Entscheidungsstichwort (Thema)

Anpassung der Rente einer Zusatzversorgungskasse

 

Leitsatz (redaktionell)

Werden die Versorgungsbezüge der Beamten wegen der Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse durch einmalige Zahlungen erhöht, so sind nach dem Tarifvertrag über die Versorgung der Arbeitnehmer kommunaler Verwaltungen und Betriebe die Versorgungsbezüge der in den Ruhestand getretenen Arbeitnehmer in gleicher Höhe anzupassen.

 

Orientierungssatz

Auslegung des § 34 des Tarifvertrages über die Versorgung der Arbeitnehmer kommunaler Verwaltungen und Betriebe vom 6.3.1967 in der Fassung des 16. Änderungstarifvertrages vom 1.6.1979.

 

Normenkette

TVG § 1; BGB § 242

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 29.03.1983; Aktenzeichen 11 Sa 1819/82)

ArbG Wuppertal (Entscheidung vom 20.10.1982; Aktenzeichen 6 Ca 3005/82)

 

Tatbestand

Der im Jahre 1920 geborene Kläger bezog seit dem 1. August 1973 eine Versorgungsrente der rechtlich unselbständigen Zusatzversorgungskasse der Stadt W. Diese ist während des Revisionsverfahrens aufgelöst worden. In ihre Rechte und Pflichten ist die jetzige Beklagte eingetreten. In § 34 des anwendbaren Tarifvertrages über die Versorgung der Arbeitnehmer kommunaler Verwaltungen und Betriebe (VersTV-G) vom 6. März 1967 i.d.F. des 16. ÄndTV vom 1. Juni 1979 heißt es:

(1) Werden die Bezüge der Versorgungsempfänger

des Bundes, deren Bezügen ein Ortszuschlag

nicht zugrunde liegt, nach dem Tage des Be-

ginns der Versorgungsrente (§ 39) infolge

von Veränderung der wirtschaftlichen Ver-

hältnisse allgemein erhöht oder vermindert,

so wird die errechnete Versorgungsrente nach

§ 22 Abs. 1, § 30 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 zu

demselben Zeitpunkt und in dem gleichen Aus-

maß erhöht oder vermindert. Ist die Versor-

gungsrente bereits nach Satz 1 erhöht oder

vermindert worden, so ist für die weitere

Anwendung dieser Vorschriften von der erhöh-

ten oder verminderten Versorgungsrente aus-

zugehen. §§ 22 Abs. 3, 30 Abs. 4, 31 Abs. 5

bleiben unberührt.

(2) Die Gesamtversorgung und das der Berechnung

der Gesamtversorgung zugrunde liegende ge-

samtversorgungsfähige Entgelt sind entspre-

chend Abs. 1 zu erhöhen oder zu vermindern.

Eine entsprechende Bestimmung befand sich in der Satzung der Zusatzversorgungskasse i.d.F. vom 5. April 1978.

Am 1. Mai 1981 trat das Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1981 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1981 - BBVAnpG 81 -) vom 21. Dezember 1981 (BGBl I, 1465) in Kraft. In Abschnitt I des Gesetzes ist unter der Überschrift "Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern" vorgesehen, daß Versorgungsbezüge, deren Berechnung ein Ortszuschlag nach dem Bundesbesoldungsgesetz nicht zugrunde liegt, und Versorgungsbezüge, die in festen Beträgen festgesetzt sind, ab 1. Mai 1981 um 4,2 v.H. erhöht werden. In dem "Einmalige Zahlung" benannten Abschnitt II sind für Ruhegeldempfänger für die Monate März und April 1981 einmalige Zahlungen vorgesehen, und zwar für den Kläger in Höhe von 72,-- DM. Die Zusatzversorgungskasse hat eine Erhöhung der laufenden Versorgungsbezüge des Klägers vorgenommen; dagegen hat sie einmalige Zahlungen unberücksichtigt gelassen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß auch die einmaligen Bezüge berücksichtigt werden müßten. Die Beklagte ist nach Durchführung eines in der Satzung vorgesehenen Vorschaltverfahrens bei ihrer Ablehnung verblieben.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflich-

tet ist, die Zahlungen nach § 7 Abs. 2 des

Gesetzes über die Anpassung von Dienst-

und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern

vom 21. Dezember 1981 bei der Zahlung der

Zusatzversorgungsrente entsprechend zu be-

rücksichtigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, es entspreche durchaus dem Sinn des Tarifvertrages und der Satzung, daß die Zusatzversorgungsrente möglichst die Versorgung an die der Beamten angleiche. Gleichwohl widerspreche es deren Wortlaut, daß Einmalzahlungen bei der Anpassung berücksichtigt würden. Wenn die Tarifpartner dies beabsichtigten, seien in der Vergangenheit jeweils der Tarifvertrag oder die Satzung geändert worden. Im übrigen hätten weder bei der VBL noch bei den vergleichbaren Versorgungsträgern Einmalzahlungen Ruhegeldsteigerungen bewirkt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger Revision eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Der Kläger kann verlangen, daß die im Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz vorgesehenen Einmalzahlungen rentensteigernd wirken. Hierfür hat die jetzige Beklagte einzustehen, da sie in die Rechte und Pflichten der Zusatzversorgungskasse eingetreten ist.

