Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsvertretung bei CWG-Kräften in NATO-Truppe

 

Orientierungssatz

Dienststellenbegriff bei NATO-Truppen - keine Zugehörigkeit von CWG-Kräften einer fremden Dienststelle.

 

Normenkette

GVG § 20; BPersVG §§ 13, 16, 25; NATOZAbkUnterzProt Nr. 9; NATOTrStatZAbk Art. 56 Abs. 9

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 05.02.1987; Aktenzeichen 13 TaBV 94/86)

ArbG Krefeld (Entscheidung vom 24.06.1986; Aktenzeichen 4 BV 9/86)

 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten im Wahlanfechtungsverfahren darüber, ob anstelle der aus neun Mitgliedern bestehenden Betriebsvertretung im Sinne des Art. 56 Abs. 9 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut (ZA-NTS) lediglich eine aus fünf Mitgliedern zusammengesetzte Betriebsvertretung zu wählen war.

Die Antragstellerin ist eine militärische Einheit und zugleich eine Dienststelle der zu den NATO-Truppen zählenden britischen Streitkräfte (Rheinarmee). Sie führt die Kurzbezeichnung BAD (Base Ammunition Depot), ist in B stationiert und unterhält dort ein militärisches Depot. Die Antragsgegnerin ist die bei ihr im April 1986 gewählte Betriebsvertretung.

Die mögliche militärische (sachliche und personelle) Ausstattung der militärischen Einheit BAD ist vom britischen Verteidigungsministerium in einem sogenannten Establishment beschrieben. Nach ihm sind für die Einheit BAD insgesamt 325 nichtsoldatische Arbeitskräfte als DEL-Arbeitnehmer (Directly Employed Labourers) vorgesehen, von denen 186 Positionen mit CWG-Kräften (Civilian Working Group) ausgefüllt werden können ("may be CWG"). Wegen der Einzelheiten wird auf den Auszug aus dem Establishment Bezug genommen.

Während bei den britischen NATO-Truppen in der Bundesrepublik Deutschland DEL-Arbeitnehmer nur jeweils von der Dienststelle als Arbeitgeberin eingestellt werden, bei der sie arbeiten sollen, werden CWG-Kräfte nur von PLSU-Dienststellen/Einheiten der Truppe (Pioneer Labour Support Unit) als Arbeitgeberinnen eingestellt, und zwar - von geringfügigen Ausnahmen für den Eigenbedarf der jeweiligen PLSU-Einheit abgesehen - nur zum Einsatz bei anderen militärischen Einheiten bzw. Dienststellen der Truppe. Die CWG-Kräfte bleiben dabei arbeitsvertraglich der PLSU-Dienststelle zugeordnet, von der sie eingestellt worden sind; sie sind für die dortige Betriebsvertretung grundsätzlich aktiv und passiv wahlberechtigt. Wegen des besonderen Status der CWG-Kräfte bestehen besondere tarifvertragliche Regelungen im Anhang "Z" zum Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TVAL II). Die bei der Antragstellerin eingesetzten CWG-Kräfte haben Arbeitsverträge mit der Dienststelle PLSU Br abgeschlossen. Die Diensträume und Unterkünfte von PLSU liegen nur wenige hundert Meter vom Gelände der Antragstellerin entfernt.

Am Tag der Ausschreibung der Wahl der Antragsgegnerin (27. Februar 1986) und am Wahltag (15. und 16. April 1986) waren bei der Antragstellerin regelmäßig etwa 125 DEL-Arbeitnehmer beschäftigt, die Arbeitsverträge mit ihr abgeschlossen haben. Auf dem Gelände der Antragstellerin waren ferner Arbeitnehmer eingesetzt, die mit ihr nicht in arbeitsvertraglichen Beziehungen stehen, darunter 32 Hundeführer der Einheit DASU (vormals ADTU), 42 Kraftfahrer der militärischen Transporteinheit MCTG. Daneben waren CWG-Kräfte der Dienststelle PLSU Br tätig, und zwar nach der Behauptung der Antragstellerin 171 (abzüglich erkrankter und beurlaubter Arbeitnehmer), nach der Behauptung der Antragsgegnerin jedoch 182; sie haben an der Wahl nicht teilgenommen.

