Entscheidungsstichwort (Thema)

Tendenzeigenschaft eines Zoologischen Gartens

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein zoologischer Garten kann wissenschaftlichen Bestimmungen im Sinne des § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 1 BetrVG dienen, soweit er dazu bestimmt ist, Erkenntnisse über Tierbiologie zu gewinnen oder Methoden der Arterhaltung zu erforschen oder zu entwickeln. Das Halten von Wildtieren oder die Arterhaltung für sich allein stellen als Aufgaben des Zoos keine wissenschaftliche Bestimmung im Sinne von § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 1 BetrVG dar.

2. Dagegen dient ein Zoo nicht erzieherischen Bestimmungen im Sinne des § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 1 BetrVG, soweit er naturwissenschaftliche Kenntnisse durch Beschriftungstafeln, Broschüren, Wegweiser, Führungen, Vorträge, Zeitschriften und die Art der Präsentation der Tiere bei der Bevölkerung verbreitet oder vertieft.

3. Ob ein Mischunternehmen überwiegend tendenzgeschützten Bestimmungen im Sinne des § 118 Abs 1 Satz 1 BetrVG dient, richtet sich danach, in welchem Umfang das Unternehmen seine personellen und sonstigen Mittel zur Verwirklichung seiner tendenzgeschützten und seiner anderen Ziele einsetzt. Bei personalintensiven Unternehmen ist in erster Linie auf den Personaleinsatz abzustellen und zu prüfen, ob mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit des Personals zur Tendenzverwirklichung eingesetzt wird. Dabei kommt es nicht allein auf die Arbeitszeit der eigentlichen Tendenzträger an, sondern auf die Arbeitszeit aller Arbeitnehmer, die an der Tendenzverwirklichung mitwirken.

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 23.10.1986; Aktenzeichen 8 TaBV 25/86)

ArbG Köln (Entscheidung vom 06.03.1986; Aktenzeichen 8 BV 120/85)

 

Gründe

A. Die Antragstellerin begehrt gegenüber dem bei ihr bestehenden Betriebsrat (Beteiligten zu 2) die Feststellung, der von ihr betriebene Zoologische Garten genieße Tendenzschutz im Sinne des § 118 Abs. 1 BetrVG mit der Folge, daß ein Wirtschaftsausschuß nicht zu bilden sei.

Die Antragstellerin ist in Form einer Aktiengesellschaft organisiert. 90 Prozent des Aktienkapitals hält die Stadt K. Die Stadt K subventioniert den von der Antragstellerin betriebenen zoologischen Garten zu 60 Prozent aus ihrem Kulturetat. Der Gesamtetat der Antragstellerin beträgt etwa 10.000.000 DM im Jahr. Hiervon entfallen etwa 55 Prozent auf Personalkosten, 22 Prozent auf Energie und Wasser, 10 Prozent auf Instandhaltungskosten, 7 - 8 Prozent auf Futtermittel, der Rest auf sonstige Ausgaben. Bei der Antragstellerin sind insgesamt regelmäßig 120 - 125 Arbeitnehmer tätig, darunter - neben ihrem Vorstand und einem Tierarzt - fünf wissenschaftlich ausgebildete Mitarbeiter und 65 - 70 Tierpfleger. Die übrigen Mitarbeiter sind Handwerker, Gärtner, Verwaltungs- und Kassenpersonal.

Gegenstand und Zweck der Antragstellerin sind in § 2 Abs. 1 ihrer Satzung wie folgt beschrieben:

"Gegenstand und Zweck der Gesellschaft ist die

Anlage und der Betrieb eines Zoologischen Gartens

in K . Die Gesellschaft hat es sich insbesondere

zur Aufgabe gemacht, die im Zoologischen Garten K

lebenden Tiere nach dem neuesten Stand tiergärt-

nerischer Kenntnisse zu halten, hierdurch einen Bei-

trag zur Erhaltung der Tierwelt unserer Erde zu

leisten, wissenschaftliche Forschung auf dem Gebiet

der Zoologie zu fördern und naturwissenschaftliche

Kenntnisse in allen Bevölkerungskreisen zu verbrei-

ten und zu vertiefen."

Gemäß § 3 Abs. 1 der Satzung ist die Antragstellerin selbst ein "gemeinnütziges Unternehmen, das ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dient". Steuerlich ist sie wegen ihrer Volksbildungsarbeit als gemeinnützig anerkannt worden. Dividenden werden von ihr nicht ausgeschüttet. Etwaige Bilanzgewinne sind gemäß § 22 Abs. 3 der Satzung entweder zur Erhöhung der Rücklagen zu verwenden oder gemeinnützigen Zwecken zuzuführen.

Der Vorstand der Antragstellerin ist Mitglied im Verband Deutscher Zoodirektoren. Dieser Verband nimmt nicht Zoologische Gärten oder Unternehmen als Mitglieder auf, sondern nur die Leiter wissenschaftlich geleiteter Zoologischer Gärten. Leiter von auf Gewinnstreben ausgerichteten Zoos können in diesem Verband nicht Mitglied werden. Die Antragstellerin bekennt sich zur Deklaration dieses Verbandes aus dem Jahre 1977, in der es u. a. heißt:

"Zoologische Gärten sind gemeinnützige, nach

wissenschaftlichen Grundsätzen geleitete Kul-

turinstitute. Sie dienen der Erholung, vor allem

aber der naturkundlichen, speziell tierkundli-

chen Bildung. Sie befassen sich mit der Haltung

von Wildtieren der verschiedenen Faunenbereiche

und der Erhaltung ihrer Arten. Die dazu erfor-

derliche wissenschaftliche Arbeit gilt insbeson-

dere der Biologie, Ernährung, Zucht, den Krankhei-

ten und anderen Themen der Tiergartenbiologie."

