Entscheidungsstichwort (Thema)

Freizeitausgleich an Wochenfeiertagen bei Schichtarbeit

 

Orientierungssatz

Wie sich aus § 15 Abs 1 S 1 in Verbindung mit § 15 Abs 6 BAT ergibt, haben die Tarifvertragsparteien Ansprüche auf Ausgleich und Vergütung nur für an Wochenfeiertagen geleistete Arbeit gewähren wollen, nicht aber für an diesen Tagen dienstplanmäßig gewährte Freizeit. Die Tarifvertragsparteien haben demnach, wie insbesondere auch die Regelung in § 15 Abs 6 Unterabs 1 S 4 BAT zeigt, das Problem der Arbeit an Wochenfeiertagen gesehen. Sie haben dafür Regelungen über den Ausgleich für den "Verlust der Freizeit" getroffen, aber keinen zusätzlichen Ausgleich gewährt, wenn ein solcher "Freizeitverlust" mangels Arbeitsleistung an einem Wochenfeiertag nicht eingetreten ist.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; BAT § 15 Abs. 6, 1

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 25.09.1985; Aktenzeichen 9 Sa 530/85)

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 07.12.1984; Aktenzeichen 4 Ca 2742/84)

 

Tatbestand

Die Klägerin ist in dem Städtischen Kinder- und Jugendwohnheim der Beklagten als Erzieherin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung.

In dem Jugendheim sind etwa 20 Mitarbeiter beschäftigt. Die Klägerin arbeitet in einem Gruppenteam von etwa drei bis vier Personen, das an allen Wochentagen nach einem Schichtplan eingesetzt wird. Um die wöchentliche Stundenzahl von 40 Stunden nach § 15 Abs. 1 BAT einzuhalten, wechselt jeweils ein Block, bestehend aus mehreren Tagen Arbeitszeit, Arbeitsbereitschaft und sich unmittelbar anschließender Arbeitszeit, mit mehreren Tagen Freizeitausgleich.

Bis Mai 1982 behandelte die Beklagte die Klägerin und die übrigen Schichtdienstleistenden ebenso wie die Angestellten der allgemeinen Verwaltung und verminderte die wöchentliche Arbeitszeit um acht auf 32 Stunden dann, wenn ein gesetzlicher Wochenfeiertag in den Freizeitausgleich fiel.

Nach einer Rüge des Rechnungsprüfungsamtes änderte die Beklagte diese Praxis und berücksichtigte die in einen Freizeitblock fallenden Wochenfeiertage nicht mehr als arbeitszeitmindernd für die Klägerin.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei arbeitszeitmäßig den Arbeitnehmern gleichzustellen, die keine Schichtarbeit leisteten. Falle bei diesen ein Wochenfeiertag an, so vermindere sich die tatsächliche Wochenarbeitszeit auf 32 Stunden, ohne Rückwirkung auf die Höhe der Vergütung. Falle dagegen bei ihr ein Wochenfeiertag in den Freizeitblock, müsse sie gleichwohl in der Woche durchschnittlich 40 Stunden arbeiten. Aufgrund geänderter gesellschaftlicher Anschauungen dienten die Wochenfeiertage nicht mehr der religiösen Sammlung und Ruhe, sondern überwiegend der Erholung und Entspannung. Diese Möglichkeit müsse auch ihr eingeräumt werden. Darüber hinaus habe die Beklagte bei der Änderung der Berechnung gegen § 75 Abs. 3 Nr. 1 und § 69 des Landespersonalvertretungsgesetzes verstoßen.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei,