Nach der Feststellung des Landesarbeitsgerichts waren am Tag des Wahlausschreibens (27. Februar 1986) 79 Arbeitnehmer von PLSU länger als drei Monate ohne Unterbrechung bei der Antragstellerin eingesetzt, ein weiterer großer Teil von CWG-Kräften war am 27. Februar 1986 ebenfalls im wesentlichen länger als drei Monate bei der Antragsgegnerin eingesetzt, ihr Einsatz war jedoch kurzfristig innerhalb der letzten drei Monate ausnahmslos nicht länger als drei Tage unterbrochen.

Der Wahlvorstand ist bei der Ausschreibung der Wahl zu dem Ergebnis gelangt, es sei eine aus neun Mitgliedern bestehende Betriebsvertretung zu wählen. Er hat dabei für die Zeit vom März 1985 bis Februar 1986 379 Arbeitnehmer als Durchschnittszahl der i.S. des § 16 BPersVG "bei BAD Beschäftigten" berechnet. Dabei hat er die DEL-Arbeitnehmer der Antragstellerin, die bei BAD tätigen Arbeitnehmer der Dienststelle PLSU Br sowie die Hundeführer und Kraftfahrer als bei der Antragstellerin beschäftigt zugrunde gelegt.

Die Wahl ist am 15. und 16. April 1986 als Gruppenwahl (Verhältniswahl) durchgeführt worden. Das Wahlergebnis ist am 17. April 1986 bekanntgegeben worden. Für die Gruppe der Angestellten sind insgesamt 42 Stimmen, davon zwei ungültige, abgegeben worden. 55 Stimmen sind für die Gruppe der Arbeiter abgegeben worden, davon waren fünf nicht gültig. Als gewählt hat der Wahlvorstand zwei Angestellte und sieben Arbeiter festgestellt.

Mit ihrem am 25. April 1986 eingereichten Antrag ficht die Antragstellerin jene Wahl mit im wesentlichen der Begründung an, es hätte nur eine aus fünf Mitgliedern bestehende Betriebsvertretung gewählt werden dürfen, weil die Dienststelle BAD nur 125 (mit einer Abweichung um einen oder zwei) Arbeitnehmer habe, nämlich ihre DEL-Arbeitnehmer.

Sie hat geltend gemacht: Auch nach der jetzigen Auffassung der Antragsgegnerin seien die 32 Hundeführer und die 42 Kraftfahrer nicht zu berücksichtigen. Die Antragsgegnerin meine aber zu Unrecht, daß die CWG-Kräfte der Dienststelle PLSU Br im Rahmen der Vorschriften über die Größe der zu wählenden Betriebsvertretung (vgl. § 16 BPersVG) zu berücksichtigen seien. Tatsächlich hätten auch jene Arbeitnehmer weder das aktive noch das passive Wahlrecht noch seien sie nach § 16 BPersVG zu berücksichtigen. Dies liege an der Eigenart der Dienststelle PLSU Br und der dort angestellten CWG-Arbeitnehmer. Die Behörden einer Truppe definierten ihre Dienststellen selbst, ebenso bestimmten sie die Zahl und die Art der benötigten Arbeitsplätze nach Maßgabe von Art. 56 Abs. 7 ZA-NTS. In diesem Sinn sei bestimmt, daß CWG-Kräfte in "beweglichen Einheiten" zusammengefaßt seien und in einer dem deutschen Arbeitsrecht eigentlich unbekannten Form keinen örtlich festen Arbeitsplatz haben, sondern auf längere, mittelfristige oder kürzere Zeit mal hier und mal dort eingesetzt würden.

Auf das Establishment der militärischen Einheit BAD könne zur Klärung der Frage der Dienststellenzugehörigkeit der CWG-Kräfte nicht zurückgegriffen werden. Die Dienststelle PLSU habe ebenfalls ein Establishment; es umfasse auch die hier in Rede stehenden CWG-Kräfte. Ein Establishment sei auch kein Stellenplan im Sinn des deutschen Rechts. Vielmehr werde darin nur unverbindlich die Ausstattung beschrieben, die der jeweiligen militärischen Einheit in Friedenszeiten bzw. - hiervon abweichend - in Kriegszeiten zur Verfügung stehen solle. Wie dies jeweils verwirklicht werde, ergebe sich aus sogenannten Ceilings (wörtlich: "Decken"), die entsprechend den militärischen und finanziellen Gegebenheiten jährlich vom britischen Verteidigungsministerium erlassen würden.