Der im Ansatz auf einen repräsentativen Querschnitt durch die Tierwelt ausgerichtete Tierbestand des Zoologischen Gartens K ist in den letzten beiden Jahrzehnten unter Artenschutzgesichtspunkten geändert worden; die Artenzahl ist um 38 Prozent verringert worden. 71 Prozent der im Zoo gehaltenen Säugerarten sind durch die Anhänge des Washingtoner Artenschutzabkommens, die Bundesartenschutzverordnung oder die Wildschutzverordnung als "besonders geschützt" eingestuft; darin enthalten sind zu 57 Prozent aller im Zoo gehaltenen Säugetierarten solche, die als "vom Aussterben bedroht" eingeordnet sind. 53 Prozent der gehaltenen Vogelarten im Zoo sind ebenfalls als "besonders geschützt" bzw. als "vom Aussterben bedroht" eingestuft. Ein besonderer Schwerpunkt der Betätigung im Zoo liegt im Artenschutz und der Arterhaltung. Seit den sechziger Jahren hat sich der Zoo auf Primaten spezialisiert und dabei ein besonderes Schwergewicht auf Lemuren, südamerikanische Affen und Menschenaffen gelegt. Die Bemühungen der Antragstellerin um die Erhaltungszucht von Primaten sind wissenschaftlich international anerkannt. Durch Haltung und Zucht bestimmter Tierarten beteiligt sich der Zoo an Wiederausbürgerungsprojekten des World Wildlife Fund (WWF). Bei etwa 17 Tierarten ist dem Zoo die Erstnachzucht gelungen.

Die fünf wissenschaftlichen Mitarbeiter des Zoos sind wie folgt eingesetzt: Frau H als Kuratorin für Primaten, Herr Dr. W. K als Kurator für Vögel und Säuger, Frau Dr. W. Z als Kuratorin für Säuger, Herr H. J als Leiter des Aquariums, Herr M. F als Leiter des Insektariums. Der Vorstand, der Tierarzt und die wissenschaftlichen Mitarbeiter haben in der Vergangenheit und Gegenwart zahlreiche wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht und wissenschaftliche Vorträge gehalten. Der Zoo gibt die "Zeitschrift des Zoo" als eine international anerkannte Fachzeitschrift heraus.

Der Zoo wird im Jahresdurchschnitt von 1,5 bis 2 Millionen Menschen besucht. Ihnen versucht er einen Querschnitt durch die Tierwelt der Erde anzubieten und durch Beschriftungstafeln, Broschüren, Wegweiser, Führungen, Vorträge und Ausstellungen Informationen über die Biologie des Tieres und über biologische Zusammenhänge zu vermitteln. Ihm ist eine sogenannte Zooschule angegliedert. Hierfür stellt das Land Nordrhein-Westfalen sechs ausgebildete Biologielehrer (Sekundarstufe II) zur Verfügung, die ihrerseits vom Vorstand der Antragstellerin in zwei ganzwöchigen Seminaren im Zoo für ihre Aufgabe ausgebildet worden sind; an der Auswahl der Zooschullehrer war die Antragstellerin beteiligt. Themen und Lehrinhalte des Unterrichts in der Zooschule werden durch den im Zoo vorhandenen Tierbestand bestimmt. Im Jahre 1984 ist die Zooschule von 528 Klassen mit zusammen etwa 13.760 Schülern besucht worden, die dort sogenannten zoopädagogischen Unterricht erhalten haben. Der Zoologische Garten K selbst ist im Rahmen des allgemeinen Schulunterrichts im Jahre 1983 von insgesamt 81.859 Schülern in Klassenverbänden besucht worden. Die Schüler haben freien Eintritt.

Das Arbeitsgericht K hat in seiner rechtskräftigen Entscheidung vom 21. Januar 1954 - BV Ca 32/53 - den Zoologischen Garten K als Tendenzbetrieb im Sinne der damaligen Bestimmung des § 81 BetrVG 1952 anerkannt. Der aus fünf Personen bestehende Betriebsrat der Zoologischen Garten AG (Beteiligter zu 2) teilte der Antragstellerin in seinem Schreiben vom 4. Februar 1985 seinen Beschluß, einen Wirtschaftsausschuß zu errichten, und die Namen der darin zu entsendenden Arbeitnehmer mit. Nachdem die Antragstellerin mit arbeitsrechtlichen Gegenmaßnahmen (Gehaltskürzungen für Arbeitsversäumnisse durch Betätigung im Wirtschaftsausschuß) mit der Begründung gedroht hatte, ein Wirtschaftsausschuß sei nicht zu bilden, weil sie ein Tendenzunternehmen betreibe, kam es auf Betreiben des beteiligten Betriebsrats zu einem Beschlußverfahren vor dem Arbeitsgericht. In seinem nicht rechtskräftig gewordenen Beschluß vom 7. August 1985 (- 10 BV 26/85 -) untersagte das Arbeitsgericht der Antragstellerin, die Tätigkeit des Betriebsrates durch die Androhung und Vornahme von Lohn- und Gehaltskürzungen gegenüber Mitgliedern des Wirtschaftsausschusses zu behindern. Vor einer sodann angerufenen Einigungsstelle verständigten sich die Antragstellerin und der beteiligte Betriebsrat dahingehend, daß die Geschäftsleitung der Antragstellerin dem Wirtschaftsausschuß die Rechte gemäß den §§ 106 - 109 BetrVG bis zu einer rechtskräftigen, die Tendenzeigenschaft der Zoologischen Garten AG gemäß § 118 BetrVG bejahenden Entscheidung in dem inzwischen anhängig gemachten, vorliegenden Verfahren oder einem anderen Verfahren zugestehe. Daraufhin wurde das Verfahren 10 BV 26/85 beigelegt.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, der Zoo stelle einen Tendenzbetrieb dar, so daß ein Wirtschaftsausschuß nicht zu bilden sei. Sie hat geltend gemacht: Der Zoo diene unmittelbar und überwiegend wissenschaftlichen und erzieherischen Bestimmungen. Neben Herrn Prof. Dr. N als Vorstand und Leiter des Zoologischen Gartens und dem Tierarzt arbeiteten die fünf wissenschaftlich ausgebildeten Mitarbeiter wissenschaftlich. Von den vier satzungsgemäßen Aufgaben Edukation, Forschung, Arterhaltung und Erholung sei diejenige der Arterhaltung heute bereits angesichts der fortschreitenden Zerstörung des natürlichen Lebensumfeldes der Tierwelt die wichtigste. Hierbei handele es sich um eine wissenschaftliche Aufgabe. Die zur Erhaltung des Gen-Potentials und Gen-Pools und die zur erfolgreichen Haltung und Nachzucht erforderlichen Methoden müßten im Zoo selbst wissenschaftlich forschend entwickelt werden. Die Tiergartenbiologie habe sich als eigenständige Forschungsdisziplin etabliert.

