Entscheidungsstichwort (Thema)

Zustimmung zu Abordnungen zu anderer Gesellschaft

 

Normenkette

BetrVG § 95 Abs. 3

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Beschluss vom 27.03.1990; Aktenzeichen 4 TaBV 164/89)

ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 17.08.1989; Aktenzeichen 13 BV 13/89)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Gruppenvertretung Stewards/Stewardessen gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 27. März 1990 – 4 TaBV 164/89 – wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob Abordnungen von Flugbegleitern des antragstellenden Arbeitgebers, der Deutschen Lufthansa Aktiengesellschaft (DLH), zu der konzernverbundenen Condor Flugdienst GmbH (CFG) gemäß § 2 a Manteltarifvertrag Bordpersonal Nr. 3 a für das Bordpersonal der DLH und CFG nur mit vorheriger und nicht vom Arbeitsgericht ersetzbarer Zustimmung der beteiligten Gruppenvertretung durchgeführt werden dürfen.

Die beteiligte Gruppenvertretung ist die bei der DLH für die Gruppe der Stewardessen und Stewards (Flugbegleiter) gebildete Personalvertretung. Die Personalvertretungen der einzelnen Beschäftigtengruppen des fliegenden Personals der DLH werden gewählt und üben ihre Rechte aus nach Maßgabe des derzeitig gültigen Tarifvertrages „Personalvertretung Bordpersonal” vom 15. November 1972 in der Fassung der Tarifverträge vom 25. Juni 1976 und 29. Oktober 1980 (nachfolgend: TV PV). Die Vorschriften des TV PV lehnen sich zum Teil an die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes an, zum Teil beinhalten sie wegen der Besonderheiten eines Luftfahrtunternehmens abweichende Regelungen. Die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im fliegenden Bereich werden durch eine Reihe von Tarifverträgen geregelt, wozu auch der ab 1. Januar 1987 gültige Manteltarifvertrag Nr. 3 a für das Bordpersonal (nachfolgend: MTV Bord Nr. 3 a) zählt. Die hier einschlägigen Vorschriften des TV PV für die Mitbestimmung bei personellen Maßnahmen lauten:

§ 88 Mitbestimmung bei personellen Maßnahmen

(1) Vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung hat der Arbeitgeber die Gruppenvertretung zu unterrichten und deren Zustimmung zu der geplanten Maßnahme einzuholen.

(2) Zur Unterrichtung der Gruppenvertretung über eine geplante Einstellung hat der Arbeitgeber die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen, Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben und insbesondere den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz einschließlich der vorgesehenen Eingruppierung mitzuteilen.

(3) a) Der Umfang der Unterrichtungspflicht durch den Arbeitgeber gilt nach Maßgabe des Abs. 2 auch bei Versetzungen, wobei die Vorlage von erforderlichen Bewerbungsunterlagen auf die Fälle einer Versetzung als Folge einer Bewerbung auf eine interne Stellenausschreibung beschränkt bleibt; in jedem Falle ist aber der Gruppenvertretung unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Auskunft über die Auswirkungen der geplanten Versetzung zu geben.

b) Als Versetzung im Sinne dieses Tarifvertrages gilt auch die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist.

(5) Die Gruppenvertretung kann die Zustimmung verweigern, wenn

1. die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung verstoßen würde,

3. Die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, daß infolge der personellen Maßnahme im Flugbetrieb beschäftigte Angehörige des Bordpersonals gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne daß dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist,

4. der betroffene Angehörige des Bordpersonals durch die personelle Maßnahme benachteiligt wird, ohne daß dies aus betrieblichen oder in seiner Person liegenden Gründen gerechtfertigt ist,

(6) Verweigert die Gruppenvertretung ihre Zustimmung, so hat sie dies unter Angaben von Gründen innerhalb von einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber diesem schriftlich mitzuteilen.

Teilt die Gruppenvertretung dem Arbeitgeber die Verweigerung ihrer Zustimmung nicht innerhalb der Frist schriftlich mit, so gilt die Zustimmung als erteilt.

(8) Verweigert die Gruppenvertretung ihre Zustimmung, so kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung zu ersetzen.