ihr auch dann Freizeitausgleich nebst Zeitzuschlag

zu gewähren, wenn ein Wochenfeiertag von ihrem

Schichtdienst nicht erfaßt werde, und zwar auf

Antrag in der darauf folgenden oder in der laufen-

den Woche.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, die Sollarbeitszeit der Klägerin ergebe sich aus § 15 BAT. Ihre wöchentliche Arbeitszeit werde jeweils eine Woche im voraus durch Dienstplan festgelegt. Arbeite sie an einem Wochenfeiertag, so erhalte sie neben der Vergütung einen Zuschlag von 135 %. Auf Antrag erhalte sie - soweit es der Dienstbetrieb zulasse - einen Freizeitausgleich und einen Zuschlag in Höhe von 35 %. Ein Verstoß gegen das Landespersonalvertretungsgesetz liege schon deshalb nicht vor, weil insoweit eine tarifliche Regelung bestehe. Auch sei keine tarifliche, von der Rechtsprechung auszufüllende Regelungslücke gegeben. § 15 Abs. 6 BAT enthalte für die Fälle, bei denen an einem Wochenfeiertag dienstplanmäßig arbeitsfrei sei, keine Regelung, weil ein Ausgleich für diese Tage nicht in Frage komme. Auch eine Verletzung des Gleichheitssatzes liege nicht vor, da auch für die nicht in Schichtdienst arbeitenden Arbeitnehmer kein Ausgleich stattfinde, wenn ein Wochenfeiertag auf einen Samstag oder Sonntag falle.

Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, für einen in ihre Freizeit fallenden Wochenarbeitstag Freizeitausgleich nebst Zeitzuschlag zu erhalten.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit betrage nach § 15 Abs. 1 BAT durchschnittlich 40 Stunden. Dies gelte, wie sich aus § 15 Abs. 1 Satz 3 BAT ergebe, auch für Angestellte, die ständig Wechselschicht- oder Schichtarbeit zu leisten haben. Die Klägerin erbringe daher die arbeitsvertraglich von ihr geschuldete Leistung, wenn sie nach den für sie bestehenden Dienstplänen durchschnittlich 40 Stunden Schichtarbeit in einer Woche leiste, gleichgültig ob ein Wochenfeiertag in diese Woche falle oder nicht. Die Vorschrift des § 15 Abs. 6 BAT sei dagegen nicht anwendbar, weil die Klägerin nicht etwa Ausgleich für an einem Wochenfeiertag geleistete Arbeit verlange, sondern für eine an einem gewöhnlichen Arbeitstag geschuldete und erbrachte Arbeitsleistung. Ein derartiger Anspruch ergebe sich auch nicht aus einer Regelungslücke des § 15 Abs. 6 BAT, die unter Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 GG von den Arbeitsgerichten ergänzend ausgefüllt werden müsse. Zwar seien die Arbeitsgerichte zur Lückenfeststellung und deren Ausfüllung auch bei Tarifverträgen befugt. Hätten die Tarifvertragsparteien jedoch einen Tatbestand bedacht und von einer Regelung abgesehen, weil daraus keine Ansprüche hergeleitet werden sollen, so scheide eine Lückenfüllung durch den Richter aus. Aus der Regelung in § 15 Abs. 1 Satz 1 in Verb. mit § 15 Abs. 6 BAT sei der Wille der Tarifvertragsparteien zu erkennen, daß Feiertage die wöchentliche Arbeitszeit nicht generell ohne Rücksicht darauf, ob ein Arbeitnehmer an diesem Tage arbeiten müsse oder nicht, minderten.

Die tarifvertragliche Regelung führe auch nicht zu einer rechtlichen Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber anderen Arbeitnehmern. Gegenüber anderen Schichtarbeit leistenden Arbeitnehmern mache sie selbst keine Benachteiligung geltend. Hinsichtlich eines Vergleiches mit den übrigen Arbeitnehmern läge keine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung der Klägerin vor, da die zugrundeliegenden Sachverhalte nicht vergleichbar seien. Schließlich entstehe auch nach § 1 Feiertagslohnzahlungsgesetz ein Anspruch auf Zahlung des Arbeitsverdienstes nur für die Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertages ausfällt, so daß eine dienstplanmäßige Freistellung von der Arbeit an einem Wochenfeiertag den Anspruch auf Feiertagsvergütung ausschließe.