Die CWG-Kräfte der Dienststelle PLSU Br seien auch nicht tatsächlich bei der Antragstellerin eingegliedert. Vielmehr würden unstreitig Einstellungen, Entlassungen, Abmahnungen, Umsetzungen usw. nur von der Dienststelle PLSU Br als der Arbeitgeberin der CWG-Kräfte vorgenommen. Der Einsatz jener Arbeitskräfte bei der Antragstellerin erfolge in der Weise, daß der BAD-Einsatzleiter (R) die Arbeitsanweisungen seines Dienststellenkommandeurs entgegennehme, sie nach Prioritäten ordne und sie dann entweder an das BAD-eigene DEL-Personal weitergebe oder aber an den PLSU-Mitarbeiter F. F sei nicht Personalsachbearbeiter, sondern Superintendant von PLSU. Er sitze mit R in einem Büro noch außerhalb des Geländes von BAD. Die Dienststelle BAD melde der PLSU Br (über R an F) den Arbeitsanfall für den folgenden Tag. F stelle aus dem vorhandenen Personal der Dienststelle PLSU Br die einzelnen Arbeitsgruppen zusammen und bestimme deren jeweilige Leiter (Foremen = Vormänner bzw. Chargehands = Vorarbeiter). Dabei habe F bestimmte Einzelheiten, die sich auch aus den arbeitsvertraglichen Gruppierungen der jeweiligen CWG-Kräfte und deren angelernten Kenntnissen ergäben, zu berücksichtigen. Fachliche Weisungen erteile F den CWG-Kräften allerdings nicht. Die einzelnen fachlichen Weisungen erhielten die CWG-Kräfte von Soldaten bzw. DEL-Arbeitnehmern der Antragstellerin.

Insgesamt sei daher für die Größe der Betriebsvertretung nur auf die 125 eigenen Arbeitnehmer (DEL) der Antragstellerin abzustellen.

Doch selbst wenn man meinen wollte, zumindest die CWG-Kräfte seien entsprechend § 13 Abs. 2 BPersVG wahlberechtigt und deshalb auch bei der Größe der Betriebsvertretung zu berücksichtigen, die länger als drei Monate bei der Antragstellerin ohne Unterbrechung eingesetzt worden seien, hätte nur eine Betriebsvertretung mit sieben Mitgliedern gewählt werden dürfen (125 DEL-Arbeitnehmer und 79 - richtig: 82 - CWG-Kräfte). Und selbst dann, wenn alle CWG-Kräfte ohne Rücksicht auf die Dauer ihres Einsatzes der Dienststelle BAD zuzurechnen seien, hätte nur eine aus sieben Mitgliedern bestehende Betriebsvertretung gewählt werden dürfen. Dann nämlich wären neben den 125 DEL-Arbeitnehmern nicht 182, sondern nur 171 CWG-Kräfte zu berücksichtigen, weil die übrigen CWG-Kräfte nicht bei der Antragstellerin, sondern bei der Dienststelle PLSU Br eingesetzt seien.

Die Antragstellerin hat im ersten Rechtszug beantragt

festzustellen, daß die am 15. und

16. April 1986 bei der Dienststelle

BAD/RAOC durchgeführte Betriebsvertretungswahl

unwirksam ist.

Die Antragsgegnerin hat in der ersten Instanz beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat geltend gemacht: Die Größe der Betriebsvertretung sei zutreffend nach § 16 BPersVG bemessen worden. Bei der Antragstellerin seien mindestens 307 Arbeitnehmer tätig, nämlich 125 DEL-Kräfte und 182 CWG-Kräfte. Auf die daneben tätigen 32 Hundeführer und 42 Kraftfahrer komme es nicht an, weil sich auch unter deren Berücksichtigung keine andere Zahl der zu wählenden Mitglieder der Betriebsvertretung ergebe. Allerdings seien die CWG-Kräfte nicht wahlberechtigt. Für die Größe der Betriebsvertretung komme es hierauf aber auch nicht an, weil sie für mehr als 300 Arbeitnehmer zu wählen gewesen sei. Die neun CWG-Kräfte, die nach der Behauptung der Antragstellerin nicht bei ihr tätig seien, gehörten der Antragstellerin indessen an, weil sie in deren Einheit Dienst leisteten.

Unabhängig davon, ob die insgesamt 182 CWG-Kräfte nach § 13 BPersVG wahlberechtigt seien, sei die Zahl der zu wählenden Mitglieder der Antragsgegnerin nach § 16 BPersVG richtig auf neun festgesetzt.