Die wissenschaftlichen Mitarbeiter seien forschend und damit wissenschaftlich tätig. Sie wendeten anderweitig gewonnene wissenschaftliche Erkenntnisse nicht nur an, sondern gewönnen selbst neue hinzu. Sie seien nicht derart mit Verwaltungsaufgaben überlastet, daß sie zur wissenschaftlichen Betätigung keine Zeit mehr fänden. Die Verwaltungsaufgaben beschränkten sich auf die Diensteinteilung, die Kontrolle der Arbeit der Tierpfleger, den jährlichen Urlaubsplan und ähnliche Verwaltungsdinge.

Der Zoologische Garten diene auch erzieherischen Bestimmungen. Die Vermittlung der Begegnung des Menschen mit dem Tier und die begleitenden Informationen über Biologie und Umwelt stellten kulturelle Bildungsaufgaben dar, die einen erzieherischen Zweck im Sinne von § 118 Abs. 1 BetrVG beinhalteten. Erzieherischen Zwecken im Sinne des § 118 BetrVG dienten nicht nur klassische Privatschulen, sondern hierunter falle auch die Zwecksetzung der Antragstellerin.

Den wissenschaftlichen und erzieherischen Bestimmungen diene der Zoologische Garten auch unmittelbar und überwiegend. Die durch das Erscheinungsbild der Tiermenagerien der Jahrhundertwende geprägte Auffassung, der Zoo diene überwiegend der Erholung und Belustigung der Bevölkerung, sei veraltet. Bedrohte Wildtiere nur zum Zwecke der Zurschaustellung einzuführen, sei nach dem Washingtoner Artenschutzabkommen nicht mehr zulässig. Eine auf den Zweck der Arterhaltung ausgerichtete Führung des Zoologischen Gartens nehme dagegen in vielerlei Hinsicht auf Gesichtspunkte des Publikumsgeschmacks keine Rücksicht.

Die Antragstellerin hat beantragt

festzustellen, daß die Antragstellerin ein

Tendenzbetrieb im Sinne des § 118 Abs. 1

BetrVG ist und der Antragsgegner demzufolge

nicht berechtigt ist, einen Wirtschaftsaus-

schuß gemäß §§ 106, 107 BetrVG zu bilden.

Der beteiligte Betriebsrat hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er ist der Meinung, unmittelbar und überwiegend diene der Zoologische Garten weder wissenschaftlichen noch erzieherischen Bestimmungen im Sinne des § 118 Abs. 1 BetrVG und hat entgegnet: Die zahlreichen Verdienste der Antragstellerin auf dem Gebiet der Arterhaltung und der Tiergartenbiologie seien anzuerkennen und zu respektieren. Diese Verdienste änderten aber nichts daran, daß die Antragstellerin nicht unmittelbar und überwiegend wissenschaftlichen oder erzieherischen Zwecken diene, sondern die Erholung und die Freizeitgestaltung der Bevölkerung im Vordergrund stehe. Zu den wissenschaftlichen Mitarbeitern sei der Vorstand nicht zu zählen, weil er nicht Arbeitnehmer sei. Der Tierarzt arbeite ebenfalls nicht wissenschaftlich. Die übrigen fünf wissenschaftlichen Mitarbeiter hätten bei ihrer Überlastung durch Verwaltungsaufgaben überhaupt keine hinreichende Zeit, selbständig forschend und damit wissenschaftlich tätig zu sein, sondern müßten sich zu 90 Prozent ihrer Tätigkeit bei der Arterhaltung darauf beschränken, anderweitig gewonnene, vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse lediglich für die Arterhaltung der Tiere anzuwenden. Stelle man nicht auf die Zahl der Tierarten, sondern auf die Zahl der Tierindividuen ab, so sei der Prozentsatz der als "bedroht" zu bezeichnenden Arten weitaus geringer als die - bezogen auf Säugetierarten unstreitigen - 57 Prozent.