§ 89 Vorläufige personelle Maßnahmen

(1) Der Arbeitgeber kann, wenn dies aus sachlichen Gründen erforderlich ist, eine personelle Maßnahme im Sinne des § 88 vorläufig durchführen, bevor die Gruppenvertretung sich geäußert oder wenn sie die Zustimmung verweigert hat. Der Arbeitgeber hat den betroffenen Angehörigen des Bordpersonals über die Sach- und Rechtslage aufzuklären.

(2) Der Arbeitgeber hat die Gruppenvertretung unverzüglich von der vorläufigen personellen Maßnahme zu unterrichten. Bestreitet die Gruppenvertretung, daß die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, so hat sie dies dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen. In diesem Falle darf der Arbeitgeber die vorläufige personelle Maßnahme nur aufrechterhalten, wenn er innerhalb von drei Tagen beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung und die Feststellung beantragt, daß die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

(3) Lehnt das Gericht durch rechtskräftige Entscheidung die Ersetzung der Zustimmung der Gruppenvertretung ab oder stellt es rechtskräftig fest, daß offensichtlich die Maßnahme aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich war, so endet die vorläufige personelle Maßnahme mit Ablauf von zwei Wochen nach Rechtskraft der Entscheidung. Von diesem Zeitpunkt an darf die personelle Maßnahme nicht aufrechterhalten werden.

§ 2 a MTV Bord Nr. 3 a enthält Vorschriften über die Flugeinsätze bei der jeweils anderen Gesellschaft, also bei der DLH bzw. deren Tochtergesellschaft Condor Flugdienst GmbH. Diese lauten u.a. wie folgt:

(1) Ein integrierter Personaleinsatz zwischen DLH und CFG findet grundsätzlich nicht statt.

Der Angehörige des Bordpersonals kann jedoch zum Ausgleich temporär bestehender Personalengpässe in den Grenzen der nachstehenden Regelungen zum Einsatz bei der anderen Gesellschaft für einen Zeitraum von einem Kalendermonat abgeordnet werden.

(2) Für die Abordnung zur anderen Gesellschaft hat die Freiwilligkeit absoluten Vorrang vor der Zuweisung durch die abordnende Gesellschaft.

Der Vorrang der Freiwilligkeit wird durch die Regelung in Protokollnotiz Ziffer 4 gewährleistet.

(3) Abordnungen für einen längeren Zeitraum als einen Kalendermonat sind nur auf der Basis der Freiwilligkeit zulässig.

(4) Jede nach den Absätzen 1 und 3 vorgesehene Abordnung eines Mitarbeiters bzw. einer Gruppe von Mitarbeitern bedarf der Zustimmung der Personalvertretung der abgebenden Gesellschaft. Über die Abordnungsfälle auf freiwilliger Basis von weniger als einem Monat sind die zuständigen Gruppenvertretungen der betroffenen Gesellschaften jeweils monatlich schriftlich zu informieren.

Der Tarifvertrag „Personalvertretung” wird in § 2 a MTV Bord Nr. 3 a nicht erwähnt.

Aufgrund unternehmenspolitischer Entscheidungen war bei der Condor Flugdienst GmbH die Zusammensetzung der dort im Einsatz befindlichen Flugzeuge im Verlaufe des Jahres 1989 erheblich verändert worden. Diese Veränderung bestand darin, daß die noch im Einsatz befindlichen Flugzeuge des Typs Boeing B 727 im November 1989 ausgemustert, aber bereits im März 1989 zwei Flugzeuge des Typs Boeing B 737–300 bei der Condor Flugdienst GmbH in Dienst gestellt wurden. Durch den Einsatz dieser zwei neuen Flugzeuge ergab sich bei der Condor Flugdienst GmbH für die Dauer des Sommerflugplanes bis in den November des Jahres hinein ein vorübergehender Personalengpaß durch den Bedarf an zusätzlichen Flugbegleitern.

Die DLH hatte zur Auslieferung ab Anfang 1989 fünf Flugzeuge des Typs Boing B 747–400 bestellt, die aufgrund von Lieferverzögerungen mit einem zeitlichen Verzug von mehreren Monaten zur Auslieferung gelangten und daher nicht mehr rechtzeitig, wie von der DLH geplant, für den Sommerflugplan 1989 zum Einsatz zur Verfügung standen. Die DLH hatte ihre Personalplanung für die Bereederung dieser fünf neuen Flugzeuge in Erwartung vertragsgemäßer fristgerechter Auslieferung erstellt und unter anderem die erforderliche Anzahl von Flugbegleitern vorgesehen.

