet die Aufteilung der Vergütung in ruhegeldfähige und nicht ruhegeldfähige Bezüge. Für die Einführung einer allgemeinen, nicht ruhegeldfähigen Zulage gab es im Jahre 1986 gute Gründe. Die Einführung einer solchen Zulage wirkt einer Überversorgung der Arbeitnehmer entgegen. Der Ruheständler soll über kein höheres Einkommen verfügen als der aktive Arbeitnehmer. Im öffentlichen Dienst wurde deshalb mit Tarifvertrag vom 21. Februar 1984 eine nettolohnbezogene Versorgungsobergrenze eingeführt. Dieselbe Wirkung haben die Tarifvertragsparteien hier dadurch erreicht, daß sie Lohnbestandteile in einen ruhegeldfähigen und in einen nicht ruhegeldfähigen Teil aufgeteilt haben. Diese Regelungen greifen weder in unentziehbare Besitzstände der Arbeitnehmer ein noch verletzten sie das verfassungsrechtlich geschützte Vertrauen der Arbeitnehmer in den Fortbestand der ursprünglichen Regelung oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. Urteil vom 24. April 1990, BAGE 64, 327 ff. = AP Nr. 31 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen; Urteil vom 24. August 1993 – 3 AZR 313/93 – AP Nr. 19 zu § 1 BetrAVG Ablösung).

 

Unterschriften

Dr. Heither, Kremhelmer, Bepler, Michels, Martschin

 

Fundstellen

Haufe-Index 438795

BB 1996, 596

BB 1996, 748

NZA 1996, 666

AP, 0

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