Das Establishment sei ein "Stellenplan"; so werde dieser Ausdruck auch von den britischen Streitkräften übersetzt. Es sei auch verbindlich; die Ceilings ergäben nur die Höchstzahl im Rahmen einer Stellenplanänderung.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag mit der Begründung stattgegeben, es liege ein Verstoß gegen § 25 BPersVG vor, weil 79 Arbeitnehmer der Dienststelle PLSU Br, die länger als drei Monate ununterbrochen bei der Antragstellerin Dienst getan hätten, wahlberechtigt i.S. des § 13 Abs. 2 BPersVG gewesen und an der Wahl gehindert worden seien. Wollte man deren aktives Wahlrecht verneinen, so sei die Wahl gleichwohl unwirksam. Denn dann hätte nur auf die 125 DEL-Arbeitnehmer der Antragstellerin abgestellt werden dürfen mit der Folge, daß nur eine fünfköpfige Betriebsvertretung hätte gewählt werden dürfen.

Gegen diesen Beschluß haben beide Beteiligten Beschwerde eingelegt. Im Beschwerderechtszug hat die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluß abzuändern, den Antrag

zurückzuweisen und die Beschwerde

der Antragstellerin zu verwerfen.

Hiergegen hat die Antragstellerin den Antrag gestellt,

unter Bestätigung des Beschlußtenors des

Beschlusses des Arbeitsgerichts Krefeld

4 BV 9/86 diese Entscheidung insoweit

abzuändern, als festgestellt wird, daß

den Arbeitnehmern, die mit der Dienststelle

PLSU der britischen Streitkräfte

einen Arbeitsvertrag abgeschlossen haben,

ein aktives und/oder passives Wahlrecht

bei den Betriebsvertretungswahlen der

Dienststelle BAD selbst dann nicht

zusteht, wenn diese auf dem Gelände der

Dienststelle BAD Arbeitstätigkeiten für

länger als drei Monate verrichten und diese

auch nicht Beschäftigte der Dienststelle

BAD im Sinne des § 16 des BPersVG sind,

die Beschwerde der Antragsgegnerin

zurückzuweisen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen, die Beschwerde der Antragstellerin mangels Beschwer als unzulässig verworfen und für die Antragsgegnerin die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihr Ziel, den Sachantrag zurückzuweisen, weiter, während die Antragsgegnerin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

B. Die statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin ist unbegründet.

Die Wahl der Antragsgegnerin ist im Ergebnis mit Recht für unwirksam erklärt worden. Es hätte keine aus neun Mitgliedern bestehende Betriebsvertretung gewählt werden dürfen.

I. In verfahrensrechtlicher Hinsicht bestehen keine Bedenken.

1. Das Beschlußverfahren ist die zutreffende Verfahrensart. Dies folgt aus der gesetzlichen Regelung in Abs. 9 des Unterzeichnungsprotokolls (UP) zu Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS i.V.m. der Bestimmung in Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS selbst.

2. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für Arbeitssachen liegt ohne jeden Zweifel vor. Sie ergibt sich mangels besonderer Regelungen aus den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit, hier aus § 82 ArbGG (vgl. BAG Beschluß vom 12. Februar 1985 - 1 ABR 3/83 - AP Nr. 1 zu Art. I NATO-Truppenstatut, zu I 3 der Gründe). Die Antragstellerin hat ihren Sitz im Bezirk des Arbeitsgerichts Krefeld.

3. Die deutsche Gerichtsbarkeit ist für den von der Antragstellerin verfolgten Antrag gegeben.

Die Frage der Exterritorialität und damit Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (vgl. BVerfGE 46, 342). Für den vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob die Antragstellerin mit Rücksicht auf § 20 GVG nach den Bestimmungen des NATO-Truppenstatuts und den hierzu ergangenen Regelungen oder nach allgemeinem Völkerrecht generell oder jedenfalls im Verhältnis zu der bei ihr bestehenden Betriebsvertretung der deutschen Gerichtsbarkeit nicht unterliegt. Denn auf eine solche denkbare Befreiung hat die Antragstellerin hier wirksam verzichtet, indem sie selbst das Verfahren anhängig gemacht hat und über den von ihr gestellten Antrag eine Sachentscheidung der deutschen Gerichte für Arbeitssachen begehrt (vgl. zur Frage des Verzichts auf die Regelung des § 20 GVG: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 46. Aufl. 1987, Einf. zu §§ 18 - 20 GVG Anm. C b; Kissel, GVG, § 18 Rz 21, 24; vgl. im Ergebnis: BAG Beschluß vom 19. Juni 1984 - 1 ABR 65/82 - AP Nr. 1 zu Art. 72 ZA-NATO-Truppenstatut, unter B II 1 der Gründe).