Die DLH beabsichtigte, den bei der Condor Flugdienst GmbH bestehenden, vorübergehenden Personalengpaß durch die Abordnung von 100 ihrer Flugbegleiter zur Condor Flugdienst GmbH auszugleichen, da nach ihrer Auffassung diese Flugbegleiter wegen der Lieferverzögerung der Boeing B 747–400 bei ihr bis zur Auslieferung dieser Flugzeuge nicht zum Einsatz kommen konnten.

Die Gruppenvertretung hat die Zustimmung zu den beabsichtigten Abordnungen der Flugbegleiter verweigert.

Das Arbeitsgericht hat den erstinstanzlich gestellten Anträgen der DLH auf Ersetzung der Zustimmung zu Abordnungen in einer Vielzahl von Fällen sowie auf Feststellung der dringenden Erforderlichkeit der vorläufigen Durchführung dieser Abordnungen stattgegeben; den gegenläufigen, die vorläufige Durchführung betreffenden Feststellungsantrag der Gruppenvertretung hat das Arbeitsgericht zurückgewiesen.

Mit der Beschwerde hat die Gruppenvertretung weiterhin die Auffassung vertreten, bei den fraglichen Abordnungen handele es sich nicht um Versetzungen. Die Abordnungen bedürften gemäß § 2 a MTV Bord Nr. 3 a der Zustimmung der Gruppenvertretung. Da es sich bei den Abordnungen nicht um Versetzungen im Sinne des § 88 TV PV handele, komme eine Zustimmungsersetzung oder vorläufige Durchführung der Abordnungen nicht in Betracht.

Die Gruppenvertretung Stewardessen/Stewards hat in der Beschwerdeinstanz beantragt

festzustellen, daß die DLH Abordnungen von Flugbegleitern im Sinne des § 2 a MTV Nr. 3 a für das Bordpersonal nicht ohne vorherige Zustimmung der Gruppenvertretung durchführen darf.

Die DLH hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, bei den fraglichen Abordnungen handele es sich um Versetzungen im Sinne des § 88 TV PV, so daß das in diesem Tarifvertrag vorgesehene Verfahren für personelle Einzelmaßnahmen durchgeführt werden müsse.

Hinsichtlich der Anträge auf Zustimmungsersetzung und auf Feststellung der Erforderlichkeit der vorläufigen personellen Maßnahme ist das Verfahren nach entsprechender Erledigungserklärung der Beteiligten vom Landesarbeitsgericht eingestellt worden.

Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Gruppenvertretung zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt diese ihren Feststellungsantrag weiter, während die DLH um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde bittet.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde der Gruppenvertretung ist unbegründet.

I.1. Das Beschlußverfahren ist die zutreffende Verfahrensart.

Das Beschlußverfahren findet auch dann Anwendung, wenn Rechte betriebsverfassungsrechtlicher Organe im Streit sind, die sich nicht aus dem BetrVG selbst ergeben, ihre Grundlage vielmehr in einem Tarifvertrag haben. § 117 Abs. 2 BetrVG überläßt die Schaffung und Ausgestaltung der Betriebsverfassung für die Angehörigen des fliegenden Personals der Luftfahrtunternehmen einer tariflichen Regelung. Auch die aufgrund dieser gesetzlichen Ermächtigung geregelte tarifliche Betriebsverfassung und die sich daraus ergebenden Streitigkeiten sind Angelegenheiten aus dem BetrVG i.S. von § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG (vgl. Senatsbeschluß vom 5. November 1985 – 1 ABR 56/83 – AP Nr. 4 zu § 117 BetrVG 1972).

2. Die Gruppenvertretung ist im Beschlußverfahren nach § 10 ArbGG auch beteiligungsfähig, obwohl sie keine unmittelbar nach dem BetrVG oder einer dazu ergangenen Rechtsverordnung gebildete Stelle ist. Auch aufgrund einer tariflichen Regelung errichtete Organe und Stellen der Betriebsverfassung sind im Beschlußverfahren beteiligungsfähig (Senatsbeschluß vom 5. November 1985, a.a.O.).