II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

1. Die regelmäßige Arbeitszeit der Klägerin beträgt gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 BAT im Durchschnitt von acht Wochen 40 Stunden wöchentlich. Der Umstand, daß die Klägerin Schichtarbeit leistet, ändert hieran nichts. Das ergibt sich aus § 15 Abs. 1 Satz 3 BAT. Denn für Angestellte im Schichtdienst wird nach dieser Vorschrift allein der der Berechnung des wöchentlichen Durchschnitts zugrunde zu legende Zeitraum verlängert. Diese Regelung zeigt, daß keine Verminderung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit für Wochenfeiertage, die auf einen Werktag fallen, eintritt. Dies zeigt sich auch daran, daß sich nach der früheren Fassung des BAT (§ 15 Abs. 5 a.F.) die regelmäßige Arbeitszeit für jeden Wochenfeiertag um die ausgefallenen oder geleisteten dienstplanmäßigen Arbeitsstunden verminderte, die an diesen Tagen geleisteten Arbeitsstunden deshalb als Überstunden abzugelten waren. Dagegen erhalten die Angestellten nunmehr gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Feiertagslohnzahlungsgesetz vom 2. August 1951 (BGBl I S. 479) für die Arbeitszeit, die i n f o l g e eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, den Arbeitsverdienst, den sie ohne den Arbeitsausfall erhalten hätten. Der Anspruch auf die Feiertagsbezahlung erwächst jedoch nur dann, wenn allein der Feiertag Ursache des Arbeitsausfalles ist (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. zuletzt BAGE 44, 160 = AP Nr. 41 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG; BAG Urteile vom 13. April 1988 - 5 AZR 580/87 - und 22. Juni 1988 - 5 AZR 383/87 - unveröffentlicht). Der gesetzliche Anspruch entsteht dagegen nicht, wenn der Arbeitsausfall auf anderen Gründen beruht, etwa weil der Angestellte an diesem Tag dienstplanmäßig freigestellt ist (BAG, aaO). Daraus folgt, daß die Klägerin ihren Anspruch auf zusätzliche Freistellung nebst Zeitzuschlag, wenn sie an einem Wochenfeiertag dienstplanmäßig freigestellt worden ist, jedenfalls nicht auf § 15 Abs. 1 BAT in Verb. mit dem Feiertagslohnzahlungsgesetz stützen kann.

2. Ein derartiger Anspruch folgt auch nicht aus § 15 Abs. 6 Unterabs. 2 BAT. Danach soll die dienstplanmäßige bzw. betriebsübliche Arbeit an einem Wochenfeiertag auf Antrag des Angestellten durch eine entsprechende zusammenhängende Freizeit an einem Werktag der laufenden oder der folgenden Woche unter Fortzahlung der Vergütung und der in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen ausgeglichen werden, wenn die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse dies zulassen. Die Klägerin macht aber keinen Anspruch auf Ausgleich für an einem Wochenfeiertag geleistete Arbeit geltend, sondern verlangt einen Ausgleich für die dienstplanmäßig an einem Wochenfeiertag gewährte Freizeit. Ein solcher Anspruch ist aber in § 15 Abs. 6 Unterabs. 2 BAT gerade nicht gewährt worden.

3. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ergibt sich schließlich nicht aus einer wegen einer Regelungslücke unter Beachtung des Gleichheitssatzes des Art. 3 GG vorzunehmenden ergänzenden Auslegung des § 15 Abs. 1 und 6 BAT.

