Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristeter Arbeitsvertrag zur "Vertretung eines erst noch einzustellenden Mitarbeiters

 

Orientierungssatz

Ein Vertretungsfall im Sinne der Befristungsrechtsprechung ist nur gegeben, wenn der Arbeitgeber seinen Arbeitskräftebedarf, den er durch die Einstellung des Vertreters abdecken will, an sich bereits durch die Beschäftigung eines anderen Arbeitnehmers bzw Beamten abgedeckt hat, aber durch zeitweisen Ausfall dieses anderen Arbeitnehmers Bedarf an der Arbeitskraft des Vertreters besteht.

 

Tenor

Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des

Landesarbeitsgerichts Köln vom 27. März 1998 - 4 Sa 1309/97 -

wird auf Kosten des beklagten Landes zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1996.

Die im Jahre 1965 geborene Klägerin ist Diplom-Soziologin. Nachdem sie bei den medizinischen Einrichtungen der Universität Köln des beklagten Landes seit dem 2. November 1995 zunächst ohne Vergütung als Informationspraktikantin beschäftigt worden war, wurde sie dort mit Wirkung ab dem 1. April 1996 als wissenschaftliche Mitarbeiterin befristet bis zum 31. Juli 1996 eingestellt. Im Anschluß daran wurde sie aufgrund fünf weiterer, jeweils auf einen Monat befristeter Arbeitsverträge als Gesprächstherapeutin mit der Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit beschäftigt. Der letzte, bis zum 31. Dezember 1996 befristete Arbeitsvertrag vom 20. November 1996 enthält in seinem § 1 folgende Regelung: "Das Arbeitsverhältnis endet mit der Besetzung der Stelle durch einen anderen Stelleninhaber mit Ablauf des 31. Dezember 1996."

Im Jahre 1996 war ein neuer Institutsleiter, Prof. Dr. K berufen worden, der eine Frau Dr. B als wissenschaftliche Mitarbeiterin zur beruflichen Weiterbildung beschäftigen wollte. Mit Schreiben vom 29. Oktober 1996 teilte die Personalabteilung Frau Dr. B mit, daß sie ab dem 1. November 1996 bzw. einem späteren Zeitpunkt befristet eingestellt werden könne. Eine rechtsverbindliche Zusage könne jedoch erst erfolgen, wenn die im beigefügten Merkblatt aufgeführten Unterlagen zur Überprüfung der Einstellungsvoraussetzungen vorlägen. Mit Schreiben vom 13. November 1996 teilte Herr Prof. Dr. K der Personalabteilung mit, die Klägerin könne noch einen weiteren Monat in der Klinik tätig werden, weil Frau Dr. B erst am 2. Januar 1997 "in Unterbesetzung auf der C 3-Professorenstelle" in die Klinik eintreten werde. Durch Arbeitsvertrag vom 16. Januar 1997 wurde Frau Dr. B mit Wirkung ab dem 1. Januar 1997 befristet bis zum 31. Juli 1997 eingestellt. Die Klägerin wurde nach dem 31. Dezember 1996 nicht weiterbeschäftigt.

Mit ihrer am 21. Januar 1997 eingereichten Klage hat die Klägerin den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses über den 31. Dezember 1996 sowie ihre Weiterbeschäftigung geltend gemacht. Sie hat gemeint, ein sachlicher Grund für die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses habe nicht vorgelegen. Es sei vom beklagten Land nie beabsichtigt gewesen, Frau Dr. B mit der Hälfte ihrer Arbeitszeit für die bisher von der Klägerin ausgeübten therapeutischen Tätigkeiten einzusetzen. Frau Dr. B sei seit Beginn ihrer Tätigkeit im Januar 1997 als Stationsärztin in der geschlossenen Frauenabteilung eingesetzt worden, die in einem anderen Gebäude als die offene Psychotherapiestation untergebracht sei. Die von der Klägerin durchgeführten Therapien seien von Frau F, einer Ärztin im Praktikum, fortgeführt worden.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt, 1. festzustellen, daß das

Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Befristung zum 31.