3. Der in der Rechtsbeschwerdeinstanz allein zur Entscheidung anstehende Feststellungsantrag war erstmals vor dem Landesarbeitsgericht gestellt worden. Das ist zulässig.

Nach § 87 Abs. 2 Satz 3 i.Verb.m. § 81 Abs. 3 ArbGG kann im Beschlußverfahren der Antrag noch in der Beschwerdeinstanz geändert werden. Eine Antragsänderung liegt dann vor, wenn der Streitgegenstand eines anhängigen Verfahrens geändert oder erweitert wird (Senatsbeschluß vom 31. Januar 1989 – 1 ABR 60/87 – AP Nr. 12 zu § 81 ArbGG 1979, zu B II 2 b der Gründe; Beschluß vom 19. Februar 1991 – 1 ABR 36/90 –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Der in der Beschwerdeinstanz erstmals gestellte Antrag festzustellen, daß die DLH Abordnungen von Flugbegleitern i.S. des § 2 a MTV Bord Nr. 3 a nicht ohne Zustimmung der Gruppenvertretung durchführen darf, ist eine Antragserweiterung gegenüber den Anträgen auf Ersetzung der Zustimmung zu bestimmten Abordnungen und auf Feststellung der dringlichen Erforderlichkeit der vorläufigen Abordnungen, weil die Anträge verschiedene Streitgegenstände betreffen.

Eine solche Antragsänderung ist zulässig, wenn entweder die übrigen Beteiligten zustimmen oder das Gericht die Antragsänderung für sachdienlich hält. Das Landesarbeitsgericht hat die Antragsänderung für zulässig gehalten. Diese Entscheidung ist nach § 87 Abs. 2 i. Verb. mit § 81 Abs. 3 ArbGG für den Senat bindend.

4. Der Feststellungsantrag ist hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er bezeichnet die zur Entscheidung gestellte strittige Rechtsfrage. Eine dem Antrag stattgebende Entscheidung ist geeignet, die unter den Beteiligten strittige Rechtsfrage abschließend zu klären und das Verhältnis der Beteiligten zu befrieden. Begehrt wird auch die Feststellung eines Rechtsverhältnisses. Es geht darum, ob die DLH betriebsverfassungsrechtlich verpflichtet ist, sich gegenüber der Gruppenvertretung in einer bestimmten Weise zu verhalten, wenn diese Flugbegleiter abordnet. Es geht darum, ob Abordnungen nach § 2 a MTV Bord Nr. 3 a nur mit ausdrücklicher und vorheriger Zustimmung der Gruppenvertretung durchgeführt werden dürfen oder ob für derartige Abordnungen die Bestimmungen der §§ 88 f. TV PV zum Tragen kommen, in denen u.a. die Fiktion der Zustimmung, die gerichtliche Ersetzung einer verweigerten Zustimmung und die vorläufige Durchführung von Versetzungen geregelt sind.

5. Die Gruppenvertretung hat ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung i.S. von § 256 Abs. 1 ZPO, der im Beschluß verfahren entsprechend gilt (Senatsbeschluß vom 13. Oktober 1987, BAGE 56, 197 = AP Nr. 24 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Die DLH vermochte nicht auszuschließen, daß künftig wieder Situationen eintreten, in denen die Notwendigkeit derartiger Abordnungen auch ohne ausdrückliche und vorherige Zustimmung der Gruppenvertretung gegeben ist und diese gegebenenfalls als vorläufige Maßnahmen durchzuführen sind (vgl. Senatsbeschluß vom 14. November 1989 – 1 ABR 87/88 – AP Nr. 76 zu § 99 BetrVG 1972, zu B I 1 b der Gründe).

II. 1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, Abordnungen nach § 2 a MTV Bord Nr. 3 a könnten auch aufgrund fingierter oder durch Beschluß des Arbeitsgerichts ersetzter Zustimmung oder auch als vorläufige personelle Maßnahme durchgeführt werden; einer ausschließlich von der Gruppenvertretung zu erteilenden vorherigen Zustimmung bedürfe es nicht. Abordnungen nach § 2 a MTV Bord Nr. 3 a seien Versetzungen, für die die §§ 88 f. TV PV einschlägig seien. Dies ergebe sich aus Wortlaut, Sinn und Zweck der tarifvertraglichen Regelung.

2. Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis und auch im wesentlichen in der Begründung zu folgen.

a) Zu Unrecht wendet sich die Gruppenvertretung gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die „Abordnung” i.S. des § 2 a MTV Bord Nr. 3 a sei keine gegenüber der Versetzung im Sinne der §§ 88 f. TV PV besondere Art der personellen Maßnahme, auf die die §§ 88 f. TV PV nicht angewendet werden könnten.

Ihr Hinweis auf das öffentliche Dienstrecht hinsichtlich der Begriffe „Versetzung” und „Abordnung” rechtfertigte eine unterschiedliche Beurteilung nicht. Richtig ist, daß der Versetzungsbegriff nach dem Personal Vertretungsrecht nicht identisch ist mit dem in § 95 Abs. 3 BetrVG definierten Versetzungsbegriff. Die Personalvertretungsgesetze unterscheiden die Mitbestimmung bei der Versetzung zu einer anderen Dienststelle, der Umsetzung innerhalb der Dienststelle für eine Dauer von mehr als drei Monaten, der Umsetzung innerhalb der Dienststelle, die mit einem Wechsel des Dienstortes verbunden ist, sowie die Abordnung für eine Dauer von mehr als drei Monaten und ihre Aufhebung. Daraus folgt, daß anders als im BetrVG im Personalvertretungsrecht nur von einer Versetzung gesprochen werden kann, wenn ein Arbeitnehmer auf Dauer einer anderen Dienststelle zugewiesen wird (vgl. Urteil des Senats vom 21. August 1990 – 1 AZR 576/89 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, zu I 1 der Gründe; Urteil vom 15. Januar 1991 – 1 AZR 105/90 –, zur Veröffentlichung vorgesehen; Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl. 1978, § 75 Rz 61).

Vorliegend knüpft der Versetzungsbegriff des TV PV jedoch ersichtlich an den Versetzungsbegriff des § 95 Abs. 3 BetrVG an, wenn in § 88 Abs. 3 Buchst. b TV PV bestimmt wird, daß als „Versetzung i.s. dieses Tarifvertrages auch die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches” gilt. „die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist”. Der Wortlaut von § 95 Abs. 3 BetrVG ist jedoch eindeutig und umfaßt auch vorübergehende außerbetriebliche Abordnungen. Schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist eine Versetzung gerade die Zuweisung eines anderen Dienst- oder Arbeitsortes, ohne daß danach differenziert wird, ob der neue Arbeitsort sich im selben oder einem anderen Betrieb des Unternehmens befindet (Beschluß des Senats vom 20. September 1990 – 1 ABR 37/90 –, zur Veröffentlichung vorgesehen, zu B II 1 d der Gründe). Für den Fall einer vorübergehenden Versetzung aus einem Betrieb des Unternehmens in einen anderen hat deshalb der Senat ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats des abgebenden Betriebs unabhängig vom Einverständnis des betroffenen Arbeitnehmers bejaht. Sowohl externe Einsätze der Arbeitnehmer als auch die vorübergehende Versetzung in einen anderen Betrieb des Arbeitgebers oder in einen Betrieb eines anderen Arbeitgebers seien Versetzungen im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG. Auch die vorübergehende Versetzung, die „Abordnung”, sei eine Maßnahme, die als Versetzung der Zustimmung des Betriebsrats bedürfe und sich nicht in ein Ausscheiden aus dem Betrieb und ein (Wieder-)Eingliedern in den Betrieb trennen lasse (Beschlüsse vom 18. Februar 1986, BAGE 51, 151 = AP Nr. 33 zu § 99 BetrVG 1972, vom 18. Oktober 1988 – 1 ABR 26/87 – AP Nr. 56 zu § 99 BetrVG 1972, vom 1. August 1989 – 1 ABR 51/88 – AP Nr. 17 zu § 95 BetrVG 1972, vom 14. November 1989 – 1 ABR 87/88 – AP Nr. 76 zu § 99 BetrVG 1972, und vom 16. Dezember 1986 – 1 ABR 52/85 – AP Nr. 40 zu § 99 BetrVG 1972). Dabei hat der Senat vor allem auf den Schutzzweck der Norm abgestellt. Das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG diene dem Schutz der Interessen der Belegschaft und daneben auch dem Schutz des einzelnen, von der personellen Maßnahme, insbesondere einer Versetzung, betroffenen Arbeitnehmers (vgl. Senatsbeschluß vom 20. September 1990 – 1 ABR 37/90 –, zur Veröffentlichung vorgesehen, zu B II 3 a der Gründe, m.w.N.).