a) Die Arbeitsgerichte sind zwar zur Lückenfeststellung und -ausfüllung von Tarifverträgen berechtigt, allerdings nur, wenn es sich um eine "planwidrige Unvollständigkeit" handelt (BAG Urteil vom 3. Juni 1966 - 3 AZR 18/66 - AP Nr. 112 zu § 242 BGB Ruhegehalt; Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 1 Rz 416). Haben die Tarifvertragsparteien dagegen einen Tatbestand bedacht und daraus keine Folgerungen gezogen, insbesondere keine Ansprüche auf dieser Grundlage gewährt, scheidet eine richterliche Lückenausfüllung aus. Anderenfalls würden die Gerichte für sich Befugnisse in Anspruch nehmen, die nach dem TVG allein den Tarifvertragsparteien vorbehalten sind (Wiedemann/Stumpf, aaO, Rz 417).

b) Wie sich aus § 15 Abs. 1 Satz 1 in Verb. mit § 15 Abs. 6 BAT ergibt, haben die Tarifvertragsparteien Ansprüche auf Ausgleich und Vergütung nur für an Wochenfeiertagen geleistete Arbeit gewähren wollen, nicht aber für an diesen Tagen dienstplanmäßig gewährte Freizeit. Die Tarifvertragsparteien haben demnach, wie insbesondere auch die Regelung in § 15 Abs. 6 Unterabs. 1 Satz 4 BAT zeigt, das Problem der Arbeit an Wochenfeiertagen gesehen. Sie haben dafür Regelungen über den Ausgleich für den "Verlust der Freizeit" getroffen, aber keinen zusätzlichen Ausgleich gewährt, wenn ein solcher "Freizeitverlust" mangels Arbeitsleistung an einem Wochenfeiertag nicht eingetreten ist.

c) Die hier möglicherweise auftretende Ungleichheit ist zudem eine Folge davon, daß die Tarifvertragsparteien - im Gegensatz zur Klägerin - von einer Wochenarbeitszeit und nicht von einer Jahresarbeitszeit ausgehen. Darin liegt, wie auch die Klägerin selbst nicht behauptet - kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Ein solcher Verstoß kommt nur dann in Betracht, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, bei Abschluß des Tarifvertrages tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, daß sie bei einer am allgemeinen Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise hätten berücksichtigt werden müssen (vgl. BAG Urteil vom 1. Juni 1983 - 4 AZR 578/80 - AP Nr. 16 zu § 23 a BAT m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor.

4. Auch im Hinblick auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ist eine gerichtliche Ergänzung des Tarifvertrages ausgeschlossen. Dafür mangelt es schon an der von der Klägerin behaupteten Ungleichbehandlung gegenüber anderen vergleichbaren Arbeitnehmern.

Wie die Klägerin selbst vorträgt, wird sie gegenüber anderen mit ihr im Städtischen Kinder- und Jugendheim in Schichtarbeit beschäftigten Angestellten gleichbehandelt. Soweit die Klägerin meint, sie werde gegenüber sonstigen Angestellten der allgemeinen Verwaltung, die keine Schichtarbeit leisten, ungleich behandelt, fehlt es bereits an vergleichbaren Sachverhalten. Im Gegensatz zu ihr, leisten die von ihr zum Vergleich herangezogenen Angestellten keine Schichtarbeit. Sie übersieht darüber hinaus, daß auch bei den Angestellten, die keine Schichtarbeit leisten, Wochenfeiertage zu keinem zusätzlichen Ausgleich führen, wenn an diesen aus anderen Gründen, etwa weil sie auf einen Samstag oder Sonntag fallen, keine Arbeit geschuldet wird. Es mag zwar zutreffen, daß bei der vorhandenen Regelung Grenz- und Härtefälle auftreten, die sich bei einer abstrakten Regelung jedoch nie gänzlich vermeiden lassen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz wird dadurch aber noch nicht verletzt (BAG Urteil vom 1. Juni 1983 - 4 AZR 566/80 - AP Nr. 5 zu § 611 BGB Deputat).

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Dr. Röhsler Dörner Schneider

Ostkamp Dr. Hoffmann

 

Fundstellen

ZTR 1989, 112-113 (ST1)

EzBAT § 15 BAT, Nr 14 (ST1)

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