Dezember 1996 nicht beendet ist,

2. das beklagte Land zu verurteilen, die Klägerin im Bereich

der medizinischen Einrichtungen der Universität zu Köln in

Klinik und Poliklinik für Neurologie und Psychiatrie -

Psychiatrie- und Psychotherapie - unter Einreihung in die

Vergütungsgruppe II a BAT mit der Hälfte (derzeit 19,25

Stunden) der jeweils gültigen, regelmäßigen wöchentlichen

Arbeitszeit gemäß § 15 Abs. 1 BAT in der Tätigkeit einer

wissenschaftlichen Mitarbeiterin weiterzubeschäftigen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat gemeint, die Klägerin sei als Vertretung für Frau Dr. B eingestellt worden, die auch Gesprächstherapien für den Patienten habe durchführen sollen. Frau Dr. B habe zunächst zugesagt, ihre Arbeit am 1. Dezember 1996 aufzunehmen, dann aber aus persönlichen Gründen erst am 2. Januar 1997 kommen können. In der Zwischenzeit habe die Klägerin im Rahmen ihrer halbzeitigen Tätigkeit Frau Dr. B als Gesprächstherapeutin vertreten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt das beklagte Land sein Ziel der Klageabweisung weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht ist rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, daß die Befristung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin zum 31. Dezember 1996 wegen Fehlens eines sachlichen Grundes unwirksam ist.

I. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß nur der letzte, für die Zeit vom 1. bis zum 31. Dezember 1996 abgeschlossene Arbeitsvertrag der Befristungskontrolle unterliegt. Auf die von der Revision angegriffenen hilfsweisen Überlegungen des Landesarbeitsgerichts, auch die vorangegangenen Arbeitsverträge in die Prüfung des sachlichen Grundes einzubeziehen, kommt es daher nicht an.

II. Das Landesarbeitsgericht hat weiter zu Recht angenommen, daß die Befristung des letzten Arbeitsvertrags trotz des zwischenzeitlich in Kraft getretenen Beschäftigungsförderungsgesetzes 1996 eines sachlichen Grundes bedurfte. Denn in allen mit der Klägerin abgeschlossenen Arbeitsverträgen war die Geltung der SR 2y BAT vereinbart. Nach der Protokollnotiz Nr. 6 a zu Nr. 1 SR 2y ist im Arbeitsvertrag anzugeben, daß es sich um ein Arbeitsverhältnis nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz handelt. Da eine derartige Angabe auch im letzten Arbeitsvertrag der Parteien fehlte, konnte das beklagte Land die Befristungsabrede nicht auf § 1 BeschFG stützen.

III. Das Vorliegen eines sachlichen Grundes ist vom Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei verneint worden.

1. Bei dem Begriff des sachlichen Grundes zur Rechtfertigung einer Befristungsabrede handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle unterliegt. Das Revisionsgericht prüft insoweit nur, ob das Landesarbeitsgericht den Rechtsbegriff des sachlichen Grundes verkannt, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände des Einzelfalles übersehen hat (st. Rechtsprechung; vgl. zB BAG 24. April 1996 - 7 AZR 719/95 - BAGE 83, 60).

2. Ein derartiger Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts ist weder von der Revision aufgezeigt worden noch sonst ersichtlich. Insbesondere hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei erkannt, daß der vom beklagten Land zur Rechtfertigung der Befristung herangezogene Sachgrund der Vertretung zwar grundsätzlich als Befristungsgrund geeignet ist (vgl. zB BAG 22. November 1995 - 7 AZR 252/95 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 178 = EzA BGB § 620 Nr. 138), hier aber nicht vorliegt.

a) Ein Vertretungsfall im Sinne der Befristungsrechtsprechung ist nur gegeben, wenn der Arbeitgeber seinen Arbeitskräftebedarf, den er durch die Einstellung des Vertreters abdecken will, an sich bereits durch die Beschäftigung eines anderen Arbeitnehmers bzw. Beamten abgedeckt hat, aber durch den zeitweisen Ausfall dieses anderen Arbeitnehmers bzw. Beamten ein vorübergehender, bis zu dessen Rückkehr zeitlich begrenzter Bedarf an der Arbeitskraft des Vertreters besteht (BAG 24. September 1997 - 7 AZR 669/96 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 192 = EzA BGB § 620 Nr. 147 zu II 2 und 3 der Gründe; BAG 11. November 1997 - 7 AZR 328/97 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 204 = EzA BGB § 620 Nr. 155).

b) Die Beschäftigung der Klägerin erfolgt nicht zur Abdeckung eines solchen vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs. Frau Dr. B, die nach dem Vortrag des beklagten Landes ab Januar 1997 die Aufgaben der Klägerin erledigen sollte, war bei Abschluß des Arbeitsvertrags mit der Klägerin noch nicht beim beklagten Land beschäftigt.