4. Der Sachantrag ist zutreffend gestellt. Die Antragstellerin greift die Wahl der Antragsgegnerin als solche an und begehrt nicht etwa nur die Korrektur des Wahlergebnisses (vgl. BAGE 1, 121 und BAGE 1, 182 = AP Nr. 1 und 3 zu § 76 BetrVG; Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl. 1978, Band 1, § 25 Rz 36).

II. Materiell-rechtlich erweist sich die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis ebenfalls als zutreffend. Die Wahl ist entsprechend § 25 BPersVG unwirksam.

1. Die formellen Voraussetzungen des § 25 BPersVG liegen vor. Das Landesarbeitsgericht hat hierzu zwar keine Ausführungen gemacht. Der von ihm festgestellte Sachverhalt (vgl. § 561 ZPO) ermöglicht jedoch auch insoweit eine Entscheidung durch den Senat. Der Leiter der Antragstellerin hat die Wahl der Antragsgegnerin rechtzeitig innerhalb von zwölf Arbeitstagen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses (17. April 1986), nämlich am 25. April 1986, angefochten. Eine Berichtigung des Wahlergebnisses ist weder erfolgt noch rechtlich möglich.

2. Das Wahlergebnis konnte durch den gerügten Verstoß gegen Wahlvorschriften auch beeinflußt werden, denn es handelt sich um einen Fall der unrichtigen Berechnung der Größe der Betriebsvertretung (vgl. BAGE 28, 212, 215 f. = AP Nr. 5 zu § 19 BetrVG 1972), wie sich nachstehend aus den Gründen unter II 4 ergibt.

3. Die Wahl ist nicht nichtig. Anzeichen dafür, daß gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen sei, daß auch der Anschein einer Wahl nicht mehr erweckt werde, liegen nicht vor.

4. Die Unwirksamkeit der Wahl ist vom Landesarbeitsgericht zwar im Ergebnis zu Recht festgestellt worden. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts folgt die Unwirksamkeit der Wahl indessen nicht aus § 13 Abs. 2 BPersVG unter dem Gesichtspunkt, daß für die Wahl der Betriebsvertretung 79 Arbeitnehmer der Dienststelle PLSU als nicht wahlberechtigt behandelt worden sind, sondern daraus, daß die Vorschrift des § 16 BPersVG über die Größe der zu wählenden Betriebsvertretung unrichtig angewendet worden ist. Bei der Wahl der Antragsgegnerin durfte nicht auf die CWG-Kräfte der Dienststelle PLSU Br abgestellt werden. Dies hat zur Folge, daß für die Größe der Betriebsvertretung keineswegs mehr als 300 Beschäftigte zu berücksichtigen waren, so daß sie keineswegs aus neun Mitgliedern zusammengesetzt ist, sondern aus weniger als neun Mitgliedern. Die unrichtige Berechnung der Größe der zu wählenden Betriebsvertretung stellt einen Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren dar, der das Wahlergebnis ändern oder beeinflussen konnte.

a) Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen angenommen, bei der Wahl der Antragsgegnerin sei insoweit gegen § 25 BPersVG verstoßen worden, als 79 wahlberechtigte Mitglieder der Dienststelle PLSU Br von der Wahl ausgeschlossen worden seien. Wahlberechtigt seien die Arbeitnehmer der Dienststelle PLSU gewesen, die ohne Unterbrechung länger als drei Monate bei der Antragstellerin eingesetzt gewesen seien. Sie seien als in den Betriebsablauf der Antragstellerin eingegliedert und damit als wahlberechtigt i.S. des § 13 BPersVG anzusehen. Sei ein Beschäftigter in eine andere Dienststelle tatsächlich arbeitsmäßig eingegliedert, so werde er, wenn die Eingliederung drei Monate übersteige, in ihr wahlberechtigt. Dies sei bei 79 CWG-Kräften der Fall, sie seien an der Wahl gehindert worden.