1. Der Anspruch gegen die Stadt W als Versorgungsverpflichtete und Trägerin der Zusatzversorgungskasse folgte aus § 34 VersTV-G vom 6. März 1967 i.d.F. des 16. ÄndTV vom 1. Juni 1979. Soweit er sich gegen die damalige Versorgungsträgerin, die rechtlich unselbständige Anstalt der Stadt W, richtete, folgte er aus § 47 der Satzung der Zusatzversorgungskasse. In beiden Bestimmungen ist übereinstimmend vorgesehen, daß in den Fällen, in denen die Bezüge der Versorgungsempfänger des Bundes, denen ein Ortszuschlag nicht zugrunde liegt, nach dem Tage des Beginns der Versorgungsrente infolge von Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse allgemein angehoben oder vermindert werden, die Versorgungsrente zu demselben Zeitpunkt und in gleichem Ausmaß erhöht oder vermindert wird. Diese Voraussetzungen sind gegeben. Dies hat das Landesarbeitsgericht verkannt.

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bezog der Kläger seit dem 1. August 1973 eine Versorgungsrente von der Zusatzversorgungsanstalt der Stadt W.

Nach Aufnahme der Versorgungszahlungen an den Kläger sind die Bezüge der Versorgungsempfänger des Bundes infolge Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse angehoben worden. Die Versorgungsbezüge der Bediensteten des Bundes sind durch das Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1981 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1981 - BBVAnpG 81 -) vom 21. Dezember 1981 (BGBl I, 1465) erhöht worden. Dieses Gesetz sieht in Abschnitt I eine prozentuale Erhöhung der Versorgungsbezüge ab 1. Mai 1981 vor. In Abschnitt II sind einmalige Zahlungen für die Monate März und April 1981 vorgesehen (§ 5 BBVAnpG 81). Die Erhöhungen betragen für Empfänger von laufenden Versorgungsbezügen, deren Berechnung ein Ortszuschlag nach dem BBG nicht zugrunde liegt, und Versorgungsbezüge, die in festen Beträgen festgesetzt sind, 72,-- DM (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 3 Abs. 6 BBVAnpG 81). Die Anpassungen wurden vorgenommen, um das Besoldungsgefüge an veränderte Geldwert- und wirtschaftliche Verhältnisse anzupassen.

Das Landesarbeitsgericht meint zu Unrecht, es liege keine allgemeine Erhöhung der Versorgungsbezüge vor, weil das Gesetz zwischen prozentualen Zuschlägen ab Mai 1981 und Einmalbeträgen für die Monate März und April unterscheidet. Eine allgemeine Erhöhung oder Verminderung der Versorgungsbezüge ist dann gegeben, wenn diese unabhängig von den Verhältnissen des Einzelfalles wegen der Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse erhöht oder vermindert werden. Ob die Erhöhung der Versorgungsbezüge durch Vom-Hundert-Sätze oder durch Einmalbeträge vorgenommen wird, ist unerheblich. Nur diese am Wortlaut orientierte Auslegung entspricht dem Zweck des Tarifvertrages und der Satzung der Zusatzversorgungsanstalt. Zweck der Regelung war es, den Rentnern des die Versorgungsanstalt tragenden Arbeitgebers eine dynamisierte Versorgungsrente zu vermitteln. Dabei soll die Gesamtversorgung immer den vergleichbaren Versorgungsbezügen nach dem Beamtenrecht entsprechen. Die Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes sollen dieselben Steigerungen wie die Beamten erhalten.

2. Soweit die Beklagte der vorstehenden Auslegung systematische Argumente entgegenhält, vermag der Senat dem nicht zu folgen.

a) Die Beklagte hat sich die Auffassung des Schrifttums zu eigen gemacht, die zu der nahezu wortgleichen Vorschrift des § 56 der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder i.d.F. vom 14. Dezember 1979 vertreten wird. Hiernach soll der in § 7 Abs. 1 Nr. 2 BBVAnpG 81 vorgesehene Einmalbetrag deswegen nicht berücksichtigt werden können, weil er nicht die Versorgungsbezüge erhöhe, sondern neben diesen gezahlt werde. Außerdem sei eine automatische Steigerung nicht möglich. Die Steigerung erfordere vielmehr eine Satzungsänderung (vgl. Berger/Kiefer, Das Versorgungsrecht für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, Stand 1. August 1981, § 56 VBL-Satzung Rz 1; Gilbert/Hesse, Die Versorgung der Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes, Stand April 1984, § 56 Anm. 4 mit Hinweis auf die gleichlautende ständige Rechtsprechung des Oberschiedsgerichts der VBL).