3. Auch bei seiner Würdigung, es sei nicht als sachlicher Grund anzuerkennen, daß das beklagte Land die von der Klägerin verrichteten Tätigkeiten auf Frau Dr. B habe übertragen wollen, ist dem Landesarbeitsgericht kein Rechtsfehler unterlaufen. Insbesondere hat das Landesarbeitsgericht die insoweit einschlägige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beachtet.

a) Nach dieser Rechtsprechung (BAG 3. Juli 1970 - 2 AZR 380/69 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 33) ist nicht als sachlicher Befristungsgrund anzuerkennen, daß der Arbeitgeber im Sinne eines Rotationsprinzips in Zukunft frei sein will, aus dem dann vorhandenen Bewerberangebot auszuwählen und auch künftigen Bewerbern eine Chance zu geben. Ungenügend ist auch die Absicht des Arbeitgebers, den Arbeitsplatz in absehbarer Zeit für Arbeitnehmer mit allgemein besserer Qualifikation freizumachen (BAG 14. Januar 1982 - 2 AZR 245/80 - BAGE 37, 283). Etwas anderes kann zwar gelten, wenn der Arbeitnehmer wegen Fehlens einer an sich für die zu besetzende Stelle erforderlichen Qualifikation für eine Dauerbesetzung der Stelle ungeeignet ist und sich der Arbeitgeber nur vorübergehend durch seine befristete Einstellung behelfen will (BAG 10. Januar 1980 - 2 AZR 25/78 - BAGE 32, 274). Diese Voraussetzungen sind aber schon deswegen nicht gegeben, weil die Klägerin für die von ihr ausgeübten psychotherapeutischen Tätigkeiten qualifiziert und für eine Dauerbesetzung ungeachtet der Qualifikation der Frau Dr. B nicht ungeeignet war.

b) Über diese Fälle hinaus hat das Bundesarbeitsgericht bisher offen gelassen, unter welchen Voraussetzungen ein berechtigtes Arbeitgeberinteresse als Sachgrund zu berücksichtigen ist, wenn der Arbeitgeber eine befristete Einstellung vornimmt, um den Zeitraum bis zur Arbeitsaufnahme eines anderen Arbeitnehmers zu überbrücken. Der Senat hat jedoch entschieden, daß ein solches Interesse zumindest voraussetzt, daß sich der Arbeitgeber bereits im Zeitpunkt des befristeten Vertragsabschlusses gegenüber dem für eine endgültige Stellenbesetzung vorgesehenen Bewerber vertraglich gebunden hat (BAG 6. November 1996 - 7 AZR 909/95 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 188 = EzA BGB § 620 Nr. 146). Das Landesarbeitsgericht hat ungerügt festgestellt, daß eine solche vertragliche Bindung des beklagten Landes bei Vertragsschluß am 1. November 1996 noch nicht vorlag.

c) Zu Unrecht beruft sich die Revision darauf, der Senat habe von dem Erfordernis einer vertraglichen Bindung abgesehen, wenn der befristet eingestellte Arbeitnehmer bis zu dem Zeitpunkt beschäftigt werden soll, in dem ein Auszubildender des Arbeitgebers seine Berufsausbildung beendet, auch wenn der Arbeitgeber diesem die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis nicht vertraglich zugesagt, sondern lediglich konkret beabsichtigt hat (BAG 21. April 1993 - 7 AZR 388/92 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 148 = EzA BGB § 620 Nr. 120). Hierbei übersieht die Revision, daß der Senat im Falle der beabsichtigten Übernahme eines Auszubildenden ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an einer nur vorübergehenden Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers deshalb anerkannt hat, weil er die Berufsausbildung unter erheblichem Aufwand für seine Zwecke vorgenommen und deshalb ein berechtigtes Interesse daran hat, dem Auszubildenden bei Ende der Berufsausbildung auch einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen zu können. Eine als Sachgrund geeignete vergleichbare Interessenlage hat das beklagte Land für die geplante Einstellung der Frau Dr. B nicht dargelegt.

4. Das beklagte Land macht weiter geltend, es habe im Sinne einer freien, der gerichtlichen Überprüfung nur sehr eingeschränkt zugänglichen Unternehmerentscheidung beschlossen, die von der Klägerin ausgeübte Halbtagsbeschäftigung mit weiteren, eine Halbtagstätigkeit ausfüllenden ärztlichen Tätigkeiten zu einem Vollarbeitsplatz zusammenzulegen und diesen Frau Dr. B zu übertragen. Inwieweit diese Unternehmerentscheidung durch berechtigte Interessen des Arbeitgebers geboten gewesen sei, brauche daher nicht dargelegt zu werden.

Auch dieses Vorbringen kann die vorliegende Befristung nicht rechtfertigen. In die Freiheit des Unternehmers, seinen Betrieb und dessen Abläufe zu gestalten, wird nicht dadurch eingegriffen, daß für die Befristung von Arbeitsverhältnissen ein Sachgrund oder eine spezialgesetzliche Rechtfertigung verlangt wird.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Dörner

SteckhanLinsenmaier Bea

Wolf

 

Fundstellen

Haufe-Index 611055

BB 2000, 1525

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