b) Diesen Ausführungen vermag der Senat nicht zu folgen. Sie berücksichtigen nicht die im vorliegenden Fall zu beachtenden Besonderheiten, die sich aus den Regelungen im NATO-Truppenstatut, im Zusatzabkommen hierzu und im Unterzeichnungsprotokoll zu Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS ergeben.

aa) Das Landesarbeitsgericht ist im Ansatz zu Recht der Rechtsprechung zur Frage der Zugehörigkeit zu einer Dienststelle im personalvertretungsrechtlichen Sinn gefolgt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Beschluß vom 21. November 1958 (- BVerwG VII P 3.58 - (teilweise) BVerwGE 7, 331 = AP Nr. 1 zu § 9 PersVG) zur damaligen Bestimmung des § 9 des (Bundes-) Personalvertretungsgesetzes vom 5. August 1955 (BGBl. I S. 477), die der jetzt geltenden Regelung in § 13 BPersVG vorangegangen ist, ausgeführt, das Recht zur Teilnahme an der Wahl zum Personalrat einer Dienststelle setze die Zugehörigkeit des wahlberechtigten Bediensteten zu dieser Dienststelle voraus. Aus § 9 Abs. 2 BPersVG (alt), wonach der zu einer Dienststelle abgeordnete Bedienstete in ihr wahlberechtigt werde, sobald die Abordnung länger als drei Monate gedauert habe, folge, daß für die Zugehörigkeit zu einer Dienststelle nicht die auf dem Dienstvertrag beruhende rechtliche Beziehung ausschlaggebend sein solle, sondern das tatsächliche Beschäftigungsverhältnis.

In seinem Beschluß vom 19. Juni 1980 (- BVerwG 6 P 1.80 - ZBR 81, 69 f. unter Hinweis auf BVerwGE 7, 331) hat das Bundesverwaltungsgericht zum Merkmal der Dienststellenzugehörigkeit für die Zahl der zu wählenden Mitglieder des Personalrats gemäß § 13 LPVG NW ausgeführt, Beschäftigter einer Dienststelle zu sein heiße, in dieser und für diese tätig zu sein. Der Bedienstete müsse also Aufgaben dieser Dienststelle erfüllen. Ob die Aufgabenerfüllung auf einer dienstrechtlichen oder einer tatsächlichen Eingliederung beruhe, sei personalvertretungsrechtlich unerheblich.

Sodann hat es erkannt: Die Zugehörigkeit des einzelnen Beschäftigten zu einer Dienststelle sei für den Bereich des Personalvertretungsrechts nicht nach formalen rechtlichen Kriterien, sondern nach den tatsächlichen Gegebenheiten zu bestimmen, um dem Beschäftigten den Schutz der Personalvertretung in größtmöglichem Umfang zu sichern (Beschluß vom 2. September 1983 - 6 P 29.82 - ZBR 1984, 80 f.). Diese Überlegungen bestimmten auch die Auslegung des Begriffes der Abordnung im Personalvertretungsrecht. Das Bundesverwaltungsgericht habe bereits in BVerwGE 7, 331 dargelegt, dieser aus dem Beamtenrecht übernommene Begriff habe insoweit im Personalvertretungsrecht eine selbständige Bedeutung, als er sowohl auf Beamte als auch auf Tarifbedienstete Anwendung finde und nicht auf die rechtliche Beziehung des Bediensteten zu einer Dienststelle abstelle, sondern auf das tatsächliche Beschäftigungsverhältnis. Daran habe das Bundesverwaltungsgericht in der Folgezeit festgehalten und in BVerwGE 14, 241 (245 f.) zu erkennen gegeben, daß die Frage, bei welcher Dienststelle ein Bediensteter tatsächlich beschäftigt sei, anhand konkreter äußerer Umstände wie seiner räumlichen Einbeziehung in den Dienststellenbetrieb und seiner Unterstellung unter die "äußere Ordnung" der Dienststelle zu beurteilen sei. Lasse sich mit Hilfe solcher Kriterien feststellen, daß ein Bediensteter aus einer Dienststelle, der er früher angehört habe, ausgegliedert und in eine andere Dienststelle eingegliedert worden sei, so liege darin eine Abordnung im Sinne der personalvertretungsrechtlichen Vorschriften, mögen auch formale Beziehungen des Bediensteten zu seiner bisherigen Dienststelle erhalten geblieben sein (BVerwG Beschluß vom 2. September 1983 - 6 P 29.82 -, aaO).

bb) Diesen Grundsätzen schließt sich der Senat für den vorliegenden Fall an. Die besonderen rechtlichen Regelungen für die Betriebsvertretungen i.S. des Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS gebieten jedoch eine modifizierte Anwendung. Das Landesarbeitsgericht hat bei der Anwendung der unter aa) dargestellten Grundsätze indessen die rechtlichen Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht hinreichend berücksichtigt.