Der Versetzungsbegriff, von dem § 95 Abs. 3 BetrVG und auch § 88 Abs. 3 Buchst. b TV PV ausgehen, umfaßt auch den Fall. daß – wie vorliegend – Arbeitnehmer auf Anordnung des Arbeitgebers vorübergehend für diesen in einem anderen (Konzern-) Unternehmen tätig werden (Senatsbeschluß vom 19. Februar 1991 – 1 ABR 36/90 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).

b) Lassen sich demnach Abordnungen nach § 2 a MTV Bord Nr. 3 a als personelle Maßnahmen der Versetzung i.S. der §§ 88 f. TV PV begreifen, so sind auf sie, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, die Regelungen der §§ 88 f. TV PV anzuwenden, ohne daß es dafür eines besonderen Hinweises im MTV Bord Nr. 3 a bedarf.

Wenn die Zustimmung der Personalvertretung der abgebenden Gesellschaft besonders erwähnt wird, bedeutet dies nicht, daß es sich um eine Zustimmung handelt, die nicht den Regeln des TV PV entsprechend ersetzt oder fingiert werden könnte. Hinsichtlich von „Abordnungen” ist mit dieser Regelung die Mitbestimmung der Personalvertretung bei einer Versetzung lediglich modifiziert worden. Insoweit wird klargestellt, daß lediglich die Personalvertretung der abgebenden Gesellschaft zu beteiligen ist und daß bei Freiwilligkeit die Abordnung von weniger als einem Monat – unabhängig davon, ob mit ihr eine erhebliche Änderung der Umstände i.S. von § 88 Abs. 3 TV PV verbunden ist – nicht der Zustimmung der Personal Vertretung bedarf.

Eine weitere Modifikation gegenüber den Beteiligungsrechten des Betriebsrats nach dem BetrVG liegt darin, daß § 2 a MTV Bord Nr. 3 a hinsichtlich der temporär bestehenden Personalengpässe und damit auch der „betrieblichen Gründe” i.S. des Zustimmungsverweigerungsgrundes nach § 88 Abs. 5 Nr. 3 TV PV offensichtlich auf das jeweils andere Unternehmen abstellt.

c) Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß gegen die Möglichkeit der vorläufigen Durchführung von Abordnungen gemäß § 89 TV PV nicht spricht, daß wegen der zeitlichen Beschränkung der Abordnungen das Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung u.U. leerlaufen wird. Die Beteiligung der Betriebsvertretung selbst bei kurzfristigen „Abordnungen” ist auch dann sinnvoll, wenn der Arbeitgeber im Einzelfall die „Abordnung” als vorläufige Maßnahme durchzuführen berechtigt ist und etwaige Zustimmungsverweigerungsgründe der Betriebsvertretung daher wegen der Kurzfristigkeit der Maßnahme letztlich nicht zum Tragen kommen können (vgl. dazu Beschluß vom 16. Dezember 1986 – 1 ABR 52/85 – AP Nr. 40 zu § 99 BetrVG 1972, zu B II 1 b der Gründe, für eine kurzfristige Einstellung).

Damit ist die „Abordnung” i.S. des § 2 a MTV Bord Nr. 3 a eine Versetzung i.S. der §§ 88 f. TV PV, die auch aufgrund fingierter oder durch das Arbeitsgericht ersetzter Zustimmung oder als vorläufige personelle Maßnahme durchgeführt werden kann.

Die Rechtsbeschwerde der Gruppenvertretung ist daher nicht begründet.

 

Unterschriften

Matthes, Dr. Weller, Dr. Peifer, Dr. Schmidt, Dr. Wohlgemuth

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1081279

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