Das Unternehmen der Antragstellerin diene auch nicht erzieherischen Zwecken. Solchen Zwecken im Sinne des § 118 BetrVG könnten nur Einrichtungen dienen, die man als Privatschulen bezeichnen könne. Überdies betreibe die Antragstellerin die Zooschule auch nicht mit eigenem Personal, sondern mit Lehrern des Landes Nordrhein-Westfalen.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des beteiligten Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des beteiligten Betriebsrats gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde hat das Bundesarbeitsgericht die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit ihr erstrebt der beteiligte Betriebsrat weiterhin die Zurückweisung des Antrags der Antragstellerin, während die Antragstellerin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Es bedarf noch näherer tatsächlicher Feststellungen zu der Frage, ob das Unternehmen der Antragstellerin unmittelbar und überwiegend wissenschaftlichen Bestimmungen dient.

I. Wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, steht die Rechtskraft der Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln vom 21. April 1954 - BV Ca 32/53 -, wonach der Zoologische Garten der Antragstellerin ein Tendenzbetrieb ist, weil er erzieherischen und wissenschaftlichen Bestimmungen diene, einer erneuten Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht entgegen. Die rechtskräftige Entscheidung ist zu § 81 BetrVG 1952 ergangen. Diese gesetzliche Bestimmung gilt nicht mehr. An ihre Stelle ist § 118 Abs. 1 des am 16. Januar 1972 in Kraft getretenen Betriebsverfassungsgesetzes 1972 getreten. § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG 1972 setzt gegenüber § 81 BetrVG 1952 zusätzlich voraus, daß das Unternehmen bzw. der Betrieb den in § 118 Abs. 1 Satz 1 genannten Zwecken und Bestimmungen "unmittelbar" und "überwiegend" dienen muß. Der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist deshalb ein anderer als der, der der rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln vom 21. April 1954 zugrunde lag.

II. In der Sache selbst ist das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, der Zoologische Garten der Antragstellerin diene unmittelbar und überwiegend erzieherischen und wissenschaftlichen Bestimmungen im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG, so daß gemäß § 118 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ein Wirtschaftsausschuß nicht zu bilden sei. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten jedoch einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, der Zoologische Garten der Antragstellerin diene erzieherischen Bestimmungen, vermag der Senat ihm nicht zu folgen.

Einer erzieherischen Bestimmung im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG wird dann gedient, wenn durch planmäßige und methodische Unterweisung in einer Mehrzahl allgemeinbildender oder berufsbildender Fächer die Persönlichkeit des Menschen geformt werden soll (BAG Beschluß vom 13. Januar 1987 - 1 ABR 49/85 - AP Nr. 33 zu § 118 BetrVG 1972, zu B II 1 a der Gründe; BAG Beschluß vom 14. April 1988 - 6 ABR 36/86 -, zur Veröffentlichung vorgesehen, unter B II 1 der Gründe). Nicht nur Schulen oder Berufsausbildungsstätten können "erzieherischen Bestimmungen" im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG dienen. Dies kann auch bei anderen Einrichtungen, die die Bezeichnung Schule oder Berufsausbildungsstätte nicht verdienen, der Fall sein. Entscheidend ist, daß überhaupt Erziehung stattfinden soll. Erziehung im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kann aber, abgesehen von Methoden und Zielen, nur dann stattfinden, wenn sie mit einer gewissen Nachhaltigkeit gegenüber dem einzelnen zu erziehenden Menschen vorgenommen wird. Bei einer Schule im herkömmlichen Sinn ergibt sich die Nachhaltigkeit schon daraus, daß der Schulbesuch in der Regel auf Jahre, zumindest aber auf ein Jahr angelegt ist. Die auf Stunden oder wenige Tage beschränkte einmalige Vermittlung von Eindrücken, etwa über die Tierwelt oder die Biologie von Tieren oder ähnliches, wie sie bei einem Zoobesuch von den Besuchern oder bei einem Vortrag von Zuhörern aufgenommen werden können, ist dagegen nicht als "erzieherisch" zu werten. Denn Erziehung muß immer auf die Entfaltung der Persönlichkeit des Menschen gerichtet sein und auf seine Entwicklung zu einem Glied der menschlichen Gesellschaft (vgl. BAG Beschluß vom 13. Januar 1987 - 1 ABR 49/85 - AP Nr. 33 zu § 118 BetrVG 1972, unter B II 1 a der Gründe). Das aber ist durch kurze Eindrücke, die mehr oder weniger auf Stunden beschränkt sind, nicht erreichbar, sondern bedarf einer längerwährenden Einwirkungsmöglichkeit auf den zu erziehenden Menschen (vgl. auch Oldenburg, NZA 1989, 412, 414).

Es genügt deshalb entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts zur Annahme einer erzieherischen Bestimmung nicht, daß die Antragstellerin es sich nach ihrer Satzung zur Aufgabe gemacht hat, naturwissenschaftliche Kenntnisse in allen Bevölkerungskreisen zu verbreiten, und sie sich dazu verschiedener Mittel wie Beschriftungstafeln, Broschüren, Zeitschriften, Vorträgen, Führungen und der Art der Präsentation der Tiere bedient. Es fehlt an der für das Merkmal des Erzieherischen erforderlichen, oben näher umschriebenen Nachhaltigkeit der Einwirkung auf die Persönlichkeitsentwicklung des einzelnen Zoobesuchers oder Vortragszuhörers.