Absatz 1 des Unterzeichnungsprotokolls (UP) zu Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS bestimmt, daß "Dienststellen im Sinne des Bundespersonalvertretungsgesetzes ..." die "einzelnen Verwaltungsstellen und Betriebe einer Truppe" ... "nach näherer Bestimmung durch die betreffende Truppe" sind. Nach Art. 56 Abs. 7 ZA-NTS "bestimmen die Behörden einer Truppe" ... "die Zahl und die Art der benötigten Arbeitsplätze gemäß der Einreihung der Tätigkeitsarten im Sinne des Absatzes 5 Buchstabe a. Nach Abs. 5 lit. a des Art. 56 ZA-NTS obliegt es den deutschen Behörden, im Einvernehmen mit den Behörden einer Truppe "... die als Grundlage für die einzelnen Arbeitsverträge dienenden Arbeitsbedingungen" ... "festzusetzen und Tarifverträge abzuschließen". Mit diesen rechtlichen Besonderheiten hat sich das Landesarbeitsgericht nicht hinreichend auseinandergesetzt.

cc) Aus diesen für NATO-Truppen in der Bundesrepublik Deutschland geltenden rechtlichen Besonderheiten in Verbindung mit dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt folgt hier, daß die 171 bzw. 182 CWG-Kräfte der Dienststelle PLSU Br bei der Antragstellerin weder nach § 13 Abs. 1 oder 2 BPersVG wahlberechtigt sind noch gemäß § 16 BPersVG bei der Größe der zu wählenden Betriebsvertretung zu berücksichtigen sind, weil jene Arbeitskräfte der Antragstellerin weder angehören noch zu ihr i.S. des § 13 Abs. 2 BPersVG abgeordnet sind. Vielmehr gehören jene CWG-Arbeitnehmer auch personalvertretungsrechtlich weiterhin zur Dienststelle PLSU Br, auch wenn sie auf dem Gelände der Dienststelle BAD (Antragstellerin) eingesetzt sind. Denn sie sind aus der Dienststelle PLSU Br weder ausgegliedert noch in die antragstellende Dienststelle eingegliedert. Dies ergibt sich aus dem besonderen Zuschnitt der Dienststelle PLSU Br.

Die Dienststelle PLSU Br hat als Arbeitgeberin ihrer CWG-Kräfte einen dem deutschen Personalvertretungsrecht im Prinzip fremden Zuschnitt. Neben einer kleinen örtlich fest angesiedelten Verwaltung besteht sie im wesentlichen aus Arbeitskräften, deren Arbeitsplätze nicht örtlich festgelegt sind, sondern örtlich wechseln und wechseln sollen. Die CWG-Arbeitskräfte aus dem Establishment/Ceiling von PLSU Br werden im Rahmen des Establishments/Ceilings z.B. von BAD in der Weise eingesetzt, daß die (tägliche) Bestimmung, welcher Arbeitnehmer der Dienststelle PLSU Br welche Tätigkeiten in welcher anderen Einheit/Dienststelle zu verrichten hat, weiterhin durch den örtlichen Vertreter der Dienststelle PLSU Br (F) erfolgt. Die derart eingesetzten Arbeitnehmer erhalten im vorliegenden Fall zwar nähere fachliche Weisungen durch Soldaten oder Mitarbeiter der Antragstellerin. Ob und wann der CWG-Arbeitnehmer aber überhaupt die betreffende Tätigkeit in Person zu verrichten hat, unterliegt nicht der Entscheidung der Antragstellerin, sondern nur der Entscheidung durch die Dienststelle PLSU Br. Der Angestellte R der Antragstellerin kann zwar (im Rahmen der Vorgaben durch den Kommandeur von BAD) entscheiden, welche Arbeiten mit welcher Priorität von welchen eigenen DEL-Arbeitskräften der Antragstellerin auszuführen sind. Er ist aber nicht in der Lage, derartige Arbeitszuweisungen für den einzelnen CWG-Arbeitnehmer der Dienststelle PLSU Br vorzunehmen. Dies bleibt vielmehr Aufgabe der Dienststelle PLSU, die sich hierzu ihres Arbeitnehmers F bedient. Auch die sonstigen wesentlichen Fragen des Arbeitsverhältnisses, insbesondere seine Eingehung, Beendigung, die Frage von Abmahnungen, Fragen der Entlohnung usw. werden unstreitig für diese CWG-Kräfte nicht durch die Antragstellerin, sondern durch die Dienststelle PLSU Br erledigt. Die Dienststelle PLSU Br ist formal wie tatsächlich Arbeitgeberin ihrer CWG-Kräfte. Insgesamt fehlt es daher an einer Ausgliederung der CWG-Kräfte aus der Dienststelle PLSU Br ebenso wie an einer Eingliederung dieser Arbeitskräfte in die antragstellende Dienststelle.