Die Erhöhung einer Versorgungsrente braucht nicht denknotwendig durch einen Vom-Hundert-Satz zu erfolgen. Vielmehr ist eine Steigerung durch feste Steigerungsbeträge oder einen Einmalbetrag möglich. Dies entspricht durchaus der Praxis der Tarifvertragsparteien. Festbeträge, Sockelbeträge oder Grundbeträge werden vielfach dann gewählt, wenn für einen bestimmten Zeitraum Arbeitnehmer verschiedener Besoldungs- und Vergütungsstufen einen einheitlichen Zuschlag erhalten sollen (vgl. ebenso Kleeberger, Das Satzungsrecht der kommunalen Zusatzversorgungskassen, § 47 Anm. 1 a.E.).

Ebensowenig kann dem Landesarbeitsgericht in der Ansicht gefolgt werden, die Berücksichtigung der Einmalbeträge erfordere eine besondere Änderung des Versorgungstarifvertrages und der Satzungen der entsprechenden Versorgungsanstalten. § 34 VersTV-G und § 47 der Satzung der Zusatzversorgungskasse der Stadt W enthalten eine automatisch wirkende Anpassungsbestimmung. Weitere rechtliche Transformationsakte sind danach entbehrlich. Im Schrifttum wird immer wieder darauf hingewiesen, daß gerade die Dynamisierung zum Kernbereich der Versorgung im öffentlichen Dienst zählt (statt aller Berger/Kiefer, aaO, § 56 Rz 1).

b) Der Beklagten kann auch nicht zugestimmt werden, daß das Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1981 selbst zwischen der Anpassung und sonstigen Leistungen unterscheidet. Freilich wird der Abschnitt I "Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern" und der Abschnitt II "Einmalige Zahlung" überschrieben. Hieraus kann aber entgegen der Ansicht der Beklagten nicht gefolgert werden, daß die Einmalzahlungen für die Monate März und April nicht der Anpassung dienen; auch der Abschnitt II ist im Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen enthalten. Wenn in der Überschrift des Abschnittes II allein der Begriff "Einmalige Zahlung" erscheint, so wird hiermit kenntlich gemacht, daß für einen zurückliegenden Zeitraum Fixbeträge gezahlt werden. Zudem wäre es für die Auslegung des Tarifvertrages und der Satzung nicht einmal entscheidend, wenn das Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1981 zwischen Anpassungsmaßnahmen im engeren Sinn und Steigerungen in weiterem Sinne unterscheiden würde. Maßgebend für den Anspruch ist allein die Auslegung von Tarifvertrag und Satzung, so, wie sie von den Normunterworfenen verstanden werden dürfen. Diese konnten aber darauf vertrauen, daß sich eine Anpassung der Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse auswirken würde.

c) Die Beklagte vermag den Anspruch auch nicht mit der Begründung zu leugnen, die im Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1981 vorgesehenen Einmalbeträge knüpften an die den Beamten zustehenden Versorgungsansprüche an. Bei Angestellten und Arbeitern seien jedoch bis zum 31. Dezember 1981 Versorgungsrenten gezahlt worden, die sich aus einer Gesamtversorgung nach Abzug der Sozialversicherungsrente ergäben. Bei einer prozentualen Steigerung werde nur die Versorgungsrente angepaßt; durch die Einmalbeträge entstünden aber überproportionale Steigerungssätze.

Es mag sein, daß bei Versorgungsempfängern mit geringer Versorgung die Einmalbeträge zu einem hohen Steigerungssatz führen. Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, daß die Tarifverträge und Satzungen, die eine Dynamisierung gewollt haben, die Einmalbeträge außer acht lassen wollten.

d) Soweit sich die Beklagte schließlich darauf beruft, die Berücksichtigung der Einmalbeträge erfordere mehrere Berechnungsvorgänge, so steht auch dies dem Anspruch nicht entgegen. Insoweit treffen sie die gleichen Belastungen wie andere Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes auch.

3. Die Auslegung der Beklagten macht einen rechtlich anerkennenswerten Sinn nicht einsehbar. Nach dem Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1981 richtet sich die allgemeine Anpassung durch Vom-Hundert-Sätze oder Einmalbeträge für Besoldungs- und Versorgungsempfänger im öffentlichen Dienst. Nach VersTV-G und Satzung der Zusatzversorgungskasse richtet sich die Erhöhung bei Angestellten und Arbeitern. Es soll gewährleistet sein, daß alle Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes an das Bundesbesoldungsrecht angeknüpft werden, um ihre Gleichbehandlung sicherzustellen (vgl. statt aller Berger/Kiefer, aaO, § 56 Rz 1). Es sind jedoch keine Gründe vorgetragen oder ersichtlich, die es rechtfertigen könnten, bei Angestellten und Arbeitern Versorgungserhöhungen mit einer Zeitverschiebung vorzunehmen, indem sie von Einmalbeträgen abgekoppelt werden.

Schaub Griebeling Dr. Peifer

Zieglwalner Halberstadt

 

Fundstellen

NZA 1986, 360-361 (LT1)

AP § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen (LT1), Nr 8

AR-Blattei, Betriebliche Altersversorgung V Entsch 3 (LT1)

AR-Blattei, ES 460.5 Nr 3 (LT1)

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