Diese Erwägungen treffen gleichermaßen auch auf die sogenannte Zooschule zu. Im übrigen ist die Zooschule gar nicht Teil des Betriebs oder des Unternehmens der Antragstellerin. Die in der Zooschule beschäftigten Lehrer sind Bedienstete des Landes Nordrhein-Westfalen; sie unterliegen auch nicht dem Weisungsrecht der Antragstellerin. Der Einfluß der Antragstellerin auf die Zooschule beschränkt sich darauf, daß sie bei der Auswahl der ausgebildeten Biologielehrer mitgewirkt und sie in zwei ganzwöchigen Seminaren vorbereitet hat, daß sie für die Schule Räume zur Verfügung stellt und daß zum Zwecke von Demonstrationen auf den im Zoo vorhandenen Tierbestand zurückgegriffen werden kann. Das aber genügt nicht zu der Annahme, die Antragstellerin betreibe die Zooschule. Vielmehr beschränkt sich die Antragstellerin darauf, den Betrieb der Zooschule zu fördern.

Hiernach läßt sich die Tendenzeigenschaft des Unternehmens der Antragstellerin nicht auf eine erzieherische Bestimmung stützen.

2. Damit kommt es für die Frage der Tendenzeigenschaft des Unternehmens der Antragstellerin allein darauf an, ob der zoologische Garten unmittelbar und überwiegend wissenschaftlichen Bestimmungen dient. Andere Zwecke, denen der Betrieb des zoologischen Gartens nach der Satzung der Antragstellerin ebenfalls dienen soll, begründen keine Tendenzeigenschaft im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Das gilt namentlich für die satzungsmäßige Aufgabe, die in dem zoologischen Garten lebenden Tiere nach dem neuesten Stand tiergärtnerischer Kenntnisse zu halten und hierdurch einen Beitrag zur Erhaltung der Tierwelt unserer Erde zu leisten. Dies ist zwar eine bedeutende, im übergreifenden Sinne kulturelle und für die Erhaltung der Fauna der Welt unausweichliche Aufgabe, der die Antragstellerin unbestritten mit anerkanntem Erfolg nachkommt. Sie unterliegt aber als solche nicht dem Tendenzschutz in der geltenden Fassung des § 118 Abs. 1 BetrVG. Ebensowenig vermag die Gemeinnützigkeit des Unternehmens der Antragstellerin die Tendenzeigenschaft zu begründen. Auch die Gemeinnützigkeit gehört nicht zu den von der genannten Vorschrift geschützten Bestimmungen.

a) Bei der Prüfung, ob der Zoologische Garten der Antragstellerin wissenschaftlichen Bestimmungen im Sinne von § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG dient, ist das Landesarbeitsgericht zutreffend von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ausgegangen. Denn mit der Regelung in § 118 Abs. 1 BetrVG sollte ein Ausgleich zwischen dem Sozialstaatsprinzip und den verfassungsrechtlich verbürgten Freiheitsrechten der Tendenzträger gefunden werden (Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung, zu BT-Drucksache VI/2729, S. 17; BAG Urteil vom 22. April 1975 - 1 AZR 604/73 - AP Nr. 2 zu § 118 BetrVG 1972, zu 2 der Gründe). Nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG sind Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre frei. Das Bundesverfassungsgericht definiert als Wissenschaft "alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist"; dies folge "unmittelbar aus der prinzipiellen Unabgeschlossenheit jeglicher wissenschaftlichen Erkenntnis" (BVerfGE 35, 79, 113). Dabei betont das Bundesverfassungsgericht zugleich, daß Art. 5 Abs. 3 GG nicht eine bestimmte Auffassung von der Wissenschaft oder eine bestimmte Wissenschaftstheorie schützen wolle.

Bei diesem umfassenden Wissenschaftsbegriff ist es unerheblich, ob es sich um grundlagen- oder anwendungsorientierte Forschung handelt. Eine an die angewandte Forschung anknüpfende Weiterentwicklung gehört ebenfalls zur Wissenschaft im umfassenden Sinne. Die Grenze ist dort zu ziehen, wo es sich nur noch um die bloße Anwendung erreichter wissenschaftlicher Erkenntnisse ohne eigenes Streben nach neuen Erkenntnissen handelt. Auch dies hat das Landesarbeitsgericht richtig erkannt. Solange bereits bekannte wissenschaftliche Methoden bei ihrer Anwendung nach Inhalt und Form ernsthaft und planmäßig im Sinne der Ermittlung der Wahrheit weiterentwickelt werden, handelt es sich immer noch um eine wissenschaftliche Betätigung. Werden jedoch bekannte Methoden lediglich angewendet, ohne daß versucht wird, sie unter dem Gesichtspunkt der Erforschung der Wahrheit planmäßig weiterzuentwickeln, so handelt es sich nicht mehr um Wissenschaft im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, sondern lediglich um Methodenanwendungen, für die Tendenzschutz nicht in Anspruch genommen werden kann.