Die Tatsache, daß jene CWG-Arbeitnehmer auf dem Gelände der Einheit BAD eingesetzt sind, ändert hieran nichts. Denn die Frage des örtlichen Einsatzes ist im vorliegenden Fall deshalb ohne wesentliche Bedeutung, weil es gerade Aufgabe und Wesensmerkmal der Dienststelle PLSU Br ist, daß ihre Arbeitnehmer nach näherer Bestimmung gemäß Art. 56 Abs. 7 ZA-NTS ortsungebunden eingesetzt werden und werden sollen. Diese Besonderheit der Dienststelle, deren Bestimmung durch die Behörden der britischen Rheinarmee gemäß Abs. 1 UP zu Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS erfolgt ist, verbietet es, aus der Tatsache, daß deren CWG-Arbeitnehmer auf dem Gelände der Antragstellerin eingesetzt sind, auf deren Eingliederung in die antragstellende Dienststelle zu schließen. Die dort eingesetzten CWG-Kräfte nehmen auch nicht primär Aufgaben der Antragstellerin wahr, sondern Aufgaben der Dienststelle PLSU Br. Deren Aufgabe besteht nämlich darin, fremden Einheiten/Dienststellen der britischen Rheinarmee die Arbeiten abzunehmen, die diese Dienststellen mit eigenen Arbeitskräften (DEL-Arbeitnehmer bzw. Soldaten) nicht erfüllen können. Aus diesem Grund ist auch unbeachtlich, daß Soldaten und DEL-Arbeitnehmer der Antragstellerin den CWG-Kräften von PLSU Br nähere fachliche Weisungen erteilen. Das Establishment/Ceiling der Antragstellerin gibt ihr zwar vor, in welchem personellen Umfang sie von einer solchen Hilfeleistung durch CWG-Kräfte Gebrauch machen darf und welche Arbeitsplätze auf jeden Fall mit DEL-Arbeitnehmern besetzt werden müssen. Es besagt aber nichts über die personalvertretungsrechtliche Zugehörigkeit der in diesem Umfang eingesetzten CWG-Kräfte zur Dienststelle der Antragstellerin. Denn diese Kräfte sind auch im Establishment/Ceiling der Dienststelle PLSU Br erfaßt.

c) Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, daß die CWG-Kräfte der Dienststelle PLSU Br nicht zur antragstellenden Dienststelle zu zählen sind, und zwar weder i.S. des § 13 Abs. 1 oder 2 BPersVG noch i.S. von § 16 BPersVG. Für die Größe der gemäß Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS zu wählenden Betriebsvertretung kommt es aber auf die Zahl der zur Dienststelle gehörenden Arbeitnehmer an (vgl. § 16 BPersVG). Gegen diese wesentliche Bestimmung ist hier verstoßen worden. Aus den insoweit bindenden Sachverhaltsfeststellungen des Landesarbeitsgerichts (vgl. § 561 ZPO) ergibt sich, daß der Antragstellerin personalvertretungsrechtlich weit weniger als 300 Arbeitnehmer regelmäßig angehören. Dementsprechend hätte keine aus neun Mitgliedern bestehende Betriebsvertretung gewählt werden dürfen, sondern nur eine Betriebsvertretung mit einer kleineren Zahl vom Mitgliedern (vgl. § 16 BPersVG). Da aber eine Korrektur des Wahlergebnisses (Betriebsvertretung aus neun Mitgliedern) nicht möglich ist, war die Unwirksamkeit der Wahl der Antragsgegnerin festzustellen.

Dr. Seidensticker Dr. Becker Schliemann

Prof. Dr. Knapp Seiler

 

Fundstellen

Dokument-Index HI440987

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