Nach seiner in der Satzung zum Ausdruck gekommenen objektiven Zweckbestimmung kann das Unternehmen der Antragstellerin insoweit wissenschaftlichen Bestimmungen im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG dienen, als es dazu bestimmt ist, wissenschaftliche Erkenntnisse über Tierbiologie zu gewinnen oder aber selbst hinsichtlich der Arterhaltung, der Nachzucht, der Erhaltung von Gen-Pools und Gen-Potentialen - wenn auch an bekannte Forschungsergebnisse und wissenschaftliche Erkenntnisse anknüpfend - neue Methoden zu erforschen und zu entwickeln und diese zu verbreiten. Dem widerspricht entgegen der Auffassung des beteiligten Betriebsrats der Wortlaut der Beschreibung von Gegenstand und Zweck des Unternehmens der Antragstellerin in der Satzung nicht. Wenn dort von der "Förderung" der wissenschaftlichen Forschung auf dem Gebiet der Zoologie die Rede ist, könnte man bei einer bloßen Wortinterpretation zwar daran denken, daß der Zoologische Garten nicht selbst wissenschaftlichen Bestimmungen diene, sondern nur die Aufgabe habe, wissenschaftliche Bestrebungen anderer zu unterstützen, nämlich zu "fördern". Indessen wird dies der tatsächlichen Aufgabenstellung des Zoos, wie sie dem Grunde nach unwidersprochen von der Antragstellerin vorgetragen worden ist, nicht gerecht. Die Antragstellerin hat insoweit unwidersprochen vorgetragen, ihr zoologischer Garten sei auch dazu bestimmt, wissenschaftliche Methoden selbst zu entwickeln und wissenschaftliche Erkenntnisse der Tierbiologie zu gewinnen.

Gemessen hieran dient der Zoologische Garten wissenschaftlichen Bestimmungen insoweit, als er sich den soeben genannten Aufgaben widmet.

b) Der Tendenzschutz des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG setzt jedoch weiter voraus, daß das Unternehmen der Antragstellerin dieser wissenschaftlichen Bestimmung auch "unmittelbar" dient. Unmittelbarkeit im Sinne dieser Vorschrift bedeutet, daß das Unternehmen selbst dazu bestimmt sein muß, eine oder mehrere der dort genannten geistig-ideellen Zielsetzungen zu verwirklichen. Dagegen genügt eine nur wirtschaftliche Zielsetzung des Unternehmens dem gesetzlichen Erfordernis der Unmittelbarkeit auch dann nicht, wenn durch sie das eigentliche Tendenzunternehmen wirtschaftlich unterstützt werden soll (vgl. BAGE 27, 301, 308 = AP Nr. 3 zu § 118 BetrVG 1972, zu II 4 der Gründe). Ebensowenig genügt es, wenn solche geistig-ideellen Aufgaben lediglich dazu dienen, einen anderen, nicht tendenzgeschützten Unternehmenszweck zu fördern. So würde etwa ein Unternehmen, das pharmazeutische Produkte herstellt, auch dann nicht unmittelbar wissenschaftlichen Bestimmungen dienen, wenn es eine eigene Forschungsabteilung zur Entwicklung neuer und wirksamerer Heilmittel unterhält, um die Forschungsergebnisse der eigenen Produktion nutzbar zu machen und dadurch im marktwirtschaftlichen Wettbewerb bestehen zu können. Entscheidend ist die Ausrichtung des Unternehmens oder Betriebes auf die geistig-ideellen Aspekte seiner Erzeugnisse oder seiner Betätigung.

Demnach würde der zoologische Garten der Antragstellerin nicht unmittelbar wissenschaftlichen Bestimmungen gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG dienen, wenn und soweit wissenschaftliche Forschung nur betrieben wird, um den bei ihm vorhandenen Tierbestand nach zoobiologischen Grundsätzen zu halten oder zu erhalten. Ob dies der Fall ist, hängt davon ab, inwieweit Forschungsergebnisse über den Zoo hinaus verbreitet werden. Werden sie lediglich beschränkt auf das Unternehmen oder den Betrieb der Antragstellerin erarbeitet und nicht darüber hinaus verbreitet, so kann nicht angenommen werden, daß die Antragstellerin ihrerseits wissenschaftlichen Bestimmungen im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG unmittelbar dient. Denn in diesem Falle würden die wissenschaftlichen Bestrebungen nur den nicht unter Tendenzschutz stehenden Bestimmungen der Antragstellerin, nämlich der Haltung von Wildtieren nach tiergartenbiologischen Grundsätzen und der Arterhaltung dienen. Entsprechendes gilt für die Frage der Erforschung der Lebensweisen der gehaltenen Tiere. Indessen spricht die Tatsache, daß Forschungsergebnisse von der Antragstellerin - wenn auch nach Gegenstand und Umfang vom Landesarbeitsgericht nicht festgestellt - publiziert werden, dafür, daß die Antragstellerin insoweit unmittelbar wissenschaftlichen Bestimmungen im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG dient. Hierzu bedarf es jedoch noch näherer tatsächlicher Feststellungen.

c) Da es sich bei dem Unternehmen der Antragstellerin um ein Mischunternehmen handelt, das neben der wissenschaftlichen Betätigung auch andere, nicht von § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG erfaßte Zwecke verfolgt, kann die Antragstellerin Tendenzschutz nur in Anspruch nehmen, wenn die tendenzgeschützte wissenschaftliche Bestimmung überwiegt. Denn nach § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kommt der Tendenzschutz nur solchen Unternehmen oder Betrieben zugute, die den dort genannten geistig-ideellen Bestimmungen überwiegend dienen.

Das Landesarbeitsgericht hat das Tatbestandsmerkmal "überwiegend" hier als erfüllt angesehen, weil die tendenzgeschützten geistig-ideellen Bestimmungen dem Unternehmen der Antragstellerin das Gepräge gäben. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

Wenn das Landesarbeitsgericht auf das Gepräge des Unternehmens abstellt, so knüpft es damit an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu der - durch § 118 BetrVG 1972 abgelösten - Vorschrift des § 81 BetrVG 1952 an, die die Tatbestandsmerkmale "unmittelbar und überwiegend" nicht enthielt. Hierzu hatte das Bundesarbeitsgericht bei Mischunternehmen, die zugleich tendenzgeschützte und andere Zwecke verfolgen, für die Frage des Tendenzschutzes darauf abgestellt, welcher Zweck dem Unternehmen insgesamt das Gepräge gibt. Für die Feststellung des Gesamtgepräges wurde als entscheidend angesehen, wie sich das jeweilige Mischunternehmen darbietet, und zwar nicht nur dem verständigen Außenstehenden, sondern insbesondere allen, die an seinem betriebsverfassungsrechtlichen Leben teilnehmen, also auch der Belegschaft, den Gewerkschaften und den Arbeitgebervereinigungen. Das Gesamtgepräge wurde als qualitatives Merkmal verstanden. Quantitative Gesichtspunkte müßten bei der Beurteilung mehr in den Hintergrund treten. Auf Prozentzahlen von Umsatz und Ertrag sowie auf die Zahl der in den einzelnen Abteilungen beschäftigten Arbeitnehmer sollte es nur ankommen, wenn der "recht unbestimmte, gleichwohl aber nicht zu entbehrende, weil nicht zu ersetzende Begriff des Gesamtgepräges nicht ohne sie feststellbar" sei (so zuletzt noch BAGE 22, 360, 372 = AP Nr. 13 zu § 81 BetrVG, zu I 2 b der Gründe). Ein Überwiegen der den geistig-ideellen Zielen dienenden Tätigkeit gegenüber der tendenzfreien Tätigkeit des Unternehmens wurde für die Zuerkennung des Tendenzschutzes nach § 81 BetrVG 1952 nicht gefordert (BAGE 2, 91, 97 = AP Nr. 1 zu § 81 BetrVG, zu II e der Gründe).

Auf diese Rechtsprechung kann zur Auslegung des § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG 1972 nicht zurückgegriffen werden. Das in dieser Vorschrift enthaltene Merkmal "überwiegend" hat nach seinem Wortsinn eindeutig einen quantitativen Inhalt. Es bezieht sich auf eine meßbare Größe und bezeichnet eine Teilgröße, die mehr als die Hälfte der Gesamtgröße ausmacht. Mit der Einfügung des Merkmals "überwiegend" in den gesetzlichen Tendenzschutztatbestand hat der Gesetzgeber eine Korrektur der Geprägerechtsprechung zu § 81 BetrVG 1952 vorgenommen und den Tendenzschutz mit seinem Ausnahmecharakter an engere Voraussetzungen geknüpft. Zwar wird in dem Bericht des federführenden Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung über die Beratung des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 zur Einfügung der Tatbestandsmerkmale "unmittelbar und überwiegend" in die Tendenzschutzvorschrift ausgeführt, der Tendenzschutz solle auf Betriebe und Unternehmen beschränkt werden, deren unternehmerisches Gepräge von einer geistig-ideellen Aufgabe bestimmt werde (zu BT-Drucks. VI/2729, S. 17). Da aber das Wort "Gepräge" selbst nicht in den Gesetzestext aufgenommen worden ist, sondern stattdessen die Merkmale "unmittelbar und überwiegend", kann dies nur bedeuten, daß nach der Vorstellung des Gesetzgebers die geistig-ideelle Aufgabe dem Unternehmen oder Betrieb nur dann das Gepräge gibt, wenn dessen Tätigkeit überwiegend dieser Aufgabe unmittelbar dient. Darin liegt eine Abkehr von dem bis dahin qualitativ bestimmten Geprägebegriff. Maßgebend sind nunmehr quantitative Gesichtspunkte (so schon BAGE 27, 301, 307, 308 = AP Nr. 3 zu § 118 BetrVG 1972, zu II 3 und 4 der Gründe; offengelassen aber wieder in BAG Beschluß vom 9. Dezember 1975 - 1 ABR 37/74 - AP Nr. 7 zu § 118 BetrVG 1972, und in BAG Beschluß vom 15. Februar 1989 - 7 ABR 12/87 -, zur Veröffentlichung vorgesehen).

Soweit im Schrifttum ein qualitatives Verständnis des Tatbestandsmerkmals "überwiegend" im Sinne der früheren Geprägerechtsprechung befürwortet wird, weil nur dadurch dem Gesetzeszweck zuwiderlaufende Zufallsergebnisse vermieden würden (vgl. Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 118 Rz 30; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 118 Rz 46; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 118 Rz 11), vermag diese Auffassung nicht zu überzeugen. Sie widerspricht dem Sinn des Wortes "überwiegend" und dem mit der Einführung der Tatbestandsmerkmale "unmittelbar und überwiegend" in die Tendenzschutzregelung erkennbar verfolgten gesetzgeberischen Zweck, die Voraussetzungen des Tendenzschutzes gegenüber dem sehr unbestimmten Geprägebegriff näher zu präzisieren und den Anwendungsbereich des § 118 Abs. 1 BetrVG als einer Ausnahmevorschrift einzugrenzen. Den Gesetzeszweck des § 118 Abs. 1 BetrVG verfehlende Zufallsergebnisse lassen sich auch bei einem quantitativen Verständnis des Merkmals "überwiegend" vermeiden.

Ob ein Mischunternehmen überwiegend tendenzgeschützten Bestimmungen dient, richtet sich danach, in welchem Umfang und mit welcher Intensität das Unternehmen seine Tätigkeit diesen Zielen im Vergleich zu seinen anderen, nicht tendenzgeschützten Zielen widmet. Dies läßt sich allerdings anhand von Umsatz- oder Gewinnzahlen häufig nicht zuverlässig feststellen, weil diese vielfach von Zufälligkeiten abhängen und den Umfang der auf die verschiedenen Unternehmensziele entfallenden Aktivitäten des Unternehmens nicht richtig widerspiegeln. Bei gemeinnützigen, nicht auf Gewinnerzielung ausgerichteten Unternehmen wie der Antragstellerin scheiden Gewinnzahlen ohnehin für die Beurteilung aus. Ein geeigneter Maßstab zur Feststellung der überwiegenden Bestimmung eines Mischunternehmens ist nach Auffassung des Senats, in welcher Größenordnung das Unternehmen seine personellen und sonstigen Mittel zur Verwirklichung seiner tendenzgeschützten und seiner nicht tendenzgeschützten Ziele regelmäßig einsetzt.

Bei personalintensiven Unternehmen wie einem Zoologischen Garten ist in erster Linie auf den Personaleinsatz abzustellen. Dabei kommt es nicht auf die Zahl der Mitarbeiter an, die zur Verwirklichung der tendenzgeschützten und der nicht tendenzgeschützten Bestimmungen des Unternehmens eingesetzt werden, sondern auf die Arbeitszeitmenge, die regelmäßig zur Erreichung der verschiedenen Unternehmensziele verwendet wird. Wollte man auf die Zahl der Mitarbeiter abstellen, so ergäbe sich kein zutreffendes Bild des auf die einzelnen Unternehmensziele entfallenden Umfangs des Personaleinsatzes, wenn in dem Unternehmen auch Teilzeitkräfte beschäftigt werden oder wenn die einzelnen Mitarbeiter nicht jeweils nur für eines der Unternehmensziele, sondern für mehrere Unternehmensziele eingesetzt werden.

Zur Ermittlung des auf die tendenzgeschützten Bestimmungen des Unternehmens entfallenden Personaleinsatzes ist nicht nur auf die sogenannten Tendenzträger, also auf diejenigen Mitarbeiter abzustellen, deren Aufgabe es ist, selbst inhaltlich auf die Tendenzverwirklichung Einfluß zu nehmen. Vielmehr sind auch die übrigen Mitarbeiter einzubeziehen, soweit sie mit ihrer Arbeit der Verwirklichung der tendenzgeschützten Bestimmungen des Unternehmens dienen, etwa indem sie die technischen Voraussetzungen für die Tendenzverwirklichung schaffen (vgl. BAG Beschluß vom 9. Dezember 1975 - 1 ABR 37/74 - AP Nr. 7 zu § 118 BetrVG 1972).

Hiernach bedarf es für den vorliegenden Fall der Feststellung, in welchem Umfang die Arbeitszeit der Mitarbeiter der Antragstellerin für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung in Anspruch genommen wird und inwieweit sie auf andere, nicht tendenzgeschützte Bestimmungen des Unternehmens der Antragstellerin entfällt. Soweit das Personal der Antragstellerin zur gärtnerischen Gestaltung der Zooanlagen und zur Unterrichtung und Belehrung der Zoobesucher eingesetzt wird, dient diese Arbeit der angemessenen Präsentation des Tierbestandes gegenüber dem Publikum und nicht wissenschaftlichen Zwecken. Gleiches gilt für die Arbeit des Kassenpersonals. Soweit dagegen Tierpfleger beschäftigt werden, dient deren Arbeit nicht nur dem nicht tendenzgeschützten Zweck der Haltung und Zucht von Wildtieren nach tierbiologischen Grundsätzen, sondern schafft damit zugleich auch die Voraussetzungen für die Forschungstätigkeit der wissenschaftlich ausgebildeten Mitarbeiter der Antragstellerin. In welchem Umfang die Arbeit der Tierpfleger auch der wissenschaftlichen Forschung dient, wird das Landesarbeitsgericht notfalls in entsprechender Anwendung des § 287 ZP0 schätzen müssen. Hierzu bedarf es zunächst der Feststellung, welche der in dem Zoologischen Garten der Antragstellerin gehaltenen Tierarten überhaupt Gegenstand wissenschaftlicher Forschung der wissenschaftlich ausgebildeten Mitarbeiter sind. Ein weiterer Anhaltspunkt für den Umfang der Forschungszwecken dienenden Tätigkeit der Tierpfleger kann sich daraus ergeben, inwieweit die Arbeitszeit der wissenschaftlich ausgebildeten Mitarbeiter der Antragstellerin von wissenschaftlicher Forschungstätigkeit und inwieweit sie von anderen, nicht tendenzgeschützten Aufgaben in Anspruch genommen wird. Nur wenn festgestellt werden kann, daß die der wissenschaftlichen Forschung dienende Arbeitszeit mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit des Personals der Antragstellerin ausmacht, dient ihr Unternehmen überwiegend einer wissenschaftlichen Bestimmung.

Dr. Seidensticker Dr. Becker Schliemann

Ruppert Lappe

 

Fundstellen

Haufe-Index 441013

BAGE 62, 156-171 (LT1-3)

BAGE, 156

BB 1990, 920

BB 1990, 920-922 (LT1-3)

DB 1990, 794-795 (LT1-3)

BetrVG, (3) (LT1-3)

NZA 1990, 402-406 (LT1-3)

RdA 1990, 124

ZAP, EN-Nr 269/90 (S)

AP § 118 BetrVG 1972 (LT1-3), Nr 43

AR-Blattei, ES 1570 Nr 43 (LT1-3)

AR-Blattei, Tendenzbetrieb Entsch 43 (LT1-3)

ESLR 1, AR 1 (L)

EzA § 118 BetrVG 1972, Nr 49 (LT1-3)

MDR 1990, 575-576 (LT1-3)

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